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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.12.2021, RV/7101711/2018

Km-Geld, Parkgebühren, Zahnbehandlung und Fußpflege als außergewöhnliche Belastung ?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, geb. ***1***, wohnhaft in ***Bf1-Adr*** vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom , FA 23 ***2***, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist die Absetzbarkeit von erklärten außergewöhnlichen Belastungen im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2015.

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und brachte am seine Einkommensteuererklärung 2015 persönlich beim Finanzamt Waldviertel ein; er beantragte u.a. wie folgt:

Außergewöhnliche Belastung (KZ 476)
i.H.v. insgesamt 5.719,01 € (ohne Selbstbehalt):

Gem. § 34 Abs. 6 EStG 1988 aus dem Titel der Behinderung im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2015 wurden vom Bf. erklärt:

a) Kilometergelder für die Fahrten zwischen Wohnung - Arbeitsstätte,

b) die mit den Heilbehandlungen im Zusammenhang stehenden, zusätzlich zum Kilometergeld geltend gemachten Parkgebühren,

c) Kosten für den Zahnersatz und

d) Kosten für die Fußpflege.

Nach Vorhalt des Finanzamtes vom zu den erklärten außergewöhnlichen Belastungen (ergänzend wurden noch Krankenhauskosten Krems i.H.v. 141,12 € geltend gemacht, insgesamt somit 5.860,13 € ohne Selbstbehalt), wurden im Einkommensteuerbescheid 2015 vom die außergewöhnlichen Belastungen vom Finanzamt wie folgt steuerlich berücksichtigt
(HE = Haushaltsersparnis, N = ***3***):

Das Finanzamt verwies in seiner Begründung vom darauf, dass die Aufwendungen für die Heilbehandlung in ursächlichem Zusammenhang zu der die Behinderung begründeten Krankheit stehen müssten.

Mit dem amtlichen km-Geld seien sämtliche mit dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zusammenhängenden Aufwendungen einschließlich Parkgebühren abgegolten.

Da die vom Bf. geltend gemachten Zahnbehandlungskosten in keinem Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung stehen würden, seien diese Aufwendungen mit Abzug eines Selbstbehaltes anzusetzen (siehe Gutachten vom ).

Aufwendungen für Fußpflege könnten nur dann anerkannt werden, wenn diese ärztlich verordnet und von einer dafür ausgebildeten Fachkraft durchgeführt worden wäre.

Die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hätten nicht berücksichtigt werden können, da die hierfür erwachsenen Kosten durch den Verkehrsabsetzbetrag sowie durch ein allenfalls zustehendes Pendlerpauschale und den Pendlereuro abgegolten seien.

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen sei, hätten nicht berücksichtigt werden können, da sie den gegenständlichen Selbstbehalt i.H.v. 3.410,96 € nicht übersteigen würden.

Die Aufteilung der vom Bf. erklärten 4848 km nahm das Finanzamt wie folgt vor:

a) 1264 km (Anfahrten zu Ärzten iZm der Behinderung des Bf.) wurden bei den außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt wie folgt berücksichtigt
(A=***4***; B=***5***; C=***6***; D=***7***; E=***8***):

b) 344 km (Anfahrten zur Zahnklinik DPU) wurden bei den außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt wie folgt berücksichtigt:

c) 3240 km (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) wurden nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom führt der Bf. aus, dass er seit August 2007 linksseitig gelähmt sei und durch ***6***-Aufenthalte und Therapien wieder gehen, sprechen und seiner Arbeit nachgehen könne.

Durch die verschraubte Wirbelsäule könne er sich aber nicht bücken und sich selbst die Füße pflegen.

Die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte habe er halbiert (3240 km : 2 = 1620 km [lt. Bf. wurden 1617 km in Abzug gebracht; siehe folgende Tabelle]), weil diese Fahrten durch den Verkehrsabsetzbetrag abgedeckt seien.

