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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.01.2022, RV/5100005/2022

Die Nachreichung des amtlichen Vordruckes NeuFö2 im Beschwerdeverfahren kann den Mangel einer nicht rechtzeitigen Vorlage nicht mehr sanieren.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***RI*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Grunderwerbsteuer Steuernummer ***BFStNr***, Erfassungsnummer ***ErfNr***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Mit Kaufvertrag vom hat ***Bf***, nunmehrige Beschwerdeführerin, = Bf. je zur Hälfte mit ihrem Ehegatten den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ***XY*** um den Kaufpreis von 160.000 € gekauft. Die Übergabe bzw. Übernahme des Vertragsobjektes in den tatsächlichen Besitz und Genuss der Käufer ist lt. Punkt III. des Kaufvertrages mit rechtskräftiger, grundverkehrsbehördlicher Genehmigung erfolgt, welche mit Bescheid vom erteilt wurde.
Am hat die Vertragsverfasserin den Kaufvertrag beim Finanzamt Österreich, =FA, zwecks Bemessung der Grunderwerbsteuer (GrESt) angezeigt; die Befreiung nach dem Neugründungs-Förderungsgesetzes (NeuFöG) wurde nicht beantragt.

Mit Bescheid vom hat das FA die GrESt für diesen Rechtsvorgang mit 3,5 % von der (halben) Gegenleistung in Höhe von 2.800 € vorgeschrieben.

Am hat die Bf. dagegen über FinanzOnline die gegenständliche Beschwerde eingebracht, weil sie aufgrund einer Beratung bei der Landwirtschaftskammer festgestellt habe, dass ihr die Befreiung wegen NeuFöG zustehe. Bei Unterzeichnung des Kaufvertrages seien sie darauf von der Notarin nicht aufmerksam gemacht worden.
Gleichzeitig hat die Bf. mit einer weiteren Eingabe, bezeichnet als Anhang zur Beschwerde, ebenfalls über FinanzOnline das Erklärungsformular NeuFö2, erstellt von der Landwirtschaftskammer OÖ und datiert mit beigebracht. Darin erklärt die Bf., dass die Voraussetzungen für eine Betriebsübertragung vorliegen und der Kalendermonat derselben der Dezember 2020 ist.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom hat das FA die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dabei darauf hingewiesen, dass die Erklärung der Betriebsübertragung mit dem Formular NeuFö2 zu erfolgen habe. Die Vorlage des Formulars sei materielle Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Begünstigung und sei innerhalb der Anzeigefrist (bis zum 15. des zweitfolgenden Monats, in dem die Steuerschuld entstanden sei) erforderlich. Eine spätere Vorlage könne den Befreiungstatbestand nicht mehr erfüllen.
Der gegenständliche Kaufvertrag sei am abgeschlossen worden, die Rechtskraft sei mit Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung laut Bescheid vom am entstanden. Die verspätete Vorlage oder die Vorlage erst im Rechtsmittelverfahren brächten die einmal entstandene Steuerschuld nicht mehr zum Wegfall.

Am hat die Bf. einen Vorlageantrag gestellt und ergänzend ausgeführt:

"Mein Mann und ich haben im Dezember 2020 ein landwirtschaftliches Anwesen gekauft. Im März 2021 erhielten wir von der Grundverkehrskommission den Bescheid über die Kaufzustimmung - unter der Bedingung innerhalb von 2 Jahren unter anderem einen Basiskurs für Landwirte zu absolvieren. Im Zuge der Absolvierung dieses vorgeschriebenen Kurses (Basisseminar Landwirtschaft) haben wir erfahren, dass es bei der Übertragung sowie bei der Neugründung von Betrieben über das NeuFöG bestimmte Gebührenbefreiungen gibt. Unter anderem ist im NeuFöG auch eine teilweise Befreiung der GrESt vorgesehen, die unsere Meinung nach auch uns zustehen sollte (wenn dies von Bedeutung ist: der Bewirtschafterwechsel erfolgte am ).
Daraufhin sprachen wir bei der Bezirksbauernkammer vor, die ebenso zugestimmt und die entsprechenden Formulare ausgestellt hat, welche wir beim FA im Zuge der Beschwerde über den GrESt Bescheid zugestellt haben. Leider wurden wir vorab von dieser Möglichkeit der Gebührenbefreiungen im Zuge der Kaufabwicklung durch die Notarin nicht in Kenntnis gesetzt und die GrESt wurde vom FA in vollem Umfang vorgeschrieben. … Wir möchten Sie ersuchen, sich dieser Angelegenheit erneut anzunehmen. Das Vorliegen einer Förderwürdigkeit ist unserer Meinung nicht mit Fristen verbunden. Die in der BVE angeführte Begründung einer Fristversäumnis liegt unserer Meinung auch nicht vor, da wir im Vorfeld weder vom FA noch von der Notarin über eine Frist in Kenntnis gesetzt wurden."

