TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 03.01.2022, RV/7100432/2021

Zurückweisung eines verspätet eingebrachten Vorlageantrages

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Bf1_Gatte***, ***Bf1_Gatte_Adresse***, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zur Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag) vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e iVm § 260 Abs. 1 lit. b iVm § 264 Abs. 5 BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt

Am erließ das Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt (Rechtsvorgänger des Finanzamtes Österreich; belangte Behörde) den Einkommensteuerbescheid 2018, der eine Gutschrift in Höhe von € 229,-- ergab. Darin wurden außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt in Höhe von € 6.173,17 berücksichtigt. Auf Grund des Einkommens der Beschwerdeführerin in Höhe von € 6.861,23 betrug die tarifmäßige Einkommensteuer 0,00 €.

In der Beschwerde vom wurde vorgebracht, dass Teile der geltend gemachten Ausgaben nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurden.

Am erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, mit der der Bescheid vom geändert wurde. Es wurden nun außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 6.422,53 berücksichtigt. Auf Grund der Höhe des Einkommens ergab sich wiederum keine tarifmäßige Einkommensteuer und die Höhe der Gutschrift blieb mit € 229,-- gleich. Die Zustellung erfolgte noch am in die Databox.

Mit Schreiben vom (Postaufgabedatum) richtete die Beschwerdeführerin folgende Eingabe an die belangte Behörde:
"Betreff: Einkommensteuerbescheid 2018
Beschwerdevorentscheidung

Sonntag,

S.g. Finanzamtmitarbeiter!

Ich akzeptiere Ihre Entscheidung bezüglich der Kosten für Müllsäcke und Ergotherapie. Die Entscheidung über den monatlichen Pauschalbetrag akzeptiere ich nur wenn dieses Gesetz nicht Verfassungswidrig, Menschenverachtend und/oder den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Weiteres verstehe ich nicht, dass Sie den Text ändern um diesen passend zu machen. (Vergleichen Sie Ihr Scheiben von mit dem von ) Verwundert bin ich auch, dass Sie mir nicht mitteilen können wo ich diese Gesetzesstelle nachlesen kann? (Telefonische Auskunft Anfang Dezember) Wieso wissen Sie dann dass dies ein Gesetz ist?

Ich ersuche um Antwort"

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt Österreich (Dienststelle Wien 8/16/17) die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Erstbescheid und zur Beschwerde ergeben sich auf Grund der vorgelegten Verwaltungsakten. Im Unterschied zur Beschwerdevorentscheidung vom findet sich am Erstbescheid keine elektronische Amtssignatur, was dafür spricht, dass der Erstbescheid vom im Gegensatz zur Beschwerdevorentscheidung vom nicht über FinanzOnline, sondern in Papierform zugestellt wurde. Sowohl aus den Ausdrucken aus dem EDV-System der Finanzverwaltung als auch aus der am Bescheid aufgedruckten Amtssignatur ist erkennbar, dass die BVE vom noch am selben Tag in die Databox eingelegt wurde (vgl ; ). Unstrittig ist auch die Zustellung des Erstbescheides und der Beschwerdevorentscheidung, zumal die Beschwerde vom den Erstbescheid und das Schreiben vom die Beschwerdevorentscheidung datumsmäßig bezeichnen.

Die Feststellung, dass das von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertete Schreiben (datiert mit ) erst am zur Post gegeben wurde, ergibt sich aus dem Poststempelaufdruck am Umschlag. Daraus ist ersichtlich, dass die Postsendung eingeschrieben am versendet wurde.

Mit Beschluss vom hat das BFG der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass auf Grund der vorliegenden Verwaltungsakten davon auszugehen ist, dass die Beschwerdevorentscheidung vom noch am selben Tag in die Databox der Empfängerin eingelegt wurde und dass der Vorlageantrag erst am zur Post gegeben wurde. In der Stellungnahme vom - als Beantwortung des Beschlusses - ist angeführt, dass es richtig sei, dass die Beschwerdevorentscheidung am bei der Beschwerdeführerin eingelangt wäre und es nicht mehr nachvollziehbar wäre, warum der Vorlageantrag erst am zur Post gebracht wurde.

Rechtsgrundlagen

§ 98 BAO (Bundesabgabenordnung) lautet:

G. Zustellungen.

§ 98. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen; das gilt nicht für den 3. Abschnitt des ZustG (Elektronische Zustellung).

