Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2022, RV/7100022/2022

Rückforderung von Familienbeihilfe- und Kinderabsetzbeträgen mangels Haushaltszugehörigkeit der Kinder

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Kinder A. und B. für den Zeitraum vom bis zum , zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben, als der Rückforderungszeitraum auf die Monate September und Oktober 2020 eingeschränkt wird, bzw. der Rückforderungsbetrag nunmehr auf 1.469,60 Euro [(FB inklusive Erhöhungsbeträge gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 FLAG 1967 von 1236,00Euro sowie KAB von 233,60 Euro)] zu lauten hat.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für die Kinder A., geb. Jänner 2012, und B., geb. Februar 2015, bis Oktober 2020 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Am stellte der Kindesvater für die beiden Kinder einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Juli 2020, weil die Kinder nun bei ihm wohnen würden.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf. die für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) iVm § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) mit der Begründung zurück, dass die Bf. mit ihren Kindern nicht im gemeinsamen Haushalte lebe.

Die Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid mit Eingabe vom Beschwerde und brachte vor, dass es richtig sei, dass sie für ihre beiden mj. Kinder B. und A. die Familienbeihilfe im Zeitraum Juli 2020 bis Oktober 2020 bezogen habe. Der Bezug der Familienbeihilfe für diese Monate sei berechtigt. Sie habe gemeinsam mit ihren Kindern beim Kindesvater gelebt. Am - nach Absolvierung eines gemeinsamen Urlaubes - habe der Kindesvater sie aufgefordert, die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Nach kurzer Zeit sei sie dieser Aufforderung nachgekommen. Die beiden mj. Kinder seien im Haushalt des Vaters verblieben. Weil sie dem Kindesvater am € 474,00, am € 360,00 und am € 374,80, insgesamt also € 1.208,00, an Kindergeld und Familienbeihilfe weitergeleitet habe, sei der Rückforderungsbescheid zu Unrecht erlassen worden.

Beweis: angeschlossene Überweisungsbelege, PV, zeugenschaftliche Einvernahme des Kindesvaters Herrn ***3***.

In Anbetracht der aufgezeigten Sach- und Rechtslage sei im gegenständlichen Fall die Rückforderung unbillig.

Sie beantrage daher in Stattgebung der vorliegenden Beschwerde, den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass die Bf. laut Zentralem Melderegister seit keinen gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern A. Valentina und B. habe.

Die Familienbeihilfe sei daher völlig rechtens für den Zeitraum vom bis zum rückgefordert worden.

In Ihrer Beschwerdebegründung habe die Bf. ausgeführt, dass sie bis August 2020 im gemeinsamen Haushalt gelebt und die Familienbeihilfe ab September 2020 teilweise an den Kindesvater weitergeleitet habe.

Anspruch auf Familienbeihilfe habe nach § 2 Abs. 2 FLAG vorrangig die Person, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehöre, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trage, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt sei.

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 habe, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen habe, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergebe sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, seien nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend sei lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten habe (Verweis auf ; Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 26 Rz 3).

Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 sei derjenige verpflichtet, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen habe. Wie der Bezieher der Familienbeihilfe das Geld verwendet habe, sei ohne Bedeutung, auch wenn dieser dem Kindesvater die Familienbeihilfe weitergeleitet habe.

Demnach entbinde auch die Weitergabe der zu Unrecht bezogenen Beträge nicht von der zwingenden Rückzahlungsverpflichtung (Verweis auf , , , ).

Die Bf. habe seit keinen gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern.

Bezieher der Familienbeihilfe sei im Streitzeitraum ohne Zweifel die Bf. gewesen. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass sie damit einverstanden gewesen sei, die entsprechenden Beträge an den Kindesvater weiterzuleiten.

Die Bf. stellt mit Schreiben vom (eingelangt beim Finanzamt am ) ohne weitere Begründung einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht.