Nach Urgenz durch die Bf. hat das FA die Beschwerde am dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Beweiswürdigung

Zu den unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen ist das BFG durch Einsicht in die vom FA zur Erfassungsnummer ***ErfNr*** elektronisch vorgelegten Aktenteile gelangt.

Rechtsgrundlagen

§ 1 NeuFöG - Förderung der Neugründung

Zur Förderung der Neugründung von Betrieben werden nicht erhoben:

  • Stempelgebühren

  • GrESt

  • Gerichtsgebühren für Eintragungen in das Firmenbuch

  • Gerichtsgebühren für Eintragungen in das Grundbuch

  • Gesellschaftssteuer

  • Börsenumsatzsteuer

  • Lohnabgaben

§ 4 NeuFöG - Erklärung der Neugründung:

Die Wirkungen nach § 1 treten unter den Voraussetzungen der Abs. 1 bis 4 ein:

Abs. 1) Die Wirkungen nach § 1 Z 1 bis 6 treten nur dann ein, wenn der Betriebsinhaber bei den in Betracht kommenden Behörden einen amtlichen Vordruck vorlegt, in dem die Neugründung erklärt wird. Auf dem amtlichen Vordruck sind zu erklären:
1. das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 [Begriff der Neugründung],
2. der Kalendermonat nach § 3 [Zeitpunkt der Neugründung].

Abs. 2) Die Wirkungen nach § 1 Z 7 …

Abs. 3) Auf dem amtlichen Vordruck muss in den Fällen des Abs. 1 und 2 bestätigt sein, dass die Erklärung der Neugründung unter Inanspruchnahme der Beratung jener gesetzlichen Berufsvertretung, der der Betriebsinhaber zuzurechnen ist, erstellt worden ist. …

§ 5a NeuFöG - Betriebsübertragung

Abs. 2) Für Betriebsübertragungen gilt Folgendes:

1. Die Bestimmungen des § 1 Z 1, 3 und 5 sowie der §§ 3, 4 und 7 sind sinngemäß anzuwenden.

2. Die GrESt von steuerbaren Vorgängen, die mit einer Betriebsübertragung im Sinne des Abs. 1 in unmittelbarem Zusammenhang stehen, wird nicht erhoben, soweit der für die Steuerberechnung maßgebende Wert 75.000 € nicht übersteigt.

Gemäß § 10 Abs. 1 GrEStG 1987 sind Erwerbsvorgänge, die diesem Steuergesetz unterliegen, bis zum 15. Tag des auf den Kalendermonat, in dem die Steuerschuld entstanden ist, zweitfolgenden Monats beim FA mit einer Abgabenerklärung anzuzeigen.

Die Steuerschuld entsteht gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1987 sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist. Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht nach Abs. 2 dieser Bestimmung die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge …) schriftlich einzureichen.

3. Erwägungen

Strittig ist ausschließlich die Frage, ob für die gegenständliche Betriebsübertragung die Begünstigung nach NeuFöG in Anspruch genommen werden kann und daher die GrESt nicht erhoben werden darf.

Nach dem § 5a Abs. 2 Z 2 NeuFöG wird zur Förderung von Betriebsübertragungen die GrESt von steuerbaren Vorgängen, die mit der Betriebsübertragung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, nicht erhoben.

Dafür verlangt das Gesetz aber nach § 5a Abs. 2 Z 1 NeuFöG die sinngemäße Anwendung von § 4 NeuFöG, wonach die Abgaben nur dann nicht erhoben werden, wenn der Betriebsinhaber beim FA einen amtlichen Vordruck vorlegt, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Betriebsübertragung erklärt und der Kalendermonat der Betriebsübertragung bekannt gegeben wird.
Die Erklärung der Neugründung ist formgebunden. Es ist ein bestimmter amtlicher Vordruck (NeuFö2) zu verwenden und überdies eine Bestätigung einzuholen. Die Vorlage dieses formgebundenen Antrages ist materielle Voraussetzung für die Begünstigung und hat zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der jeweiligen Behörde zu erfolgen (vgl. , , , , ).
In Anspruch genommen wird eine Behörde zB durch ein Anbringen im Sinne des § 85 BAO (in Erfüllung von Verpflichtungen, insbesondere sind nach § 10 Abs. 1 GrEStG 1987 Erwerbsvorgänge mit einer Abgabenerklärung beim FA anzuzeigen. Der Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Behörde ist somit jener, zu welchem ein Anbringen eingereicht wird. Der amtliche Vordruck ist grundsätzlich gemeinsam mit diesem Anbringen - jedenfalls aber vor Ergehen der Erledigung - einzureichen.