Die Gattin würde den Bf. am Morgen zur Arbeit fahren und danach selbst wieder nach Hause fahren. Am Nachmittag sei sie erneut zur Arbeitsstätte des Bf. gefahren, um diesen abzuholen. Danach seien sie gemeinsam wieder nach Hause gefahren.

So seien die doppelten Fahrkilometer entstanden.

So verhalte es sich auch bei den Arzt- und Therapiefahrten, die der Bf. nicht mit dem City-Bus erledigen könne.

Die geänderten Aufwendungen wegen der Behinderung des Bf. würden sich nunmehr wie folgt darstellen:

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt das Beschwerdebegehren als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen folgendermaßen:

Der Bf. habe den Zusammenhang der geltend gemachten Zahnarztkosten für eine implantatgetragene Totalprothese und der Kosten für die Fußpflege mit seiner Behinderung nicht nachweisen können.

Die Krankheit des Bf. würde nicht die Zähne und Füße betreffen und stelle auch keine eigene Behinderung im Gutachten des Sozialministeriumservice dar und sei auch bei der Feststellung des Behindertengrades nicht berücksichtigt worden.

Die Zahnarztkosten würden grundsätzlich Krankheitskosten darstellen, die jedoch nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behinderung stehen würden und deshalb nur nach Anzug eines Selbstbehaltes berücksichtigt werden könnten.

Die Kosten für die Fußpflege würden keine Kosten der Heilbehandlung einer Krankheit iSd § 34 EStG 1988 darstellen.

Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien gem. § 16 EStG 1988 Werbungskosten. Die Kosten dieser Fahrten seien mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro bereits abgegolten worden.

Weitere Kosten für diese Fahrten könnten auch nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, da außergewöhnliche Belastungen nur dann gegeben sein können, wenn es sich bei den Aufwendungen nicht bereits um Werbungskosten oder Sonderausgaben handle.

Der Bf. stellte daraufhin am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und führt darin ergänzend aus:

Die Zähne im Unterkiefer des Bf. seien wegen seiner Gefühlslosigkeit in seiner linken Gesichtshälfte von einer Entzündung befallen worden. Das sei der Auslöser gewesen warum alle Zähne im Unterkiefer verloren gingen. Es sei ihm ein Klippsystem für das Unterkiefer angefertigt worden, das er auch mit nur einer Hand betätigen könne (der linke Arm und die Hand sowie Finger seien seit dem Schlaganfall unbrauchbar).

Auch eine normale Prothese habe nicht den gewünschten Erfolg gebracht.

Lt. Auskunft der Hausärztin und der Fußpflegerin gäbe es den vom Finanzamt geforderten Verordnungsbescheid gar nicht.

Die Mehrkosten über die gefahrenen Kilometer entstünden durch den Tatbestand, dass die Gattin des Bf. diesen zur Arbeit und selbst wieder nach Hause fahre und am Ende der Arbeit des Bf. sich das Gleiche wiederhole.

Das Gleiche gelte für die Arztfahrten, Therapie, Krankenhausfahrten und die daraus entstehenden Park- und Parkhausgebühren.

Der Verkehrsabsetzbetrag beinhalte nur eine Strecke zur Arbeit und eine Heimfahrt von der Arbeit; alle anderen Kosten würden für den Bf. eine finanzielle Belastung darstellen.

Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Bf. ersucht, zu den festgestellten betraglichen Differenzen Stellung zu nehmen. Ebenso wurden dem Bf. die gesetzlichen Grundlagen zum Thema "Km-Gelder" und "Fußpflege" dargelegt.

Mit Schreiben des Bf. vom erfolgte zu den betraglichen Differenzen keine Stellungnahme, sondern die Darstellung seines Krankheitsverlaufes (Schlaganfall, Lähmungen, Rollstuhl, div. ***6***-Aufenthalte) und seiner damit zusammenhängenden Beeinträchtigungen im beruflichen und privaten Leben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bf. bezog im Streitjahr steuerpflichtige Bezüge aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitgeber ***9***) i.H.v. 32.016,10 € (KZ 245) unter Berücksichtigung eines Pendlerpauschales i.H.v. 372 €.

