Zeitpunkt der Entstehung eines Sanierungsgewinnes bei ratenweiser Erfüllung eines Zahlungsplanes über mehrere Gewinnperioden und vereinbartem absoluten Wiederaufleben im Fall des Verzugs
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, vertreten durch ***3***, ***4***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2008, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Einkommensteuerbescheid 2008 wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind am Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
2.Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist im Beschwerdefall, zu welchem Zeitpunkt ein Sanierungsgewinn bei ratenweiser Erfüllung eines Zahlungsplanes von 2008 bis 2015 und vereinbartem absoluten Wiederaufleben bei Terminverlust steuerlich zu erfassen ist.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Entscheidungswesentlicher Sachverhalt
Am fasste das Landesgericht St. Pölten zum Konkurs über das Vermögen des Beschwerdeführers, im folgenden "der Bf.", AZ ***5***, einen Beschluss mit folgendem Inhalt: "Die Schlussrechnung des Masseverwalters wird genehmigt. Der am angenommene Zahlungsplan wird bestätigt. Seine wesentlichen Bestimmungen lauten: "Die Gläubiger erhalten zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderungen eine Quote von 8%, zahlbar in 14 gleich hohen Halbjahresraten, beginnend 6 Monate ab Annahme. Für die Vereinbarung gilt Terminsverlust, absolutes Wiederaufleben und 14 Tage Nachfrist." Mit Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Zahlungsplanes ist der Konkurs aufgehoben (§ 152 b Abs. 2 KO).
Begründung:
Bei der Abstimmung über den Zahlungsplan wurden beide erforderlichen Mehrheiten erreicht. Der Masseverwalter hat nunmehr berichtet, dass der für die Bestätigung erforderliche Betrag erlegt wurde. Da auch keine Versagungsgründe bekannt sind, war der Zahlungsplan zu bestätigen."
Am erklärte das Landesgericht St. Pölten den Beschluss rechtkräftig. Das hatte zur Folge, dass der am eröffnete Konkurs aufgehoben und das Ende der Zahlungsfrist mit festgesetzt wurde.
Die anerkannten Forderungen beliefen sich auf EUR 558.470,55 und bildeten in Summe die Quotenberechnungsgrundlage.
Der Bf. hat im Jahr 2008 neben der für das 2. Halbjahr 2008 zu leistenden Halbjahresrate von EUR 3.191,26 bereits am an die Gläubiger eine zusätzliche Zahlung von EUR 17.168,21 geleistet.
Der im Jahr 2008 berücksichtigungsfähige Verlustvortrag beträgt EUR 448.733,28.
Beweiswürdigung
Der festgestellte entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten und ist unstrittig.
Der gesamte Verlustvortrag iHv EUR 448.733,28 stammt aus Jahren (bis 2007), in denen der Bf. den Gewinn bzw. Verlust seines Gewerbebetriebes gem. § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelt hat.
C. Rechtliche Beurteilung
C.1. Aufgrund der Konkurseröffnung und dessen Aufhebung wegen Bestätigung eines Zahlungsplanes hat der Bf. seine betriebliche Tätigkeit im Jahr 2008 eingestellt. Verbindlichkeiten gehören nach einer Betriebsaufgabe weiterhin zum Betriebsvermögen, soweit die mit den Verbindlichkeiten im Zusammenhang stehenden aktiven Wirtschaftsgüter nicht in die private Sphäre überführt werden bzw. soweit alle verwertbaren Aktiva des Betriebes anlässlich der Veräußerung oder Aufgabe im höchsten zumutbaren Ausmaß zur Tilgung der Verbindlichkeiten eingesetzt werden (Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2019, § 36 Rz 12 und § 32 Rz 30, Stichwort "Schulderlass"). Davon ist im Beschwerdefall auszugehen, weil Voraussetzung für die Annahme eines Zahlungsplanes - auch im Jahr 2008 - die Verwertung des Vermögens des Schuldners war.
