Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 10.12.2021, RV/7105971/2017

Abschluss eines Versicherungsvertrages durch Bezahlung von Mitgliedsbeiträgen an einen Verein, dessen Leistung im Gegenzug im "Versichert halten des Erkrankungsrisikos von Kleintieren" besteht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durchdie Vorsitzende ***1*** und die weiteren Senatsmitglieder, die Richterin***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***2*** und ***3*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide gemäß §202 BAO iVm §201 Abs.2 Z3 BAO des ***FA*** vom , ***4***, betreffend

  1. Versicherungssteuer 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014

  2. Haftung für die Versicherungssteuer

  3. Festsetzung eines Säumniszuschlages

am zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Das Finanzamt legte gegenständlichen Akt mit folgender Sachverhaltsdarstellung an das BFG vor:

"Die ***Bf1*** ist ein Verein, dessen Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge erzielt werden. In den Statuten des Vereins ist der Vereinszweck im § 2 angeführt:

Hilfe und Unterstützung für in Not geratene Tiere, die Verbesserung des Verständnisses der Bevölkerung für die richtige Haltung und Pflege von Tieren, die Erhaltung und Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren, sowie die Erhaltung vom Aussterben bedrohter Tierarten.

Durch die Bezahlung des Mitgliedsbeitrages erhalten Mitglieder die Möglichkeit, bei Erfüllung aller Bedingungen (Dauer der Mitgliedschaft, Höhe des Mitgliedsbeitrages, Einreichfrist der Tierarztrechnungen, maximaler Einreichungsbetrag pro Mitgliedsjahr, Ausfüllen des Schadensformulars), Behandlungskosten im Zusammenhang mit der Erkrankung von Kleintieren abzüglich eines Selbstbehaltes von 20% des Rechnungsbetrages refundiert zu bekommen.

Die konkrete Gegenleistung des Vereins an den Beitragszahler besteht im "Versichert halten des Erkrankungsrisikos von Kleintieren" also in der Verschaffung von Versicherungsschutz. Im gegenständlichen Fall liegt ein Versicherungsvertrag gemäß § 2 Abs. 1 VersStG vor.

Die Höhe dieser Mitgliedsbeiträge wurde auf Grund der vorgelegten Bilanzen und Buchungsunterlagen in Absprache mit dem Steuerberater der Beschwerdeführerin im Prüfungszeitraum 2010 bis 2014 in der Niederschrift vom festgehalten. In der Bilanz der Bilanzposten mit Mitgliedsbeiträgen ist eindeutig ausgewiesen und klar getrennt von Spendeneinnahmen. Auch in den Statuten ist dazu nichts anderes angeführt.

Mit Bescheiden vom wurden daher Versicherungssteuer für die Jahre 2010-2014 vorgeschrieben. Als Bemessungsgrundlage - Versicherungsentgelt gemäß § 3 Abs. 1 VersStG - wurden die Mitgliedsbeiträge herangezogen.

Mit brachte die Beschwerdeführerin gegen die Versicherungssteuerbescheide/Haftungsbescheide Beschwerden ein. Die Beschwerden wurden mit als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Vorlageantrag vom ."

Das Finanzamt hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben:

"Da der Vorlageantrag kein über das Beschwerdevorbringen hinausgehendes Vorbringen enthält wird auf die umfassende Begründung in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen. Darüber hinaus wird auf die Erkenntnisse des und vom RV/1550-W/11 verwiesen. Das Finanzamt beantragt die Beschwerden als unbegründet abzuweisen."

In der, gegen die spruchgegenständlichen Bescheide eingebrachten, Beschwerde wendet die Bf. ein, die materiellen Mittel zur Erfüllung des Vereinszweckes würden durch Zahlungen an die ***Bf1*** aufgebracht, wie zB.

  1. (echte) Spenden, denen keine Gegenleistung gegenüber steht,

  2. Mitgliedsbeiträge, die dem Erwerb von Mitgliedsrechten und den damit verbundenen Möglichkeiten dienen.

Es könne von einem einheitlichen Umsatz von Spende und Mitgliedsbeiträgen ausgegangen werden, da die Leistung aus zwei Elementen (frei gewählte Spende und Mitgliedsbeitrag) bestehe, die so eng miteinander verbunden sei, dass diese objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten. Eine Aufspaltung dieser Bestandteile werde vom Verein nicht durchgeführt und sei auch wirklichkeitsfremd.

