Vorsteuern zwingend im Vorsteuererstattungsverfahren statt im Umsatzsteuerveranlagungsverfahren wenn keine Umsätze vorliegen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Szabo & Partner WTH-GmbH, Floridsdorfer Hauptstraße 29/5, 1210 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des (nunmehr) ***FA*** vom betreffend Umsatzsteuer 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen in der Schweiz und reichte am elektronisch eine Umsatzsteuererklärung für 2018 ein.
In dieser wurden Umsätze und Vorsteuern jeweils mit Null angegeben und erging der Bescheid erklärungsgemäß als Nullbescheid.
In der Beschwerde vom , Eingang , führte die BF durch ihren steuerlichen Vertreter aus:
"Für 2018 wurden Umsatzsteuer-Voranmeldungen eingereicht, weil unsere Mandantin nicht ausschließen konnte, dass in 2018 in Österreich steuerpflichtige Lieferungen und Leistungen erfolgen, so wie in vergangenen Jahren auch. Tatsächlich sind in 2018 keine steuerpflichtigen Lieferungen und Leistungen in Österreich angefallen. Da für 2018 aber Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht wurden und eine Steuer-Nummer beim FA Graz vorhanden war, wurde am die Umsatzsteuererklärung 2018 eingereicht und mit dieser die Vorsteuern, welche bereits in den Umsatzsteuervoranmeldungen beantragt wurden, erklärt.
Aus oben dargestellten Gründen wurde kein Antrag auf Erstattung der Vorsteuern gemäß Verordnung BGBl 1995/279 idF BGBl II 2014/158 gestellt.
Hätte unsere Mandantin statt der Umsatzsteuererklärung 2018 einen Antrag auf Erstattung der Vorsteuern gestellt, hätte dies bis erfolgen müssen. Die Umsatzsteuererklärung 2018 wurde am abgegeben, somit innerhalb der Frist für den Antrag auf Vorsteuererstattung.
Wenn anstatt der Umsatzsteuererklärung ein Antrag auf Vorsteuererstattung gestellt hätte werden müssen, ist die Beantragung der Vorsteuern im Erklärungsweg genauso anzuerkennen, da es sich hier bloß um einen Formfehler (falsches Formular) handelt. Mit der Einreichung der Umsatzsteuererklärung 2018 am beim Finanzamt Graz-Stadt, wurde die Frist für den Antrag auf Erstattung von Vorsteuern () eingehalten. Ebenso wurde die Umsatzsteuererklärung bei der für Anträge auf Erstattung von Vorsteuern zuständigen Behörde (Finanzamt Graz-Stadt) eingebracht.
Weiters ist anzumerken, wenn die Behörde die Umsatzsteuererklärung 2018 zeitnah (bis zum ) veranlagt hätte bzw. die Veranlagung abgewiesen hätte, wäre für unsere Mandantin noch die Möglichkeit offen gewesen, die Vorsteuern im Erstattungsweg bis zu beantragen. Da die Umsatzsteuer 2018 erst mit veranlagt wurde, besteht für unsere Mandantin keine Möglichkeit mehr, die Vorsteuern im Erstattungsweg zu beantragen.
Es wird beantragt, unserer Beschwerde stattzugeben und die Vorsteuern in Höhe von € 1.374,32 im Bescheid zu berücksichtigen:"
Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen:
"Die Erklärung für 2018 wurde elektronisch übermittelt. Es wurden keine Vorsteuern in der eingereichten Erklärung geltend gemacht.
Da keine Umsätze im Jahr 2018 gemeldet wurden, besteht im Veranlagungsverfahren auch kein Recht auf Vorsteuerabzug. Die Erstattung der Vorsteuern wäre im Zuge des Erstattungsverfahrens einzureichen gewesen. Da es sich nicht, wie in der Beschwerde beschrieben, um ein anderes Formular, sondern um ein anderes Verfahren handelt, kann der Beschwerde nicht stattgegeben werden."
Die Bf brachte einen Vorlageantrag vom ein und verwies begründend auf die Ausführungen in der Beschwerde.
Im Vorlagebericht vom führte das Finanzamt aus, dass die Vorsteuern im Erstattungsverfahren geltend gemacht hätten werden müssen, da in Österreich keine Umsätze getätigt worden seien.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (BF) ist ein Unternehmen in der Schweiz und reichte am elektronisch eine Umsatzsteuererklärung für 2018 ein.
In dieser wurden Umsätze und Vorsteuern jeweils mit Null angegeben und erging der Bescheid erklärungsgemäß als Nullbescheid. Da erklärungsgemäß vorgegangen wurde, entfiel auch die Begründung.
Tatsächlich hat die BF in Österreich im Jahr 2018 keine Umsätze erzielt, sondern nur Vorsteuern im Wege von Umsatzsteuervoranmeldungen beantragt.
Auch in den Jahren 2017 und 2019 wurden keine Umsätze in Österreich erklärt.
