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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.12.2021, RV/7100301/2021

Familienbeihilfe - Rückwirkende Beantragung durch den Jugendwohlfahrtsträger bei Übertragung der Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , vertreten durch MA11 Kinder- u Jugendhilfe 13, 14, 15, Gasgasse 8-10/1/3, 1150 Wien, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Monate Juni 2020 und Juli 2020, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der mj. ***Bf1***, geb. 2004, befindet sich seit zur Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung in der sozialpädagogischen Einrichtung Wohngemeinschaft Caritas WG InGo, Grundsteingasse 63, 1160 Wien.

Die Wiener Kinder- und Jugendhilfe - Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15 brachte am , vertretend für den Bf., einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 FLAG rückwirkend ab ein.

Der Antrag wurde damit begründet, dass nach Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 62/20s die - auch rückwirkende -Antragstellung auf Zuerkennung der Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG in den Obsorgebereich der Pflege und Erziehung falle.

Das antragstellende Kind befinde sich seit in einer sozialpädagogischen Einrichtung im Rahmen der vollen Erziehung. Der Stadt Wien entstünden dadurch Kosten von mindestens EUR 80,00 täglich. Vom Vater des Kindes würden seit Antragsbegehren übergegangene Unterhalts- bzw. Kostenersatzbeträge (siehe Beilage) einlangen.

Dem Antrag waren folgende Nachweise angeschlossen:
schriftliche Vereinbarung über die Unterbringung des Kindes
Unterhalts-, bzw. Kostenersatztitel
Übergangsanzeigen
Auflistung der eingelangten Unterhalts-, bzw. Kostenersatzbeträge

Schreiben der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15, an KV vom :

"Ihr Sohn befindet sich seit in Pflege und Erziehung der Stadt Wien. Diese Unterbringung verursacht der Stadt Wien Kosten von monatlich EUR 2.800. Einen Teil dieser Kosten müssen auch Sie zahlen.
Die Höhe dieses Beitrages richtet sich nach der Höhe der Unterhaltsverpflichtung für Ihr Kind, die € 325,- monatlich beträgt.
Der Unterhaltsanspruch Ihres Kindes geht auf die Stadt Wien über. Das bedeutet, dass der Unterhalt, den Sie Ihrem Kind zahlen müssen, als Ersatz für die Kosten von der Stadt Wien verwendet wird (§§ 36,37 Wiener Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013)."

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom für den Zeitraum Juni 2020 bis August 2020 mit der Begründung ab, dass die Entscheidung des obersten Gerichtshofes vom nicht über die Familienbeihilfe für rückwirkenden Zeitraum abspreche. Für die Nachzahlung der Familienbeihilfe sei ein Nachweis über die Vermögensverwaltung erforderlich. Daher sei der Antragszeitraum von Juni bis August 2020 abzuweisen gewesen.

Gegen den Abweisungsbescheid wurde am folgende Beschwerde eingebracht:

"…Mit Mitteilung vom erfolgte neben dem vorliegenden Abweisungsbescheid die Bekanntgabe, dass die Familienbeihilfe ab September 2020 gewährt wird. Es liegt daher offenbar kein materieller Grund für den vorliegenden Abweisungsbescheid vor, sondern zieht die Behörde mit der oben wörtlich wiedergegebenen Begründung scheinbar die Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträgers in Zweifel bzw geht die Behörde scheinbar davon aus, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger nicht befugt sei, den Beschwerdeführer zu vertreten.

Vom datieren die Entscheidungen des OGH zu 6 Ob 62/20s sowie 6 Ob 50/20a.

Der Entscheidung 6 Ob 62/20s lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das Kind beantragte, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien, beim Finanzamt im Juli 2019 die Zuerkennung der Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG rückwirkend ab Februar 2019.

Das betreffende Kind befand sich ab in voller Erziehung der Stadt Wien. Parallel dazu wurde beim Pflegschaftsgericht vom Kinder- und Jugendhilfeträger Wien im Juli 2019 der Antrag gestellt, mit der Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung betraut zu werden. Das Erstgericht, Bezirksgereicht Fünfhaus, wies mit Beschluss vom diesen Antrag mit der Begründung ab, die Obsorge des Kinder- und Jugendhilfeträgers im Bereich Pflege und Erziehung reiche für eine Beantragung der Familienbeihilfe aus. Eine Differenzierung zwischen Zeiträumen vor und ab Antragstellung auf Familienbeihilfe wurde nicht vorgenommen. Der OGH bestätigte mit 6 Ob 62/20s letztlich diese Entscheidung. Auch vom OGH wurde keine Differenzierung zwischen Zeiträumen vor und ab Antragstellung auf Familienbeihilfe vorgenommen.

