Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.11.2021, RV/7400136/2021

Haftung Kommunalsteuer - Ermittlung der Abgabe für jeden Fälligkeitstag notwendig

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, vom , MA ***Zahl 1***, betreffend Kommunalsteuer samt Säumniszuschlägen für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2017 der ***GmbH 1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gem. § 279 BAO teilweise Folge gegeben und

1. betreffend Kommunalsteuer

a. der Haftungszeitraum Jänner bis Dezember 2016 auf Juli bis Dezember 2016 eingeschränkt, wobei die Haftungssumme an Kommunalsteuer mit € 806,48 unverändert bleibt.

b. der Haftungszeitraum Jänner bis August 2017 auf Mai bis Juli 2017 eingeschränkt, wobei die Haftungssumme an Kommunalsteuer mit € 3.594,39 unverändert bleibt.

2. betreffend Säumniszuschläge

a. die Haftung für Jänner bis Dezember 2016 iHv € 16,13 und für Jänner bis August 2017 iHv € 71,89 aufgehoben.

3. Darüber hinaus wird die Beschwerde gem. § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Nach einem Vorhalteverfahren wurde der Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien (= belangte Behörde) vom für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Sämniszuschlägen der ***GmbH 1***, ***GmbH 1 Adr***, (= Primärschuldnerin) iHv € 4.488,89 für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2017 haftbar gemacht.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum 1*** zur Zahl ***Zahl 2*** über das Vermögen der Primärschuldnerin ein Konkursverfahren eröffnet worden sei und daher die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung für die Haftung erfüllt sei.

Zudem werde dem Einwand des Beschwerdeführers, er sei aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage, den Rückstand zu begleichen, entgegnet, dass Abgabenschuldner aufgrund § 53 AbgEO iVm § 219a EO in seiner Existenz geschützt seien. Weiters sei der Beschwerdeführer seit ***Datum 2*** im Firmenbuch als Geschäftsführer der oben genannten Gesellschaft eingetragen und habe weder die Bezahlung veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten verletzt.

Der Rückstand setze sich laut Abgabenkonto wie folgt zusammen:


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Rückstand
Zeitraum
Betrag in €
Kommunalsteuer laut GPLA-Prüfung
1-12/2016
806,48
Säumniszuschlag
hiezu
16,13
Kommunalsteuer laut GPLA-Prüfung
1-8/2017
3.594,39
Säumniszuschlag
hiezu
71,89
Summe
4.488,89

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom teilte der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit, dass die Geltendmachung der Haftung nicht den Ermessensrichtlinien entspräche, da die Gesellschaft nie einen Gewinn erwirtschaftet und er deshalb im September 2017 einen Konkursantrag gestellt habe. Zudem sei er nicht in der Lage seine Existenz zu sichern, da er nur eine Leistung vom Arbeitsmarktservice beziehe und es ihm deshalb unmöglich sei, die Abgabenschuld zu begleichen.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und im Wesentlichen damit begründet, dass feststehe, dass die Abgabenforderungen bei der Gesellschaft erschwert einbringlich seien und der Beschwerdeführer zu dem im § 80 Abs. 1 BAO angeführten Personenkreis gehöre.

Zudem liege keine persönliche Unbilligkeit vor, da der Beschwerdeführer als Abgabenschuldner gem. § 53 AbgEO iVm § 291a EO in seiner Existenz geschützt sei. Eine sachliche Unbilligkeit liege ebenfalls nicht vor, da die nachteiligen Folgen, nämlich die Haftung als Geschäftsführer bei Nichtentrichtung der Abgaben, alle anderen Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage genauso treffen würde.

Weiters sei es ohne Belang, ob die Primärschuldnerin einen Gewinn gemacht habe. Die schuldhafte Pflichtverletzung sei durch Missachtung der gesetzlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsvorschriften erfolgt, die letztlich auch zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen geführt habe. Es sei zwar Personal bei der Wiener Gebietskrankenkasse an- und abgemeldet worden, die Kommunalsteuer dazu aber nicht entrichtet worden. Der Beschwerdeführer habe in seiner Beschwerde aber keinen Nachweis erbracht, dass ihm die Erfüllung der Pflichten unmöglich gewesen wäre.

