Geschäftsführerhaftung, Gleichbehandlungsnachweis nicht verbessert, Geschäftsführer am Papier ohne Aufgabenzuteilung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die SenatsvorsitzendeR-1, die RichterinR-2 sowie die fachkundigen Laienrichter R-3 (Wirtschaftskammer Wien) und R-4 (Arbeiterkammer Wien) in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Prof. Mag. Erich Wolf Wirtschaftsprüfungs GmbH, Ferdinandstraße 4/4. OG, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des damaligen Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , Steuernummer N-1, gemäß § 9 BAO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Vertreters, des Amtsbeauftragten Mag. Christoph Jagersberger und der Schriftführerin SF zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachfolgende Abgaben im Gesamtbetrag von € 16.510,53 (anstatt € 18.638,76) herabgesetzt:
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Abgabe | Zeitraum | Betrag |
Umsatzsteuer | 03/2012 | 12.815,49 |
Säumniszuschlag 1 | 2012 | 477,60 |
Körperschaftsteuer | 07-09/2012 | 437,00 |
Stundungszinsen | 2012 | 91,81 |
Körperschaftsteuer | 10-12/2012 | 439,00 |
Umsatzsteuer | 10/2012 | 1.626,63 |
Säumniszuschlag 2 | 2012 | 29,07 |
Säumniszuschlag 3 | 2012 | 29,07 |
Körperschaftsteuer | 2012 | 337,83 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 73,86 |
Pfändungsgebühr | 2014 | 89,91 |
Barauslagenersatz | 2014 | 1,71 |
Säumniszuschlag 2 | 2014 | 36,93 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 24,62 |
Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der G-1 für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 18.638,76 zur Haftung herangezogen:
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Abgabe | Zeitraum | Betrag | Fälligkeit |
Umsatzsteuer | 03/2012 | 12.815,49 | |
Säumniszuschlag 1 | 2012 | 477,60 | |
Körperschaftsteuer | 07-09/2012 | 437,00 | |
Stundungszinsen | 2012 | 91,81 | |
Körperschaftsteuer | 10-12/2012 | 439,00 | |
Umsatzsteuer | 10/2012 | 1.626,63 | |
Säumniszuschlag 2 | 2012 | 128,37 | |
Säumniszuschlag 3 | 2012 | 128,37 | |
Körperschaftsteuer | 2012 | 1.492,00 | |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 326,22 | |
Pfändungsgebühr | 2014 | 397,10 | |
Barauslagenersatz | 2014 | 7,54 | |
Säumniszuschlag 2 | 2014 | 163,11 | |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 108,74 |
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.
Gemäß § 1298 ABGB obliege dem, der vorgebe, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, der Beweis.
Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen ergebe sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, für diese Abgaben hafte, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht hätten entrichtet werden können.
Der Bf. sei unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der Gesellschaft, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.
Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Für die haftungsgegenständlichen Zeiträume 03/2012 und 10/2012 sei die Umsatzsteuer vom Bf. selbst bemessen, jedoch nicht entrichtet worden.
In diesem Zusammenhang werde auch auf die Bestimmung des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstreckten. Ebenso seien Zwangs- und Ordnungsstrafen im Wege der Geschäftsführerhaftung geltend zu machen.
Nach § 80 BAO habe der Vertreter einer juristischen Person alle Pflichten zu erfüllen, die der juristischen Person oblägen. Einer GmbH obliege jedenfalls die Verpflichtung zur Entrichtung der Körperschaftsteuer.
Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei.
Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdränge, sei die Abgabenbehörde veranlasst gewesen, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.
Da der Bf. seinen Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.
Die Gläubigergleichbehandlung habe in seiner Vorhaltsbeantwortung vom nicht nachgewiesen werden können. Als Vertreter der GmbH sei es ihm oblegen gewesen, konkret darzulegen, ob und inwieweit die (noch) vorhandenen liquiden Mittel gleichmäßig auf alle Gläubiger aufgeteilt worden seien. Der vom Bf. übermittelte Kontoauszug der Bank sei unvollständig. Das Bankkonto der GmbH wäre als Nachweis der Gläubigergleichbehandlung geeignet, jedoch ende der betreffende Kontoauszug per . Der für die Beurteilung relevante Zeitraum erstrecke sich vom bis , ausgehend von den gesetzlichen Fälligkeiten der jeweiligen Abgaben.
Die dargelegte WKO-Abmeldung als auch die Nichtbetriebsmeldung an die Wirtschaftskammer Niederösterreich sei für die Haftungsinanspruchnahme ohne Bedeutung. Die für die Haftung relevanten Informationen beziehe das Finanzamt aus dem Firmenbuch.
Beiliegend würden sämtliche Bescheide der haftungsgegenständlichen Abgaben übermittelt.