In 6 Ob 62/20s zieht der OGH für den Eigenanspruch nach § 6 Abs 5 FLAG zudem Parallelen zum Unterhaltsanspruch des Kindes und verweist in Bezug auf die Vertretungsbefugnis auf 8 Ob 99/12k.

Dieser Entscheidung lag ein im Juli 2011 eingebrachter Unterhaltsbemessungsantrag zugrunde, mit dem das Kind rückwirkend ab den Zuspruch erhöhter Unterhaltsbeträge angestrebt hat.

Auch in dieser Entscheidung wurde für die Vertretungsbefugnis nicht zwischen rückwirkenden Begehren und laufenden Begehren unterschieden und erkannt, dass die Vertretungsbefugnis im Unterhaltsbereich jenem Elternteil zukommt, der mit Pflege und Erziehung betraut ist.

In der Entscheidung 6 Ob 50/20a schließlich ist der OGH der Rechtsauffassung des dortigen Revisionsrekurswerbers, für den rückwirkenden Teil des Unterhaltsbemessungsantrages sei die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung nicht ausreichend, sondern sei dafür die Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung erforderlich, entgegen getreten und hat ausdrücklich ausgesprochen, dass auch für den rückwirkenden Teil des Unterhaltsbegehrens die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung die entsprechende Grundlage bietet.

Im Zusammenwirken der drei genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (8Ob 99/12k; 6 Ob 62/20s; 6 Ob 50/20a), die in RIS-Justiz RS0128525 zusammengefasst sind, ergibt sich daher eindeutig, dass die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung ausreicht, um das Kind im Verfahren auf Zuerkennung der Familienbeihilfe zu vertreten, unabhängig davon, ob der Antrag nur die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Antragstellung oder auch für rückwirkende Zeiträume anstrebt.

Der Kinder- und Jugendhilfeträger Wien ist im vorliegenden Fall mit der Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung betreffend den Beschwerdeführer betraut, was auch von der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde nicht bezweifelt wird. Dies legitimiert den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien entsprechend der obgenannten Rechtsprechung des OGH zur Antragstellung auf Familienbeihilfe sowohl für laufende als auch für rückwirkende Zeiträume.

Gerade bei der Antragstellung auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs 5 FLAG ist es geradezu typisch, dass nicht nur die Familienbeihilfe ab Antragstellung begehrt wird, sondern auch für einen gewissen rückwirkenden Zeitraum. Bei Übernahme des Kindes in volle Erziehung müssen nämlich die anspruchsbegründenden Umstände vor einer Antragstellung auf Gewährung der Familienbeihilfe erst abgeklärt werden. Dafür müssen etwa Nachweise über allfälliges Eigeneinkommen des Kindes beschafft werden oder es muss erst abgewartet werden, ob die Eltern ihre Unterhaltsverpflichtungen halbwegs regelmäßig erfüllen, damit der anspruchsbegründende Tatbestand erfüllt ist, dass sich das Kind nicht zur Gänze auf Kosten des Kinder- und Jugendhilfeträgers in voller Erziehung befindet. In einer solchen Situation hinsichtlich der Vertretungsbefugnis danach zu differenzieren, ob der Antrag nur laufende Perioden ab Antragstellung oder in gewissem Umfang auch - von der Antragstellung her betrachtet -rückwirkende Perioden betrifft, steht einerseits nicht im Einklang mit der genannten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und steht andererseits auch den praktischen Bedürfnissen an einer einheitlichen Zuordnung der Vertretungsbefugnis und damit einer raschen Abwicklung ohne zwingenden Grund entgegen.

Der Beschwerdeführer, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien (Regionalstelle Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15), stellt daher den ANTRAG, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Familienbeihilfe auch für den Zeitraum Juni 2020 bis August 2020 gewährt wird."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Ihre Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des Bescheides vom wird folgendermaßen geändert:

Ihr Antrag auf Familienbeihilfe vom wird für den Zeitraum von Juni 2020 bis Juli 2020 zurückgewiesen.