Im Vorlageantrag vom wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen und dieser samt Verwaltungsakt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht auf Anfrage mit, dass hinsichtlich der Haftungsbeträge keine Abgabenbescheide betreffend Kommunalsteuer und Säumniszuschläge erlassen worden seien. Hinsichtlich der Frage, ob dem Haftungspflichtigen über den haftungspflichtigen Abgabenanspruch Kenntnis verschafft wurde, insbesondere über Grund und Höhe, antwortete die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdevorentscheidung darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass die schuldhafte Pflichtverletzung aufgrund der Missachtung der gesetzlichen Vorschriften zur Führung von Aufzeichnungen und Büchern sowie der fehlenden Aufbewahrung von Buchhaltungsunterlagen zum Betrieb der Gesellschaft, die letztendlich zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen durch das Finanzamt geführt hätten, erfolgt sei. Somit wäre der Geschäftsführer auf die Schätzung der Bemessungsgrundlagen hingewiesen worden, inhaltlich wäre die Schätzung weder dem Grunde nach noch der Höhe nach in Frage gestellt worden. Die Schätzung sei aufgrund der vorliegenden elektronischen Lohnzettel und Krankenkassenanmeldungen erfolgt, als Hinzurechnung sei ausschließlich der nicht der Kommunalsteuer unterzogene Geschäftsführerbezug berücksichtigt worden. Zudem gäbe es im Vorlageantrag zur Schätzung und der Höhe des Haftungsbetrages vom Beschwerdeführer keinerlei Einwendungen und werde auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die Beschwerde der Ehegattin, GZ RV/7400181/2019, verwiesen.

Weiters legte die belangte Behörde eine Aufgliederung der Haftungsbeträge unter Berücksichtigung der monatlich bekannten Hinzuschätzung der nicht der Kommunalsteuer unterzogenen Geschäftsführerbezüge für Juli 2016 bis September 2017 und einer Aliquotierung der im Jahr 2017 laut Anmeldungen bei der WGKK und der elektronischen Lohnzettel geschätzten Kommunalsteuer vor. Im Detail sieht die Aufstellung wie folgt aus:

[...]

Schließlich sei der im Prüfungsbericht erwähnte Notariatsakt nicht vorhanden und gäbe es keinerlei Informationen über den aktuellen Stand der wirtschaftlichen und persönlichen Situation des Haftungspflichtigen.

Aus der beigeschafften Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zu GZ RV/7400181/2019 ist zu entnehmen, dass der Beschwerde teilweise stattgegeben wurde und die Ehegatten vier Kinder haben.

Mit Vorhalt vom wurde dem Beschwerdeführer die Niederschrift über die Schlussbesprechung und der Bericht der Kommunalsteuerprüfung betreffend der ***GmbH 1***, der Vorhalt an die belangte Behörde vom sowie deren Beantwortung vom samt Aufgliederung der monatlichen Haftungsbeträge seitens der belangten Behörde übermittelt. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, sich zum zugrundeliegenden Abgabenanspruch zu äußern, einen allfälligen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung beizubringen, weitere Gründe für die Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben vorzubringen und seine derzeitige wirtschaftliche und persönliche Situation darzulegen.

Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu nicht und ließ den Vorhalt unbeantwortet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Festgestellter Sachverhalt

Die Primärschuldnerin wurde am ***Datum 3*** von der Ehegattin des Beschwerdeführers errichtet. Diese war bis ***Datum 4*** Alleingesellschafterin, danach der Beschwerdeführer. Die Ehegattin hatte vom ***Datum 5*** bis ***Datum 4*** die Geschäftsführung inne. Der Beschwerdeführer war in diesem Zeitraum bevollmächtigter Geschäftsführer (AS 5). Zudem fungierte er vom ***Datum 6*** bis ***Datum 7*** und ab ***Datum 2*** als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Mit Beschluss vom ***Datum 1*** wurde über die Firma der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft am selben Tag aufgelöst (AS 3).