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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte der Bf. ein, dass eine Gläubigergleichbehandlung nachgewiesen werden könne durch die beiliegenden Bankauszüge der B-1. Das Nichtvorliegen einer Gläubigerungleichbehandlung schließe die Haftung nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus.
Zudem sei für den Haftungsanspruch die Festsetzungsverjährung eingetreten, da die Frist von fünf Jahren abgelaufen sei und keine nach außen erkennbare Verlängerungshandlung hinsichtlich der Haftung des Haftungsschuldners bekannt sei (§ 209 Abs. 1 und 207 BAO).
Die Beschwerdevorentscheidung (Anmerkung: im Haftungsverfahren des zweiten Geschäftsführers P-1) behaupte, dass die beigelegten Bankausweise lediglich bis dotierten und deshalb der Beweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht worden sei.
In der Anlage übermittle er die Bankauszüge bis und weise darauf hin, dass das relevante Bankkonto am gelöscht worden sei, weshalb für den Zeitraum vom bis keine Bankauszüge existierten, welche allerdings als Gläubigergleichbehandlungsnachweis vom Finanzamt verlangt worden seien. Ein Gläubigergleichbehandlungsnachweis über den (Löschung des Bankkontos) sei daher nicht erforderlich.
Entgegen der Meinung nach der Beschwerdevorentscheidung sei die Festsetzungsverjährung gemäß §§ 207 und 209 (1) BAO im gegenständlichen Fall einschlägig, zumal Haftungsbescheide nur bei noch nicht verjährten Abgaben der primären Steuerschuldnerin zulässig seien. Ohne Schuld könne auch keine Haftung der Geschäftsführer eintreten. Die Verjährung sei von Amts wegen zu berücksichtigen und seien allenfalls nicht verjährte Abgaben infolge von nach außen in Erscheinung tretenden Verlängerungshandlungen der Behörde ebenfalls von der Behörde nachzuweisen.
Im vorliegenden Sachverhalt sei ein außergerichtlicher Vergleich vorgenommen worden. Die Hauptschuldnerin, die B-1, habe auf einen wesentlichen Teil ihrer Forderungen verzichtet, weshalb auch bei einer nur teilweisen Tilgung der Abgabenverbindlichkeiten keine benachteiligende Gläubigerbehandlung und damit verbunden auch kein schuldhaftes Verhalten des Vertreters im gegebenen Sachverhalt vorliege.
Der Bf. führe zudem an, dass er seit 2009 in den USA lebe und daher schon wegen seiner Abwesenheit in Österreich kein schuldhaftes Verhalten als Geschäftsführer gesetzt haben könne.
Abschließend beantragte er, die festgesetzte Haftungssumme als gegenstandslos zu erklären, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den Senat.
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass in der Bescheidbeschwerde der Gleichbehandlungsnachweis nicht erbracht worden sei.
Dem Vertreter obliege der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (; ).
Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reiche nicht.
Der angeführte USA-Aufenthalt entbinde den Bf. nicht von der Obliegenheit als Vertreter der Gesellschaft dafür zu sorgen, dass Abgaben entrichtet würden. Eine schuldhafte Pflichtverletzung sei infolge mangelnder Beweise anzunehmen.
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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass der Haftungsbescheid zu Unrecht ergangen sei, da der Bf. als Vertreter und Haftungsschuldner in den USA ansässig und mit der operativen Geschäftsführung der österreichischen Gesellschaft in keiner Phase des Bestehens der Gesellschaft beauftragt oder sonst in irgendeiner Weise tätig gewesen sei. Er komme daher zur Haftung wie die sprichwörtliche "Jungfrau zum Kind".
Eine Gläubigergleichhandlung sei im Antrag vom nachgewiesen durch die beiliegenden Bankauszüge der B-1. Das Nichtvorliegen einer Gläubigerungleichbehandlung schließe die Haftung nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus.
Zudem sei für den Haftungsanspruch die Festsetzungsverjährung eingetreten, da die Frist von fünf Jahren abgelaufen und keine nach außen erkennbare Verlängerungshandlung hinsichtlich der Haftung des Haftungsschuldners bekannt sei (§ 209 Abs. 1 und § 207 BAO).
In Ergänzung zu seinem Beschwerdeantrag führe der Bf. an, dass nach der ständigen Judikatur und Lehre zu § 9 BAO (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 9) bei mehreren Vertretern die Aufgaben verteilt werden könnten. Die Geschäftsverteilung könne einen Vertreter auch exkulpieren, wenn er sich diesbezüglich auf andere Vertreter verlassen habe können. Der Umfang seiner Überwachungspflicht hänge dabei von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (zB ).