Seine körperlichen Funktionseinschränkungen basieren auf einem Radunfall (2003), Schlaganfall (2007), Wirbelgleiten (8/2007) und einem Herzinfarkt (12/2015).

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 % (lt. Sachverständigengutachten vom ).

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Die Belastung muss dabei

außergewöhnlich sein (Abs.2),

zwangsläufig erwachsen (Abs.3) und

die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs.4),

wobei sie nicht bereits Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sein darf.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (§ 34 Abs. 2 leg. cit.).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 leg.cit).

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 iVm Abs. 5 leg. cit.) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (§ 34 Abs. 4 leg.cit).

Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 EStG enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG, anzusetzen (§ 34 Abs. 5 leg.cit.).

Gemäß § 34 Abs. 6, Teilstrich 5 EStG 1988 können Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5) ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden.

Nach § 34 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Die für den gegenständlichen Fall relevanten, speziellen gesetzlichen Regelungen für außergewöhnliche Belastungen von behinderten Personen sind in § 35 EStG 1988 normiert.

Nach § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag (Abs. 3) zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und er keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindengeld) erhält.

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung).

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 wird bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 55% bis 64% jährlich ein Freibetrag von 294 € gewährt.

Gemäß § 35 Abs. 5 EStG 1988 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

Gemäß § 35 Abs. 7 EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen.

Die in § 34 Abs. 6 EStG 1988 und § 35 Abs. 7 EStG 1988 vom Gesetzgeber normierten Verordnungsermächtigungen, berechtigen dem Bundesminister für Finanzen die gesetzlichen Bestimmungen des § 34 EStG 1988 und § 35 EStG 1988 im Hinblick auf behinderte Personen durch Verordnung näher zu konkretisieren.

Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigungen in § 34 Abs. 6 EStG 1988 und § 35 Abs. 7 EStG 1988 hat der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303, idF BGBl. II 2010/430 erlassen (im Folgenden kurz: VO). Diese VO weist für den gegenständlichen Fall folgen maßgebenden Inhalt auf:

Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 1 Teilstrich 1 der VO).

Gemäß § 1 Abs. 2 VO der VO liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

Gemäß § 1 Abs. 3 VO der VO sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser VO nicht um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Gemäß § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut in § 35 Abs. 5 EStG 1988 hat der Steuerpflichtige somit die Wahl, entweder den Pauschbetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 oder die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 geltend zu machen.

Die gleichzeitige Zuerkennung des Pauschbetrages und der tatsächlichen Kosten ist grundsätzlich nicht zulässig.

Davon ausgenommen sind (neben den hier nicht relevanten Pausch- bzw. Freibeträgen in den §§ 2 und 3) die oben in § 4 der VO genannten Mehraufwendungen für nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung, sofern sie mit der Behinderung im Zusammenhang stehen. Sie führen nach der in § 1 Abs. 3 der VO normierten Ausnahmeregelung nicht zur Kürzung des Freibetrages nach § 35 Abs. 3 EStG 1988. Alle übrigen (in den §§ 2 bis 4 der VO nicht genannten) mit der Behinderung verbunden Mehraufwendungen können nicht neben dem Freibetrag geltend gemacht werden.

Der Begriff "Hilfsmittel" wird in der oben genannten Verordnung zwar nicht definiert, kann aber im Sinne des § 154 ASVG verstanden werden (vgl. Müller in SWK 1997, S 641). Demnach sind Hilfsmittel als Gegenstände oder Vorrichtungen anzusehen, die geeignet sind, die Funktionen fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundenen körperlichen oder psychische Beeinträchtigung zu mildern oder zu beseitigen (vgl. BFG, , RV/5101806/2014; -G/03). Um keine Hilfsmittel handelt es sich idR bei handelsüblichen Gebrauchsgegenständen, die für jedermann nutzbar sind (Jakom/Vock, EStG 2021, § 35 Tz. 25 f).

