Hüftoperation in einer Privatklinik als a.g.B.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Alfred Klaus Fenzl, Am Steinbühel 27b, 4030 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurde die Einkommensteuer abweichend von der eingereichten Erklärung festgesetzt.
Dabei wurden Aufwendungen des Beschwerdeführers (zu 70% behindert) einer Privatklinik (Operation Knieprothese) nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
Die außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt (Knieoperation in Privat Klinik A) iHv 10.452,94 € hätten nicht berücksichtigt werden können, da keine gewichtigen Gründe für eine Operation in einer Privatklinik vorliegen würden. Eine Wartezeit von mehreren Monaten würde keinen gewichtigen medizinischen Grund darstellen. Nachweise über gewichtige medizinische Gründe seien nicht erbracht worden.
Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen oben genannten Bescheid eingereicht.
Wie bereits in der Vorhaltsbeantwortung ausgeführt, seien die medizinischen Probleme des Beschwerdeführers in sehr kurzer Zeit so akut geworden, dass er de facto bewegungs- und arbeitsunfähig geworden sei, von fast unerträglichen Schmerzen abgesehen. Schon allein deshalb sei die Aussage in der Bescheidbegründung, dass eine Wartezeit von mehreren Monaten keinen gewichtigen medizinischen Grund darstellen würde, unverständlich. Dazu komme, dass eine Fehlstellung des betroffenen Beines für den notwendigen Eingriff eines besonderen Spezialisten bedurft hätte, der unbedingt auch sofort verfügbar und zur Operation bereit gewesen sei. Einen solchen hätte der Beschwerdeführer gefunden. Im Übrigen werde auf das Erkenntnis des BFG Innsbruck, RV/3101050/2017-RS1 vom verwiesen. Ein Arztbrief sei angefordert worden, insbesondere bezüglich der Dringlichkeit und der gegebenen Komplikationen, der allerdings bislang bei mir nicht eingelangt sei und deshalb in den nächsten Tagen erst nachgereicht werden könne.
Bit Beschwerdevorentscheidung vom wurde gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ; ;) würden Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die eigene medizinische Betreuung erwachsen, auch dann zwangsläufig iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 anfallen können, wenn sie die durch die gesetzliche Krankenversicherung gedeckten Kosten übersteigen würden, sofern diese höheren Aufwendungen aus triftigen medizinischen Gründen getätigt werden würden. Triftige medizinische Gründe würden vorliegen, wenn ohne den entsprechenden Aufwand feststehende oder sich konkret abzeichnende, ernsthafte gesundheitlichen Nachteile entstanden wären. Die Nachweispflicht würde dem Steuerpflichtigen obliegen. Würde die Behandlung ohne triftige medizinische Gründe erfolgen, sei Zwangsläufigkeit und damit die Abschreibbarkeit zu verneinen. Aus dem der Beschwerde nachgereichten Arztbrief des Hausarztes würde hervorgehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der angeborenen Beinfehlstellung (Klumpfuß) bereits seit Jahren an Gonarthrose bedingten (abnutzungsbedingten) Knieschmerzen leiden würde, diese jedoch erst im Jahr 2019 so akut geworden sei, dass eine operative Behebung durch eine Knietotalendoprothese notwendig geworden sei. Im Vorhalteverfahren zum Erstbescheid sei angeführt worden, dass wegen der notwendig gewordenen Knieoperation mit zwei Spezialkrankenhäusern in OÖ (Gmunden und Kirchdorf - beides öffentliche Krankenhäuser) diesbezüglich Kontakt aufgenommen worden sei, aber dort jeweils erst ein OP-Termin in ein paar Monaten in Aussicht gestellt worden sei. Zudem sei angeführt worden, dass von den Ärzten dieser Spezialkrankenhäuser "unter vier Augen" geraten worden sei, sich an ein Privatspital zu wenden, da dort schneller ein OP Termin erhältlich sei und zudem die Operation aufgrund des Klumpfußes mit besonderen Komplikationen verbunden sei.