Im gegenständlichen Fall habe der Bf. lediglich die Funktion eines "Ersatz-Geschäftsführers" im Falle eines krankheitsbedingten Ausfalls (oder einer sonstigen Verhinderung) des "Haupt-Geschäftsführers" P-1 übernommen. Eine haftungsbegründende Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit könne daher keinesfalls angenommen werden, da eine Pflichtverletzung seitens des Bf. schon grundsätzlich nicht vorliegen könne.
Der Bf. führe nochmals an, dass er seit 2009 in den USA lebe und daher schon wegen seiner Abwesenheit in Österreich kein schuldhaftes Verhalten als Geschäftsführer gesetzt haben könne.
Darüber hinaus lägen in der bekämpften Beschwerdevorentscheidung schwerwiegende Begründungsfehler vor, zumal die Gründe für die Ermessensentscheidung der Haftungsinanspruchnahme - insbesondere auch das Haftungsausmaß der beiden Vertreter, da beide zu je 100% zur Haftung herangezogen worden seien, was eine Haftungsinanspruchnahme von 200% zur Folge habe - nicht angeführt worden seien.
Es lägen somit wesentliche Verfahrensmängel vor, weshalb er den Antrag stelle, den bekämpften Haftungsbescheid als gegenstandslos zu erklären.
Abschließend beantragte er erneut die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat.
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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Bf., den im Rahmen der einem Geschäftsführer auferlegten Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderten Liquiditätsstatus, in Form einer Gegenüberstellung aller liquiden Mittel und fälligen Verbindlichkeiten (wobei auch die Zug-um-Zug-Geschäfte zu berücksichtigen seien) zum jeweiligen Fälligkeitstag der angeführten haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits sowie die Verwendung der vorhandenen Mittel ankomme (auch zur Bezahlung der Zug-um-Zug-Geschäfte), vorzulegen.
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In Beantwortung dieses Ersuchens teilte der Bf. mit Schreiben vom mit, faktisch nicht der Geschäftsführer gewesen zu sein, er sei nur auf dem Papier für seinen Vater, als faktischer und eingetragener Geschäftsführer, nach dem Tod seiner Mutter gewesen.
Zum Nachweis seiner Abwesenheit legte er eine Bestätigung der US-amerikanischen U-1 International University vom vor, wonach er seit Herbst 2009 bis voraussichtlich Frühjahr 2011 inskribiert sei, eine Kopie eines Ausweises als "Permanent Resident" der United States of America seit sowie ein Schreiben der G-2 vom , womit ein Beschäftigungsverhältnis des Bf. seit bestätigt werde.
Weiters legte er ein Schreiben des Rechtsanwaltes P-2 an seinen Vater P-1 vom vor:
"Ich bestätige Ihnen gerne, dass ich für Sie seinerzeit, im Jahr 2012, beim Verkauf der Liegenschaft in A-2, anwaltlich tätig war.
Nach unserer zuletzt geführten Besprechung und meiner Erinnerung nach hat der Käufer der Liegenschaft, Herr P-3, einen Kaufpreis von gesamt EUR 606.000,00 bezahlt, überwiegend für Grund und Boden, teilweise für Mobiliar und Inventar.
Von diesem Kaufpreis wurden nach meiner Erinnerung von mir als Treuhänder EUR 560.000,00 an die B-2 überwiesen, weitere EUR 13.920,00 an das Maklerbüro G-3, EUR 22.080,00 habe ich Ihnen überwiesen bzw. weitergeleitet, EUR 10.000,00 verblieben bei mir als Honorar.
Von dem an sie überwiesenen Teilbetrag von EUR 22.080,00 haben Sie nach eigenen Angaben unter anderem einen Betrag von EUR 9.542,00 an die RA-Kanzlei G-4 in A-3 wegen einer auf die Liegenschaft bezogenen Wasserrechtsklage überweisen müssen und einen weiteren Teilbetrag von EUR 6.766,00 an das Finanzamt bezahlt.
Die Liegenschaft war meiner Erinnerung nach bereits zur gerichtlichen Zwangsversteigerung mit einem Rufpreis von EUR 450.000,00 ausgeschrieben, bei einem ersten anberaumten Versteigerungstermin fanden sich jedoch keine Käufer oder Interessenten ein.
Der von Herrn P-3 in der Folge bezahlte Kaufpreis von EUR 606.000,00 lag sohin deutlich über dem Rufpreis der Liegenschaft, aus diesem Grund konnten von Ihnen auch Beträge an das Finanzamt bezahlt werden.
Bei einer gerichtlichen Zwangsversteigerung wäre meiner Erinnerung nach das gesamte Meistbot an die B-2 als pfandrechtlich besicherter Gläubiger überwiesen worden."
