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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.11.2021, RV/7102068/2021

Schätzung der Bemessungsgrundlage für die lohnabhängigen Abgaben, wenn keine Arbeitszeitaufzeichnungen vorgelegt werden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LMG Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Sochorgasse 3, 2512 Tribuswinkel, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Jahre 2014 bis 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer beim beschwerdeführenden Unternehmen durchgeführten, die Jahre 2014 bis 2018 umfassenden Prüfung der gemeinsamen Lohnabgaben (GPLA) stellte der Prüfer fest, dass einige Dienstnehmer nur geringfügig bzw. auf Teilzeitbasis gemeldet, tatsächlich aber von Montag bis Freitag jeweils von 06:30 Uhr bis 17:00 Uhr tätig gewesen seien. Es erfolgte daher eine Neuberechnung der Lohnabgaben im Schätzungswege.

Das Finanzamt erließ dieser Feststellung Rechnung tragende Festsetzungsbescheide hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages der Jahre 2014 bis 2018.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte die steuerliche Vertretung aus, Aussagen von fünf früheren Dienstnehmern sowie deren horrende Lohnforderungen seien der Auslöser für die GPLA gewesen. Der Prüfer habe das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gewürdigt, er habe vielmehr die Aussagen der fünf Dienstnehmer auf alle in den Streitjahren beschäftigten Arbeiter übertragen und sei in allen Fällen von einer Vollanstellung und von Überstunden ausgegangen.

Die steuerliche Vertretung merkte an, dass dem Dienstnehmer der Inhalt der Niederschriften nicht bekannt sei. Diese seien trotz Aufforderung weder dem Beschwerdeführer noch dem Vertreter zur Kenntnis gebracht worden. Die Nichtgewährung der Akteneinsicht stelle einen erheblichen Verfahrensmangel dar.

Inhaltlich führte die steuerliche Vertretung aus, es entspreche nicht den wahren Gegebenheiten, dass sämtliche gemeldete Dienstnehmer Vollzeit beschäftigt gewesen seien und ihnen darüber hinaus auch noch eine Überstundenpauschale zugestanden sei. Selbst die Landarbeiterkammer habe den Aussagen der ehemaligen Dienstnehmer nicht vollinhaltlich geglaubt. Es sei merkwürdig, dass Dienstnehmer erst Monate nach Beendigung des Dienstverhältnisses plötzlich bemerken würden, dass ihnen ein Großteil des vereinbarten Lohnes nicht ausbezahlt worden sei.

Wenn die Behördenseite vermute, dass auch bei den übrigen Dienstnehmern eine "falsche" Anmeldung vorliege bzw. es zu Schwarzlohnzahlungen gekommen sei, hätte jeder Dienstnehmer befragt werden müssen. Dies schon allein deshalb, weil die jeweiligen Dienstnehmer Parteistellung hätten.

Es seien einige im Jahr 2019 beschäftigte Dienstnehmer befragt worden, nicht aber jene Dienstnehmer, die in den Jahren 2014 bis 2018 beschäftigt gewesen seien. Zu hinterfragen sei auch, ob bei den Vernehmungen 2019 ein Dolmetscher anwesend gewesen sei, um gewährleisten zu können, dass die Befragten die jeweilige Frage auch vollinhaltlich verstanden hätten.

Fraglich sei auch, ob die bewirtschafteten Flächen in den Jahren 2014 bis 2018 gleich gewesen seien oder ob es Vergrößerungen bzw. Verkleinerungen der bewirtschafteten Flächen gegeben habe. Es wäre zu überprüfen, ob die gemeldeten Dienstnehmer womöglich ausreichend gewesen seien, um die jeweiligen Flächen das gesamte Jahr hindurch ordnungsgemäß zu bewirtschaften, oder ob womöglich Leiharbeitskräfte eingesetzt worden seien. Zu berücksichtigen sei weiters, dass Arbeiten womöglich im Rahmen der familienhaften Mitarbeit erledigt worden seien.