Der gegenständliche Kaufvertrag wurde am unter der aufschiebenden Bedingung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung geschlossen und ist die Steuerschuld daher nach § 8 Abs. 2 GrEStG mit der Genehmigung (Bescheid vom ) entstanden. Damit war der Erwerbsvorgang gemäß § 10 Abs. 1 GrEStG beim FA mit einer Abgabenerklärung anzuzeigen, was - ohne Vorlage eines NeuFö2-Formulares - am durch die Vertragsverfasserin erfolgt ist. Dies ist nach den bisherigen Ausführungen somit der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem der amtliche Vordruck gemeinsam mit dem Anbringen einzureichen gewesen wäre. Die GrESt wurde mit Bescheid vom vorgeschrieben. Das gemeinsam mit der dagegen erhobenen Beschwerde vom vorgelegte Formular NeuFö2, datiert mit , wurde daher unzweifelhaft verspätet vorgelegt und hat daher das FA die erst im Rechtsmittelverfahren begehrte GrESt-Befreiung zu Recht versagt. Die Nachreichung einer ordnungsgemäß und vollständigen NeuFöG-Erklärung im Beschwerdeverfahren kann den Mangel einer nicht rechtzeitigen Vorlage nicht mehr sanieren.

"Bei der Vorlage des amtlichen Vordruckes (§ 4 NeuFöG) bei der Behörde gemeinsam mit dem Befreiungsantrag handelt es sich um ein materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal für die Befreiung. Dieses muss, wie die übrigen vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Befreiung, im Zeitpunkt der - rechtzeitigen - Antragstellung vorliegen. Eine spätere Vorlage kann den Tatbestand daher nicht mehr erfüllen, weil dieser eben die rechtzeitige Vorlage verlangt. Die Vorlage des amtlichen Vordruckes im Berufungsverfahren bedeutet demnach keine für die Befreiung relevante nachträgliche Änderung des Sachverhaltes oder einer Änderung von rechtlichen Gegebenheiten; dadurch wird der Befreiungstatbestand nicht (mehr) erfüllt ()".

Dem Beschwerdevorbringen, Förderungswürdigkeit könne nicht mit Fristen verbunden sein, ist überdies entgegenzuhalten:
Der Zeitpunkt, an dem die jeweilige Behörde in Anspruch genommen wird, ist deshalb entscheidend, weil das NeuFöG zwecks einfacher Handhabung der Förderung von Betriebsübertragungen eine Vorwegfreistellung von bestimmten Abgaben im Wege einer "Selbsterklärung" vorsieht. Damit aber die Steuervorschreibung von vorne herein unterbleiben kann, ist der amtliche Vordruck NeuFö2 spätestens mit Einreichung der GrESt-Abgabenerklärung vorzulegen. Bereits im Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage des Steuerreformgesetzes 2000 wird diesbezüglich ausgeführt, dass die Inanspruchnahme der Begünstigung grundsätzlich nur im Vorhinein, also im Wege einer Vorwegfreistellung von Abgaben, Gebühren und Beiträgen durch Vorlage einer Selbsterklärung nach erfolgter Beratung möglich sei. Eine Erstattung bereits entrichteter Abgaben komme nicht in Betracht. Nicht zuletzt kann auch das Vorbringen der Bf., sie sei anlässlich der Errichtung des Kaufvertrages auf die Möglichkeit der teilweisen Abgabenbefreiung nicht hingewiesen worden, der Beschwerde aufgrund der eindeutigen Rechtslage nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Beschwerde war daher wie im Spruch ersichtlich als unbegründet abzuweisen.

4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Fall die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig ist und das Erkenntnis auf die angeführte, bisherige Rechtsprechung des VwGH Bedacht genommen hat, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 10 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 8 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 1 NeuFöG, Neugründungs-Förderungsgesetz, BGBl. I Nr. 106/1999
§ 4 NeuFöG, Neugründungs-Förderungsgesetz, BGBl. I Nr. 106/1999
§ 5a NeuFöG, Neugründungs-Förderungsgesetz, BGBl. I Nr. 106/1999
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100005.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at