Letztlich findet sich als Beilage des Schreibens auch ein Versuch eines Gleichbehandlungsnachweises:
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Vorhandene liquide Mittel | 607.603,00 |
Gesamtverbindlichkeiten | 1.081.980,01 |
Quote gesamt | 56,16% |
Entrichtungen auf dem Abgabenkonto | 8.369,00 |
Gesamte Abgabenverbindlichkeiten (ohne Nebenansprüche) | 16.810,12 |
Abgabenquote | 49,79% |
Anspruch Fiskus | 9.439,99 |
Bereits bezahlt | 8.369,00 |
Zusätzlicher Haftungsanspruch | 1.070,99 |
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Mit Schreiben vom brachte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt den bisherigen Schriftverkehr zur Kenntnis.
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In der Stellungnahme vom wandte die Abgabenbehörde ein, dass im Wesentlichen auf das Vorbringen im Vorlageantrag verwiesen werde, die nun neu vorgelegten Unterlagen führten zu keiner Veränderung der Beurteilung durch das Finanzamt.
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Mit Schreiben des wurde der Bf. darauf hingewiesen, dass der von ihm unternommene Versuch zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises vom nicht der Vorgabe des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Liquiditätsstatus zu allen Fälligkeitstagen zu erstellen sei, die ihm mit dem Ersuchen vom samt Anleitung zur ordnungsgemäßen Berechnung zur Kenntnis gebracht worden sei, entspreche.
Es wurde dem Bf. aber erneut die Möglichkeit geboten, einen ordnungsgemäßen Gleichbehandlungsnachweis nachzureichen, andernfalls dieser als gescheitert anzusehen wäre und eine Herabsetzung des Haftungsbetrages nicht in Betracht käme ().
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Mit Schreiben vom übermittelte der Bf. erneut die (mit geringfügigen Abweichungen) bekannte Tabelle und wies darauf hin, dass der Liquiditätsstatus zu allen Fälligkeitstagen auf Basis der übermittelten Unterlagen iSd , ersichtlich sei, zumal alle relevanten Fälligkeitstage in der Tabelle eingetragen seien, das Unternehmen im Beobachtungszeitraum keinen laufenden Betrieb geführt habe, weshalb sich die Berücksichtigung von zusätzlichen Fälligkeitstagen erübrige, Zug-um-Zug-Geschäfte im gegenständlichen Fall nicht zu berücksichtigen seien, da solche nicht getätigt worden seien und dass das bereits übermittelte Schreiben von Herrn Rechtsanwalt P-2 vom den zugrundeliegenden Sachverhalt im Detail genau erläutere.
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Da der weitere Versuch zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises erneut gescheitert sei, ersuchte das BFG den Bf. mit Schreiben vom um Beantwortung nachstehender Fragen, die mit Schreiben vom wie folgt beantwortet wurden:
"Wann erfolgte die Bezahlung des Kaufpreises von € 606.000,00 für den Verkauf des Grundstückes?"
Am laut Schreiben der B-1 (Anlage 1).
"Laut übermitteltem Anlagenverzeichnis erfolgten am (Betriebs- und Geschäftsgebäude sowie Grundstückseinrichtungen) und am (bebaute Grundstücke) generelle Abschreibungen auf Null.
Wurden für diese Abgänge Zahlungen von dritter Seite geleistet? Wenn ja, wann und in welcher Höhe?"
Laut Kaufvertrag sei die Immobilie inklusive Inventar für € 140.000,00 verkauft worden, weshalb die Abschreibung der Einrichtung auf Null stattgefunden habe.
"Wurden die in den folgenden Bilanzen zum -2015 enthaltenen Aktiva von insgesamt € 6.914,00 verwertet? Wenn ja, wann und in welcher Höhe?"
Leider handle es sich hier um einen Buchhaltungsfehler, da nämlich das Fahrzeug Ford Explorer durch einen Brandunfall zerstört worden sei.
"Wann wurden die Zahlungen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (Bank, Makler, RA P-2, RA P-4, Lieferanten, etc.) im Zeitraum 2012 bis dato geleistet?"
Am laut Schreiben RA P-2 (Anlage 4 und 5). Lieferanten seien abhängig von der Liquiditätssituation laufend bezahlt worden (Anlagen 6+7).
"In welcher Höhe bestanden die Verbindlichkeiten (mit Ausnahme der Abgabenschulden) zum Zeitpunkt des Kaufpreiserhalts für den Verkauf der Liegenschaft?"
Laut OP-Liste Lieferanten in Höhe von € 53.977,73 (Anlage 8).
"Wann erfolgte der teilweise Forderungsverzicht der Bank für die in Höhe von € 970.462,04 aushaftende Kreditverbindlichkeit?"
