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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.12.2021, RV/7101055/2019

Unmöglichkeit von "Ehegatten-Splitting" verfassungsrechtlich unbedenklich

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 251/2022 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch MITTEREGGER Steuerberatungs GmbH, Opfergasse 12, 2630 Ternitz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2017 Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde von der belangten Behörde die Einkommensteuer für den Beschwerdeführer betreffend das Jahr 2017 mit 6.763,- Euro festgesetzt.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde und führte zur Begründung zusammengefasst aus, dass er und seine (Ehe-)Partnerin fünf Kinder großgezogen hätten. Er sei dabei der Hauptverdiener gewesen.

Seine Einkommensteuer für das Jahr 2017 sei nach dem Grundsatz der alternativlosen Individualbesteuerung festgesetzt worden. Bei einem Splitting wäre die Einkommensteuer wesentlich geringer ausgefallen. Der Verfassungsgerichtshof habe die alternativlose Individualbesteuerung bisher immer als verfassungskonform judiziert (VfSlg 13.067/1992 und 13.297/1992).

Bei dieser Sichtweise habe der Verfassungsgerichtshof außer Acht gelassen, dass die elterliche Unterhalts- und Fürsorgepflicht die "private Lebensgestaltung" der Eltern in einer Weise mitbestimme, dass von der privaten Lebensgestaltung nur wenig übrigbleibe.

Diese private Lebensgestaltung erfolge gemäß der Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 12.940/1991) auch im Dienste des Fortbestandes der Volkswirtschaft und der Altersversorgung. Es scheine daher verfassungsrechtlich nicht zulässig zu sein, die nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (§ 140 ABGB) nach ihrer Leistungsfähigkeit zum Unterhalt der Kinder verpflichteten Eltern diese Last im Wesentlichen allein tragen zu lassen.

Die Kindererziehung erfolge in der Regel so, dass ein Elternteil der alleinige oder zumindest Hauptverdiener sei, wohingegen sich der andere Teil ganz oder teilweise der Kindererziehung widme. Das Einkommen des erwerbstätigen Elternteils müsse daher auf beide Elternteile aufgeteilt werden.

Da dem anderen Elternteil zumeist kein (adäquater) Wiedereinstieg in das Berufsleben gelänge, sei dieser darauf angewiesen einen Partner zu haben, der über ein reguläres Einkommen verfüge.

Die alternativlose Individualbesteuerung stelle daher insoweit ein Unrecht dar, als sich die Elternteile ja nicht wie Individuen verhalten könnten, sondern gemeinsam Kindererziehung und Erwerbstätigkeit bestreiten würden. Eine Arbeitstätigkeit der Mütter beeinträchtige die Bedürfnisse der Kinder.

Die alternativlose Individualbesteuerung sei daher gleichheitswidrig.

Die Möglichkeit sich vorrangig der Kinderbetreuung zu widmen sei auch gesetzlich dadurch anerkannt, dass der zusätzliche gesetzliche Mitversicherungsbeitrag nach vier Jahren entfalle.

Unter Anwendung eines Einkommenssplittings würde statt der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkommensteuer für das verfahrensgegenständliche Veranlagungsjahr 2017 iHv 6.763,- Euro nur eine Einkommensteuer von insgesamt 4.931,08 Euro anfallen. Es würde sich also eine Steuerersparnis von 1.831,92 Euro ergeben.

Der Beschwerdeführer sei daher im Sinne der verfassungsgerichtlichen Prozessvoraussetzungen gemäß Art 140 und Art 144 B-VG beschwert, da der Grundsatz der alternativlosen Individualbesteuerung die (vormals) erziehenden Eltern in gleichheitswidriger Weise benachteilige. Es sei verfassungswidrig, dass das Einkommensteuergesetz der Individualbesteuerung nicht die Möglichkeit zur Seite stelle, dass (vormals) erziehende Eltern für ein Splitting optieren könnten.

Er halte fest, dass die Herstellung eines Kinderlastenausgleichs zwischen Eltern und Kinderlosen über das Steuerrecht insgesamt nicht sachlich und damit verfassungswidrig sei. Das Umlagenprinzip der Pensionsversicherung sei nämlich die Übertragung jenes zivilrechtlichen Prinzips, wonach arbeitsfähige Kinder ihre arbeitsunfähig gewordenen Eltern erhalten müssten, auf die Gesamtheit aller "Kinder", die alle alt gewordenen Erwachsenen erhalten müssten, also auch die Kinderlosen.