Für 2017 wurde seitens des Finanzamtes festgestellt, dass aus diesem Grund keine Umsatzsteuerveranlagung erfolgt, für 2019 wurde ein Vorsteuererstattungsantrag eingereicht.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014, ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne der § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) …. …. ausgeführt hat. ...
Gemäß § 3a der Verordnung hat der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz-Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Im beschwerdegegenständlichen Fall ist strittig, ob die BF Vorsteuern im Umsatzsteuerveranlagungsverfahren beantragen kann, obwohl sie in Österreich keine Umsätze erzielt hat. Dass die BF keine Umsätze in Österreich im Jahr 2018 hatte, ist unstrittig.
Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend vom § 21 Abs. 1 bis 5 UStG sowie den §§ 12 und 20 UStG 1994 regeln.
In der hierzu ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der für die Entscheidung wesentlichen Fassung BGBl. II Nr. 158/2014 ("Erstattungsverordnung"), wurde "ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen". Schon aus dem Titel dieser Verordnung ergibt sich, dass mit ihr aufgrund der Ermächtigung des § 21 Abs. 9 UStG 1994 ein eigenes, somit ein anderes Verfahren als die im § 21 Abs. 1 UStG 1994 vorgesehene Veranlagung der Umsatzsteuer vorgesehen ist.
Da die BF im Jahr 2018 keine Umsätze in Österreich erzielte, sind allfällige Vorsteuern grundsätzlich zwingend im Erstattungsverfahren (unter Beachtung der Frist des § 3a Abs. 1 2.Satz der VO BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 158/2014 und der übrigen Voraussetzungen der Verordnung) zu beantragen.
Im Unterschied zum Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, hat der Drittlandsunternehmer (die Schweiz ist kein Teil der Europäischen Union) einen allfälligen Vorsteuervergütungsantrag in Papierform und bis 30.06. des Folgejahres beim zuständigen Finanzamt einzureichen (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 21 Tz 60/3).
Nach der Aktenlage war dies nicht der Fall, die elektronisch eingebrachte Umsatzsteuernullerklärung kann nicht als ein solcher Erstattungsantrag gewertet werden und es fehlten auch sämtliche Originalrechnungen als Beilage.
Damit ist auch nicht auf den Umstand einzugehen, dass die Unterlassung der Vorlage der Originalbelege innerhalb der Ausschlussfrist zur Einbringung des Vorsteuererstattungsantrages grundsätzlich ein Mängelbehebungsverfahren nach § 85 Abs. 2 BAO bedingen würde (vgl. ).
Weiters erübrigt sich auch eine Prüfung der beantragten Rechnungen dahingehend, ob überhaupt eine betriebliche Veranlassung der Ausgaben vorliegt bzw der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen zustehen würde.
Zudem wäre selbst ein innerhalb der Frist gestellter Antrag, in dem die für die Durchführung der Erstattung notwendigen Angaben fehlen, zur Wahrung der Antragsfrist nicht geeignet (). Selbst wenn man also die Umsatzsteuererklärung als solchen Antrag auf Erstattung werten könnte, enthielte dieser nicht alle notwendigen Angaben für eine Erstattung.
Weiters war für das Finanzamt aufgrund der Angabe bei der entsprechenden Kennzahl für Vorsteuern mit Null gar nicht ersichtlich, dass Vorsteuern beantragt werden sollten. Daraus, dass der Bescheid erst nach dem erging, kann die BF keine Ansprüche ableiten.
Das Umsatzsteuerveranlagungsverfahren kommt hier nicht zur Anwendung (§ 21 Abs. 9 UStG 1994), vgl. ; ; .
Es konnte daher aufgrund der eindeutigen Rechtslage und der ständigen Rechtsprechung nur wie im Spruch ersichtlich entschieden werden, insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass die Gesetzeslage hier auch dem BFG keine Entscheidung nach billigem Ermessen ermöglicht.
Die Rechtslage zur Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ist insofern eindeutig und unmissverständlich und beruhen die in der Erstattungsverordnung festgelegten Voraussetzungen im Übrigen auf der Richtlinie des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige und ist diese innerhalb des Gemeinschaftsgebietes für alle Unternehmen in gleicher Weise umgesetzt (bzw. entsprechen die Bestimmungen der Erstattungsverordnung der 13. MwSt-RL vom , 86/560/EWG, ABl L 326,40 betreffend das Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige).
Ein Wahlrecht auf das Veranlagungsverfahren ist den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen, die Verordnungsbestimmung verdrängt als lex specialis die allgemeinen Bestimmungen zur Veranlagung.
Da Vorsteuerbeträge bei Vorliegen der Voraussetzungen der Erstattungsverordnung nicht im Zuge des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens gewährt werden können, war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen im beschwerdegegenständlichen Fall nicht vor, die zwingende Anwendung des Erstattungsverfahrens ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 21 Abs. 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100801.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at