Lt. Ist-Kontoauszug vom wurden seitens der Primärschuldnerin Kommunalsteuer 1-12/2016 iHv € 810,25 und Säumniszuschläge 1-12/2016 iHv € 16,13 sowie Kommunalsteuer 1-9/2017 iHv € 7.030,45 und Säumniszuschläge 1-9/2017 iHv € 140,61 nicht entrichtet (AS 13).

Diese Beträge haften bis dato noch immer aus und resultieren aus einer GPLA-Prüfung (Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) bei der Primärschuldnerin, welche nach Konkurseröffnung durchgeführt wurde. Dabei musste eine Schätzung gem. § 184 BAO vorgenommen werden, da der Beschwerdeführer die Lohnverrechnung weggeworfen hat (AS 5 und 20ff). Insgesamt kam es dadurch zu einer Abgabennachforderung an Kommunalsteuer für das Jahr 2016 iHv € 900,- und für die Monate 1-9/2017 iHv € 15.462,28 (AS 4). Die Primärschuldnerin wurde dabei von der Masseverwalterin vertreten, sie war bei der Schlussbesprechung anwesend und wurde ihr auch der Prüfungsbericht zugestellt (AS 22). Eine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung der haftungsgegenständlichen Beträge an Kommunalsteuer und Säumniszuschläge erfolgte nicht.

Der Beschwerdeführer wurde lt. Haftungsbescheid der belangten Behörde vom für den Rückstand der Primärschuldnerin an Kommunalsteuer 1-12/2016 iHv € 806,48, Säumniszuschlägen 1-12/2016 iHv € 16,13, Kommunalsteuer 1-8/2017 iHv € 3.594,39 und Säumniszuschlägen 1-8/2017 iHv € 71,89, insgesamt somit für Abgaben iHv € 4.488,89 haftbar gemacht (AS 27f).

Aus der Aufstellung der belangten Behörde vom geht hervor, dass sich der Rückstand Kommunalsteuer 1-12/2016 iHv € 806,48 auf die Monate Juli bis Dezember 2016 (Juli € 60,25; August € 150,00; September € 150,00; Oktober € 150,00; November € 150,00; Dezember € 150,00, ergibt € 810,25, aber tatsächlich nur € 806,48 haftbar gemacht) und der Rückstand Kommunalsteuer 1-8/2017 iHv € 3.594,39 auf die Monate Mai bis Juli 2017 (Mai € 158,32; Juni € 1.718,03; Juli € 1.718,03) bezieht. Es steht fest, dass der Beschwerdeführer über dem zugrundeliegenden Abgabenanspruch, insbesondere über Anspruch, Art, Höhe und Grund in Kenntnis gesetzt wurde.

Weiters steht fest, dass der Beschwerdeführer seit 2015 beinahe durchgehend als arbeitssuchend gemeldet ist, Notstandshilfe bezieht und 4 Kinder hat.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf die im Akt befindlichen Unterlagen und wurden bereits im Verfahrensgang die wesentlichen Beweismittel mit Verweis auf die Aktenseite (AS) angeführt. Insbesondere ergeben sich die Feststellungen hinsichtlich der Geschäftsführer-tätigkeit und der Konkurseröffnung aus dem Firmenbuch zu ***FBNr***. Dass der Beschwerdeführer bevollmächtigter Geschäftsführer war, ergibt sich aus den Feststellungen der GPLA-Prüfung, insbesondere aus den Notariatsakt vom . Die persönliche Situation des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Sozialversicherungsabfrage. Es gibt keine Anhaltspunkte diese Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Höhe und die genaue Zusammensetzung des Abgabenrückstandes der Primärschuldnerin ergibt sich aus dem unverändert gebliebenen "Ist Kontoauszug" vom sowie der detaillierten monatlichen Aufstellung der belangten Behörde vom (AS 50). Diese Aufstellung ist schlüssig und nachvollziehbar und deckt sich mit den Ergebnissen der GPLA-Prüfung.