Als Kosten der Heilbehandlung gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Ebenso stellen die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten bzw. Kosten des Krankentransportes im Ausmaß der tatsächlichen Kosten oder des amtlichen Kilometergeldes bei Verwendung des (familien-)eigenen Kraftfahrzeuges, Kosten der Heilbehandlung dar. Nicht als Kosten der Heilbehandlung sind Aufwendungen anzusehen, die regelmäßig durch die Pflege verursacht werden, wie Kosten für Pflegepersonal, Bettwäsche, Verbandsmaterialien, Hygieneartikel, usw. (Doralt, EStG, Kommentar, § 35 Tz. 9; Jakom/Vock, EStG 2017, § 35 Tz. 27).

ad 1. Kilometergeld:

Da die vom Bf. erklärten 4848 km (lt. Schreiben vom ) bzw. 3232 km (lt. Schreiben vom ) sowohl Anteile, die ohne Selbstbehalt, als auch Anteile, die mit Selbstbehalt bzw. keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen, beinhalteten, erfolgte eine Aufteilung der erklärten Kilometer (siehe obige Tabellen) durch das Finanzamt zu Recht, da es sonst zu einer Vermischung zwischen eigener Behinderung, anderen Krankheiten und Werbungskosten kommen würde:

ad 1.1 Kilometergeld als außergewöhnliche Belastung (im Zusammenhang mit eigener Behinderung; ohne Abzug eines Selbstbehaltes):

Aufgrund des vom Bf. vorgelegten Arbeitszeitnachweises 2015 ergeben sich für ärztliche Fahrten 1264 km, die im Zusammenhang mit der eigenen Behinderung stehen.

Demnach ergibt sich ein zu berücksichtigendes km-Geld i.H.v. 530,88 € (ohne Selbstbehalt).

Dies wurde dem Bf. mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom zur Kenntnis gebracht.

ad 1.2 Kilometergeld als außergewöhnliche Belastung (im Zusammenhang mit anderer Krankheit; mit Abzug eines Selbstbehaltes):

Aufgrund des vom Bf. vorgelegten Arbeitszeitnachweises 2015 ergeben sich für ärztliche Fahrten 344 km zum Zahnambulatorium Krems (DPU), die nicht im Zusammenhang mit der Behinderung des Bf. stehen.

Demnach ergibt sich ein zu berücksichtigendes km-Geld i.H.v. 144,48 € (mit Selbstbehalt).

Dies wurde dem Bf. mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom zur Kenntnis gebracht.

ad 1.3 Kilometergeld (im Zusammenhang mit Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte; keine außergewöhnliche Belastung):

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, wenn die Belastungen keine Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sind.

Ausgaben (Aufwendungen), die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, sind von der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen (vgl. dazu ).

Dabei ist die Zuordnung dem Grunde nach maßgebend. Die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ist daher auch dann ausgeschlossen, wenn Ausgaben (Aufwendungen), die dem Grunde nach zu einer der genannten Ausgabenkategorien gehören, nicht oder nur zum Teil steuerlich wirksam geworden sind (z.B. wegen des Bestehens von Höchst- oder Pauschalbeträgen; siehe auch LStR 2002 Rz 826 und dort zitierte Judikatur des VwGH).

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Werbungskosten auch die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und den Pendlereuro (pauschal) abgegolten.

Voraussetzung für die Berücksichtigung des vollen Pendlerpauschales ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens 11 Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Nach den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen sind - entgegen den diesbezüglichen Ausführungen des Bf. im Schreiben vom - die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte auch dann mit dem Pendlerpauschale abgegolten, wenn diese Strecke mehrmals täglich zurückgelegt wird ().