Betreffend den Monat August 2020 wird der Bescheid gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben.

Begründung:

Sachverhalt:

Sie befinden sich seit Mai 2020 in voller Erziehung der Stadt Wien und sind in einer sozialpädagogischen Einrichtung Fremduntergebracht. Dem Jugendwohlfahrtsträger wurde mit Vereinbarung vom die Vertretung im Bereich der Pflege und Erziehung übertragen, jedoch nicht im Bereich der Vermögensverwaltung.

Ihr Eigenantrag wurde mit Bescheid vom für den Zeitraum von Juni 2020 bis August 2020 abgewiesen.

Gesetzliche Grundlagen:

Nach § 6 Abs. 5 haben Kinder einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe unter denselben Voraussetzungen unter denen ein Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§6 Abs. 1 bis 3):

• sofern ihre Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und
• ihr Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder des Wohnbedarfs getragen wird.

Würdigung:

Gemäß der höchstgerichtlichen Entscheidung des () ist die Geltendmachung eines Familienbeihilfeanspruches dem Bereich der Geltendmachung von unterhaltsrechtlichen Ansprüchen zuzuordnen. Dies ergibt sich (nach Rechtsansicht der Fachabteilung für Familienbeihilfe) auch aus den primären Zielsetzungen des FLAG 1967 gemäß welcher Unterhaltskosten, die durch die Betreuung und Versorgung von Kindern entstehen, ausgeglichen und der Mindestunterhalt des Kindes sichergestellt werden soll.

In Fällen einer der Fremdunterbringung im Rahmen der vollen Erziehung (Kinderschutzmaßnahme), verfügt der Kinder- und Jugendhilfeträger über die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung.

Entsprechend der vorliegenden OGH Entscheidung und nach Rechtsansicht des Justizressorts sowie des BKA fällt die Geltendmachung von Familienbeihilfebeträgen für vergangene Zeiträume nicht in den Bereich der Pflege und Erziehung, da sich diese nicht auf aktuelle Lebensbedürfnisse bezieht. Vielmehr würde dies die Geltendmachung von Vermögensbestandteilen bedeuten, die durch die einmalige rückwirkende Auszahlung zu einem Ertrag und Bildung von Stammvermögen des Kindes führen.

Nach Rechtsansicht des Justizressorts sind Kinder- und Jugendhilfeträger, welche nur über eine Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung verfügen, nicht legitimiert, einen rückwirkenden Antrag auf Familienbeihilfe für vergangene Zeiträume zu stellen. Für die Antragstellung und Geltendmachung der Familienbeihilfe durch den Kinder- und Jugendhilfeträger für vergangene Zeiträume müsste somit auch eine Obsorgeübertragung auf den Kinder- und Jugendhilfeträger im Bereich der Vermögensverwaltung vorhanden sein.

Da keine Übertragung im Bereich der Vermögensverwaltung vorliegt, ist Ihre Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Der Bf. stellte am (eingelangt beim Finanzamt am ) einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht. Die Einwendungen sind im Wesentlichen ident mit dem Beschwerdevorbringen vom .

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der mj. ***1*** ***2***, geb. am ***3*** 2004, befindet sich seit in Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung in der sozialpädagogischen Einrichtung Wohn-gemeinschaft Caritas WG InGo Grundsteingasse 63, 1160 Wien.

Strittig ist, ob der Jugendwohlfahrtsträger, dem die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung für den mj. Bf übertragen wurde, befugt ist, für den Bf. einen (Eigen)Antrag auf Familienbeihilfe isd § 6 Abs. 5 FLAG 1967 rückwirkend für die Monate Juni und Juli 2020 zu stellen.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung:

Nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 idF BGBl. I 77/2018 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. A. 2020 § 6 Rz 20).

Das Finanzamt wies die Beschwerde des Bf. mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und änderte den Spruch des Bescheides vom insofern ab, als der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe vom für den Zeitraum von Juni 2020 bis Juli 2020 zurückgewiesen und der Bescheid betreffend den Monat August 2020 gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben wurde. Begründend verwies das Finanzamt auf das GZ. 8 Ob 99/12k.