C.2. Der Erlass von betrieblicher Verbindlichkeiten führt - so wie jeder Wegfall von Betriebsschulden, der nicht auf einem außerbetrieblichen Vorgang beruht - zu einer gewinnerhöhenden Betriebsvermögensvermehrung; die aus dem Erlass - im Beschwerdefall aufgrund der Erfüllung des Zahlungsplans - ehemals betrieblicher Verbindlichkeiten resultierende Betriebsvermögensvermehrung ist somit im Sinne des § 32 Abs. 2 Z. 2 EStG 1999 als positive nachträgliche Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit steuerpflichtig (Vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 851/76).
Das Betriebsvermögen wird durch den Wegfall betrieblicher Schulden erst im Zeitpunkt des Wegfalles der Schuld erhöht. Der Vermögenszugang muss ein endgültiger sein (Vgl. mit Hinweis auf ).
C.3. Nachträgliche Einkünfte sind nach den Grundsätzen zu ermitteln, die auf die zu korrigierenden vorangegangen Einkünfte zur Anwendung kamen (Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2019, § 32 Rz 22). Dabei sind nachträglich betriebliche Einkünfte nach der VwGH-Rechtsprechung immer nach den Grundsätzen eines Betriebsvermögensvergleichs zu ermitteln (Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2019, § 32 Rz 29). Das bedeutet, dass auch im Jahr 2008 noch die Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 1 EStG 1988 durchzuführen war. Es kommt daher zu keiner Übergangsgewinnbesteuerung. § 36 EStG 1988, der die Steuerfestsetzung bei Schulderlass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens regelt, ist anwendbar.
C.4. Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass die erlassenen ehemaligen betrieblichen Verbindlichkeiten zu einem Sanierungsgewinn gem. § 36 EStG 1988 führen. Strittig ist lediglich der Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung. Diesbezüglich vertritt das Finanzamt die Ansicht, dass der Sanierungsgewinn nach Maßgabe der Ratenzahlungen entsteht. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers ist hingegen der Auffassung, dass der Sanierungsgewinn durch Wegfall von Verbindlichkeiten erst mit der vollständigen Begleichung der Ausgleichsquote eintritt und dies nach dem Zahlungsplan erst 2015 sein wird.
C.4.1. Eine Schuld ist mindestens mit dem Betrag, den der Steuerpflichtige beim Eingehen der Verpflichtung schuldig geworden ist, zu bewerten, solange nicht feststeht, dass sie ganz oder teilweise erloschen ist (Laudacher in Jakom/EStG 2019, § 6 Rz 105 unter Hinweis auf ).
Heinrich in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, 15. Lieferung, Jänner 2011, § 36 Rz 29 bis 31 nimmt zur Frage, wann eine Schuld im Insolvenzverfahren als erloschen anzusehen ist und damit zu welchem Zeitpunkt ein Sanierungsgewinn ensteht, wie folgt Stellung:
"Rz 29 Bei Schulderlässen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens handelt es sich um bedingte Schulderlässe. Der Schulderlass erfolgt bedingt durch die fristgerechte Erfüllung der im Sanierungs- oder Zahlungsplan angebotenen Quote. Im Fall eines qualifizierten Zahlungsverzugs lebt die Forderung, soweit sie noch nicht entsprechend der im Sanierungsplan festgelegten Quote getilgt war, wieder auf (§ 156a Abs 3 IO, § 193 Abs 1 iVm § 156a Abs 3 IO; vgl Tz 19).
Rz 30 Bei bedingten Schulderlässen - und zwar unabhängig davon, ob es sich um aufschiebend bedingte oder auflösend bedingte Schulderlässe handelt (Adler/Düring/Schmaltz , § 246 Tz 124; anders insb iZm Sanierungsgewinnen Fattinger, RWZ 1997, 336; Beck Bil-Komm, § 247 Anm 225) - darf die betroffene Verbindlichkeit erst mit Eintritt der Bedingung aus der Bilanz ausgebucht werden (E , 517/76, 1976, 174; E , 88/13/0198, 1990, 106; E , 92/15/0041, 1993, 674; vgl auch § 6 Tz 269/1).