Das keine Abgabenbescheide erlassen wurden ergibt sich ebenfalls aus dem Antwortschreiben vom der belangten Behörde. Die Kenntniserlangung des zugrundeliegenden Abgabeanspruches durch den Beschwerdeführer erfolgte insbesondere dahingehend, dass diesem im Zuge des Beschwerdeverfahrens die Aufstellung vom , die Niederschrift und der Bericht der GPLA- bzw. Kommunalsteuerprüfung sowie die Vorhaltebeantwortung der belangten Behörde übermittelt wurden.

Das die Lohnverrechnung vom Beschwerdeführer weggeworfen wurde, beruht auf der Aussage der Masseverwalterin im Zuge der GPLA-Prüfung. Es gibt keinen Grund diese Aussage in Zweifel zu ziehen.

Rechtsgrundlagen

Gem. § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 (KommStG) haften die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gemäß § 11 Abs. 1 KommStG 1993 entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonates, in dem Lohnzahlungen gewährt, Gestellungsentgelte gezahlt (§ 2 lit. b) oder Aktivbezüge ersetzt (§ 2 lit. c) worden sind.

Nach § 11 Abs. 2 KommStG 1993 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

Erweist sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat gem. § 11 Abs. 3 KommStG 1993 die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Von der Erlassung eines solchen Bescheides ist abzusehen, wenn der Steuerschuldner nachträglich die Selbstberechnung berichtigt.

Gem. § 7 Abs. 2 BAO erstrecken sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche (wie z.B. Säumniszuschläge).

Gem. § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gem. § 217 Abs. 1 BAO sind im Falle, dass eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.

Gem. § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Gem. § 217a Z 2 BAO gilt für Landes- und Gemeindeabgaben, dass Säumniszuschläge im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig werden.

Gem. § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die erschwerte Einbringung der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden, seine Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für erschwerte Einbringung.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH sind zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO die in § 80 BAO angesprochenen Vertreter einer GmbH heranzuziehen. Nicht zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte sogenannte "faktische Geschäftsführer" werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern iSd § 80 BAO (). Maßgeblich für die Vertreterhaftung ist allein die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Der "faktische" Geschäftsführer kann daher weder zusätzlich noch an Stelle des bestellten Geschäftsführers zur Haftung herangezogen werden.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer vom ***Datum 6*** bis ***Datum 7*** und ab ***Datum 2*** handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***GmbH 1*** war. Für diesen Zeitraum ist er allein schon aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung Vertreter iSd § 80 BAO und kann zur Haftung herangezogen werden. Zudem war der Beschwerdeführer aufgrund des Notariatsaktes vom bevollmächtigter Geschäftsführer für den Zeitraum ***Datum 8*** bis . Aufgrund der oben zitierten Judikatur kommt er somit auch für diesen Zeitraum als Haftender in Frage.

Weiters haften gem. § 6a Abs 3 KommStG auch Personen für die Kommunalsteuer, welche auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen. Wie aus den Feststellungen der GPLA-Prüfung hervorgeht, wurde für den Beschwerdeführer ein monatlicher Geschäftsführerbezug von € 5.000,- brutto geschätzt und hat nach Auskunft der Masseverwalterin der Beschwerdeführer die Lohnverrechnung weggeworfen. Allein diese Umstände zeigen, dass der Beschwerdeführer auf die Geschäftsführung tatsächlich Einfluss genommen hat. Darüber hinaus geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Ehegattin nur vorgeschoben wurde und somit der Beschwerdeführer im oa. Zeitraum die de-fakto Geschäftsführung innehatte. Im Ergebnis kann daher der Beschwerdeführer - auch unabhängig von einer Bevollmächtigung - für den gesamten Zeitraum zur Haftung herangezogen werden.