Zu der oa. Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes wird Folgendes ausgeführt:

Im gegenständlichen Fall wurde über den Antrag des Bf. auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Monate Juni und Juli 2020 ausschließlich deshalb abschlägig entschieden (laut Erstbescheid vom ; laut Beschwerdevorentscheidung vom ; abgeändert in zurückgewiesen für die Monate Juni und Juli 2020 und betreffend den Monat August 2020 Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO), weil der Magistrat der Stadt Wien, MA 11, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15, mangels Vorliegen einer Obsorgeübertragung im Bereich der Vermögensverwaltung nicht legitimiert sei, einen rückwirkenden Antrag auf Familienbeihilfe zu stellen und insoweit nicht vertretungsbefugt sei. Die Begründung des angefochtenen Bescheides und die Beschwerdevorentscheidung lassen erkennen, dass das Wort "Abweisungsbescheid" und "abzuweisen" als ein Vergreifen im Ausdruck zu werten ist. Es handelt sich bei dem angefochtenen Bescheid um eine Zurückweisung eines Antrages wegen mangelnder Aktivlegitimation.

Auch die Tatsache, dass die Familienbeihilfe ab August 2020 (auf Grund des Antrags vom ) gewährt wurde, erhellt, dass ausschließlich die - nach Ansicht des Finanzamtes - mangelnde Aktivlegitimation des Kinder- und Jugendhilfeträgers in Bezug auf rückwirkende (Eigen)Anträge auf Familienbeihilfe zur streitgegenständlichen Entscheidung des Finanzamtes führte. Schließlich wird auch im Vorlagebericht ausschließlich die Frage der Aktivlegitimation des Kinder- und Jugendhilfeträgers releviert.

Zur streitigen Rechtsfrage wird ausgeführt wie folgt:

Dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 62/20s lag Folgendes zu Grunde:

Am beantragte der Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) seine Betrauung mit der Vermögensverwaltung im Umfang der Beantragung und Verwaltung des Eigenanspruchs des Kindes auf Familienbeihilfe; dieser stehe dem Kind nach § 6 Abs 5 FLAG 1967 zu. Eine solche gerichtliche Betrauung werde benötigt, um dem zuständigen Finanzamt im Verfahren über die Zuerkennung der Familienbeihilfe die Vertretungsbefugnis nachweisen zu können.
Die Eltern äußerten sich zu diesem Antrag nicht.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Abgesehen davon, dass dieser keine Begründung aufweise, weshalb der Entzug der Obsorge im genannten Teilbereich wegen sonstiger Kindeswohlgefährdung (§ 181 ABGB) erforderlich sei, bedürfe es eines derartigen Entzugs auch gar nicht. Die Familienbeihilfe diene im konkreten Fall der Deckung des Unterhaltsbedarfs des Kindes, womit die gesetzliche Vertretung bei der Geltendmachung des Eigenanspruchs des Kindes in den Teilbereich der Pflege und Erziehung der Obsorge falle, mit dem aber ohnehin der KJHT betraut sei. (Anm. :Kursivdruck durch BFG