Rz 31 Ein nach § 36 begünstigter Gewinn entsteht daher im Zeitpunkt der Erfüllung der im Sanierungs- oder Zahlungsplan festgelegten Quote (vgl und RV/0448-L/07; zur Erfüllung eines Zahlungsplans; EStR 2000 Rz 7270; Kanduth-Kristen, taxlex 2006, 438; Zorn in Hofstätter/Reichel , § 36 Tz 14 sowie zu Sanierungsgewinnen E , 92/15/0041, 1993, 674 und EStR 2000 Rz 7251; aA , VwGH-Beschwerde zur Zl 2009/13/0041 anhängig (eigene Anmerkung: mittlerweile durch Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erledigt). Gleiches ergibt sich wohl aus dem Wortlaut des § 36 (arg: aus dem Schulderlass resultierende Gewinne sind solche, die durch Erfüllung eines Sanierungsplans entstanden sind). Die Sicherstellung durch eine Bankgarantie kann die Quotenerfüllung nicht ersetzen (EStR 2000 Rz 7251)."
Zorn in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) - Kommentar (47. Lfg 2010) zu § 36 EStG Rz 4 hält fest: "Das Betriebsvermögen wird im Zeitpunkt des Wegfalles der Schuld erhöht. Tritt der Schuldnachlass verteilt auf mehrere Perioden ein, fällt auch der Sanierungsgewinn über diese Perioden verteilt an. Bedingter Schuldnachlass reicht nicht aus ().
Der Sanierungsgewinn entsteht im Ausgleichsverfahren mit Erfüllung der Ausgleichsquote bzw. nach Maßgabe der Ratenzahlungen ( 92/15/0041). Im Falle eines Ausgleiches, der in Ratenzahlungen zu erfüllen ist, tritt der Schuldnachlass anteilig im Verhältnis der tatsächlich geleisteten Teilzahlungen zu den insgesamt zu entrichtenden Beträgen ein."
Zorn, aaO, führt in § 36 EStG Tz 15 erläuternd weiter aus, dass der VwGH sich in jener Entscheidung auf § 53 Abs 1 und 4 AO bezogen hat. Da §§ 156 und 156a IO diesen Bestimmungen der seinerzeitigen AO entsprechen, wird die Judikatur des VwGH weiterhin aufrecht sein. Ist der Ausgleich durch Ratenzahlung zu erfüllen, tritt der Schuldnachlass anteilig im Verhältnis der tatsächlich geleisteten Teilzahlungen zum insgesamt zu entrichtenden Betrag ein.
C.4.2. Gem. § 193 Abs. 1 Satz 2 KO gelten für den Zahlungsplan, soweit nichts anderes angeordnet ist, die Bestimmungen über den Zwangsausgleich und damit auch § 156 KO (Lovreck in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 156 KO (Stand , rdb.at), Rz 20) über das Wiederaufleben von Forderungen mangels Zahlung der Ausgleichsquote (Feil, Konkursordnung, Praxiskommentar, 6. Auflage, Linde, §156 Rz 5).
§ 156 Konkursordnung idF des Beschwerdejahres über die Rechtswirkungen des Ausgleiches lautete wie folgt:
(1) Durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich wird der Gemeinschuldner von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Konkursverfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.
(2) In gleicher Weise wird der Gemeinschuldner gegenüber den Bürgen und anderen Rückgriffsberechtigten befreit.
(3) Entgegenstehende Bestimmungen im Ausgleiche sind nur soweit gültig, als sie den Erfordernissen des § 150 über die gleiche Behandlung der Gläubiger nicht widersprechen.
