Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.12.2021, RV/1100175/2020

Keine Anerkennung der Kosten für Essen auf Rädern als außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Reiner & Reiner Steuerberatungs GmbH, Schillerstraße 22, 6890 Lustenau, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO im Umfang der Beschwerdevorentscheidung teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer (Einkommen 2018) sowie die darauf entfallende Steuer (Einkommensteuer 2018) sind der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom zu entnehmen, die insofern einen integrierten Bestandteil des Erkenntnisses bildet.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden abgekürzt Bf.), eine Pensionistin und Bezieherin von Pflegegeld (Pflegestufe 2), machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 außergewöhnliche Belastungen wegen Behinderung in Höhe von insgesamt 4.944,20 € geltend. Aus der Beilage zur Steuererklärung ist ersichtlich, dass in diesem Betrag 50% der von der Bf. getragenen Kosten für "Essen auf Rädern" (Kosten insgesamt: 3.188,00 €; davon 50% 1.594,00 €) enthalten sind.

Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde lediglich Kosten in Höhe von 2.833,70 € als außergewöhnliche Belastungen wegen Behinderung berücksichtigt. Begründend wurde unter Bezugnahme auf § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 sowie § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 ausgeführt, der Verpflegungsaufwand zähle zu den nicht abzugsfähigen Aufwendungen für die Lebensführung. Daher könnten die Kosten für Essen auf Rädern nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Die fristgerecht eingebrachte Beschwerde richtet sich gegen die Nichtberücksichtigung der Kosten für Essen auf Rädern in Höhe von 1.594,00 € sowie der unregelmäßigen Ausgaben für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung in Höhe von 516,50 €. Beantragt wurde zudem im Falle der Vorlage der Beschwerde an das BFG die Entscheidung durch den gesamten Beschwerdesenat in einer mündlichen Verhandlung. Begründend wurde ausgeführt, der VwGH sei im Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0040, zum Schluss gekommen, dass die Aufwendungen für Essen auf Rädern sowie der Aufwand für deren tägliche Zustellung zur Gänze oder teilweise eine außergewöhnliche Belastung sein könnten. Dazu führe der VwGH aus: "Maßstab für die Beurteilung der Außergewöhnlichkeit auch der Aufwendungen für "Essen auf Rädern" sind somit - nach dem Gesetzeswortlaut und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen.Zu berücksichtigen ist dabei…..auch der Gesichtspunkt der nicht nur fallweisen oder vorübergehenden, sondern behinderungsbedingt laufenden Verpflegung mittels fremd hergestellter und nach Hause zugestellter Hauptmahlzeiten."

Die Bf. sei auf Grund ihrer Behinderung (nach mehreren Schlaganfällen) nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen und sei deshalb behinderungsbedingt laufend auf die Dienste von Essen auf Rädern angewiesen. Im Jahr 2018 habe sie für Essen auf Rädern insgesamt 3.188,00 € (im Durchschnitt 265,67 € monatlich) bezahlt. Das steuerpflichtige Einkommen der Bf. habe im Jahr 2018 vor Abzug der Aufwendungen für Essen auf Rädern und der Aufwendungen für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung 16.384,37 € (monatlich 1.365,36 €) betragen. In Anbetracht der Einkommensverhältnisse der Bf. und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Bf. nicht nur fallweise oder vorübergehend, sondern behinderungsbedingt laufend auf Verpflegung mittels fremd hergestellter und nach Hause zugestellter Hauptmahlzeiten angewiesen sei, würden die behinderungsbedingt angefallenen Mehraufwendungen mit 50% der tatsächlich angefallenen Aufwendungen geschätzt und in dieser Höhe als außergewöhnliche Belastung angesetzt.

Gemäß § 4 VO, BGBl 1996/303, seien nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung neben den tatsächlichen Aufwendungen aus dem Titel der Behinderung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Eine Differenzierung erfolge nur deshalb, weil die Aufwendungen gemäß § 4 der VO nicht um pflegebedingte Geldleistungen zu kürzen seien. Konkret seien für die schlaganfallsbedingte Anschaffung einer Brille 372,50 € und für Medikamente 144,00 € als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht worden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde insofern teilweise Folge gegeben, als nunmehr Aufwendungen in Höhe von 3.350,20 € als außergewöhnliche Belastungen wegen Behinderung anerkannt wurden. Begründend wurde wiederum ausgeführt, Kosten für die eigene Verpflegung seien typische Kosten der Lebensführung. Derartige Aufwendungen würden durch die tarifliche Steuerfreistellung des pauschalen Existenzminimums in § 33 Abs. 1 EStG 1988 berücksichtigt (siehe dazu zum "Essen auf Rädern" mit weiteren Nachweisen und ).