Hierüber erwog der Gerichtshof:
Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Unterhaltsleistungen der Eltern regelmäßig der Erbringung bzw Finanzierung jener Obsorgemaßnahmen dienen, die der Pflege und Erziehung zuzuordnen sind. Dementsprechend betrifft die Geltendmachung von Unterhalt den Bereich der Pflege und Erziehung und nicht jenen der Vermögensverwaltung. Die gesetzliche Vertretung in Unterhaltssachen steht damit grundsätzlich jenem Elternteil zu, dem die Pflege und Erziehung zukommt bzw übertragen wurde. Es besteht somit keine Veranlassung, von der Auffassung wieder abzugehen, wonach die gesetzliche Vertretung in Unterhaltssachen grundsätzlich - außer bei anderslautender Beschlussfassung - demjenigen zusteht, dem Pflege und Erziehung zukommt bzw übertragen wurde (8 Ob 99/12k [ErwG 6.1.]); dies kann auch der KJHT sein (vgl 8 Ob 99/12k; Neuhauser aaO). … (Anm.: Kursivdruck durch BFG)."
Der OGH beschäftigt sich im genannten Beschluss in weiterer Folge mit dem Sinn und Zweck der Familienbeihilfe und gelangt zu dem eindeutigen Schluss:
"... so verbleibt als Zweck der Familienbeihilfe, die Pflege und Erziehung des Kindes (als Zuschuss) zu erleichtern und die mit dessen Betreuung verbundenen Mehrbelastungen - zumindest zum Teil - auszugleichen.
... Gerade diesem Zweck dient aber auch der Unterhaltsbeitrag, den der geldunterhaltspflichtige Elternteil gemäß § 231 ABGB zu leisten hat (vgl die Beispiele bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht
4 [2019] Rz 1; siehe auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht9 [2019] 128; 8 6 Ob 62/20s, Neuhauser in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKomm4 [2017] § 231 Rz 2 - alle mit zahlreichen Judikaturnachweisen), womit nicht ersichtlich ist, weshalb zwar Geltendmachung und Empfangnahme von Kindesunterhalt zum Obsorgeteilbereich Pflege und Erziehung gehören sollen, nicht aber Geltendmachung und Empfangnahme von dem Kind zustehenen Familienbeihilfeleistungen.
Da somit bereits das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass es eines (weiteren) Entzugs der Obsorge der Eltern im Teilbereich Vermögensverwaltung gar nicht bedarf, war dessen abweisliche Entscheidung wiederherzustellen. … (Anm.: Kursivdruck durch BFG).
Festgehalten wird, dass nach dem glaubwürdigen Vorbringen der Bf diesem Fall zu Grunde lag, dass das Kind, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien, beim FA im Juli 2019 rückwirkend die Zuerkennung der Familienbeihilfe nach
§ 6 Abs 5 FLAG 1967 ab Feburar 2019 beantragte. Das betreffende Kind befand sich ab in voller Erziehung der Stadt Wien. Parallel dazu wurde beim Pflegschaftsgericht vom Kinder- und Jugendhilfeträger Wien im Juli 2019 der Antrag gestellt, mit der Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung betraut zu werden.
In der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts, des BG Fünfhaus (siehe oben), wurde keine Differenzierung zwischen Zeiträumen vor und ab Antragstellung vorgenommen. Der OGH, der diese Entscheidung letztlich bestätigte, nahm ebenso keine Differenzierung zwischen Zeiträumen vor und nach Antragstellung vor.

Diese Rechtsauffassung wird im Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 50/20abestätigt:

"Da nach der Entscheidung 8 Ob 99/12k (ErwG 3.3.) für eine unterschiedliche Zuordnung der Empfangnahme und der Geltendmachung von Unterhalt kein sachlicher Grund besteht (ebenso 6 Ob 62/20s), teilt der erkennende Senat auch nicht die Auffassung des Vaters im Revisionsrekurs, eine Vertretungsbefugnis des KJHT für die beiden Kinder bestehe hier in "Unterhaltssachen, jedenfalls was den rückständigen Unterhalt betrifft" - jedenfalls in diesem Fall sei Vermögensverwaltung gegeben - nicht..." (Anm.: Kursivdruck durch BFG).

Aus den zit. Beschlüssen des OGH, denen das BFG folgt, ergibt sich daher - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - dass auch rückwirkende Anträge auf Familienbeihilfe vom Obsorgebereich Pflege und Erziehung umfasst sind. In wird die Auffassung des Vaters, eine Vertretungsbefugnis des KJHT für die beiden Kinder bestehe hier in "Unterhaltssachen, jedenfalls was den rückständigen Unterhalt betrifft - jedenfalls in diesem Fall sei Vermögensverwaltung gegeben - nicht", explizit nicht geteilt.

Das Bundesfinanzgericht kommt daher zum Ergebnis, dass im ggstdl. Fall der Magistrat der Stadt Wien, MA 11, Kinder- und Jugendhilfe, Rechtsvertretung Bezirke 13, 14, 15, dem die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung übertragen wurde, befugt war, für den mj. Bf. (auch) rückwirkend für die Monate Juni und Juli 2020 die Familienbeihilfe zu beantragen.

Dem Bf. steht daher die Familienbeihilfe rückwirkend für die Monate Juni und Juli 2020 zu (vgl. auch , , , ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall auf Grund der zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen nicht vor.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf Grund der zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen zu beurteilenden Fall nicht gegeben. Eine Revision wird daher nicht zugelassen.

Wien, am

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