(4) Der Nachlaß und die sonstigen Begünstigungen, die der Ausgleich gewährt, werden für diejenigen Gläubiger hinfällig, gegenüber welchen der Schuldner mit der Erfüllung des Ausgleichs in Verzug gerät. Ein solcher Verzug ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat. Die Verzugsfolgen nach dem ersten Satz treten nicht ein, wenn der Schuldner im Fall eines Ausgleichs nach § 145 Abs. 5 innerhalb der in diesem bestimmten Frist das Vermögen übergeben hat, selbst wenn er nach Beendigung der Tätigkeit der Sachwalter mit der Entrichtung des Betrages in Verzug gerät, für den er wegen Nichterreichung der Quote weiter haftet. Im Ausgleich kann anderes bestimmt werden; jedoch kann vom zweiten Satz nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden. Ist die Ausgleichsquote in Raten zu zahlen, deren Laufzeit ein Jahr übersteigt, so ist ein Verzug erst dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine seit mindestens sechs Wochen fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat.
(5) Die Wirkung des Wiederauflebens erstreckt sich jedoch nicht auf Forderungen, die zur Zeit der eingetretenen Säumnis mit dem im Ausgleich festgesetzten Betrage voll befriedigt waren; andere Forderungen sind mit dem Bruchteile als getilgt anzusehen, der dem Verhältnis des bezahlten Betrages zu dem nach dem Ausgleich zu zahlenden Betrage entspricht. Die Rechte, die der Ausgleich den Gläubigern gegenüber dem Gemeinschuldner oder dritten Personen einräumt, bleiben unberührt.
(6) Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Gemeinschuldners im Ausgleiche unberücksichtigt geblieben sind, können nach Aufhebung des Konkurses die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrage vom Gemeinschuldner verlangen.
(7) Die in § 58, Z 1, bezeichneten Forderungen können nach Abschluß des Ausgleiches nicht mehr geltend gemacht werden. Die in § 58, Z 2 und 3, bezeichneten Forderungen werden durch den Ausgleich nicht berührt.
Mit brachte das IRÄG 2010 ein neues Insolvenzrecht. Es ist in der Insolvenzordnung (IO) geregelt, die - abgesehen von zahlreichen terminologischen Änderungen - weitgehend der durch sie ersetzten Konkursordnung entspricht. Wie eine Gegenüberstellung der Norminhalte der Paragraphen der neuen Insolvenzordnung (IO) mit den Paragraphen der alten Konkursordnung (KO)- dargestellt in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze Gegenüberstellung: IO-KO + Kommentierungen (Stand , rdb.at) - zeigt, entspricht § 193 Abs. 1 KO dem neuen § 193 Abs. 1 IO.
Im neuen § 156 IO wurde im Vergleich zu § 156 KO die Terminologie geändert: § 156 Abs. 4 und 5 KO entfallen, § 156 Abs. 4 und 5 IO entspricht § 156 Abs. 6 und 7 KO. In den § 156a IO wurden mit Inhaltsänderung die Absätze 4 und 5 des § 156 KO eingarbeitet.
Im Jahr 2017 wurde das Insolvenzrecht wiederum durch das IRÄG 2017 geändert.
Nach den Übergangsbestimmungen des IRÄG 2010 in § 273 IO war auf den im Beschwerdefall relevanten Zahlungsplan die alte Konkursordnung anzuwenden.