Der Hauptzweck dieses Vereins sei die Hilfe und Unterstützung für in Not geratene Tiere. Die Übernahme von Tierarztkosten sei nur eine von vielen Maßnahmen des Vereins, um den Hauptzweck zu erfüllen. Der Vorstand des Vereins entscheide, ob und in welcher Höhe es zu einer Refundierung bzw. Kostenübernahme von Tierarztrechnungen komme. Bedeutende Kriterien in diesem Zusammenhang seien u.a. die Bedürftigkeit der Ansuchenden und die dem Verein zur Verfügung stehenden Mittel. Neben der teilweisen Refundierung bzw. Kostenübernahme von Tierarztrechnungen gebe es noch weitere Ausgaben für selbst durchgeführte und unterstützte Projekte und Personalkosten für Mitarbeiter, die bei Tierschutzprojekten mitarbeiteten.

Der Hauptzweck des Vereins stelle schon rechnerisch nicht die Refundierung bzw. Kostenübernahme von Tierarztrechnungen für Mitglieder dar, da im Durchschnitt nur 24% der Einnahmen dafür aufgewendet würden. Zu beachten sei, dass auch Nichtmitglieder Kostenübernahmen von Tierarztausgaben erhielten. Die Beendigung der Mitgliedschaft sei jederzeit ohne eine bestimmte Kündigungsfrist möglich und die in den Statuten festgelegte Mindestmitgliedschaftsdauer um Zuschüsse für gewisse Tierarztrechnungen zu erhalten, sei in der Praxis nicht erforderlich.

An Tätigkeitsfeldern des Vereins zur Erfüllung des Vereinszweckes Tierschutz wurden aufgezählt:

  1. Übernahme von Tierarztkosten von Mitgliedern als auch von Nichtmitgliedern im Speziellen bei Bedürftigkeit, Futtereinkauf und Lieferung für bedürftige Mitglieder und Nichtmitglieder,

  2. Übernahme von Tiertransporten für bedürftige Mitglieder sowie Nichtmitglieder, Futterlieferung für Tierheime und bedürftige Personen in Österreich und in der angrenzenden Slowakei,

  3. Hilfestellung bei Streunekatzen;…

  4. Telefonberatung für Tierbesitzer

  5. Einmal pro Woche Tierarztberatung; wegen geringem Interesse eingestellt

  6. Beratung und Informationstätigkeiten über Hundehaltung;…

  7. Information zum österreichischen Tierschutzgesetz

  8. Beratung und Information über Reisen mit dem Haustier und ab 2013 Beratung und Information über den Hundeführerschein

Es wurden verschiedene Projekte von der ***5*** ins Leben gerufen bzw. unterstützt. Eine Liste mit einer kurzen Auflistung der Tätigkeiten wurde übermittelt. Es sind sowohl ehrenamtliche Mitarbeiter als auch Außen- und Innendienstmitarbeiter beschäftigt.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter betreuen Mitglieder und Nichtmitglieder, gehen mit Hunden von erkrankten Besitzern spazieren und sind für sonstige Arbeiten im Verein zuständig. die Außendienstmitarbeiter sind für Betreuung von Mitgliedern, Werbung neuer Mitglieder sowie Futterlieferungen verantwortlich. Den Innendienstmitarbeitern obliegt die Bearbeitung, Verwaltung und Betreuung von Mitgliedern, Prüfung und Bearbeitung der einzelnen Fälle (Einkommen, Bedürftigkeit), Vorlage und Besprechung der jeweiligen Fälle mit dem Vorstand und Überweisung.

Der Zweck der ***5*** sei die Unterstützung und Verbesserung der Lebensumstände von Tieren. Die Kostenübernahme von Tierarztrechnungen sei nur ein untergeordneter Teil des Vereinszweckes.

Mit Beschwerdevorentscheidungen, je vom , wies das Finanzamt die Beschwerden mit folgender Begründung ab:

"…

Begründung:

Die ***Bf1*** ist ein Verein, dessen Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge erzielt werden. In den Statuten des Vereins ist der Vereinszweck im § 2 angeführt:

Hilfe und Unterstützung für in Not geratene Tiere, die Verbesserung des Verständnisses der Bevölkerung für die richtige Haltung und Pflege von Tieren, die Erhaltung und Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren, sowie die Erhaltung vom Aussterben bedrohter Tierarten. Durch die Bezahlung des Mitgliedsbeitrages erhalten Mitglieder die Möglichkeit, bei Erfüllung aller Bedingungen (Dauer der Mitgliedschaft, Höhe des Mitgliedsbeitrages, Einreichfrist der Tierarztrechnungen, maximaler Einreichungsbetrag pro Mitgliedsjahr, Ausfüllen des Schadensformulars), Behandlungskosten im Zusammenhang mit der Erkrankung von Kleintieren abzüglich eines Selbstbehaltes von 20% des Rechnungsbetrages refundiert zu bekommen.