Abschließend regte der Beschwerdeführer das Bundesfinanzgericht an, dieses möge das Einkommensteuergesetz gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B-VG beim Verfassungsgerichtshof anfechten, weil es für ein vormals erziehendes Elternpaar keine Splitting-Option vorsehe und den verfahrensgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 entsprechend abändern.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Einkommen des Beschwerdeführers im verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahr 2017 beträgt 40.088,77 Euro.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Es ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in keiner Weise vorbringt, dass die Festsetzung der Einkommensteuer durch die belangte Behörde im verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahr 2017 nicht den gesetzlichen Bestimmungen des EStG 1988 entspricht. Der Beschwerdeführer sieht sich jedoch in seinen verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten beeinträchtigt, da die Bestimmungen des EStG 1988 keine Möglichkeit der Beantragung eines "Ehegatten-Splitting" vorsehen, wodurch das Einkommen (und damit die Steuerlast) auf beide (Ehe-)Partner verteilt werden könnte.

Hinsichtlich des Begehrens des Beschwerdeführers auf Anwendung eines "Ehegatten-Splittings" ist zunächst festzuhalten, dass das EStG 1988 keine diesbezügliche Optionsmöglichkeit vorsieht und die Feststellung der Einkommensteuer für das verfahrensgegenständliche Veranlagungsjahr 2017 (unstrittig) entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen erfolgte.

Auf Grund Art. 135 Abs. 4 B-VG iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG hat das Verwaltungsgericht bei verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes einen Antrag auf Aufhebung dieser Norm beim Verfassungsgerichthof zu stellen. Dabei sind die Bedenken gegen die vom Bundesfinanzgericht anzuwendende Norm unabhängig von einem allfälligen Beschwerdevorbringen zu berücksichtigen und haben, wenn sie sich beim Bundesfinanzgericht manifestieren, zu einem entsprechenden stichhaltig begründeten Prüfungsantrag zu führen. Wie der OGH schon wiederholt erkannt hat, ist unabdingbare Voraussetzung der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes, dass das Gericht selbst Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des anzuwendenden Gesetzes bzw. die Gesetzmäßigkeit der anzuwendenden Verordnung hat; der Umstand allein, dass eine Partei solche Bedenken vorbringt (oder dass im Schrifttum Bedenken geäußert worden sind), berechtigt oder verpflichtet das Gericht noch nicht zur Normenprüfung.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits für die insoweit vergleichbare Rechtslage des Jahres 2000 festgestellt, dass durch Transferzahlungen eine hinreichende Entlastungswirkung für Familien vorliegt, unabhängig davon, welchem Elternteil die Transferleistungen ausbezahlt würden (, VfSlg 12.940/1991, , VfSlg 13.067/1992). Für die gegenwärtige Rechtslage gehen Aigner, G. Kofler, H. Kofler, Schellmann, Tumpel, Familienbesteuerung, SPWR, 1/2011-Steu, davon aus, dass den verfassungsrechtlichen Vorgaben auf Basis einer Individualbesteuerung zumindest im Wesentlichen weiterhin entsprochen wird.

Die Bedenken des Beschwerdeführers, dass die Unmöglichkeit der Vornahme eines "Ehegatten-Splittings" den verfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht, werden daher vom Bundesfinanzgericht nicht geteilt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist im gegenständlichen Fall nicht zulässig, weil sich die Anwendung der geltenden Rechtslage auf verwirklichte Sachverhalte aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (Art. 18 B-VG ) ergibt, die Anwendung des Legalitätsgrundsatzes auch in der Rechtsprechung (siehe ) unumstritten ist und insofern keine Abhängigkeit von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag.

Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage der Verfassungskonformität der gesetzlichen Bestimmungen stellt keine Rechtsfrage im Sinne der Subsumption unter einen gesetzlichen Tatbestand dar, die vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen ist, sondern ist deren Prüfung dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101055.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at