C.4.3. § 156 KO regelt die Rechtsfolgen bei qualifiziertem Verzug bei einem Zwangsausgleich bzw. Zahlungsplan. Nach der gesetzlichen Grundregel des § 156 Abs. 5 Satz 1 KO erstreckt sich die Wirkung des Wiederauflebens nicht auf Forderungen, die zur Zeit der eingetretenen Säumnis mit dem im Zahlungsplan festgesetzten Betrag vollbefriedigt waren. Andere Forderungen sind mit dem Bruchteil als getilgt anzusehen, der dem Verhältnis des bezahlten Betrages zu dem nach dem Ausgleich zu zahlenden Betrag entspricht (Lovrek in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 156 KO (Stand , rdb.at), Rz 111). Lovrek, aaO, führt weiters aus: "Dieses gesetzlich geregelte so genannte "quotenweise Wiederaufleben" führt zu folgenden Konsequenzen: Wer die gesamte Ausgleichsquote bereits erhalten hat, kann nicht mehr am Schuldnerverzug gegenüber anderen Gläubigern partizipieren. Die Forderung jenes Gläubigers, der noch gar nichts erhalten hat, lebt zur Gänze in voller Höhe und fällig gestellt auf. Wurde der Gläubiger dagegen bereits teilweise befriedigt, lebt nicht die gesamte Restforderung wieder auf. Vielmehr muss sich der Gläubiger einen quotenmäßigen Abzug gefallen lassen. Das quotenmäßige Wiederaufleben bedeutet somit, dass nach ordnungsgemäßer Leistung eines Bruchteils der Ausgleichsquote der Erfüllungsverzug die ursprüngliche Forderung, um denselben Bruchteil verringert, an die Stelle der Forderung treten lässt. So lange also der Schuldner seiner Ausgleichsverpflichtung nachkommt, fingert das Gesetz die parallele bruchteilsgleiche Erfüllung der ursprünglichen Forderung. Vereinfacht gesagt: "Mit so vielen Prozenten, wie auf die Quote fehlen, lebt die Konkursforderung wieder auf". Beträgt die Konkursforderung beispielsweise 1000 und leistete der Schuldner auf die 20%ige Quote von 200 lediglich 100, also nur 50% der Quote, lebt die Forderung ebenfalls zu 50%, also mit 500, wieder auf.
Die ratio legis besteht darin, dass einem Schuldner, der nicht von allem Anfang an in Verzug gerät, die Begünstigung des Zwangsausgleichs wenigstens insofern erhalten bleibt, als jede Ratenzahlung ihn von der Verbindlichkeit hinsichtlich des korrespondierenden Forderungsteils befreit (Buchegger, Ausgleichserfüllung 127 ff mit weiteren Berechnungsbeispielen; zum Zweck der Regelung ferner Rz 110)."
Die zitierte VwGH Rechtsprechung und herrschende Meinung (Vgl. Kanduth-Kristen, Jakom/EStG 2019, § 36 Rz und die dort zitierte Rechtsprechung, Vgl. auch weiter oben im Text), hatte diesen Gesetzesinhalt vor Augen und kam daher zum Ergebnis, dass bei ratenweiser Abstattung der Schulderlass nach Maßgabe der Ratenzahlungen sukzessive eintritt, weil § 156 Abs. 5 KO anordnet, dass Forderungen mit dem Bruchteil als getilgt anzusehen sind, der dem Verhältnis des bezahlten Betrags zu dem nach dem Zahlungsplan zu zahlenden Betrag entspricht.
C.4.4. Außerhalb der Regelung des § 156 Abs. 4 Satz 2 KO sind von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarungen auch zum Nachteil des Schuldners zulässig (Lovrek in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 156 KO (Stand , rdb.at), Rz 114). Das heißt, dass § 156 Abs. 4 KO lediglich die Bestimmungen über die Mahnung und Nachfrist zwingend regelt. Im Übrigen sind die Regelungen über die Verzugsfolgen im Zwangsausgleich bzw. Zahlungsplan dispositiv. Daher konnte anstatt des gesetzlich normierten relativen (quotenmäßigen) Wiederauflebens ein absolutes Wiederaufleben im Zahlungsplan vereinbart werden. Bei der Vereinbarung eines absoluten Wiederauflebens lebt im Falle des Verzugs des Schuldners die Gesamtforderung wieder auf, lediglich die Zahlungen im tatsächlich erfolgten Ausmaß (also ohne Multiplikatorwirkung) reduziert die Höhe der Forderung (Georg E.Kodek, Von der KO zur IO, Das IRÄG 2010 im Überblick, ÖBA 8/2010, 498ff (501)).