Die konkrete Gegenleistung des Vereins an den Beitragszahler besteht im "Versichert halten des Erkrankungsrisikos von Kleintieren". Eine Internetrecherche hat ergeben, dass von der Website der ***5***" direkt auf die Website "***6***" umgeleitet wird. Ersichtlich sind dort die Bedingungen für den Erhalt von Zahlungen von der Tierrettung und die Formulare für die Förderbeitrittserklärung sowie die Beitrittserklärung.

Auch die Bedingungen der ***5***" sind laut damaliger Internetrecherche ident mit "***6***".

Die Höhe dieser Mitgliedsbeiträge wurde auf Grund der vorgelegten Bilanzen und Buchungsunterlagen in Absprache mit dem Steuerberater der Beschwerdeführerin im Prüfungszeitraum 2010 bis 2014 in der Niederschrift vom festgehalten.

Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde vor, dass die Spendeneinnahmen und die Mitgliedsbeiträge nicht gesondert getrennt werden. Auch in den Statuten ist dazu nichts angeführt, jedoch ist eindeutig in der Bilanz der Bilanzposten mit Mitgliedsbeiträgen ausgewiesen. Die Tierarztkosten bekommt der ersetzt, der einen Antrag stellt und der Vorstand des Vereines entscheidet, ob und in welcher Höhe es zu einer Refundierung der Tierarztkosten kommt (Tz 2 der Beschwerde). In der Tz 4 der Beschwerde wird angeführt, welche Bedingungen eingehalten werden müssen, um einen Kostenersatz zu erhalten.

Ob ein Rechtsanspruch darauf besteht ist für das Vorliegen eines Versicherungsvertrages gemäß § 2 Abs. 1 VersStG nicht maßgeblich. Es ist auch nicht notwendig, dass die Gewährung versicherungsähnlicher Leistungen den Hauptzweck des Vereines bildet, wie in der Tz1 und Tz 2 der Beschwerde angeführt wird (). Noch dazu legt die Beschwerdeführerin einige Beispiele verschiedener Anträge betreffend die Tierarztkostenübernahme vor.

Es läge kein Versicherungsverhältnis vor, da es an der inneren Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung fehle, wird in der Beschwerde vorgebracht.

Der Versicherungssteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 VersStG die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses, soweit das VersStG anwendbar ist. Unter Versicherungsverhältnis sind das Verhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen. Dabei ist der Begriff der Versicherung weit gefasst und nach den besonderen Zwecken des Versicherungssteuerrechts zu deuten. Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungssteuerrecht nur insoweit maßgebend, als das VersStG nichts anderes erkennen lässt. Die besonderen Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes (WG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes gelten nicht ohne weiteres für das Versicherungssteuerrecht. Vor allem muss es sich nicht um eine der Versicherungsaufsicht unterliegende Versicherungsunternehmung handeln.

Nach seinem Zweck und seiner wirtschaftlichen Bedeutung will das VersStG die unter den allg. Versicherungsbegriff fallenden Rechtsgeschäfte treffen(RFH-Urteil v. ,11 A 546/27, RStBI 1928,S 17). Der für das VersStG maßgebliche Versicherungsbegriff ergibt sich somit aus dem allgemeinen Versicherungsrecht.

Ein Versicherungsverhältnis ist ein zweiseitiges Versicherungsverhältnis mit gegenseitigenAnsprüchen und Verpflichtungen, wobei aber ein vertraglicher oder gesetzlicher Rechtsanspruch kein Wesensmerkmal darstellt. Es genügt ein faktischer, aus einer typischen Gefahrengemeinschaft sich ergebender Anspruch.

Der VersSt unterliegen danach nicht nur Vereinbarungen, durch welche ein Recht auf eine Leistung im Schadensfall begründet wird, sondern auch solche Verhältnisse, bei denen ein Rechtsanspruch auf Schadenvergütung zwar nicht eingeräumt, er sich aber aus der tatsächlichen Handhabung ergibt (Gambke-Flick, VersStG, 87 ff).

