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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.12.2021, RV/2100734/2021

Haftung (§ 9 BAO): Unzulässigkeit der Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers für Kapitalertragsteuer, wenn diesem die Kapitalertragsteuer als Empfänger der Kapitalerträge vorgeschrieben werden kann

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100734/2021-RS1
Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Sie darf nur dann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht (vgl. , unter Verweis auf Ritz, BAO6, § 9 Tz. 4 und 7).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die Beschwerde des ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die N & N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Schubertstraße 68, 8010 Graz, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffen Haftung gemäß § 9 BAO für Kapitalertragsteuer für 06/2020 zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war Gesellschafter und Geschäftsführer sowie Abwickler der ***GmbH*** (in Liquidation eingetragen im Firmenbuch ab 04.09.20219).

Mit dem hier angefochtenen Bescheid zog die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer gemäß § 9 BAO zur Haftung für Kapitalertragsteuer für 06/2020 im Betrag von 132.142,27 € heran.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde und beantragte die Bescheidaufhebung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe, nachdem die Liquidation per abgeschlossen gewesen sei, die Liquidationsschlussbilanz am fristgerecht fertig gestellt und an die Abgabe übermittelt worden sei, mit Gesellschafterbeschluss vom die Verteilung des Liquidationsvermögens in der Höhe von 693.676,34 € beschlossen und in dem Beschluss verfügt, dass das verteilungsfähige Vermögen bis spätestens an ihn zu übergeben sei (Seite 1 des Schreibens). Die Übergabe des verteilungsfähigen Vermögens an den Beschwerdeführer sei in der Weise erfolgt, dass das Verrechnungskonto des Beschwerdeführers (Forderung der Gesellschaft gegenüber dem Beschwerdeführer) mit dem verteilungsfähigen Vermögen, welches an ihn als Alleingesellschafter zu verteilen gewesen sei, am aufgerechnet worden sei (Seite 1 des Schreibens). Die Verteilung des verteilungsfähigen Liquidationsvermögens habe in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen des KStG 1988 und des EStG 1988 eine Besteuerung gemäß dem Sondersteuersatz in der Höhe 27,50% aufgrund des § 27a EStG 1988 ausgelöst. Aus diesem Grunde habe die Gesellschaft in Liquidation am den steuerlichen Vertreter beauftragt, die Kapitalertragsteueranmeldung auf elektronischem Weg bei der Abgabenbehörde fristgerecht vorzunehmen. Dies sei am , sohin am Tag der Auftragserteilung, auch tatsächlich geschehen und die Kapitalertragsteuer in der Höhe von 190,760,99 € sei am elektronisch gemeldet und dadurch die Fälligkeit für die Bezahlung des Betrages in der Höhe von 190.760,99 € ausgelöst worden. Am habe der Beschwerdeführer das gesamte per noch vorhandene Geldvermögen der Gesellschaft in der Höhe von 58.562,69 € fristgerecht vor dem auf das Steuerkonto der Gesellschaft eingezahlt. Es sei darauf hinzuweisen, dass von dem per noch bestehenden Geldvermögen in der Höhe von 71.690,49 € ein Betrag in der Höbe von 15.156,60 € für die Bezahlung der Körperschaftsteuerabschlusszahlung 2019 in der Höhe von 14.915 € und der Umsatzsteuerabschlusszahlung 2019 in der Höhe von 241,60 € am (fristgerecht) an die Abgabenbehörde bezahlt worden sei. Dies bedeute, dass die Abgabenbehörde tatsächlich alle seit dem der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Geldmittel in der Höhe von 71.690,49 € und 1.800 € (Rückzahlung der Körperschaftsteuer für das 1. Quartal 2020) und 228,50 € (Rückzahlung Guthaben Uniqa Versicherung), sohin einen Gesamtbetrag in der Höhe von 73.718,99 € bezahlt erhalten habe (Seite 2 des Schreibens). Da die Kapitalertragsteuer in der Höhe von 190.760,99 € aufgrund der vom Beschwerdeführer realisierten Sachverhalte erst am fällig gewesen sei, habe der Beschwerdeführer durch Bezahlung des gesamten der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Geldvermögens per an die Abgabenbehörde seinen gesetzlichen Verpflichtungen entsprochen und daraus folgend keine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zu verantworten. Da das Stammkapital der Gesellschaft zur Gänze einbezahlt gewesen sei, aufgrund des bei der Abgabenbehörde aufliegenden Gesellschaftsvertrages keine Nachschussverpflichtung für die Gesellschafter bestanden habe, habe der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Fälligkeit () an die Abgabenbehörde nur jenen Geldbetrag in der Höhe von 58.562,39 € bezahlen können, der der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Fälligkeit zur Verfügung gestanden sei. Da der Beschwerdeführer durch das von ihm und der Gesellschaft tatsächlich realisierte Verhalten (alle zur Verfügung stehenden Geldmittel seien an die Abgabenbehörde bezahlt worden) keine abgabenrechtliche Pflichtverletzung zu verantworten gehabt hätte und habe, mangels Pflichtverletzung ihn auch kein Verschulden treffen könne, könne auch zwischen der Uneinbringlichkeit des Restbetrages in der Höhe von 132.267,27 € (190.760,99 € abzüglich 58.562,39 €) und einer nicht existenten Pflichtverletzung keine Kausalität bestehen (Seite 2 des Schreibens).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom ändert die Abgabenbehörde den angefochtenen Bescheid ab, indem sie den Haftungsbetrag mit 130.142,27 € (also 2.000 € weniger) festlegte, was sie mit einer Zahlung des Beschwerdeführers von 2.000 € am begründete. Im Übrigen folgte die Abgabenbehörde dem Antrag des Beschwerdeführers nicht, wobei sie zur Begründung ausführte, dass für die Kapitalertragsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen komme.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung stellte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag), wobei er die Befangenheit des die Beschwerdevorentscheidung genehmigenden Organs einwandte (Seite 2 des Schreibens) und ua. nochmals vorbrachte, dass der Beschwerdeführer keine schuldhafte Pflichtverletzung zu verantworten habe, da er alle zum Fälligkeitszeitpunkt der Kapitalertragsteuer vorhandenen liquiden Mittel der Gesellschaft an die Abgabenbehörde fristgerecht bezahlt habe, weshalb er entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen der BAO und der höchstgerichtlichen Judikatur des VwGH tatsächlich nicht zur Haftung herangezogen werden könne (Seite 3 des Schreibens).

Die Abgabenbehörde legte die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:

Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können (§ 9 Abs. 1 BAO).

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Sie darf nur dann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht (vgl. , unter Verweis auf Ritz, BAO6, § 9 Tz. 4 und 7).

Die Abgabenbehörde hätte daher die Kapitalertragsteuer dem Beschwerdeführer gemäß § 95 Abs. 4 EStG 1988 (als Steuerschuldner) vorzuschreiben gehabt.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Hinblick auf das oben wiedergegebene Erkenntnis nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 95 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
Zitiert/besprochen in
Hirschler in GesRZ 2023, 32
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100734.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at