Laut Schreiben der B-1 vom (Anlage 9) durch Löschung sämtlicher Pfandrechte laut Kaufvertrag (Anlage 10):
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283.000,00 | |
140.000,00 | |
250.000,00 | |
351.000,00 | |
250.000,00 | |
gesamt | 1.274.000,00 |
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In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht:
"Der Vertreter 1 tätigte Ausführungen zu § 9 BAO, verwies darauf, dass eine Kapitalgesellschaft deswegen gegründet werde, dass kein direkter Zugriff auf eine natürliche Person erfolge und nunmehr mit § 9 BAO jedoch sehr wohl bei seinem Mandanten Abgaben einbringlich gemacht werden sollten. Eingewendet werde die Verjährung. Zudem sei der Bf. lediglich Gründungshelfer dieser Gesellschaft gewesen, die im Gastgewerbe und Hotelbetrieb tätig gewesen sei. Zunächst hätte die Mutter des Bf. zweite Geschäftsführerin werden sollen, da sie aber verstorben sei, sei der Bf. eingesprungen und habe nichts mit den Belangen der Gesellschaft zu tun gehabt.
Die weitere Vertreterin ergänzte, dass die Mutter des Bf. sei im Jahr 2008 erkrankt und 2009 verstorben sei, daher sei der Bf. im Jahr 2009 Geschäftsführer geworden. An dem Tag, an dem seine Mutter verstorben sei, hätten die Banken die Kredite fällig gestellt. Sogar seine damals 16-jährige Schwester habe im Betrieb mitgeholfen, aber es habe kaum mehr einen laufenden Betrieb gegeben. Im Jahr 2012 sei das Inventar verkauft worden, woraus die Umsatzsteuerschuld für März 2012, die nicht bei Fälligkeit habe entrichtet werden können, weil der Verkaufspreis bereits anderweitig zugewiesen worden sei, resultiert sei. Dies sei eine Art außergerichtlicher Vergleich gewesen. Die weitere Vertreterin sei die Lebensgefährtin des Vaters des Bf., daher kenne sie die Umstände seit Jahren und könne dazu Auskunft geben.
Vorgelegt wurden eine Vollmacht vom für die Vertreterin 2, ein Schreiben von Bf. vom , gerichtet an die Berichterstatterin, welches durch die Vorsitzende vorgelesen wurde:
"Ich, Bf., habe durch die Erkrankung und den Tod von meiner Mutter, P-5, die Geschäftsführung gemeinsam mit meinem Vater 2009 unentgeltlich übernommen, um den Betrieb der G-1 weiterzuführen.
Jedoch im August 2009 habe ich ein Stipendium bekommen, um in den USA studieren zu können, was ich dann Ende August 2009 begonnen habe.
Dadurch war ich in keiner geschäftlichen Entscheidung eingebunden, welche den Betrieb der G-1 betroffen hat. Ich habe mich voll und ganz meinem Studium gewidmet, das ich dann auch 2013 abgeschlossen habe. Nach meinem Studium bin ich in den USA geblieben, wo ich ohne Unterbrechung bis heute noch lebe.
Ich bitte Sie daher, das Verfahren gegen mich einzustellen."
Weiters wurde ein Schreiben von P-1 vom vorgelegt, das ebenfalls vorgelesen wurde:
"Hiermit würde ich gerne meine Situation aus 2012 erläutern, welche zur jetzigen Lage geführt hat.
Im Jahr 2008 erkrankte meine Gattin P-5, damalige Geschäftsführerin, an Krebs. Nach einem schweren Krankheitsverlauf verstarb sie am D-1. Ich, P-1, war bereits krankheitsbedingt in Pension.
Als Folge dessen mussten wir, mein Sohn Bf. und ich, P-1, unentgeltlich die Geschäftsführung der G-1 übernehmen, bis es uns gelingt, das Unternehmen incl. Liegenschaft zu verkaufen.
Als eine weitere Folge wurden alle Kredite seitens der Bankinstitute per D-1 fällig gestellt. Ein Verkauf der G-1 ist uns vorerst nicht gelungen und es kam 2010 zu einer gerichtlichen Zwangsversteigerung (veranlasst durch B-1) beim Bezirksgericht BG-1, aber es fanden sich jedoch keine Bieter/ Interessenten.
Im Dezember 2011 ist es mir gelungen, einen Käufer zu finden. Die Verkaufsabwicklung fand im April 2012 statt, wo der gesamte Einkaufspreis/Erlös an Notar P-2 als Treuhänder angewiesen worden ist. Dies wurde auch durch sein Schreiben vom bestätigt.
Dadurch habe ich, P-1, keine Möglichkeiten gehabt, die erhaltene Zahlung zu verwenden. Somit wurde auch die durch den Verkauf entstanden Umsatzsteuer (UVA 03/2012 sowie Korrektur UVA 10/2012) sowie Körperschaftsteuer nicht beglichen. Daraus sind dann auch div. Säumniszuschläge entstanden.