Wenn die Verpflegung mit "Essen auf Rädern" im vorliegenden Fall zwar zwangsläufig - bedingt durch die Krankheit und Behinderung, die eine Selbstversorgung durch die Bf. nicht mehr erlauben würden - erfolge, so mangle es dennoch an dem Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Denn es sei keineswegs außergewöhnlich, Mahlzeiten außerhalb des Hauses oder außer Haus zubereitete Speisen in der eigenen Wohnung einzunehmen (vgl. , VwSlg. 3685/F, und , mwN).

Auch wenn daher im vorliegenden Fall die außer Haus zubereiteten Speisen nicht dort, sondern zu Hause konsumiert worden seien, so seien dadurch keine außergewöhnlichen behinderungsbedingten Mehraufwendungen entstanden (vgl. insoweit auch , betreffend Haushaltshilfe im Falle einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit).

Sofern die Bf. auf das Erkenntnis des , verweise, werde angemerkt, dass der beschwerdegegenständliche Sachverhalt mit jenem des zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnisses nicht vergleichbar sei. Im zitierten Erkenntnis des VwGH habe dieser die Außergewöhnlichkeit der regelmäßigen Essenseinnahme außer Haus deshalb bejaht, weil die Revisionswerberin nur eine sehr geringe Pension bezogen hätte. Im gegenständlichen Beschwerdefall sei aber das Einkommen der Bf. im Jahr 2018 erheblich über jenem Betrag gelegen, den man dem Bezug einer lediglich geringen Pension gleichsetzen könnte.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde auf das Beschwerdevorbringen verwiesen und ergänzend ausgeführt, das steuerpflichtige Einkommen der Bf. habe im Jahr 2018 vor Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen in Höhe von 1.594,00 € (50% der tatsächlich angefallenen Kosten) für "Essen auf Rädern" 15.867,87 € (monatlich 1.322,33 € vor Steuer) betragen. Im Erkenntnis des , finde sich kein Hinweis, was unter einer geringen Pension zu verstehen sei. Auch aus dem zugrundeliegenden Erkenntnis des , lasse sich die "geringe Pension" nur insofern ableiten, dass sich durch eine Erhöhung der anerkannten außergewöhnlichen Belastung von 1.658,00 € auf 2.029,00 € eine Erhöhung der Steuergutschrift um 135,00 € ergäbe und damit der Grenzsteuersatz von 36,5% zur Anwendung käme. Da im Jahr 2014 der Grenzsteuersatz von 36,5% bei einem steuerpflichtigen Einkommen zwischen 11.000,00 € und 25.000,00 € zur Anwendung gekommen sei und zudem davon ausgegangen werden könne, dass mit der Beschwerde auch eine Reduktion der einkommensteuerlichen Belastung erreicht werden sollte, müsse das steuerpflichtige Einkommen (unter Berücksichtigung des Pensionistenabsetzbetrages) im Jahr 2014 zumindest bei 13.755,00 € gewesen sein.

Damit werde davon ausgegangen, dass es sich auch bei der Pension der Bf. um eine "relativ geringe Pension" im Sinne der Rechtsprechung des VwGH handle.

Maßstab für die Beurteilung der Außergewöhnlichkeit auch der Aufwendungen für "Essen auf Rädern" seien - nach dem Gesetzeswortlaut und der Rechtsprechung des VwGH - die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen. Zu berücksichtigen sei dabei auch der Gesichtspunkt der nicht nur fallweisen oder vorübergehenden, sondern behinderungsbedingt laufenden Verpflegung mittels fremd hergestellter und nach Hause zugestellter Hauptmahlzeiten. Dabei seien die behinderungsbedingten Verpflegungskosten ins Verhältnis zum Verpflegungsaufwand der Mehrzahl der Steuerpflichtigen der gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu stellen. Eine solche Abwägung sei auch im vorliegenden Fall vorzunehmen. Die gesamten Kosten für "Essen auf Rädern" hätten im Jahr 2018 3.188,00 € betragen. Steuerpflichtige der gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse würden nicht über 21% ihres Nettoeinkommens lediglich für die Verpflegung zu Mittag aufwenden.