Auch in der gegenständlichen Beschwerde werde angeführt, dass der notwendige Eingriff eines besonderen Spezialisten bedurft hätte, der mit dem Leiter der Privatklinik A, Primar Dr. B C, gefunden worden sei, ohne diese Angaben entsprechend nachzuweisen, zumal auch die angeführten öffentlichen Spezialkrankenhäuser die medizinische und chirurgische Versorgung mit einer Knietotalendoprothese und/oder von Beinfehlstellungen, Klumpfüßen etc. sicherstellen würden. Auch andere öffentliche Krankenhäuser würden entsprechende Operationen anbieten - sowie z. B. das Kepler Universitätsklinikum, Medcampus III - auf universitärem Niveau. Längere Wartezeiten auf einen OP-Termin für sich allein würden noch keinen ausreichenden Grund für die Anerkennung von Kosten darstellen, die nicht durch die Sozialversicherung gedeckt seien. Es würden keine Nachweise vorliegen, dass bei medizinischer und chirurgischer Versorgung in einem öffentlichen Krankenhaus konkret abzeichnende, ernsthafte gesundheitliche Nachteile entstanden wären. Abschließend sei noch erwähnt, dass das in der Beschwerde angeführte Erkenntnis des BFG Innsbruck, RV/3101050/2017 sich in der Zusammenschau aller Fakten auf einen komplizierten, unvorhersehbaren und medizinisch äußerst dringlichen neurochirurgisch zu versorgenden Fall bezogen hätte, bei dem ohne sofortige konservative und neurochirurgische Behandlung mit ernsthaften gesundheitlichen Schäden (Lähmungen) zu rechnen gewesen sei. Da jeder Fall anders gelagert und auch jeder Fall einzeln zu betrachten sei, sei gegenständlicher Fall mit dem Sachverhalt im angeführten BFG Erkenntnis nicht vergleichbar.
Mit Eingabe vom wurde beantragt gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag).
Der Beschwerdeführer sei wegen eines Geburtsfehlers von keiner Krankenzusatzversicherung angenommen worden, folglich hätte er die Frage, ob er eine solche hätte, in keinem Fall positiv beantworten können. Es hätte den Anschein, dass dies allgemein dazu führen würde, dass man einen möglichen Operationstermin erst nach Monaten erhalten würde, so im konkreten Fall nicht nur in Gmunden und Kirchdorf, sondern auch bei anderen Krankenhäusern von Wien bis Innsbruck, wie der Beschwerdeführer zur Kenntnis nehmen hätte müssen. Richtig sei, dass der Beschwerdeführer seit Jahren durch seine Probleme beeinträchtigt gewesen, jedoch arbeitsfähig geblieben sei. Das hätte sich 2019 relativ schlagartig und rapid verändert, sodass er seiner Tätigkeit nicht mehr nachgehen hätte können, bettlägerig geworden sei und auch nicht mehr Autofahren hätte können. Sowohl die massiven Schmerzen, wie die de facto eingetretene Arbeitsunfähigkeit und die damit verbundenen Einnahmenausfälle hätten dazu geführt, dass nach einer alternativen raschen Operationsmöglichkeit gesucht worden sei und in nur wenigen Tagen als Privatpatient bekommen hätte, wobei die Schmerzen einen triftigen medizinischen Grund darstellen würden.
Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach Darstellung des Sachverhaltes und der Beweismittel wurde in der Stellungnahme seitens der vorlegenden Behörde beantragt, gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Im folgenden weitere Daten aus den von der belangten Behörde übermittelten Unterlagen:
Lt. Rechnung der Privatklinik sei die streitgegenständliche Operation im September/Oktober 2019 durchgeführt worden.