Wie Sie aus der beschriebenen Situation erkennen können, habe ich alles verloren, und heute lebe ich von meiner Pension (anbei die Bestätigung der Pensionsversicherungsanstalt).
Hiermit ersuche ich Sie um Verständnis meiner Lage, dass ich sowohl damals als auch heute nicht in der Lage bin, der vorgeschriebenen Forderung vollständig nachzukommen."
Weiters wurde ein Schreiben von der Pensionsversicherungsanstalt vom Jänner 2021 über eine Anweisung von € 1.689,81 vorgelegt.
Der Amtsbeauftragte legte den Umsatzsteuerbescheid 2012 vor und ergänzte, dass die Haftungsbestimmung zwar sehr streng sei, aber eben die Möglichkeit bestehe, eine Gleichbehandlung aller Gläubiger nachzuweisen, was jedoch unterblieben sei. Eine Zuweisung von Aufgaben an die Geschäftsführer sei ebenfalls nicht vorgelegt worden.
Der Vertreter 1 verwies in seiner abschließenden Stellungnahme nochmals auf sein Vorbringen hinsichtlich des Verjährungseintritts. Zudem werde darauf verwiesen, dass es einen außergerichtlichen Ausgleich gegeben habe und dennoch nunmehr den Geschäftsführern vorgehalten werde, dass die Umsatzsteuer nicht abgeführt worden sei. Im Ermessen sei zu berücksichtigen, dass der Vater des Bf. nur eine geringe Pension bekomme und der Bf. seit vielen Jahren in den USA wohnhaft sei, womit eine Einbringlichmachung bei ihm als sehr fraglich anzusehen sei. Zusammenfassend werde eingewendet, dass die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme nicht gegeben seien. Die Vorlage des Umsatzsteuerbescheides 2012 vom in der heutigen Verhandlung erschließe sich nicht. Die Einhebung sei auch im Zusammenhang mit dem langen Zeitraum unbillig.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO:
- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)
Abgabenforderungen
Dem Einwand des Bf., dass Haftungsbescheide nur bei noch nicht verjährten Abgaben der Primärschuldnerin zulässig seien, wobei im gegenständlichen Fall die Bestimmungen der §§ 207 und 209 Abs. 1 BAO einschlägig seien, wird entgegengehalten, dass die Inanspruchnahme eines Haftenden wegen der Akzessorietät der Haftung zwar voraussetzt, dass das Einhebungsrecht der Behörde gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht verjährt ist (). Allerdings ist die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung gemäß § 9 BAO keine Maßnahme der Abgabenfestsetzung, sondern eine solche der Abgabeneinhebung (). Es sind demnach nicht die Vorschriften über die Bemessungsverjährung nach den §§ 207 ff BAO maßgebend, sondern die Bestimmungen über die Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO ().
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Dem Einwand des Bf., dass die haftungsgegenständlichen Abgaben verjährt wären, ist die Aktenlage entgegenzuhalten, wonach ab dem (dem ältesten Fälligkeitstag) folgende (beispielsweise) Unterbrechungshandlungen, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, ergriffen wurden:
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Unterbrechungshandlung | Datum | Verjährungsfrist vorläufig verlängert bis |
Begehungen am Betriebsort | ||
Begehungen am Betriebsort | ||
Haftungsvorhalt | ||
Haftungsbescheid |
Hinsichtlich des Vorbringens, dass keine nach außen erkennbare Verlängerungshandlung den Bf. betreffend bekannt sei, wird auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach der VwGH den Standpunkt einer personenbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen für den Bereich der Einhebungsverjährung nicht mehr aufrecht hält und sich nunmehr zur Auffassung der anspruchsbezogenen Wirkung von Unterbrechungshandlungen derart bekennt, dass Amtshandlungen nach § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung des in § 238 Abs. 1 BAO genannten Rechtes gegenüber jedem unterbrechen, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegen wen sich solche Amtshandlungen gerichtet hatten. Der Text dieser Vorschrift nimmt nicht Bezug auf eine Person, sondern handelt allein vom Anspruch. "Jede" zur Durchsetzung "des Anspruches" unternommene, nach außen "erkennbare" Amtshandlung wird als verjährungsunterbrechend normiert, ohne dass diesem Gesetzestext ein Anhaltspunkt für die Anordnung entnommen werden kann, eine bestimmte, von einer solchen Amtshandlung "betroffene" Person in das die Verjährungsunterbrechung bewirkende Geschehen einzubinden (; ).
Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO nicht eingetreten ist.