Ein Versicherungsverhältnis im versicherungssteuerrechtlichen Sinn setzt zwar einen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch den Versicherer voraus. Es bedarf aber nicht der Klagbarkeit dieses Anspruchs, es genügt vielmehr, dass diejenigen, für die vereinbarungsgemäß eine Unterstützung vorgesehen ist, nach Treu und Glauben bei Vorliegen der Voraussetzungen mit der Unterstützung rechnen können, dass es sich also bei der Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nicht um einen Willkürakt handelt.

Das Bestehen einer Versicherung setzt voraus, dass der eine Teil sich gegen Entgelt für den ungewissen Fall des Eintritts eines nachteiligen Ereignisses zu einer Vermögensleistung verpflichtet. Die Versicherung braucht nicht auf einem besonderen Vertrag zu beruhen.

Wunschel-Kostboth, (deutsches) Versicherungsteuergesetz, Erläuterungsbuch, 44-45). Bürgerlich rechtlich zählen Versicherungsverträge zu den Glücksverträgen, doch sie heben sich durch den spezifischen Leistungsgegenstand der Risikotragung ab und haben eine besondere Ausgestaltung im VersicherungsvertragsG 1958 erfahren, worin dem Ungewissheitsmoment der Versichererleistung entsprechend Rechnung getragen wird (Binder in Schwimann, ABGB3 V, § 1269, Rz 2).

Aus oben angeführten Gründen liegt im gegenständlichen Fall ein Versicherungsvertrag gemäß § 2 Abs. 1 VersStG vor. Als Bemessungsgrundlage - Versicherungsentgelt gemäß § 3 Abs. 1 VersStG - sind die Mitgliedsbeiträge bzw. Spenden heranzuziehen.

Gemäß § 3 VersStG ist Versicherungsentgelt im Sinne dieses Gesetzes jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist. (Beispiele: Prämien, Beiträge Vorbeiträge, Vorschüsse, Nachschüsse, Umlagen, außerdem Eintrittsgelder, ...).dementsprechend sind die in der Bilanz als Mitgliedsbeiträge ausgewiesenen Beiträge als Versicherungsentgelt heranzuziehen.

Die weiteren Vorbringen in der Beschwerde sind nicht zielführend."

Fristgerecht wurden Anträge gestellt, die genannten Beschwerden vom zur Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Gleichzeitig wurde gemäß § 272 BAO der Antrag auf Entscheidung durch den Senat gestellt. Im Übrigen wird auf die Beschwerdebegründungen verwiesen.

Am erging ein Vorhalt des BFG an die steuerliche Vertretung der Bf., worin die Sach- und Rechtslage nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens zur Kenntnis gebracht und vier Wochen Frist für die Abgabe einer allfälligen Stellungnahme eingeräumt wurden. Der Vorhalt wurde am nachweislich übernommen. Stellungnahme wurde keine abgegeben. Dementsprechend trat am der Senat zusammen.

Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die elektronisch vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes unter ***7***.

Rechtslage und Erwägungen

III. 1. Zur Versicherungssteuer

Gemäß § 1 Abs. 1 VersStG unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgeltes aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses der Versicherungssteuer.

Gemäß § 2 Abs. 1 VersStG gilt als Versicherungsvertrag im Sinne dieses Gesetzes auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinigungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können.

Gemäß § 3 VersStG ist Versicherungsentgelt im Sinne dieses Gesetzes jede Leistung, die für die Begründung und zur Durchführung des Versicherungsverhältnisses an den Versicherer zu bewirken ist (Beispiele: Prämien, Beiträge, Vorbeiträge, Vorschüsse, Nachschüsse, Umlagen, außerdem Eintrittsgelder, Kosten für die Ausfertigung des Versicherungsscheines und sonstige Nebenkosten).

Gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 VersStG wird die Steuer für jede einzelne Versicherung berechnet. Die Bemessungsgrundlage ist regelmäßig das Versicherungsentgelt. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 VerStG beträgt der Steuersatz 11%.

Gemäß § 7 Abs. 1 VerstG ist Steuerschuldner der Versicherungsnehmer. Für die Steuer haftet der Versicherer. Er hat die Steuer für Rechnung des Versicherungsnehmers zu entrichten.

Was eine Versicherung ist, ist im Versicherungssteuergesetz nicht definiert. Besteuerungsgegenstand der Versicherungssteuer ist die Zahlung des Versicherungsentgelts als Gegenleistung für die Übernahme des Wagnisses.