Summe ohne Selbstbehalt: 10.628,50 €
Arztbrief vom :
ANAMNESE:
Mein langjähriger Patient - Beschwerdeführer - wurde 1956 mit einem rückwärts gerichteten, ausgeprägten Klumpfuß in Supinationsstellung rechts geboren. Im Laufe seines Lebens wurde er insgesamt 15-mal an diesem Fuß operiert und es musste unter anderem das rechte Sprunggelenk total versteift werden mit einhergehender Dorsalextension 20-0-10. Seither besteht eine nahezu totale Einschränkung der Pro- und Supination nach USG-Versteifung. Weiters ist die Unterschenkelmuskulatur irreparabel atrophiert. Zusätzlich besteht eine Beinlängendifferenz von ca. 2cm, was auch dazu führte, dass der Patient Zeit seines Lebens orthopädisches Schuhwerk tragen muss. Der Patient berichtete, dass er seit vielen Jahren Belastungsschmerzen im rechten Kniegelenk hat.
Im Jahre 2019 kam es bezüglich seiner Mobilität und Aktivität zu massiven Einschränkungen.
Daraufhin erfolgte eine klinische und radiologische Abklärung bei der eine aktivierte Varusgonarthrose bei therapieresistenten Kniegelenksschmerzen diagnostiziert wurde und es am zu der dringend notwendigen OP mit einer Implantierung einer Knietotalendoprothese rechts kam. Auf Grund der extremen Beschwerden und daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen war es aus medizinischer Sicht nicht mehr zumutbar, weitere Monate auf einen OP Termin warten zu müssen und so kam es zur zwingenden Operation in einer Privatklinik. Insbesonders sei noch darauf hingewiesen, dass auf Grund der medizinischen Komplexität ein orthopädischer Spezialist gesucht werden musste und dieser in der Person der Hr. Primar Dr. BC von der D Klinik AE gefunden wurde.
CONCLUSIO: "Mein Patient - Beschwerdeführer - hätte im Jahre 2019 ohne diese Knie OP weder sein bisheriges Leben noch seinen selbständigen Beruf weiterhin ausüben können und wäre auf Monate hinaus schwerst eingeschränkt und berufsunfähig gewesen. Somit musste eine rasche Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher medizinischer Aspekte getroffen werden und war eine umgehende OP dringendst erforderlich, diese konnte wiederum zu diesem Zeitpunkt nur bei DE durchgeführt werden."
Internetrecherche Krankenhaus Gmunden:
Das Fachgebiet Orthopädie beschäftigt sich mit allen Erkrankungen des Stütz- und WEITERE INFORMATIONEN Bewegungsapparates, das heißt Gelenke, Sehnen, Bänder und Wirbelsäule - mit Ausnahme des akuten Traumas.
Der Schwerpunkt unserer Tätigkeit liegt im chirurgisch - orthopädischen Bereich.
Wir führen folgende Operationen durch:
< Künstliche Gelenksersätze (z. B.: Knie- und Hüftendoprothesen)
< Band- und Sehnenrekonstruktionen (z. B.: Kreuzbandplastik, Seitenbandplastik)
< Gelenksspiegelungen (Arthroskopie)
< Schulteroperationen
< Stellungskorrekturen an Extremitäten (Umstellungsosteotomie) (z. B.: "Beingeradstellung")
< Operationen an der Hand (z. B.: Carpaltunnel-Syndrom, diverse Operationen bei Rheuma/PCP)
< Fußoperationen aller Art (z. B.: Klumpfüße, Gelenksversteifungen)
< Zehenoperationen aller Art (z. B.: Hallux, Hammerzehen)
< diverse andere Operationen (z. B.: Ganglionentfernung, OP bei Tennisellbogen)
< Extremitätenverlängerung
Neben dem stationären Bereich bieten wir auch eine Ambulanz-Tätigkeit zur Untersuchung, Behandlung und Kontrolle an.
Mit Beschluss vom seitens des nunmehr zuständigen Richters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, weitere Informationen bzw. Unterlagen vorzulegen:
< Entwicklung des Krankenverlaufes
< Einschränkung der Erwerbstätigkeit
< Kostenersätze
Mit Eingabe vom wurde diesbezüglich ausgeführt, dass beispielsweise die F GmbH, deren alleiniger Mitarbeiter der Beschwerdeführer sei, den Gewinn nach der Genesung des Beschwerdeführers erheblich steigern hätte können (von rd. 11.000,00 € im Jahr 2019 auf rd. 73.000,00 €).