Uneinbringlichkeit
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da die G-1 mit Generalversammlungsbeschluss vom D-2 aufgelöst und nach beendeter Liquidation am D-3 im Firmenbuch gelöscht wurde.
Vertreterstellung
Unbestritten ist, dass der Bf. laut Gesellschafterbeschlüssen im Zeitraum vom D-4 bis D-2 (gemeinsam mit seinem Vater P-1, der die Gesellschaft anschließend liquidierte) Geschäftsführer der GmbH war.
Schuldhafte Pflichtverletzung
Bestritten wurde jedoch, dass dem Bf. die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der genannten Gesellschaft oblag, da er in den USA ansässig sei und in keiner Phase ihres Bestehens für diese tätig gewesen sei.
Dem ist entgegen zu halten, dass ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden auch dann vorliegt, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar ().
Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass das Einverständnis, nur formell bzw. "auf dem Papier" als Geschäftsführer zu fungieren und auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen befreit. In einem solchen Einverständnis ist auch keine Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsverteilung zu sehen, welche die Abgabenangelegenheiten vom Aufgabenbereich des Bf. ausgeschlossen hätte (), weshalb der Einwand des Bf., dass die Geschäftsverteilung einen Vertreter auch exkulpieren könne, wenn er sich diesbezüglich auf andere Vertreter verlassen habe können, ins Leere geht.
Nach der Verantwortung des Bf. war dieser tatsächlich niemals mit Geschäftsführungsaufgaben jedweder Art betraut. Wirksam bestellte Geschäftsführer ohne Tätigkeitsbereich sind aber weder denkbar noch nach den gesetzlichen Bestimmungen des GmbHG zulässig, da auch eine Geschäftsverteilung von den dem Geschäftsführer obliegenden, gesetzlich zwingenden Pflichten niemals befreien kann.
Ein Vertreter handelt schon deshalb schuldhaft, weil ihm bewusst sein muss, dass er der gesetzlichen Sorgfaltspflicht des § 25 Abs. 1 GmbHG nicht entsprechen kann, wenn er dessen ungeachtet die Funktion eines Geschäftsführers übernimmt.
Darüber hinaus muss ihm die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegengehalten werden, nach welcher den Geschäftsführer, der sich eine solche Hinderung an der Erfüllung seiner Obliegenheiten gefallen lässt, die Folgen seiner Willfährigkeit treffen (). Aus welchen Gründen der Bf. seiner Verpflichtung nicht nachkam, ist im gegenständlichen Haftungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Dass er ohne seine Zustimmung zum Geschäftsführer bestellt worden oder zurechnungsunfähig gewesen wäre, hat der Bf. nie behauptet. Als bestellter Geschäftsführer hätte er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen gehabt. Hat er das nicht getan, dann muss er die Konsequenzen tragen ().
Insbesondere ist im Rahmen der Pflichten des Vertreters einer Kapitalgesellschaft für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen ().
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().
Im gegenständlichen Fall brachte der Bf. jedoch keine triftigen Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass ihm keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden wären. Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Gesellschaft ergeben sich auch nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte, da die für den Haftungszeitraum (und davor) eingereichten Bilanzen folgende Guthaben auswiesen:
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Bilanzstichtag | Kassa, Bank |
32.964,89 | |
622,61 | |
623,00 | |
623,00 | |
623,00 |
Diesen Guthaben stehen Verbindlichkeiten in folgender Höhe gegenüber:
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Bilanzstichtag | Verbindlichkeiten |
1.253.118,14 | |
16.037,00 | |
16.037,00 | |
16.037,00 | |
16.037,00 |
Dazu brachte der Bf. vor, dass am ein außergerichtlicher Vergleich - der im Übrigen in keinem Zusammenhang zu den haftungsgegenständlichen Abgaben steht - vorgenommen worden sei, wonach die Bank als Hauptschuldnerin auf einen wesentlichen Teil ihrer Forderungen verzichtet und am eine Zahlung von € 560.000,00 erhalten habe.
Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass vom erhaltenen Gesamtkaufpreis von € 606.000,00 vom Rechtsanwalt ein Teilbetrag von € 22.080,00 an P-1 zur Bezahlung der Gesellschaftsgläubiger übergeben wurde, wovon ein Betrag von € 8.369,00 an das Finanzamt geleistet wurde.
Allerdings konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass aus dem Verkaufserlös auch Zahlungen getätigt wurden, wodurch die Forderungen des Maklers von € 13.920,00 und des Rechtsanwaltes von € 10.000,00 zur Gänze getilgt wurden, da eine abgabenrechtliche Haftung auch in dem Fall besteht, wenn der Geschäftsführer die insgesamt nicht ausreichenden Geldmittel der GmbH dazu verwendet, einzelne Gläubiger bevorzugt zu befriedigen, während andere Gläubiger nicht zum Zug kommen, da damit die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgebotes verkannt werden (vgl. ).