C.4.5. Eine solche abweichende Vereinbarung ist im Zahlungsplan durch die Vereinbarung eines absoluten Wiederauflebens erfolgt. Erst durch das IRÄG 2010 erhielt die Rechtsfolge des relativen Wiederauflebens (§ 156a IO) zwingenden Charakter, es sei denn, es wurde in den letzten fünf Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sanierungsplan abgeschlossen.
Die Vereinbarung des absoluten Wiederauflebens im Zahlungsplan hat im Beschwerdefall zur Folge, dass für den Bf. erst am Ende des Ratenplanes, also im Jahr 2015, und damit mit Erfüllung sämtlicher Quotenzahlungen eine Befreiung von seinen Verbindlichkeiten eintritt. Erst zu diesem Zeitpunkt sind diese Verbindlichkeiten endgültig zum Erlöschen gebracht. Damit tritt erst zu diesem Zeitpunkt der Wegfall der Verbindlichkeiten und damit der Sanierungsgewinn ein.
C.5. Im Beschwerdefall beträgt der im Jahr 2008 vorhandene Verlustvortrag 448.733,28. Grund ist, dass der Bf. die Verluste bis inklusive 2007 durch eine Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 1 EStG 1988 und damit durch eine ordnungsgemäße Buchführung ermittelt hat. Für zeitlich unbegrenzt vortragsfähige Verluste gem. § 18 Abs. 6 EStG 1988 idf des Beschwerdejahres kommt es nur darauf an, dass die Buchführung im Entstehungsjahr des Verlustes ordnungsgemäß gewesen ist (Baldauf/Jakom, EStG, 2011, § 18 Rz 172). Das war in den Verlustentstehungsjahren der Fall.
C.6. Der Rechtsansicht des BFG folgend sind bei der Einkommensteuerberechnung bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb nur die laufenden negativen Einkünfte iHv EUR - 6.137,64 (Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom wurde unter Berücksichtigung eines Sanierungsgewinnes von Einkünften aus Gewerbebetrieb iHv. EUR 30.561,86 ausgegangen) anzusetzen. Sanierungsgewinn ist im Jahr 2008 noch keiner angefallen. Die Steuerfestsetzungsvorschrift des § 36 EStG 1988 kommt daher nicht zur Anwendung.
Die negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind mit den positiven Einkünften zu saldieren. Im Rahmen des Sonderausgabenabzuges ist gem. § 2 Abs. 2b Z 2 iVm § 18 Abs. 6 EStG 1988 eine Verlustabzug iHv 75% des Gesamtbetrages der Einkünfte vorzunehmen.
Die Berechnung der Einkommensteuer ist der Beilage zu entnehmen. Wegen der geänderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb und wegen der an diese Einkünfte anzupassenden Sonderausgaben (Pauschbetrag für Sonderausgaben, Verlustabzug) war auch eine Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2008 notwendig. An der Höhe der festzusetzenden Einkommensteuer ändert sich jedoch nichts. Dadurch, dass das Einkommen aufgrund des Verlustabzuges ebenfalls wie im Ersteinkommensteuerbescheid 2008 unter der Einkommensteuergrenze zu liegen kommt, entspricht die festzusetzende Steuer jener, die auch im Einkommensteuerbescheid 2008 vom ausgewiesen ist. Der darin angesetzte Sanierungsgewinn hatte keine steuerlichen Auswirkungen, weil Verluste in selber Höhe gegengerechnet werden konnten.
Wie der Beilage, die Bestandteil des Spruches ist, zu entnehmen ist, wurde der Verlustvortrag von EUR 448.733,28 im Jahr 2008 mit EUR -10.073,73 gegen den Gesamtbetrag der Einkünfte 2008 verrechnet.
E. Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das BFG folgt in der strittigen Rechtsfrage den in der VwGH-Rechtsprechung niedergelegten Grundsätzen. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 36 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 2b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 156 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101406.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at