Bezüglich eines Kostenzuschusses von der SVS sei telefonisch angefragt worden. Es sei hierbei mitgeteilt worden, dass im konkreten Fall kein Zuschuss gewährt werden würde, weshalb auch keine Rückerstattung beantragt worden sei.
< Beilage ärztliches Attest von Dr. G H vom :
"Auf Ersuchen und als Supplementum zu meinem ärztlichen Attest vom wird hiermit bestätigt, dass obiger Patient [Anm. Richter: Beschwerdeführer] seit Beginn des Jahres 2019 sich vermehrt in meiner Ordination zur ambulanten Behandlung wegen permanenter Knieschmerzen, re einfand.
Trotz diverser Behandlungen verschlechterte sich sein Zustand zusehends, er war zu diesem Zeitpunkt nur mehr bedingt gehfähig, war absolut arbeitsunfähig und ich musste ihm als austherapierten bzw. therapieresistenten Patienten, und nach erfolgter radiologischer Abklärung anraten, ehestmöglich eine dringend notwendige OP mit einer Implantierung einer Knietotalendoprothese, rechts durchführen zu lassen."
Zu diesen Ausführungen übermittelte das Finanzamt mit Eingabe vom eine Stellungnahme, aus der hervorgehe, dass nach wie vor kein Grund gegeben sei, die Operation nicht in einem öffentlichen Spital durchgeführt hätte werden können. Die Operation hätte auch in anderen spezialisierten Spitälern stattfinden können. Dass die Operation nicht zeitnahe in einem öffentlichen Spital stattfinden hätte können, gehe lediglich aus einer unbelegten Stellungnahme des Steuerberaters im Erstverfahren hervor. Dem Vorbringen der monatelangen Wartezeit in den öffentlichen Spitälern würde eine Anfragebeantwortung der Gesundheitslandesrätin vom Dezember 2019 widersprechen, bei der für das Salzkammergut Klinikum für Knieendoprothesen 3 Wochen Wartezeit angegeben worden sei (vgl. Bericht vom in der Zeitung "Tips").
Hierauf bemerkte der Beschwerdeführer (steuerliche Vertreter) in der Eingabe vom , dass sich der Beschwerdeführer bei mehreren Spitälern nach Operationsterminen erkundigt hätte, auch nach Terminen für die notwendige REHA.
Trotz aller Bemühungen sei er in Summe für die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit und auch Schmerzfreiheit nur auf Zeitspannen von mehr als 7 Monaten gekommen. Völlig anders bei der Privatklinik, welche ihn sofort nach der Operation in eine REHA-Anstalt überstellen hätte können. Damit hätte die Sache insgesamt in nur 7 Wochen vollständig erledigt werden können.
Bei dem Artikel in der Zeitung Tips könne es sich vermutlich lediglich um einen politisch motivierten Artikel zur Imageverbesserung handeln, persönliche Erfahrungen würden dem widersprechen.
Es werde auf eine Aussage einer Gmundnerin verwiesen, welche bei einer persönlichen Vorsprache einen OP-Termin nach 8 Monaten erhalten hätte.
Dieser Eingabe wurde noch folgendes Schreiben des Beschwerdeführers vom beigefügt:
"Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass ich sicherlich nicht aus Jux und Tollerei oder ähnlichen Überlegungen diesen Schritt zur privaten, medizinischen Versorgung gewählt habe, sondern aus der Not heraus diese Entscheidung treffen musste, denn nach Kontakten mit den Krankenhäusern in Gmunden, Kirchdorf und den Uni Kliniken in Linz, Wien und Innsbruck erhielt ich Termine mit einer Wartezeit von ca. 3 bis 5 Monaten und für die anschließend dringend erforderliche REHA zusätzliche Wartezeiten von mehreren Wochen.
Es ging hier vor allem um meine Gesundheit und in weiterer Folge auch um den Fortbestand meines Unternehmens! Auch mir wäre es lieber gewesen eine rasche, zeitnahe Lösung im Rahmen der öffentlichen, medizinischen Versorgung zu bekommen, ohne dass ich einen hohen Betrag privat aufbringen hätte müssen.