Hinsichtlich der aushaftenden Abgabenforderung der Primärschuldnerin wird ausgeführt, dass diese Gesellschaft mit ***Datum 1*** im Zuge der Eröffnung des Konkurses aufgelöst wurde. Die mit Ist-Kontoauszug vom ausgewiesenen Beträge und zwar betreffend Kommunalsteuer "Zeitraum 2016" iHv € 810,25 und dazugehörige Säumniszuschläge iHv € 16,13 sowie betreffend Kommunalsteuer "Zeitraum 2017" iHv € 7.030,45 und dazugehörige Säumniszuschläge iHv € 140,61 waren daher bei der Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme uneinbringlich und wird dies vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Die Haftung nach § 6a KommStG ist eine Gefährdungshaftung und ist die bereits vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung der Abgabenschuldigkeiten angeführte Voraussetzung für die Haftung durch die Eröffnung des Konkursverfahrens jedenfalls erfüllt.

Der Beschwerdeführer war demnach aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer zur Entrichtung dieser Abgabenschulden zu den in seinen Vertretungszeitraum fallenden Fälligkeitstagen verpflichtet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war (). Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (vgl. , mwN).

Dem Vertreter obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Dem Vertreter, welcher fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtigen die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen ().

Der Beschwerdeführer hat lediglich eingewendet, dass er keinen Gewinn gemacht habe und daher nicht in der Lage gewesen sei die Abgabenschulden zu begleichen. Einen Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung wurde von ihm trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Zudem hat der Beschwerdeführer die Lohnverrechnung weggeworfen, wodurch - neben der Nichtentrichtung der Abgabenschulden - eine weitere schuldhafte Pflichtverletzung gegeben ist. Somit sind im gegenständlichen Fall auch die Voraussetzungen der Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die erschwerte Einbringung erfüllt.

Weiters setzt die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung das Bestehen einer Abgabenschuld voraus, nicht jedoch, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung an diesen Abgabenbescheid zu halten. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung hingegen kein Abgabenbescheid voran, so ist das Bestehen der Abgabenschuld und dessen Höhe als Vorfrage im Haftungsverfahren zu entscheiden (). Insbesondere ist bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO (oder hier: nach § 11 Abs. 3 KommStG) erlassen wurde, im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch abzusprechen ().

Wenn auch nach § 201 Abs. 4 BAO innerhalb derselben Abgabenart die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen kann (), so ist für das Haftungsverfahren - insbesondere zur Abgrenzung des Zeitraumes, für den eine Haftung besteht - eine Ermittlung der Abgabe für jeden Fälligkeitstag vorzunehmen (). Die Haftungsbeträge resultieren aus einer GPLA-Prüfung, welche nach Konkurseröffnung durchgeführt wurde. Erweist sich die Selbstberechnung der Kommunalsteuer des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde nach § 11 Abs. 3 KommStG 1993 einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. Im gegenständlichen Fall wurden nach Auskunft der belangten Behörde vom weder Kommunalsteuerbescheide noch Säumniszuschlagsbescheide erlassen. Dies wird wohl damit zusammenhängen, dass die Primärschuldnerin aufgrund des Konkursverfahrens bereits aufgelöst war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH muss in diesem Falle sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom Bescheid über den Abgabenanspruch, so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden. Es muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (; , 2000/16/0227).

Werden dem Beschwerdeführer die Grundlagen des Abgabenanspruches unvollständig zur Kenntnis gebracht, ist dadurch eine Behinderung seiner Verteidigungsrechte auch im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid zu sehen (). Wird dies unterlassen, liegt zwar ein Mangel des Verfahrens vor, welcher aber im Beschwerdeverfahren sanierbar ist ().

Nach der Aktenlage wurde die Haftung für Kommunalsteuer 1-12/2016 iHv € 806,48 und für Kommunalsteuer 1-8/2017 iHv € 3.594,39 in einem Gesamtbetrag geltend gemacht, ohne eine monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben vorzunehmen. Im Beschwerdeverfahren legte die belangte Behörde aber eine detaillierte und schlüssige monatliche Aufgliederung der in Haftung gezogenen Abgaben vor.

Spruch des Haftungsbescheides ist die Geltendmachung der Haftung für einen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe. Damit wird die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und auch der Rahmen für die Abänderungsbefugnis im Rechtsmittelverfahren festgelegt (). Demnach dürfen vom Verwaltungsgericht zwar keine anderen Abgaben, keine anderen Zeiträume und auch kein höherer Gesamtbetrag zu Grunde gelegt werden; eine Aufgliederung auf die einzelnen Fälligkeiten des umfassten Zeitraums ist aber von der Abänderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes nach § 279 Abs. 1 BAO umfasst ().