Laut vorliegendem Lohnzettel (§ 84 EStG 1988) wurde für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte das (volle) Pendlerpauschale (gem. § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d i.H.v. 372 €) bereits vom Arbeitgeber (Fa. ***9***) im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigt.

Der Werbungskostencharakter dieser Ausgaben schließt aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut deren (zusätzliche) Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung aus.

ad 2. Parkgebühren:

Wie in der Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2015 vom bereits ausgeführt, sind mit dem amtlichen Kilometergeld auch sämtliche mit dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zusammenhängenden Aufwendungen einschließlich Parkgebühren abgegolten (vgl. ; ).

Dies wurde vom Bf. bereits durch Korrektur seiner Kostenaufstellung im Rahmen seiner Beschwerde vom berücksichtigt und ist daher als nicht mehr strittig anzusehen.

ad 3. Zahnbehandlung:

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Aufwendungen des Bf. für die Zahnsanierung mit oder ohne Abzug eines Selbstbehaltes steuerlich berücksichtigt werden können.

Krankheitskosten, die auf eine Erkrankung zurückgehen, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit den Feststellungen im Sachverständigengutachten vom stehen, können neben den Pauschbeträgen des § 35 Abs. 3 EStG 1988 bzw. den tatsächlich aus der Behinderung erwachsenden Kosten nur nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 (d.h. nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988) berücksichtigt werden (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle, Stichwort "Behinderte"; Doralt, EStG11, § 35 Tz 9, sowie die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Der Bf. verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die erklärten Kosten für den Zahnersatz durch seinen im Jahre 2007 erlittenen Schlaganfall bedingt gewesen sind (siehe Schreiben des Bf. vom ).

Nun wird keineswegs bezweifelt, dass jede Erkrankung dazu führen kann, die psychische und physische Befindlichkeit eines Patienten (negativ) zu beeinflussen.

Auf die im Jahre 2015 durchgeführte Zahnsanierung nimmt jedoch das vorliegende Sachverständigengutachten vom zu den darin festgestellten Behinderungen keinen Bezug, weshalb die Zahnsanierung noch nicht zu einer Heilbehandlung für diese Erkrankung wird.

Bei den Zahnproblemen des Bf. handelt es sich somit um eine weitere Erkrankung des Bf., neben den im Sachverständigengutachten dargestellten Behinderungen,

Bei den Zahnproblemen des Bf. handelt es sich auch nicht um eine den Behinderungsgrad beeinflussende Gesundheitsschädigung.

Die Kosten für die Zahnsanierung können daher nur nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG 1988 - d.h. nach Abzug eines Selbstbehaltes - steuerlich berücksichtigt werden.

Die Zahnbehandlung im Zahnambulatorium wurde vom Bf. belegmäßig i.H.v. 2.566,99 € nachgewiesen und wurde auch betraglich nach BFG-Vorhalt vom vom Bf. im Schreiben vom nicht beeinsprucht, weshalb von der Richtigkeit der Höhe des Betrages ausgegangen werden konnte.

Zusätzliche - zu den unter Pkt. 1.2 angeführten km-Geldern - Fahrtkosten (DPU etc.) wurden allerdings trotz Vorhalt vom vom Bf. nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, weshalb diese keine, neben den anerkannten km-Geldern, steuermindernde Berücksichtigung finden können.

ad 4. Fußpflege:

Im Einkommensteuerbescheid 2015 wurde antragsgemäß ein Freibetrag wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 ESG 1988 i.H.v. 294 € sowie Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung in Höhe von 840 € berücksichtigt.

Werden wie im verfahrensgegenständlichen Fall die Pauschbeträge nach § 35 Abs. 3 EStG beansprucht, so können im Zusammenhang mit der Behinderung nur die in der gegenständlichen Verordnung des BMF über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 1996/303 idF BGBl. II 2010/430) angeführten Aufwendungen zusätzlich geltend gemacht werden (§ 2 betr. Krankendiätverpflegung, § 3 betr. Kraftfahrzeug- bzw. Taxikosten, § 4 betr. Hilfsmittel und Heilbehandlung).