Nebenbei möchte ich noch anführen, dass ich auf Grund meiner angeborenen Behinderung keinen Vertrag von Seiten der Versicherungswirtschaft bekommen habe und daher auch nicht zusatzversichert war und bin."
Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer wurde mit einem rückwärts gerichteten, ausgeprägten Klumpfuß geboren. Im Laufe seines Lebens wurde er bereits 15-mal an diesem Fuß operiert.
Der Beschwerdeführer leidet seit vielen Jahren an Belastungsschmerzen im rechten Kniegelenk. Im Jahr 2019 kam es bezüglich seiner Mobilität und Aktivität zu massiven Einschränkungen.
In einer klinisch und radiologischen Abklärung wurde eine aktivierte Varusgonarthrose bei therapieresistenten Kniegelenksschmerzen diagnostiziert.
Aufgrund der extremen Beschwerden war eine rasche Operation notwendig. Aus medizinischer Sicht war ein Zuwarten nicht mehr zumutbar.
Nachdem sich der Beschwerdeführer bei mehreren (öffentlichen) Krankenhäuser über mögliche Operationstermine informiert hatte, entschied er sich die Operation in einer Privatklinik durchführen zu lassen.
Vor allem die langen Wartezeiten in den öffentlichen Krankenhäusern aber auch die unmittelbar im Anschluss an die Operation notwendige REHA machten diesen Entschluss notwendig.
Eine zeitnahe Operation in einem öffentlichen Krankenhaus UND eine unmittelbare REHA wäre nicht möglich gewesen.
Die dringend zeitnahe Operation war sowohl aus gesundheitsbedingten Aspekten (extreme Beschwerden; Bewegungseinschränkungen) als auch aus berufsbedingten Belangen unbedingt notwendig. Der Beschwerdeführer hatte seine selbständige Tätigkeit nicht mehr ausüben können.
Dass eine zeitnahe Operation UND anschließende REHA auch in einem öffentlichen Krankenhaus möglich gewesen wären, war nicht ersichtlich.
Der stationäre Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Privatklinik war somit medizinisch erforderlich.
Beweiswürdigung
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen gehen klar aus dem vorliegenden Arztbrief vom hervor.
Vor allem die seit Geburt vorhandene Beeinträchtigung machen es im Rahmen der Beweiswürdigung glaubhaft, dass der Beschwerdeführer bereits seit vielen Jahren Belastungsschmerzen hatte.
Dass es aufgrund der dargestellten Fehlstellung im Laufe der Zeit auch zu erheblichen Verschlechterungen des Gesundheitszustandes kommen wird, erscheint jedenfalls glaubwürdig. Den Darstellungen des Arztes folgend, war dies im Jahr 2019 der Fall. Dieser Darstellung wurde auch seitens der belangten Behörde nicht widersprochen.
Aus medizinischer Sicht war ein unmittelbare (zeitnahe) Operation jedenfalls notwendig.
Dies geht auch aus den Darstellungen des Hausarztes hervor, der den Beschwerdeführer schon jahrelang betreut und somit auch dessen Krankheitsbild hinreichend bekannt war.
Somit kann auch der Darstellung, dass es im Jahr 2019 zu einer erheblichen Verschlechterung der Mobilität und Aktivität, sowie der Schmerzen gekommen ist, jedenfalls Glauben geschenkt werden und hier keinesfalls ein "Gefälligkeitsdiagnose" vorliegt.
Auch im Beschwerdeschreiben vom wurde darauf hinlänglich verwiesen (in sehr kurzer Zeit so akut, bewegungs- und arbeitsunfähig; fast unerträgliche Schmerzen).
Daraus ist klar zu schließen, dass vor allem auch eine rasche Operation jedenfalls medizinisch indiziert war.
Im Rahmen der Beweiswürdigung ist den Darstellungen des Beschwerdeführers jedenfalls Glauben zu schenken, wenn er darstellt, dass er in öffentlichen Krankenhäusern längere Wartezeiten gehabt hätte, als in der gewählten Privatklinik. Zu beachten ist hierbei auch, dass die im Anschluss an die Operation absolut notwendige REHA ebenfalls unmittelbar vereinbart werden konnte.