Diese monatliche Aufgliederung wurde seitens des Bundesfinanzgerichtes samt Niederschrift und dem Bericht der GPLA-Prüfung auch dem Beschwerdeführer übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde daher ausreichend Kenntnis über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) verschafft und hatte er die Möglichkeit Einwendungen dagegen zu erheben. Zudem wurde er dadurch in die Lage versetzt, einen Nachweis über die Gläubigergleichbehandlung anzutreten (), zumal der Vertreter auch nur verpflichtet ist, fällige Abgaben zu begleichen ().

Der monatlichen Aufgliederung war auch zu entnehmen, dass sich der Haftungsbetrag Kommunalsteuer 2016 iHv € 806,48 - entgegen des Haftungsbescheides - auf die Monate Juli bis Dezember 2016 (Juli € 56,48; August € 150,00; September € 150,00; Oktober € 150,00; November € 150,00; Dezember € 150,00) und der Haftungsbetrag Kommunalsteuer 1-8/2017 iHv € 3.594,39 auf die Monate Mai bis Juli 2017 (Mai € 158,32; Juni € 1.718,03; Juli € 1.718,03) bezieht. Der Haftungszeitraum war daher auf diese Monate einzuschränken. Eine Haftungsinanspruchnahme hinsichtlich der Kommunalsteuer für den Monat August 2017, welcher ebenfalls im Spruch des Haftungsbescheides angeführt ist, schied trotz eines aushaftenden Betrages von € 1.718,03 aus, da die Abänderungsbefugnis im Rechtsmittelverfahren mit der Sache begrenzt ist und kein höherer Gesamtbetrag zu Grunde gelegt werden darf ().

Gem. § 217a Z 2 BAO werden Säumniszuschläge für Landes- und Gemeindeabgaben im Zeitpunkt der Zustellung des sie festsetzenden Bescheides fällig. Da kein Bescheid über die Säumniszuschläge erlassen wurde, war demnach der Beschwerdeführer auch nicht verpflichtet die Säumniszuschläge zu entrichten. Der Beschwerde war daher hinsichtlich des Säumniszuschlages 2016 iHv € 16,13 und des Säumniszuschlages Jänner bis August 2017 iHv € 71,89 stattzugeben.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeit rasch eingebracht werden kann.

Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht gegeben, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden (). Die in der Beschwerde behauptete schlechte wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers kann der Beschwerde daher nicht zum Erfolg verhelfen. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass sich die finanzielle Situation des Beschwerdeführers verbessert.

Die Geltendmachung der Haftung entspricht verfahrensgegenständlich auch den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit. Bei Abstandnahme von der Haftungsinanspruchnahme würde die Abgabengläubigerin ihres Anspruches verlustig gehen. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass es unbillig ist, dass ein Geschäftsführer, der seine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt, zur Haftung herangezogen wird, anderenfalls jene Abgabepflichtigen und ihre Vertreter, die ihre Pflichten erfüllen, im wirtschaftlichen Wettbewerb benachteiligt würden.

Abschließend wird darauf hingeweisen, dass - wie schon von der belangten Behörde festgestellt - die Vollstreckung auf Geldforderungen der Haftungspflichtigen nur ein monatliches Einkommen über dem Existenzminimum möglich ist. Der unpfändbare Freibetrag hat der Verpflichteten zur Gänze zu verbleiben. Die Frage der Einbringlichkeit der Haftungssumme ist aber nicht in diesem Verfahren zu klären.

Zusammengefasst liegen die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme für Kommunalsteuer 7-12/2016 von € 806,48 und Kommunalsteuer 5-7/2017 von € 3.594,39 vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in der höchstgerichtlichen Judikatur nicht eindeutig geklärt wäre, liegt gegenständlich nicht vor, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 6a Abs. 1 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400136.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at