Dem Prüfbericht sei nicht zu entnehmen, dass sich die Behörde mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt ausreichend beschäftigt habe. Dies habe zu völlig überzogenen und existenzbedrohenden Nachforderungen geführt.

Der Beschwerdeführer habe eine Darstellung der betrieblichen Situation der relevanten Jahre ausgearbeitet. Dabei sei die bewirtschaftete Fläche, der benötigte Arbeitseinsatz und die Zahl der gemeldeten bzw. mitarbeitenden Personen gegenübergestellt worden. Daraus sei gut ersichtlich, dass es in den Jahren 2014 bis 2018 keinerlei Ungereimtheiten gegeben habe, die die von der Behörde vorgenommenen Zuschätzungen rechtfertigen würden.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Gemeinsam mit der Beschwerdevorentscheidung wurden dem Beschwerdeführer sämtliche Niederschriften in Wahrung des Parteiengehörs übermittelt. Nach übereinstimmenden Aussagen der befragten Mitarbeiter seien alle Dienstnehmer von Montag bis Freitag jeweils von 6:30 Uhr bis 17:00 Uhr tätig gewesen und hätten dafür eine wöchentliche Entlohnung in Höhe von 200,00 € bzw. 220,00 € erhalten; Kost und Logis seien frei gewesen.

Der Prüfer habe auf Grund der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden die Lohnabgaben im Schätzungswege neu berechnet.

Der Sachverhalt gründe sich insbesondere auf die übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen der Dienstnehmer AB, CD, EF, GH, IJ, KL, MN, OP, RS sowie die Aussagen des Vorarbeiters VA und des Beschwerdeführers.

Jene fünf ehemaligen Mitarbeiter, die sich an die Landesarbeiterkammer NÖ gewandt hätten und in weiterer Folge auch der Auslöser für die GPLA gewesen seien, hätten sich keineswegs wegen Nichtauszahlung des vereinbarten Lohnes an die Landarbeiterkammer gewandt. Hintergrund der Anfrage sei vielmehr gewesen, dass der ehemalige Dienstnehmer AB, der für den Beschwerdeführer mit Unterbrechungen von 2009 bis 2019 tätig gewesen sei, im Juli 2018 einen Pensionsantrag in Österreich gestellt und im Zuge dessen erfahren habe, dass er für seine Tätigkeiten beim Beschwerdeführer nicht durchgehend Vollzeit gemeldet gewesen sei. Seine Anstellung sei ab März 2012 vielmehr auf eine geringfügige Beschäftigung umgestellt worden. Da ihm daher Beitragszeiten gefehlt hätten, habe er zum Zeitpunkt der Antragstellung keinen Pensionsanspruch gehabt. Er habe dieses Thema mehrmals mit VA, seinem Vorarbeiter besprochen, sei aber immer vertröstet worden, weshalb er im März 2019 seine Tätigkeit für den Beschwerdeführer beendet habe.

Der Beschwerdeführer habe größtenteils ungarische Arbeitnehmer beschäftigt, die regelmäßig über Mundpropaganda angeworben worden seien. Aus den Niederschriften ergebe sich, dass AB im Jahr 2009 über seine Schwägerin zur Anstellung beim Beschwerdeführer gekommen sei. CD sei dessen Sohn, EF und IJ seien dessen Nachbarn gewesen und OP wohne im selben Ort. Andere Dienstnehmer seien durch den Vorarbeiter VA zu ihrer Anstellung gekommen. Es erscheine nicht verwunderlich, dass AB sich verantwortlich gefühlt habe, seinen Kenntnisstand betreffend die unrichtigen Sozialversicherungsmeldungen und deren Folgen an jene Mitarbeiter weiterzugeben, die durch ihn zur Tätigkeit beim Beschwerdeführer gekommen seien.

Nachdem AB betreffend die fehlenden Beitragszeiten zu keiner Lösung mit dem Beschwerdeführer gelangt sei, seien er und weitere Dienstnehmer zur Arbeiterkammer NÖ gegangen, wo sie über die Rechte eines Arbeitnehmers in Österreich aufgeklärt worden seien.