Wenn im erwähnten Artikel der Zeitschrift "Tips" von einer Wartezeit von drei bis fünf Wochen geschrieben wird, so ist darauf hinzuweisen, dass es sich hier um einen Durchschnitt handelt. Dass auch der Beschwerdeführer einen so zeitnahen OP-Termin bekommen hätte, konnte nicht dargestellt werden.
Eine Recherche des Richters (Anfang Oktober 2021: "www.ooeg.at") hat Wartezeiten zwischen 3 Wochen (Bad Ischl) und 40 Wochen (Gmunden) ergeben. Derzeit (Mitte November 2021) ist diese Abfrage coronabedingt allerdings nicht mehr möglich. Es gibt also auch in öffentlichen Krankenhäusern teils erhebliche Unterschiede in den Wartezeiten. Aber auch hier müsste man einem Patienten doch erlauben, ein "Krankenhaus seines Vertrauens" wählen zu können.
Hier ist den Darstellungen des Beschwerdeführers durchaus Glauben zu schenken, nämlich, dass er den Schritt zur privaten medizinischen Versorgung getätigt hat, um schnellstmöglich seine Schmerzen zu lindern und bewegungsfähig zu werden und somit seiner erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit wieder nachgehen zu können. Diesbezüglich ist hier auch den Darstellungen in der Eingabe vom (persönliche Erfahrungen) jedenfalls Glauben zu schenken.
Tatsache ist, dass der Beschwerdeführer seinen Operationstermin unmittelbar nach dem Erstgespräch bekommen hat. Ein weiteres wesentliches Entscheidungskriterium war auch, dass auch die anschließende REHA, welche absolut notwendig ist bei einem derartigen operativen Eingriff, unmittelbar an die Operation begonnen werden konnte.
Einen weiteren Aspekt stellt im Rahmen der Beweiswürdigung das Vertrauen an den behandelnden Arzt bzw. der medizinischen Einrichtung dar.
Bei der gewählten Privatklinik wurde der Beschwerdeführer von einem Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie operiert.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers (Klumpfuß seit Geburt; oftmalige Operationen bisher) lassen klar darauf schließen, dass hier doch ein komplexer und schwieriger medizinischer Eingriff notwendig war (wie auch im Ärztlichen Attest vom dargestellt: "… auf Grund der medizinischen Komplexität ein orthopädischer Spezialist …").
Internetrecherchen haben ergeben, dass es in den öffentlichen Krankenhäusern Vöcklabruck und Bad Ischl zwar den Fachbereich Chirurgie gibt, allerdings keine orthopädische Fachabteilung. Damit soll nicht ausgesagt werden, dass in diesen Krankenhäusern die Operation nicht durchgeführt werden hätten können, dass aber auch das Vertrauen einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt dargestellt hat.
Es kann also auch durch diese Darstellungen durchaus daraus geschlossen werden, dass der gewählte Weg auch medizinisch indiziert gewesen ist.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2)
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3)
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)
Gemäß Abs. 3 leg.cit. erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Im Beschwerdefall wird eine infolge eines operativen Eingriffs mit dem Aufenthalt in einer Privatklinik einhergehende Belastung, somit eine aus tatsächlichen Gründen eingetretene Belastung, geltend gemacht.
Die belangte Behörde bestreitet im Ergebnis die Zwangsläufigkeit der in Rede stehenden Aufwendungen.
Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (vgl. ; ; ).
Wie auch der VwGH in , 2003/13/0064, ausgeführt hat, ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl. ). Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl. VwGH 4.9,2014, 2012/15/0136; ). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar, § 34 EStG 1988 Anhang II - ABC Tz 35, mit Judikaturhinweisen).
Die triftigen medizinischen Gründe müssen in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (vgl. ; ; ).