Wechselseitige Bedarfsdeckung im Rahmen einer Versicherung ist die gemeinsame Aufbringung der Mittel, die bei Eintritt der Gefahr, d.h. bei der Entstehung eines Verlustes oder eines Schadens bei einem Mitglied der Gemeinschaft erforderlich sind, um den sich daraus ergebenden Bedarf zu decken. (Gambke-Flick, (deutsches) Versicherungsteuergesetz, Erläuterungsbuch4, (1966), 91).

Die Versicherung ist Gegenstand des Versicherungsvertrages. Der Versicherungsvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, bei welchem Beiträge und Gefahrtragung gegeneinander ausgetauscht werden. (Gambke-Flick, (deutsches) Versicherungsteuergesetz, Erläuterungsbuch4, (1966), 93).

Das Bestehen einer Versicherung setzt voraus, dass der eine Teil sich gegen Entgelt für den ungewissen Fall des Eintritts eines nachteiligen Ereignisses zu einer Vermögensleistung verpflichtet. Die Versicherung braucht nicht auf einem besonderen Vertrag zu beruhen. Wunschel-Kostboth, (deutsches) Versicherungsteuergesetz, Erläuterungsbuch, 44-45).

Bürgerlich rechtlich zählen Versicherungsverträge zu den Glücksverträgen, doch sie heben sich durch den spezifischen Leistungsgegenstand der Risikotragung ab und haben eine besondere Ausgestaltung im VersicherungsvertragsG 1958 erfahren, worin dem Ungewissheitsmoment der Versichererleistung entsprechend Rechnung getragen wird (Binder in Schwimann, ABGB3 V, § 1269, Rz 2).

Versicherungsverhältnisse im Sinne des Versicherungssteuerrechtes sind:

1.Versicherungsverträge im Sinne des Versicherungsrechtes,
2. Versicherungen, die durch ein Gesetz zustande kommen,
3. Versicherungen, die dadurch zustande kommen, dass sich mehrere Personen, ohne dass ein Vertrag vorliegt, und ohne dass ein Gesetz dies anordnet, zur gegenseitigen Hilfe im Rahmen einer Gefahrengemeinschaft zusammenschließen. (Gambke-Flick, (deutsches) Versicherungsteuergesetz, Erläuterungsbuch4, (1966), 94).

Im gegenständlichen Fall wurde aufgrund der Statuten der Verein mit dem Namen "***8***" gegründet. Zweck des Vereines ist die Hilfe und Unterstützung für in Not geratenen Tiere, die Verbesserung des Verständnisses der Bevölkerung für die richtige Haltung und Pflege von Tieren, die Erhaltung und Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren, sowie die Erhaltung vom Aussterben bedrohter Tierarten.

Die Bezahlung der Mitgliedsbeiträge erfolgt mittels Bankeinzug in Form von zum Beispiel Jahres-, Monats- und Vierteljahresförderbeiträgen.

Durch die Bezahlung des Mitgliedsbeitrages erhalten Mitglieder die Möglichkeit, bei Erfüllung aller Bedingungen (Dauer der Mitgliedschaft, Höhe des Mitgliedsbeitrages, Einreichfrist der Tierarztrechnungen, maximaler Einreichungsbetrag pro Mitgliedsjahr, Ausfüllen des Schadensformulars), Behandlungskosten im Zusammenhang mit der Erkrankung von Kleintieren abzüglich eines Selbstbehaltes von 20% des Rechnungsbetrages durch den geprüften Verein refundiert zu bekommen. Jedes Mitglied kann pro Mitgliedsjahr Rechnungen maximal bis zum 5-fachen des Jahresmitgliedsbeitrages zur Zahlung einreichen.

Laut Prüfbericht stehen die genannten Refundierungen in keiner Weise mit dem aus den Statuten zu entnehmenden Vereinszweck in Verbindung.

Laut Niederschrift über die Schlussbesprechung vom stimmen die Höhe der Mitgliedsbeiträge für die Jahre 2008-2014 mit der Buchhaltung bzw. der vereinbarten Berechnung für die Jahre 2005-2007 überein und wurden mit dem Steuerberater abgestimmt. Die Mitgliedsbeiträge sind als Bruttobeträge anzusehen, die Versicherungssteuer ist daher in den Mitgliedsbeiträgen enthalten. Relevant sind in vorliegendem Fall die Jahre 2010 bis 2014.

[...]

Die konkrete Gegenleistung des Vereins an den Beitragszahler besteht im "Versicherthalten des Erkrankungsrisikos von Kleintieren". Die Betriebsprüfung wertete bei dieser Sachlage die genannten Umsätze als Leistungen aus der Verschaffung von Versicherungsschutz.