Es sei zwar mit sämtlichen Dienstnehmern ein wöchentlicher Bezug von 200,00 € bzw. 220,00 € vereinbart gewesen, im folgenden Verfahren sei die ihnen von Gesetzes wegen zustehende Bezahlung (etwa die kollektivvertragliche Entlohnung, die Vergütung der Überstunden) bzw. ihre korrekte Anmeldung zur Sozialversicherung Gegenstand gewesen.

Die ehemaligen Mitarbeiter hätten sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht in reiner Bereicherungsabsicht abgesprochen.

Dem weiteren Vorwurf, der Prüfer habe die Forderungen der fünf Dienstnehmer ungeprüft auf alle im Prüfungszeitraum beschäftigten Arbeitnehmer übertragen und alle Dienstverhältnisse auf eine Vollanstellung samt Überstundenpauschale umqualifiziert, sei folgendes entgegenzuhalten:

Der Beschwerdeführer habe für die zu verrichtenden Hilfstätigkeiten nur ausländische Dienstnehmer angestellt, die während ihrer Tätigkeiten im Ober- bzw. Dachgeschoß an der Adresse des Beschwerdeführers gewohnt hätten. Auch nach Darstellung des Beschwerdeführers sei Logis (= Nutzung eines Zimmers am Geländes des Beschwerdeführers) in der Lohnvereinbarung inkludiert gewesen. Den ausländischen Arbeitskräften sei unzweifelhaft die Woche über am Anwesen des Beschwerdeführers eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung gestellt worden. Die Darstellung der befragten Dienstnehmer, sei seien von Montag bis Freitag für den Beschwerdeführer tätig gewesen, hätten die Nächte am dortigen Anwesen verbracht und seien erst freitags in ihre Heimat gefahren (die Entfernung zwischen Heimatort und Betriebsstätte des Beschwerdeführers betrage etwa 175 km), sei daher in diesem Zusammenhang absolut glaubhaft. Die Abende von Montag bis Freitag seien gemeinsam in den Zimmern verbracht worden, während des Tages habe man im Betrieb des Beschwerdeführers gearbeitet.

Schon im Hinblick auf die zurückzulegenden Distanzen mache eine geringfügige Beschäftigung keinen Sinn. Auch nach den Ausführungen des Beschwerdeführers, dass die Arbeitszeit strikt bei "08:00 bis 16:00 Uhr" gelegen sei, ließe sich eine Beschäftigung von 10 bzw. 20 Stunden wöchentlich nicht mit ganzen Arbeitstagen berechnen bzw. entlohnen. Die Vereinbarung eines Stundenlohnes habe der Beschwerdeführer aber in seiner Niederschrift vehement bestritten, wenn er ausführt, Basis sei immer die Woche mit 200,00 € bzw. der Tag mit 40,00 € gewesen.

Nach welchem Modus jemand, der mit 10 bzw. 20 Stunden nur geringfügig angestellt gewesen sei, entlohnt worden sei, lasse sich den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht entnehmen. Es erscheine äußerst ungewöhnlich und nicht praktikabel, dass ein Dienstnehmer einen Tag 8 Stunden für den Beschwerdeführer arbeite und am nächsten Tag nur 2 Stunden.

Die Normalarbeitszeit sei von allen Befragten ident dargestellt worden: Montag bis Freitag von 6:30 Uhr bis 17:00 (inklusive Pausen). Als Entlohnung sei übereinstimmend eine, jeweils am Freitag erfolgende Barzahlung von 200,00 € bzw. 220,00 € genannt worden. Wie eine immer freitags stattfindende Bezahlung bei Teilzeitkräften und geringfügig Beschäftigten gehandhabt worden sei, bleibe dahingestellt. Nach Aussage des Beschwerdeführers seien zwar Arbeitsaufzeichnungen geführt worden, diese seien aber dem Prüfer trotz mehrmaliger Aufforderung nicht übergeben worden. Die Arbeitsverträge seien nur mündlich geschlossen worden.