Abschließend werde noch darauf hingewiesen, dass bei dem dem Erkenntnis des , zugrundeliegenden Sachverhalt die Kosten der Zustellung gesondert abgerechnet und als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt anerkannt worden seien. Da die Kosten der Zustellung bei der Bf. nicht explizit angeführt worden seien, diese den Kriterien einer außergewöhnlichen Belastung jedoch entsprechen würden, hätten diese im Schätzungswege anerkannt werden müssen.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde die Bf. um Übermittlung eines vollständigen Vermögensverzeichnisses (Grundstücke, Erbschaftsvermögen, Sparbücher, Wertpapierkonten, Auslandskonten, etc.) gebeten. Die Bf. wurde zudem aufgefordert, die Zustellungskosten für "Essen auf Rädern" bekanntzugeben.

In der Folge übermittelte die Bf. folgende Unterlagen:

  • Eine Zins- und Kapitalbescheinigung der ***1*** vom , wonach die Bf. zum Stichtag über Kapital in Höhe von 20.099,01 CHF verfügt hat (dazu ist anzumerken, dass laut einem der Einkommensteuererklärung 2018 beigelegten Kontoauszug der ***1*** vom das Kapital der Bf. zum Stichtag 24,840,11 CHF betragen hat).

  • Einen mit datierten Feststellungbescheid, wonach die Bf. Hälfteeigentümerin eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks (KG ***2***, EZ ***3***, GSt.Nr. ***4***) mit einer Grundfläche von 911 m² ist.

Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt in seiner Stellungnahme nochmals aus, dass Kosten für die eigene Verpflegung typische Kosten der Lebensführung seien. Derartige Aufwendungen würden durch die tarifliche Steuerfreistellung des pauschalen Existenzminimums in § 33 Abs. 1 EStG 1988 berücksichtigt. Da es keineswegs außergewöhnlich sei, Mahlzeiten außerhalb des Hauses in Gaststätten einzunehmen bzw. außerhalb des Hauses zubereitete Speisen zu Hause zu konsumieren, würden dadurch keine behinderungsbedingten Mehraufwendungen entstehen. Es werde daher weiterhin die Rechtsansicht vertreten, dass die Kosten für Essen auf Rädern keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen würden. Hinsichtlich der beantragten Zustellkosten für Essen auf Rädern sei dem Finanzamt bisher keine Betragshöhe genannt worden.

Mit Schriftsatz vom wurde der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass das im Alleineigentum der Bf. stehende unbebaute Grundstück (KG ***5***, EZ ***6***, GST-Nr ***7***) mit einem Fruchtgenussrecht belastet sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der am ***8*** geborenen Bf., einer Pensionistin und Bezieherin von Pflegegeld (Pflegestufe 2), wurde aufgrund mehrerer Schlaganfälle eine 100%ige Behinderung attestiert.

Die Bf., der aufgrund dieser Behinderung unstrittig eine Selbstversorgung nicht möglich war, nahm im Streitjahr laufend den Dienst "Essen auf Rädern" in Anspruch. Die Kosten dafür betrugen inklusive Zustellung 3.188,00 €, wovon der Bf. - ihrer Rechtsansicht nach - 50%, also ein Betrag von 1.594,00 €, behinderungsbedingt erwuchsen.

Das frei verfügbare Nettoeinkommen der Bf. betrug im Jahr 2018 ohne Berücksichtigung der beantragten Aufwendungen in Höhe von 1.594,00 € (50% der tatsächlich angefallenen Kosten) für "Essen auf Rädern" 17.367,87 € [Einkommen (15.867,87 €) plus sonstige Bezüge abzüglich darauf entfallender Sozialversicherungsbeträge (2.557,88 €) abzüglich der Einkommensteuer (1.057,88 €) ergibt 17.367,87 € jährlich bzw. gerundet 1.447,00 € monatlich].