Was eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, so wäre dies vom Bf. ohnehin nicht nur zu behaupten, sondern rechnerisch darzustellen und zu beweisen gewesen.
Am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().
Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().
Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus - in Form einer Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankommt - hat der Bf. jedoch trotz mehrfacher Aufforderungen (zur Verbesserung) nicht aufgestellt, da keine Tilgungsquoten (für sämtliche Verbindlichkeiten und für die Abgabenverbindlichkeiten sowie des prozentuellen Ausmaßes der Ungleichbehandlung) zu den einzelnen Fälligkeitszeitpunkten der haftungsgegenständlichen Abgaben ermittelt wurden.
Es ergibt sich daher, dass die vom Bf. unternommenen Versuche zur Erbringung eines Gleichbehandlungsnachweises für die bis (Schließung des Bankkontos) fälligen aushaftenden Abgaben als gescheitert anzusehen sind, da es in der Obliegenheit des Vertreters steht, einen solchen nach den Vorgaben der dazu ergangenen Judikatur und der Anleitung durch das Bundesfinanzgericht zu erstellen, weshalb auch weitere Ermittlungen seitens des Bundesfinanzgerichtes nicht vorzunehmen waren ().
Eine Beschränkung der Haftung kommt somit für diese Abgaben nicht in Betracht.
Für die ab dem fälligen Abgaben war hingegen festzustellen, dass außer dem stehengelassenen Betrag von € 623,00 keinerlei liquide Mittel mehr vorhanden waren. Allerdings hat in diesem Fall eine Aufteilung dieses Betrages zu erfolgen, da sich auch im Falle einer Einstellung der Zahlungen gegenüber sämtlichen Gläubigern für den Bf. nichts gewinnen lässt, weil damit das Gebot quotenmäßiger Befriedigung der offenen Forderungen insoweit nicht beachtet wurde, als keinem der Gesellschaftsgläubiger auch nur anteilig Zahlung geleistet wurde. Mit dieser Vorgangsweise verletzte der Bf. nämlich die dem Abgabengläubiger gegenüber bestehende Pflicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Abgabenforderungen ().
Aliquotierung:
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Abgabe | Zeitraum | Betrag | anteilig |
Säumniszuschlag 2 | 2012 | 128,37 | 29,07 |
Säumniszuschlag 3 | 2012 | 128,37 | 29,07 |
Körperschaftsteuer | 2012 | 1.492,00 | 337,83 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 326,22 | 73,86 |
Pfändungsgebühr | 2014 | 397,10 | 89,91 |
Barauslagenersatz | 2014 | 7,54 | 1,71 |
Säumniszuschlag 2 | 2014 | 163,11 | 36,93 |
Säumniszuschlag 1 | 2014 | 108,74 | 24,62 |
gesamt | 2.751,45 | 623,00 |
Kausalität
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Dem Einwand des Bf., dass Ermessen hinsichtlich des Haftungsausmaßes der beiden Vertreter nicht begründet worden sei, war zu folgen, da die Ermessensentscheidung, wer von ihnen und gegebenenfalls in welchem Ausmaß in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen ist, wenn mehrere Vertreter als Haftungspflichtige in Frage kommen ().
Dazu ist festzustellen, dass sowohl der Bf. als auch sein Vater P-1 für die verfahrensgegenständlichen Abgaben in vollem Ausmaß zur Haftung herangezogen wurden.
Seitens des Bundesfinanzgerichtes kann eine fehlerhafte Ermessensübung der Abgabenbehörde nicht darin gesehen werden, dass der Bf., bei mehreren zur Haftung herangezogenen Geschäftsführern, für den vollen Betrag der zugrundeliegenden Abgabenschuldigkeiten und nicht nur anteilig zur Haftung herangezogen wurde, da P-1 laut Erhebung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse über kein Vermögen verfügt, weil die von ihm bewohnte Liegenschaft A-4, im Eigentum des Bf. und seiner Schwester P-6 steht.
Der Ausspruch der Haftung für den vollen anteiligen Betrag der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten erscheint somit zweckmäßig und entspricht dem Interesse der Republik Österreich an der vollen Einbringung der Abgabenschuld.
Auch aus dem Vorbringen der lange verstrichenen Zeit lässt sich für den Bf. nichts gewinnen, weil die Gesellschaft am D-2 aufgelöst und am D-3 im Firmenbuch gelöscht wurde, der Haftungsvorhalt hingegen bereits am erging und der angefochtene Haftungsbescheid am erlassen wurde.
Vom Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.
Ergebnis
Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die im Spruch genannten Abgabenschuldigkeiten der G-1 im Ausmaß von nunmehr € 16.510,53 zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100859.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at