Bei der Tatsache, dass bestimmte Dienstnehmer nicht bereits mit ihrem Arbeitsbeginn, sondern erst später zur Versicherung angemeldet worden seien, habe es sich nach Aussage des Beschwerdeführers um ein Versehen gehandelt. Auf den Vorhalt, warum bestimmte Mitarbeiter als geringfügig Beschäftigte angemeldet worden seien, obwohl sie laut eigener Darstellung im Zuge der finanzpolizeilichen Kontrolle wesentlich mehr verdient und gearbeitet hätten, habe der Beschwerdeführer geantwortet, er habe gedacht, dass die Mitarbeiter als Erntehelfer mit 40 Stunden angemeldet seien.

Wenn Mitarbeiter zum Teil mit zu wenigen Stunden und regelmäßig nicht bereits mit Dienstbeginn, sondern erst nach einer bestimmten Dauer zur Sozialversicherung angemeldet würden, sei darin kein Versehen, sondern vielmehr Methode zu erkennen.

Es seien zwar nicht alle beim Beschwerdeführer beschäftigten Dienstnehmer niederschriftlich einvernommen worden, aber gestützt durch die finanzpolizeilichen Ermittlungen habe sich zweifelsfrei ergeben, dass die gemeldeten bzw. erklärten Lohnabgaben nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe abgeführt worden seien.

Der Beschwerdeführer habe selbst eingestanden, dass die Anmeldungen zur Sozialversicherung und die Personalverrechnung nicht korrekt gewesen seien. Über den tatsächlichen Zahlungsfluss gebe es keine Unterlagen, Arbeitsaufzeichnungen seien dem Prüfer nicht übergeben worden.

Da im Zuge der Prüfung keine Aufstellungen über die konkreten Einsatzzeiten der Mitarbeiter vorgelegt worden seien, obwohl der Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 1 AZG zu deren Führung verpflichtet gewesen sei, sei die Abgabenbehörde gemäß § 184 BAO zur Ermittlung der Lohnabgaben im Schätzungswege verpflichtet.

Die Diskrepanz zwischen den Arbeitszeiten laut den übereinstimmenden Aussagen der Dienstnehmer und den Arbeitszeiten, nach denen der Dienstgeberbeitrag berechnet worden sei, sei offenkundig. Wenn die Angaben der befragten Arbeitnehmer auch für weitere Dienstnehmer, die zum Zeitpunkt der Prüfungshandlungen nicht mehr im Betrieb des Beschwerdeführers tätig gewesen seien, herangezogen worden seien, könne darin in Ermangelung von Arbeitszeitaufzeichnungen keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Dass sich die Form der Entlohnung oder Anstellung zwischen den Jahren 2014 bis 2018 und 2019 eklatant geändert hätte, habe keiner Aussage entnommen werden können.

Dem Beschwerdevorbringen, der relevante Sachverhalt sei nicht lückenlos aufgenommen worden, weil etwa die Größe der bewirtschafteten Fläche, die Heranziehung von Leiharbeitskräften und die familienhafte Mitarbeit nicht berücksichtigt worden seien, sei entgegenzuhalten, dass die Wahl der Schätzungsmethode der Abgabenbehörde grundsätzlich freistehe. Wenn die tatsächliche Arbeitszeit über die Zeiträume der bei der Sozialversicherung gemeldeten Dienstnehmer bestimmt werde, sei dies nicht unzweckmäßig.

Die vom Beschwerdeführer angestellte Berechnung vermöge aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen:

Die jährlich erforderliche Arbeitszeit werde unter Bezug auf die Diplomarbeit "Methode zur Ermittlung des einzelbetrieblichen Standardarbeitszeitbedarfes in der österreichischen Landwirtschaft" ermittelt. Für die gesamte österreichische Weingartenfläche von rund 51.000 ha werde ein Arbeitszeitbedarf von rund 16,9 Millionen Arbeitskraftstunden jährlich genannt. Der mittlere Arbeitszeitbedarf pro ha Weingartenfläche betrage daher etwa 330 Arbeitskraftstunden.