Zusätzlich zu den beantragten und gewährten Pauschbeträgen gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 wurden vom Bf. Kosten für eine kosmetische Fußpflege in Höhe von 227,50 € gemäß § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, beantragt.

Gem. § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 1996/303 idF BGBl. II 2010/430) sind nicht regelmäßige Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß (Anm.: ohne Kürzung um den gemäß § 35 Abs. 3 EStG gewährten Freibetrag und somit zusätzlich dazu) zu berücksichtigen.

Im Gegensatz zur medizinisch verordneten Fußpflege (= Podologie), die auch direkte Behandlungen der Füße (z.B. das Beschleifen von Zehennägeln zur Korrektur von Fehlstellungen) umfasst, werden bei der kosmetischen Fußpflege im Wesentlichen die Zehennägel gekürzt und die Hornhaut an den Füßen sowie die Hornschwielen namens Hühneraugen entfernt (BFG-Erkenntnis vom , RV/7104444/2019).

Kosten für Fußpflege stellen nicht Kosten der Heilbehandlung im Sinn der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen dar, da Fußpflege nicht nur von Personen mit diversen Krankheiten, sondern auch von gesunden Personen in Anspruch genommen wird.

Fußpflege ist demnach als Körperpflege im weiteren Sinn zu definieren.

Selbst bei Vorliegen einer Vorerkrankung unter Notwendigkeit der Verhinderung von Folgeschäden ist eine außergewöhnliche Belastung durch die so entstandenen Kosten nicht gegeben, da sonst der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen nicht gewahrt wäre.

Denn auch bei nicht mit Vorerkrankungen Belasteten soll mit Fußpflege logischerweise die Verhinderung von Folgekrankheiten (aufgrund nicht vorgenommener Fußpflege) bewirkt werden, ebenso wie bereits die Körperpflege an sich durch das Ausüben von Hygienemaßnahmen Krankheiten verhindert (BFG-Erkenntnis vom , RV/5101463/2014).

Belege, die den medizinischen Charakter der Fußpflegekosten nachgewiesen hätten, wurden nicht vorgelegt. Eine ärztliche Verordnung zur Vornahme der Fußpflege (BFG-Erkenntnis vom , RV/5100566/2014) ist nicht aktenkundig.

Da somit die o.a. Voraussetzungen für die Anerkennung von Heilbehandlungskosten nicht erfüllt sind, können die erklärten Fußpflegekosten in Höhe von 227,50 € nicht als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 1996/303 idF BGBl. II 2010/430) zusätzlich zu den gewährten Pauschbeträgen wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG anerkannt werden.

Ob diese Pflege nun durch gewerblich tätige Professionisten vorgenommen wird oder - sofern körperlich möglich - durch den Einzelnen selbst, ist Sache der individuellen Lebensführung. Die Kosten der Fußpflege stellen somit Kosten der Lebensführung gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dar und sind daher nicht abzugsfähig ().

Auch auf die im Jahre 2015 durchgeführten Aufwendungen für Fußpflege nimmt das vorliegende Sachverständigengutachten vom zur darin festgestellten Behinderung keinen Bezug, weshalb die Fußpflege im o.a. Streitjahr noch nicht zu einer Heilbehandlung für die im Sachverständigengutachten angeführten Erkrankungen wird.

Zusammenfassend ergeben sich bei der Berücksichtigung der o.a. außergewöhnlichen Belastungen somit folgende Änderungen im Streitjahr 2015:

a) außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt (KZ 730): 2.711,47 € und

b) außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt (KZ 476): 1.384,86 €:

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Zulässigkeit einer Revision:

Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG wird eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen, da die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, nicht abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur außergewöhnlichen Belastung ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung (). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Zahnbehandlung
km-Geld
außergewöhnliche Belastung
Parkgebühr
Fußpflege
Selbstbehalt
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101711.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at