Das BFG schließt sich der Ansicht an, wonach Zweck des Vereins u.a. die gemeinsame Aufbringung der Mittel ist, die bei Eintritt eines Schadens bei einem Mitglied der Gemeinschaft erforderlich sind, um den daraus sich ergebenden Bedarf zu decken, sprich die Behandlungskosten von Kleintieren - abzüglich des Selbstbehaltes - zu übernehmen (vgl. hiezu Gambke-Flick, (deutsches) Versicherungsteuergesetz, Erläuterungsbuch4, (1966), 91), das heißt, Beiträge und Gefahrtragung werden gegeneinander ausgetauscht (Gambke-Flick, (deutsches) Versicherungsteuergesetz, Erläuterungsbuch4 , (1966), 93).

Als Versicherungsvertrag iSd VersStG gilt auch eine Vereinbarung zwischen mehreren Personen oder Personenvereinbarungen, solche Verluste oder Schäden gemeinsam zu tragen, die den Gegenstand einer Versicherung bilden können. Es genügt ein faktischer, aus einer typischen Gefahrengemeinschaft sich ergebender Anspruch. Der Versicherungssteuer unterliegen auch solche Verhältnisse, bei denen ein Rechtsanspruch auf Schadensvergütung zwar nicht eingeräumt, es sich aber aus der tatsächlichen Handhabung ergibt (vgl. Gambe-Flick, VersStG, 87ff). Es genügt, wenn der Versicherer rechtlich und tatsächlich nach Treu und Glauben im Verkehr zur Schadensvergütung verpflichtet ist. Dabei ist es auch nicht notwendig, dass die Gewährung versicherungsähnlicher Leistungen den Hauptzweck des Vereins bildet.

Damit ist der Tatbestand des § 2 Z 1 VersStG erfüllt.

III.2. Zur Haftung

Gemäß § 7 Abs. 1 VersStG ist Steuerschuldner der Versicherungsnehmer. Für die Steuer haftet der Versicherer. Er hat die Steuer für Rechnung des Versicherungsnehmers zu entrichten. Ist die Steuerentrichtung einem zur Entgegennahme des Versicherungsentgeltes Bevollmächtigten übertragen, so haftet auch der Bevollmächtigte für die Steuer. Hat der Versicherer im Inland keinen Wohnsitz (Sitz), kann der Versicherungsnehmer unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn die Steuer vom Versicherer nicht dem Gesetz entsprechend entrichtet wurde.

§ 7 2. und 3. Satz VersStG sehen zwingend vor, dass der Versicherer die Versicherungssteuer zu entrichten hat und er Haftender ist. Aufgrund des § 7 VersStG ist die Inanspruchnahme des Haftenden ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners rechtlich zulässig (vgl. Ritz, BAO4, § 7, Tz 6; ). Eine direkte Vorschreibung der Versicherungssteuer durch Abgaben- oder Haftungsbescheid an den Versicherungsnehmer ist, außer in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen, nicht zulässig. (Loukota/Schragl, Versicherungssteuer in Österreich, mit Fokus auf Produkten der Lebensversicherung, 16).

Aus diesen Gründen wurden die Haftungsbescheide betreffend Versicherungssteuer an die Bf. gerichtet.

Die Bf. wurde somit korrekt nach den Vorschriften des Versicherungssteuergesetzes in Anspruch genommen.

III.3. Zum Säumniszuschlag

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe des § 217 BAO Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (§ 217 Abs. 2 BAO).

Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Säumniszuschlagspflicht den Bestand eines formellen Abgabenzahlungsanspruches voraus. Vom Abgabenanspruch zu unterschieden ist der Abgabenzahlungsanspruch; das ist die Verpflichtung einen bestimmten Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus einer bescheidmäßigen Festsetzung (§ 198 BAO) oder bei Selbstbemessungsabgaben auf Grund des Abgabengesetzes selbst bzw. aus der Selbstbemessung durch den Abgabepflichtigen (vgl. ).

Da § 8 Abs. 1 VersStG die Selbstberechnung der Versichungssteuer durch den Versicherer vorsieht, ergibt sich der Abgabenzahlungsanspruch unmittelbar auf Grund des Gesetzes.

Der Säumniszuschlag ist eine objektive Säumnisfolge. Bemessungsgrundlage für den Säumniszuschlag ist die nicht rechtzeitig entrichtete Abgabenschuldigkeit.

IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der Beschwerdefall hat Sachverhaltsfragen zum Gegenstand. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt sich dabei nicht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7105971.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at