In diesem Wert seien die für die Kellerwirtschaft erforderlichen Stunden nicht enthalten und in Anbetracht der vom Beschwerdeführer an die Sozialversicherung gemeldeten Arbeitszeiten sei der Gesamtwert von 16,9 Millionen Arbeitskraftstunden mit Vorsicht zu genießen.

In einem nächsten Schritt werde vom Beschwerdeführer ermittelt, wie viele vollzeitäquivalente Mitarbeiter für die Tätigkeiten im Betrieb des Beschwerdeführers benötigt würden. Aus den Aussagen der Mitarbeiter sei eindeutig ersichtlich, dass sie vom Beschwerdeführer nicht ausschließlich in der Landwirtschaft selbst, sondern auch für

  • Umbau- und Erweiterungsarbeiten auf diversen "hauseigenen Baustellen" und im Gasthaus der Exfrau des Beschwerdeführers,

  • Malerarbeiten im Heurigenlokal oder

  • andere Hilfstätigkeiten

eingesetzt worden seien. Außerdem sei im Betrieb des Beschwerdeführers neben der eigenen Kellerwirtschaft auch angelieferter Traubensaft zu Wein verarbeitet und ausgeliefert worden.

Wenn der Beschwerdeführer die Mitarbeit der Familie mit zwei Vollzeitäquivalenten beziffere, so stehe dieser Wert in Widerspruch zu den Aussagen sämtlicher Mitarbeiter. Keiner der Mitarbeiter habe zu Protokoll gegeben, dass sie der Beschwerdeführer oder ein Familienmitglied bei der landwirtschaftlichen Arbeit unterstützt habe.

Ein Blick auf die Spalte "Anzahl Mitarbeiter Betrieb" verrate, dass im Prüfungszeitraum zwischen 2,84 und 3,41 Vollbeschäftigungsäquivalente beschäftigt gewesen seien. Dabei sei die Arbeitskraft der Familie bereits mit 2,00 eingerechnet gewesen. Selbst unter Einbezug der Familie bestehe immer noch eine Differenz zu den laut Berechnung des Beschwerdeführers benötigten Mitarbeitern in Höhe von 0,36 bzw. 1,50 Vollbeschäftigungsäquivalenten pro Jahr.

Die inhaltliche Richtigkeit der vom Beschwerdeführer angestellten Berechnung sei daher in Zweifel zu ziehen.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass laut Vernehmungsprotokollen ein Dolmetscher der NÖGKK für Übersetzungstätigkeiten beigezogen worden sei. Aus keiner Niederschrift sei in irgendeiner Weise erkennbar, dass der beigezogene Dolmetscher nicht geeignet gewesen sei.

Für die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages sei bei sämtlichen Dienstnehmern für die Dauer ihrer Beschäftigung ein Gehalt von 1.083,12 € monatlich hochgerechnet worden (200,00 € wöchentliches Entgelt x 4,33 inklusive eines Sachbezuges für die freie Kost und Logis in Höhe von 56,06 € sowie Einbezug der Sozialversicherungsbeiträge). Die Differenz zwischen den festgestellten und den abgeführten Dienstgeberbeiträgen sei nachversteuert worden. Diese Nachverrechnung sei der Höhe nach plausibel, die Berechnung selbst sei vom Beschwerdeführer nicht beanstandet worden.