Die Bf. hatte im Streitjahr 2018 folgende Vermögenswerte:

  • Ein Sparguthaben in Höhe von 24,840,11 CHF (21.184,00 €)

  • Alleineigentum an einem unbebauten Grundstück (KG ***5***, EZ ***6***, GST-Nr ***7***) mit einer Fläche von 866 m², welches mit einem Fruchtgenussrecht zugunsten einer im Jahr 1907 geborenen Person belastet ist. Angesichts dessen, dass die Fruchtgenussberechtigte somit im Streitjahr 2018 bereits 111 Jahre gewesen wäre und zudem in keinem vom BFG zugänglichen behördlichen Auskunftssystem (wie z.B. Zentrales Melderegister, Abgabeninformationssystem) Informationen zur Fruchtgenussberechtigten aufscheinen, kann davon ausgegangen werden, dass das Fruchtgenussrecht tatsächlich nicht mehr besteht.

  • Hälfteeigentum an einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück (KG ***5***, EZ ***3***, GST-Nr ***4***). Für das Einfamilienhaus ist im Grundbuch zugunsten der Bf. ein Wohnungsgebrauchsrecht intabuliert.

An Pflegegeld bezog die Bf. im Jahr 2018 3.480,00 €.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten Akten sowie aus seitens des BFG vorgenommenen Grundbuchsabfragen, Abfragen im Abgabeninformationssystem sowie im Zentralen Melderegister.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Teilweise Stattgabe)

In Streit steht nunmehr einzig, ob 50% der Kosten für die Inanspruchnahme des Dienstes "Essen auf Rädern" als außergewöhnliche Belastung wegen Behinderung steuerlich anzuerkennen sind.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Die Belastung ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen näher geregelten Selbstbehalt übersteigt.

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 können unter anderem Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen. Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Wie das Finanzamt im Vorlagebericht vom zutreffend ausgeführt hat, sind Kosten für die eigene Verpflegung typische Kosten der Lebensführung. Derartige Aufwendungen werden durch die tarifliche Steuerfreistellung des pauschalen Existenzminimums in § 33 Abs. 1 EStG 1988 berücksichtigt (vgl. , mwN). Nach der höchstgerichtlichen Judikatur ist es auch keineswegs außergewöhnlich, Mahlzeiten außerhalb des Hauses in Gaststätten einzunehmen (vgl. , VwSlg. 3685/F; , mwN) oder in einem Gasthaus zubereiteten Speisen zu Hause zu konsumieren (vgl. , betreffend Haushaltshilfe im Falle einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit). Ist jedoch der im Einzelfall aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung zwangsläufig anfallende Verpflegungsaufwand höher als jener der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse, ist in Höhe des Mehraufwands das Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG 1988 erfüllt. Im Folgenden ist daher festzustellen, ob bzw. in welchem Ausmaß die Bf. durch die Inanspruchnahme des Dienstes "Essen auf Rädern" für ihre Verpflegung im Streitjahr eine höhere finanzielle Belastung zu tragen hatte als die Mehrheit der Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Das BFG teilt dabei die von Pülzl (Pülzl, VwGH zur Außergewöhnlichkeit von Aufwendungen für "Essen auf Rädern", in AFS 2019, 148) vertretene Auffassung, dass nach dem klaren Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG 1988 die Vergleichsgruppe auf einen mehr oder weniger gleichermaßen situierten Personenkreis begrenzt ist, nicht aber eine Einschränkung der Vergleichsgruppe auf Pensionisten, bestimmte Altersgruppen oder Gesellschaftsschichten vorzunehmen ist. Daher ist aus der Sicht des Finanzgerichts im Beschwerdefall auch nicht maßgeblich, dass laut den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen die Durchschnittspension bei Frauen im Dezember 2018 bei 1.024,91 € lag, die Bf. jedoch im Streitjahr 2018 eine monatliche Nettopension von gerundet 1.447,00 € bezog.

