Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 18.11.2021, VH/6100025/2021

Unzulässigkeit des Antrags auf Verfahrenshilfe

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinIBV über den Antrag der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, auf Gewährung der Verfahrenshilfe vom betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom über die Zurückweisung von Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide 2013 bis 2015 und der Körperschaftsteuerbescheide 2014 und 2015 beschlossen:

Der Antrag wird als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

A stellte am einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens und eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung und legte diesem Antrag ua eine an die ***Bf1*** adressierte Beschwerdevorentscheidung betreffend die Umsatzsteuer 2013 bei.

Einem Antrag vom auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde, eines Vorlageantrags, eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens und eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung fügte A ua eine an die ***Bf1*** adressierte Beschwerdevorentscheidung betreffend Umsatzsteuer 2014 an.

Am beantragte A die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde, eines Vorlageantrags, eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens und eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung und legte diesem Antrag ua eine an die ***Bf1*** adressierte Beschwerdevorentscheidung betreffend die Umsatzsteuer 2015 bei.

Am stellte A einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde, eines Vorlageantrages, eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens und eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung und legte diesem Antrag ua eine an die ***Bf1*** adressierte Beschwerdevorentscheidung betreffend Körperschaftsteuer 2014 bei.

Einem weiteren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens und eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung vom hängte A ua eine an die ***Bf1*** adressierte Beschwerdevorentscheidung betreffend die Körperschaftsteuer 2015 an.

Diesen Anträgen wurde zusätzlich jeweils ein nicht unterfertigter Schriftsatz mit dem Titel "Rechtfertigung der Wiederaufnahme des Verfahrens" beigelegt.

Die genannten Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO wurden dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Mit Beschluss vom , VH/6100010/2021, adressiert an A, erfolgte die Zurückweisung dieser Anträge mit der Begründung, dass laut Auszug aus dem Firmenbuch (FN 123) G Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der ***Bf1*** sei und daher A nicht zur Vertretung der Gesellschaft legitimiert sei und auch nicht Partei im Abgabenverfahren der GmbH sei. Im Übrigen komme die Gewährung von Verfahrenshilfe nach der Bestimmung des § 292 Abs 1 BAO nur in einem Beschwerdeverfahren in Betracht und nicht etwa zur Einbringung von Wiederaufnahmeanträgen.

Mit "Bescheid" vom wies das Finanzamt daraufhin "die Anträge gemäß § 303 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO)" der ***Bf1*** auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 2013 bis 2015 und Körperschaftsteuer 2014 und 2015 als unzulässig zurück. Begründend wurde auf den Auszug des Firmenbuchs, wonach alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der ***Bf1*** G sei und A daher nicht zur Vertretung der Gesellschaft und damit verbunden zur Stellung der Wiederaufnahmeanträge legitimiert sei, verwiesen.

Mit Schriftsatz vom wurde gegen diese als "Bescheid" bezeichnete Erledigung des Finanzamtes Beschwerde eingebracht und um Verfahrenshilfe ersucht, da nunmehr die Voraussetzung des Vorliegens einer Bescheidbeschwerde gegeben sei.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

DAZU WIRD ERWOGEN:

1 gesetzliche Grundlagen

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben gemäß § 80 Abs 1 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen (S 1).

Gemäß § 93 Abs 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

Gemäß § 97 Abs 1 lit a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 98 Abs 1 BAO Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl 200/1982, vorzunehmen.

Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet gemäß § 2 Z 1 ZustG Empfänger: die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person.

Nach § 5 ZustG ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.

Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument gemäß § 13 Abs 3 ZustG einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

Auf Antrag einer Partei (§ 78) ist gemäß § 292 Abs 1 BAO, wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Einer juristischen Person oder einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist die Verfahrenshilfe gemäß § 292 Abs 3 BAO insoweit zu bewilligen,
1. als die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag kann gemäß § 292 Abs 7 Z 1 BAO ab Erlassung des Bescheides, der mit Beschwerde angefochten werden soll, gestellt werden.

Das Verwaltungsgericht hat über den Antrag gemäß § 292 Abs 10 BAO mit Beschluss zu entscheiden.

2 Sachverhalt und rechtliche Würdigung,

Das Bundesfinanzgericht hat gemäß § 292 Abs 10 BAO über den Antrag der ***Bf1*** auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit Beschluss zu entscheiden. In Betracht kommt (abgesehen von der antragsgemäßen Bewilligung) vor allem auch die Zurückweisung (insbesondere wegen Unzulässigkeit) oder die Erklärung als zurückgenommen (nach § 85 Abs 2 BAO). (Vgl Ritz, BAO6, § 292 Rz 41).