Fristgerecht erhob die steuerliche Vertretung einen Vorlageantrag, in welchem um Stattgabe der Beschwerde ersucht wurde.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und ausgeführt, auf Basis von zu Unrecht gemeldeten Geringfügigkeits- bzw. Teilzeitanstellungen habe der Beschwerdeführer die Dienstgeberbeiträge zu gering berechnet und abgeführt. Im Zuge der Prüfung habe sich auf Grund der tatsächlich höheren Arbeitszeiten eine Differenz zwischen den erklärten und den im Schätzungswege festgestellten Dienstgeberbeiträgen ergeben. Die belangte Behörde beantrage daher die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren in ***Ort*** ein Weingut. Die angestellten Arbeitnehmer kamen überwiegend aus Ungarn. Sie waren von Montag bis Freitag von 06:30 Uhr bis 17:00 Uhr mit einer Stunde Mittagspause tätig und wurden vom Beschwerdeführer entweder im Weinbaubetrieb oder für Umbauarbeiten im Zuge der Sanierung der Gebäude oder im Gasthaus der Exfrau des Beschwerdeführers eingesetzt. Bei der Sozialversicherung waren die Dienstnehmer jedoch nur als geringfügig- bzw. teilzeitbeschäftigt gemeldet. Teilweise wurden sie auch mit Verzögerung bei der Sozialversicherung angemeldet. Während der Arbeitswoche wohnten sie beim Beschwerdeführer und wurden auch verpflegt. Schriftliche Arbeitsverträge waren nicht abgeschlossen worden.

Die Arbeiter erhielten pro Woche 200,00 € bzw. 220,00 € Lohn, der ihnen am Freitag vom Vorarbeiter oder vom Beschwerdeführer bar ausbezahlt wurde. Während der Erntezeit mussten einige Arbeiter auch Überstunden leisten.

Im Falle krankheits- bzw. urlaubsbedingter Abwesenheit erfolgte keine Bezahlung.

Arbeitszeitaufzeichnungen wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt.

Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die übereinstimmenden niederschriftlich festgehaltenen Aussagen der beschäftigten Arbeiter, welche durch die Aussage des Vorarbeiters in den wesentlichen Punkten betreffend Arbeitszeit und Entlohnung bestätigt wurden.

Der Beschwerdeführer widersprach der verspäteten Anmeldung der Arbeiter zur Sozialversicherung nicht, sondern führte aus, es habe sich allenfalls um ein Versehen gehandelt. Er verwies in seiner am gemachten Aussage darauf, dass er gedacht habe, dass die Mitarbeiter mit 40 Stunden angemeldet seien. Er räumte auch Differenzen zwischen der Personalverrechnung und dem tatsächlichen Zahlungsfluss ein.

Der Beschwerdeführer hat weder den in der Beschwerdevorentscheidung noch den im Vorlagebericht angeführten Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde widersprochen.

Tritt der Beschwerdeführer aber den Ausführungen des Finanzamts in der Beschwerdevorentscheidung und/oder in dem Vorlagebericht im Tatsachenbereich nicht entgegen, hat er die Tatsachenfeststellungen gegen sich gelten zu lassen (vgl. für viele etwa ).

Vor diesem Hintergrund der dargestellten Beweiswürdigung gelangte das Bundesfinanzgericht zu den oben angeführten Sachverhaltsfeststellungen und nahm diese gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen an.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu entrichten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen.

Gemäß § 41 Abs. 2 FLAG 1967 in der ab 1994 geltenden Fassung BGBl. Nr. 818/1993 (FLAG) sind Dienstnehmer alle Personen, die in einem Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z. 2 EStG 1988.

Gemäß § 41 Abs. 3 FLAG 1967 ist der Dienstgeberbeitrag von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen. Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art iSd § 22 Z. 2 EStG 1988.

Gemäß § 47 Abs. 1 EStG 1988 wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81 EStG 1988) des Arbeitgebers besteht. Arbeitnehmer ist eine natürliche Person, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Arbeitgeber ist, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG 1988 auszahlt.

§ 62 a Abs. 1 EStG 1988 in der für die Streitjahre 2014 bis 2016 geltenden Fassung lautet:

"Hat der Arbeitgeber die Anmeldeverpflichtung des § 33 ASVG nicht erfüllt und die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten und abgeführt, gilt ein Nettoarbeitslohn als vereinbart; die Annahme einer Nettolohnvereinbarung gilt nicht, wenn für die erhaltenen Bezüge die Meldepflichten gemäß §§ 119 ff BAO oder § 18 GSVG erfüllt wurden."

