TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 04.01.2022, RV/7500643/2021

Parkometerstrafe - keine Entscheidungspflicht mangels Beschwerde

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7500643/2021-RS1
Übermittelt eine Partei nicht die von ihm vorbereitete Beschwerdeschrift, sondern versehentlich ein anderes Dokument, so liegt mangels Beschwerde gem. § 34 Abs 1 VwGVG keine Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes vor. Ein solches Versehen löst auch kein Mängelbehebungsverfahren gem. § 13 Abs. 3 AVG aus.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag.Dr. Wolfgang Pagitsch in der Verwaltungsstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über dessen Anbringen vom betreffend des Straferkenntnisses des Magistrates der Stadt Wien vom , GZ. ***Zahl 1***, beschlossen:

Beim Anbringen vom handelt es sich um keine Bescheidbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 BV-G. Dem Bundesfinanzgericht wurde somit keine Beschwerde gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG vorgelegt, sodass keine Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes gemäß § 34 VwGVG besteht.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) iVm § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Zudem ist eine Revision durch die Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Begründung

Angemerkt wird, dass Gegenstand dieses Verfahrens ausschließlich die vom Magistrat der Stadt Wien vorgelegte (vermeintliche) Beschwerde vom ist.

Bisheriger Verfahrensgang

Der Einschreiter wurde mit Straferkenntnis vom des Magistrates der Stadt Wien, Zahl: ***Zahl 1***, wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 für schuldig befunden und über ihn eine Geldstrafe von € 60,00 und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.

Am langte bei der zuständigen Magistratsabteilung 67 folgende E-Mail des Einschreiters ein:

Betreff: "GZ. ***Zahl 1*** Beschwerde"

Anlagen: "Beschwerde Parkschein Juni 2021 Ergänzung Sept., sign.pdf"

Text: "Bitte finden Sie in der Anlage meine Beschwerde zu GZ. ***Zahl 1***"

Im Anhang befand sich ein mit datiertes und am selben Tag elektronisch signiertes pdf-Dokument mit dem Betreff "***Zahl 1*** Ergänzung zum Schreiben vom "

Der Magistrat der Stadt Wien legte dieses Anbringen ohne nähere Überprüfung am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, da es davon ausging, dass es sich um eine Beschwerde handle.

Am antwortete der Einschreiter auf Anfrage des Bundesfinanzgerichtes, ob die am per Mail eingebrachte Beschwerdeschrift inhaltsgleich und ident mit seinem Schreiben vom sei:

"Ich habe tatsächlich aus einer Verwechslung heraus das falsche File geschickt, obwohl ich erneut eine Beschwerde geschrieben hatte. Die Gründe meiner Beschwerde sind darin lediglich anders formuliert. Das unsignierte PDF-File, welches damals vorgesehen war, schicke ich nun anbei. Trotz dieses formalen Fehlers…."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Festgestellter Sachverhalt

Der Einschreiter hat am bei der vorlegenden Behörde eine E-Mail eingebracht. Dabei beabsichtigte er in der Anlage zu dieser E-Mail eine Beschwerde zu oa. Straferkenntnis, ***Zahl 1***, in Form eines pdf-Dokumentes einzubringen. In der Anlage zu dieser E-Mail befand sich aber nicht die vom Einschreiter beabsichtigte und von ihm vorbereitete Beschwerde, sondern ein pdf-Dokument, datiert und signiert mit , welches der Einschreiter bereits im Zuge des Ermittlungsverfahrens bei der vorlegenden Behörde eingebracht hat.

Die am vom Einschreiter geschriebene, aber nicht an den Magistrat der Stadt Wien übermittelte Beschwerde wurde von diesem am als unsigniertes PDF-Dokument dem Bundesfinanzgericht gesendet.

Beweiswürdigung

Der Einschreiter gab selbst auf Anfrage an, dass er versehentlich und irrtümlicherweise ein falsches pdf-Dokument versendet hat und die von ihm damals geschriebene Beschwerde am nicht an die vorlegende Behörde übermittelt wurde. Dass der Einschreiter eine Beschwerde als pdf-Anhang übermitteln wollte, geht aus der eindeutigen Textierung seiner Mail vom ("Bitte finden Sie in der Anlage meine Beschwerde zu GZ…") und seiner Mail vom ("tatsächlich aus einer Verwechslung heraus das falsche File geschickt…Das unsignierte PDF-File, welches damals vorgesehen war, schicke ich nun anbei") hervor.

Rechtliche Beurteilung

Gem. Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte ua. über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gem. § 14 Abs. 2 VwGVG hat die Behörde, wenn sie von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen will, dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Gem. § 34 Abs. 1 erster Satz VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen folgt, dass eine Pflicht des Bundesfinanzgerichtes wegen eines von der Verwaltungsbehörde vorgelegten Anbringens ein Beschwerdeverfahren durchzuführen und über dieses Anbringen zu entscheiden, nur bei Parteienerklärungen besteht, die eine Beschwerde im Sinne des Art 130 Abs. 1 B-VG darstellen.

Anbringen, die überhaupt nicht als Bescheidbeschwerde zu qualifizieren sind, sind nicht in Behandlung zu nehmen und daher auch kein Mängelbehebungsverfahren gemäß § 9 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG vorzunehmen. Es darf nämlich eine Parteienerklärung, die nach objektiver Auslegung des erklärten Parteiwillens keine Bescheidbeschwerde darstellt, nicht nachträglich im Wege eine Mängelbehebung als zwar fehlerhafte, aber rechtzeitig eingebrachte Beschwerde umgedeutet werden ().

Bei der Ermittlung von Rechtsqualität und Inhalt eines Anbringens kommt es nach der Rsp nicht auf die Bezeichnung durch den Einschreiter, sondern auf den Inhalt der Eingabe an (). Nach stRsp des VwGH sind Parteienerklärungen, somit auch Anbringen im Verfahren ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen ().

Da der Einschreiter nach Aufforderung zur Klarstellung durch das Bundesfinanzgericht am selbst erklärte die von ihm geschriebene und vorbereitete Beschwerde gar nicht am per Mail als pdf-Dokument eingebracht zu haben, ist dieses Anbringen nicht als Beschwerde zu qualifizieren. Dies ändert auch nichts daran, dass der Einschreiter mit dieser E-Mail eine Beschwerde und zwar als pdf-Dokument einbringen wollte und nur versehentlich ein anderes Schriftstück übermittelt hat. Entscheidend ist der objektive Erklärungswert des Anbringens, welches gegenständlich nach seinem Inhalt gerade keine Beschwerde darstellt (es wurde die Rechtfertigung vom im Ermittlungsverfahren nochmals eingebracht) und dies auch durch die eingeholte und eindeutige Erklärung des Einschreiters am (es wurde versehentlich ein falsches pdf-Dokument übermittelt) bestätigt wird.

Selbst bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen auch andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich ().

Hinsichtlich des Anbringens vom besteht daher für das Bundesfinanzgericht mangels Vorliegen einer Beschwerde keine Entscheidungspflicht gemäß § 34 VwGVG.

Die im Zuge dieses Verfahrens beim Bundesfinanzgericht am eingebrachte (tatsächliche) Beschwerde wurde gem. § 6 Abs 1 AVG zuständigkeitshalber dem Magistrat der Stadt Wien zur weiteren Bearbeitung und Entscheidung weitergeleitet.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500643.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at