Im gegenständlichen Fall ist - unter näherem Eingehen auf die als Zurückweisungsbescheid (betreffend Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der an die ***Bf1*** ergangenen Umsatzsteuerbescheide 2013 bis 2015 und die an die ***Bf1*** ergangenen Körperschaftsteuerbescheide 2014 und 2015) intendierte Erledigung des Finanzamtes vom - zunächst die Zulässigkeit des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zu prüfen:

Der Bescheidadressat ist im Spruch namentlich zu nennen. Im Firmenbuch eingetragene Gesellschaften sind mit ihrer Firma zu bezeichnen. (Vgl ).

Der angefochtene "Zurückweisungsbescheid" vom enthält in seinem Spruch als Bescheidadressaten die "Fa. ***Bf1***". Diese Gesellschaft ist unter der Firma "***Bf1***" unter FN 123 seit als Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Firmenbuch eingetragen. Die Bezeichnung des Bescheidadressaten ist somit in Übereinstimmung mit dem Firmenbuch erfolgt.

Geschäftsanschrift ist die Str in Ort. G ist laut Firmenbuchauszug von Beginn an alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der ***Bf1***. Ein gewillkürter Bevollmächtigter war laut einer Abfrage im Abgabeninformationssystem des Bundes nicht bestellt.

Als formeller Empfänger dieses "Zurückweisungsbescheides" vom wird "A" bezeichnet und als Adresse die "Str1" in "Ort" angeführt. Es handelt sich dabei - wie eine Abfrage im Zentralen Melderegister zeigt - um den Hauptwohnsitz des A. Laut den im Akt aufliegenden Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments erfolgte die Hinterlegung am . Laut der im Akt ebenfalls aufliegenden Übernahmebestätigung wurde A am dieser Zurückweisungsbescheid als Empfänger ausgefolgt.

Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zählt zu den juristischen Personen des Privatrechts. Ist materieller Empfänger eine juristische Person, so kann diese oder ein nach § 13 Abs 3 ZustG befugter Vertreter als Empfänger (im formellen Sinn) bezeichnet werden. Das Zustellgesetz stellt es der Behörde frei, bei der Zustellung eines seinem Inhalt nach für eine (nicht durch einen gewillkürten Bevollmächtigten vertretene) juristische Person bestimmten Schriftstückes entweder einen - individuell bestimmten - "zur Empfangnahme befugten Vertreter" oder die juristische Person selbst als Empfänger anzugeben. (Vgl Ritz, BAO6, § 2 ZustG Rz 5, , , ).

Gemäß § 18 Abs 1 GmbHG wird die Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch den Geschäftsführer vertreten. Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen.

Befugter Vertreter der ***Bf1*** ist somit der Geschäftsführer G, sodass das Finanzamt im "Zurückweisungsbescheid" vom , der seinem Inhalt nach für die ***Bf1*** bestimmt war, die ***Bf1*** oder G (in seiner Funktion als Geschäftsführer der ***Bf1***) als Empfänger (im formellen Sinn) anzugeben gehabt hätte (ein gewillkürter Bevollmächtigter war nicht bestellt).

Mit Benennung bzw Heranziehung des A als Empfänger (im formellen Sinn) des "Zurückweisungsbescheides" vom wurde diese - ihrem Inhalt nach für die ***Bf1*** bestimmte - Erledigung der ***Bf1*** also nicht zugestellt.

Die Wirksamkeit von Erledigungen (somit deren rechtliche Existenz) setzt gemäß § 97 Abs 1 BAO grundsätzlich voraus, dass sie dem Bescheidadressaten bekannt gegeben wird. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen - abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen - durch Zustellung. Ein Bescheid gilt demnach erst mit seiner Bekanntgabe bzw Zustellung, an denjenigen, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist, als erlassen. (Vgl Ritz, BAO6, § 97 Rz 1, , )

Infolge unrichtiger Zustellung des "Zurückweisungsbescheides" vom wurde somit dieser (bisher) nicht gegenüber der ***Bf1*** erlassen und hat ihr gegenüber (bisher) keine Rechtswirkungen entfaltet.

Zufolge § 292 Abs 7 BAO ist der früheste Zeitpunkt für die Stellung eines Antrages auf Verfahrenshilfe für das Verfahren über Bescheidbeschwerden "ab Erlassung des Bescheides", der angefochten werden soll. Zu früh gestellte Anträge sind unzulässig. (Vgl Ritz, BAO6, § 292 Rz 29f, § 85a Rz 10).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

3 Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und stellt daher keine Rechtsfrage dar, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 Abs. 7 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 13 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 292 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 Abs. 10 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:VH.6100025.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at