Mit Vorhalt vom wurde die Bf. vom Finanzamt um Vorlage von Nachweisen, dass sie im Juli und August des Jahres 2020 noch im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern und dem Kindesvater gelebt habe sowie um Nachweise eines im August 2020 gemeinsam verbrachten Urlaubs ersucht.

Mit Eingabe vom wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

Buchungsbestätigung, dass sich ***1***, ***3*** so wie deren Kinder A. und B. in der Zeit vom bis zum am Bauernhof X. gemeinsam auf Urlaub befunden haben

Zahlungsbestätigung vom - anteilige Miete - Betrag € 300,-

Zahlung vom - anteilige Miete - Betrag € 300, -

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs 1 lit. a FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört zum Haushalt einer Person ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Gemäß § 7 FLAG 1967 wird für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt.

Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 lit. b FLAG 1967 beträgt die Höhe der Familienbeihilfe ab für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet hat 121,9 €.

In diesem Zusammenhang sieht Absatz 3 Z 3 lit. a leg. cit. vor, dass sich ab die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind um 7,1 € erhöht, wenn sie für zwei Kinder gewährt wird.

Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 9 erster Satz FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für den September 2020 um eine Einmalzahlung von 360 € für jedes Kind.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 steht der Kinderabsetzbetrag einem Steuerpflichtigen zu, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird und ist § 26 FLAG 1967 auch für den Kinderabsetzbetrag anzuwenden.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 26 Rz 12 zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe, ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an (vgl. etwa ; ), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge (vgl. die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 26 Rz 13 zitierte Rechtsprechung). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa oder ).

Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).

Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten (), wobei der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe der Monat ist (§ 10 Abs. 2 und 4 FLAG). Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind ist damit ständig neu zu beurteilen und kann je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat variieren (siehe etwa ).

Da die Familienbeihilfe für einen Monat nicht geteilt werden kann und nur einmal pro Monat (§ 10 Abs. 4 FLAG) an eine einzige Person (§ 7 FLAG) gewährt werden kann, ist zu beurteilen, wer diese Person ist. Der Anspruch auf Familienbeihilfe setzt nämlich voraus, dass nicht jemand anderer zu deren Bezug berechtigt ist.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist.

Seit dem ist die Bf. mit einem in Dorf, befindlichen Hauptwohnsitz gemeldet (Unterkunftgeber ist der Ehemann der Bf.).

Das Bundesfinanzgericht nimmt auf Grund der von der Bf. vorgelegten Unterlagen (anteilige Bezahlung der Miete für Juli und August 2020 iHv je € 300,00, Bezahlung Urlaub für August 2020 € 925,00) als erwiesen an, dass - ungeachtet der an oberer Stelle ausführlich dargestellten Ergebnisse der ZMR Abfragen - die Haushaltszugehörigkeit der Bf. mit den beiden Kindern bis inklusive August 2020 als gegeben zu erachten war.

In teilweiser Abänderung des angefochtenen Bescheides sind daher die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge als für die Monate September und Oktober 2020 unrechtmäßig bezogen zurückzufordern.

Betreffend das weitere Vorbringen der Bf., wonach einer Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen schon ob nachgewiesener Weiterleitung der Geldbeträge an den Kindesvater für den im Bescheid ausgewiesenen Zeitraum zur Gänze der Boden entzogen sei, ist - schon um Wiederholungen zu vermeiden -, auf die diesbezüglichen zu den Themenpunkten "objektive Rückzahlungsverpflichtung sowie Weitergabe der Geldmittel an Dritte" erstatteten Ausführungen in der BVE vom zu verweisen.

In Ansehung der Tatsache, dass nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes die Weiterleitung der Geldmittel an Dritte keine Änderung in Bezug auf die Rückzahlungsverpflichtung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträgen herbeizuführen vermag, konnte auch von einer Einvernahme des Herrn ***3*** Abstand genommen werden

Zusammenfassend war wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem gegenständlichen Erkenntnis wurde nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfragen und sind daher keiner Revision zugänglich.

Wien, am

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