(2) Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

§ 260 BAO lautet:

7. Zurückweisung der Beschwerde

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

(2) Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

§ 264 BAO (Bundesabgabenordnung) lautet:

10. Vorlageantrag

§ 264. (1) Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

(2) Zur Einbringung eines Vorlageantrages ist befugt
a) der Beschwerdeführer, ferner
b) jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt.

(3) Wird ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht, so gilt die Bescheidbeschwerde von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung wird durch den Vorlageantrag nicht berührt. Bei Zurücknahme des Antrages gilt die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der Zurücknahme aller dieser Anträge.

(4) Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:
a) § 93 Abs. 4 und 5 sowie § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 5 (Frist),
b) § 93 Abs. 6 und § 249 Abs. 1 (Einbringung),
c) § 255 (Verzicht),
d) § 256 (Zurücknahme),
e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung),
f) § 274 Abs. 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 5 (Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung).

(5) Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt dem Verwaltungsgericht.

(6) Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten.

(7) Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.

Rechtliche Beurteilung

Für die Beurteilung von Parteianträgen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufällige verbale Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen hin auch nur andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich. Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Beh vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (). Das Schreiben vom , das mit datiert ist, nennt den Einkommensteuerbescheid 2018 und die Beschwerdevorentscheidung im Betreff. Damit ist klargestellt, auf welches Abgabenverfahren sich dieses Schreiben bezieht. Im Textteil heißt es dann, dass die Entscheidung der belangten Behörde (gemeint ist die Beschwerdevorentscheidung) nur dann akzeptiert wird, wenn das Gesetz, auf das sich die Beschwerdevorentscheidung stützt, nicht verfassungswidrig ist. Im Ergebnis kann daraus abgeleitet werden, dass sich die Beschwerdeführerin gegen die Beschwerdevorentscheidung zur Wehr setzen will. Damit ist dieses Schreiben als Vorlageantrag zu betrachten.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden (behördliche) Erledigungen, wie etwa Abgabenbescheide, dadurch wirksam, dass sie demjenigen, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind, bekanntgegeben werden, wobei bei schriftlichen Erledigungen die Bekanntgabe regelmäßig durch Zustellung erfolgt.

Gemäß § 97 Abs 3 BAO kann an Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Nach § 5b Abs. 1 FinanzOnline-Verordnung 2006 haben die Abgabenbehörden nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen. Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Der Zeitpunkt, an dem Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox (vgl ; ). Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (beispielsweise Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an.

Sachverhaltsbezogen steht fest, dass die Beschwerdevorentscheidung vom in die Databox der Empfängerin noch am zugestellt wurde. Bei einer Frist von einem Monat zur Einbringung eines Vorlageantrages endete diese Frist grundsätzlich am . Da der jedoch ein Samstag war, war der nächste Werktag, nämlich der jener Tag, an dem das als Vorlageantrag gewertete Schreiben bei der Behörde einzubringen oder zumindest zur Post zu geben war. Allerdings wurde das Schriftstück erst am , somit nach Fristablauf zur Post gegeben.

Gemäß § 264 Abs 1 Bundesabgabenordnung kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). § 264 Abs 4 lit e BAO ist für Vorlageanträge § 260 Abs 1 BAO (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) sinngemäß anzuwenden.

Die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt gemäß § 264 Abs 5 BAO dem Verwaltungsgericht. Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist die Bescheidbeschwerde (der Vorlageantrag) mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie (Bescheidbeschwerde) bzw. er (Vorlageantrag) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Informativ wird angemerkt, dass sowohl im Erstbescheid vom als auch die Beschwerdevorentscheidung vom außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt wurden und sich dadurch ein Einkommen von nur noch € 6.861,23 ergab. Die tarifmäßige Einkommensteuer bei einem Einkommen von unter € 11.000,-- beträgt 0,00 € - dies ist auch in den beiden Erledigungen so angeführt. Die Gutschrift in Höhe von € 229,-- ergibt sich einerseits auf Grund der Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 33 Anm 155e) und andererseits auf Grund der Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer durch die pensionsauszahlende Stelle. Selbst wenn noch weitere Ausgaben als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen gewesen wären, hätte dies keine Auswirkung mehr auf die tarifmäßige Einkommensteuer von Null Euro oder die Höhe der SV-Erstattung.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die fristgerechte Einbringung eines Rechtsmittels ist eine auf der Tatsachenebene zu lösende Sachverhaltsfrage. Die Rechtsfolge bei versäumter Frist ergibt sich zwingendaus dem Gesetz. Daher liegt keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 iVm Abs 9 B-VG vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 98 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100432.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at