Unter Krankheit ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu verstehen, die eine Heilbehandlung bzw. Heilbetreuung erfordert. Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen. Nicht absetzbar sind Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten und die Erhaltung der Gesundheit, für Verhütungsmittel, eine künstliche Befruchtung, eine Frischzellenkur oder eine Schönheitsoperation, weil in diesen Fällen keine oder keine unmittelbare Verbindung zwischen den Aufwendungen und einer Krankheit besteht.
Absetzbar sind v.a. Arzt- und Krankenhaushonorare, Aufwendungen für Medikamente einschließlich medizinisch verordneter homöopathische Präparate und Aufwendungen für Heilbehelfe (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 78).
Im Beschwerdefall werden die triftigen medizinischen Gründe aufgrund folgender Tatsachen als gegeben angesehen:
Das Vorliegen der Zwangsläufigkeit wäre jedenfalls zu verneinen, wenn die Aufwendungen lediglich auf bloße Wünsche und Vorstellungen des Beschwerdeführers über eine bestimmte medizinische Behandlung zurückzuführen gewesen wären.
Dies war aber keineswegs der Fall. Es bestand bloß der Wunsch, aufgrund der medizinischen Notwendigkeit, so rasch wie möglich eine Operation durchführen zu lassen (und in weiterer Folge auch einen REHA-Termin zu erhalten).
Dass eine medizinische Notwendigkeit bestand (somit die Zwangsläufigkeit), geht jedenfalls aus dem vorliegenden Arztschreiben vom sowie aus dem ärztlichen Attest vom hervor ("… musste eine rasche Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher medizinischer Aspekte getroffen werden und war eine umgehende OP dringendst erforderlich …").
Ein Zuwarten hätte sich somit jedenfalls nachträglich auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ausgewirkt, da die Bewegungseinschränkung sich jedenfalls verlängert hätte.
Nicht unmittelbar entscheidungswesentlich aber allenfalls doch beachtenswert ist die Tatsache der eingeschränkten bzw. nicht mehr möglichen Erwerbsfähigkeit.
Dass gegenständliches Schreiben (Arztschreiben) erst nach der durchgeführten Operation verfasst wurde, kann dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen.
So hat der VwGH etwa im Erkenntnis einen Bescheid infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil sich die belangte Behörde nicht mit einem bestimmten Vorbringen auseinandergesetzt hat. Das Vorbringen wurde im zitierten Verfahren in Form einer Bestätigung eingebracht, die nach der erfolgten medizinischen Behandlung ausgestellt worden ist.
Daraus ist zu schließen, dass auch ärztliche Bestätigungen über triftige medizinische Gründe, die im Nachhinein ausgestellt werden, im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden müssen (vgl. ; ).
Wie also bereits ausgeführt wurde, sind die mit dem stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Privatklinik verbundenen Aufwendungen als zwangsläufig zu qualifizieren, weil der stationäre Aufenthalt nicht auf bloße Wünsche und Vorstellungen des Beschwerdeführers über eine bestimmte medizinische Behandlung, sondern auf den Umstand, dass ein Zuwarten auf einen öffentlichen Platz aus medizinischer Sicht nicht tragbar war, zurückzuführen ist.
Die dadurch verursachten Kosten sind vor diesem Hintergrund aufgrund der hierfür gegebenen medizinischen Notwendigkeit dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, "soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 iVm Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt."
Die im gegenständlichen Fall anzuerkennenden Belastungen sind weiters um eine allfällige Haushaltsersparnis zu kürzen (15*5,23 €) und den nach der Maßgabe des § 34 Abs. 4 EStG 1988 berechneten Selbstbehalt zu vermindern.
Hinsichtlich der festgesetzten Einkommensteuer wird auf das als Beilage angeschlossene Berechnungsblatt verwiesen.
Berechnung a.g.B. mit Selbstbehalt:
Kosten Knie-OP: 10.452,94 €
abzgl. HH-Ersparnis: 73,22 € (14*5,23 €)
Medikamente: 323,42 €
SUMME: 10.703,14 €
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständliche Beurteilung beruht auf einer auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösenden Tatfrage. Somit liegt keine Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
Beilage:
< Berechnungsblatt Einkommensteuer 2019
Linz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100477.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at