Über die Verbrauchsausgaben der privaten Haushalte informieren unter anderem die von Statistik Austria ermittelten Ergebnisse der Konsumerhebung (siehe dazu unter www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/), die alle fünf Jahre durchgeführt werden (zuletzt 2019/2020). Danach betrugen die Pro-Kopf-Ausgaben (gewichtete Pro-Kopf-Ausgaben, sogenannte Äquivalenzausgaben) im Zeitraum 2019/2020 für Ernährung, alkoholfreie Getränke und auswärtige Verköstigung (Restaurant, Café) in ***9*** 17,0 % des äquivalisierten Nettohaushaltseinkommens - darunter ist die Summe sämtlicher Erwerbseinkommen, Kapitalerträge, Pensionen, allfälliger Sozialtransfers (Familienbeihilfe, Pflegegeld, etc.) sowie Privattransfers (dazu zählen beispielsweise Unterhaltsleistungen) einer Person zu verstehen. Da die gegenständlichen Pro-Kopf-Ausgaben im Erhebungszeitraum 2014/15 für ***9*** mit 17,9% des äquivalisierten Nettohaushaltseinkommens sogar höher waren, erachtet das BFG den geringeren, im Erhebungszeitraum 2019/20 festgestellten Prozentsatz von 17,0 % auch für das Streitjahr 2018 für maßgeblich.

Wie obig aufgezeigt wurde, betrug das monatliche Nettoeinkommen der Bf. 1.447,00 €. Bei Hinzurechnung des monatlichen Pflegegeldes von 290,00 € betrug das äquivalisierte Nettohaushaltseinkommen 1.737,00 €, sodass der monatliche Verpflegungsaufwand von Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse wie der Bf. im Jahr 2018 ca. 295,00 € betrug (das sind 9,8 € täglich).

Für den Dienst "Essen auf Rädern" sind der Bf. monatlich Kosten in Höhe von 266,00 € bzw. täglich solche in Höhe von 8,9 € erwachsen (in diesen Kosten waren die Zustellkosten inkludiert). Unter der Annahme, dass die Kosten der täglichen Hauptmahlzeit mindestens 60% des täglichen Verpflegungsaufwandes betragen, hatte die Bf. aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung diesbezüglich statistisch ermittelte monatliche Mehrkosten in Höhe von ca. 88,00 € bzw. jährliche Mehrkosten von 1.056,00 € gegenüber Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse (60% von 9,8 € sind 5,88 €, weshalb täglich für Frühstück, Abendessen und allfällige Zwischenmahlzeiten 3,92 € bzw. 117,6 € monatlich verbleiben sollten. Der Bf. verblieben jedoch aufgrund der Mehrkosten für die Hauptmahlzeit lediglich 30,00 € monatlich).

Bei der Ermittlung eines allfälligen zwangsläufig erwachsenen Mehraufwands sind aber auch die Vermögensverhältnisse der Bf. einzubeziehen.

Die Bf. ist nicht nur Hälfteeigentümerin eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstückes, für das zu ihren Gunsten ein Wohnungsgebrauchsrecht intabuliert ist, sondern auch Alleineigentümerin eines unbebauten Grundstückes. Die gegenständlichen Liegenschaften sind mit keiner Hypothek belastet. Hinzu kommt noch ein Sparguthaben in Höhe von 24,840,11 CHF (21.184,00 €) im Streitjahr.

Bei den aufgezeigten Vermögens-und Einkommensverhältnissen ist nach Auffassung des BFG davon auszugehen, dass die Bf. durch die Inanspruchnahme des Dienstes "Essen auf Rädern", der auch die Kosten für die tägliche Zustellung der Mahlzeiten inkludierte, für ihre Verpflegung im Streitjahr keine höhere finanzielle Belastung zu tragen hatte als die Mehrheit der Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Der Beschwerde konnte deshalb bezüglich der beantragten Anerkennung von 50% der Kosten für die Inanspruchnahme des Dienstes "Essen auf Rädern" als außergewöhnliche Belastung wegen Behinderung nicht Folge geben werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beurteilung, ob bzw. in welchem Ausmaß die Bf. durch die Inanspruchnahme des Dienstes "Essen auf Rädern", der auch die Kosten für die tägliche Zustellung der Mahlzeiten inkludierte, für ihre Verpflegung eine höhere finanzielle Belastung zu tragen hatte als die Mehrheit der Steuerpflichtigen mit vergleichbaren Einkommens- und Vermögensverhältnissen, erfolgte auf der Grundlage von lediglich für den Einzelfall bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen. Soweit im gegenständlichen Verfahren Rechtsfragen zu klären waren, sind diese bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100175.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at