§ 62a EStG 1988 gilt auch für den Dienstgeberbeitrag (siehe ErläutRV 875 BlgNr 24. GP).

§ 62a EStG 1988 in der für die Streitjahre 2017 und 2018 geltenden Fassung lautet:

"(1) In folgenden Fällen gilt ein Nettoarbeitslohn als vereinbart:

1. Der Arbeitgeber hat die Anmeldeverpflichtung des § 33 ASVG nicht erfüllt und die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten und abgeführt.

2. Der Arbeitgeber hat den gezahlten Arbeitslohn (einschließlich sonstiger Bezüge und Vorteile im Sinne des § 25) nicht im Lohnkonto (§ 76) erfasst, die Lohnsteuer nicht oder nicht vollständig einbehalten und abgeführt, obwohl er weiß oder wissen musste, dass dies zu Unrecht unterblieben ist, und er kann eine Bruttolohnvereinbarung nicht nachweisen.

3. Der Arbeitnehmer wird gemäß § 83 Abs. 3 unmittelbar als Steuerschuldner in Anspruch genommen.

(2) Die Annahme einer Nettolohnvereinbarung gilt nicht,

- wenn für die erhaltenen Bezüge die Meldepflichten gemäß den §§ 119 ff BAO oder § 18 GSVG erfüllt wurden

- für geldwerte Vorteile gemäß § 15 Abs. 2."

Gemäß § 86 Abs. 1 EStG 1988 hat das Finanzamt der Betriebsstätte (§ 81 leg.cit) die Einhaltung aller für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer sowie die für die Erhebung des Dienstgeberbeitrages (§ 41 FLAG) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (§ 122 Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz 1998) maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu prüfen (Lohnsteuerprüfung).

Auf Grund der Feststellungen anlässlich der GPLA muss davon ausgegangen werden, dass die vom Beschwerdeführer gemeldeten Arbeitnehmer mehr Wochenstunden beschäftigt waren als in der jeweiligen Meldung ausgewiesen ist.

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Gemäß § 184 Abs. 3 BAO ist ferner zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die Befugnis (Verpflichtung) zur Schätzung beruht allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen.

Im Hinblick darauf, dass vom Beschwerdeführer keine Arbeitszeitaufzeichnungen vorgelegt wurden, war es der belangten Behörde unmöglich, die Bemessungsgrundlagen für die lohnabhängigen Abgaben der genannten Jahre zu berechnen. Das Finanzamt war daher gezwungen, diese im Schätzungswege zu ermitteln. Die Bemessungsgrundlagen für die Lohnabgaben wurden für sämtliche Streitjahre durch Hochrechnung des wöchentlichen Entgelts auf einen Monatsbezug unter Einbeziehung eines Sachbezuges für freie Kost und Logis und der Sozialversicherungsbeiträge ermittelt.

Wenn auch Ziel einer Schätzung ein weitgehend sachlich richtiges Ergebnis ist, so liegt es dennoch im Wesen jeder Schätzung, dass ihr eine gewisse Ungenauigkeit innewohnt. Diese Ungewissheit muss jedoch derjenige hinnehmen, der zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt.

Die in der Beschwerde erhobenen Einwände wurden in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung, auf die ausdrücklich verwiesen wird, entkräftet. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter zu (). Nach Ergehen der abweisenden Beschwerdevorentscheidung ist der Beschwerdeführer der Begründung nicht entgegengetreten. Auch der Vorlagebericht entfaltet diese Wirkung (vgl. für viele - ).

Es wäre Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen, diesen Feststellungen im Vorlageantrag bestimmt entgegen zu treten. Dass er dies nicht getan hat, rechtfertigt die Übernahme der in der Beschwerdevorentscheidung getroffenen Sachverhaltsfeststellung durch das Bundesfinanzgericht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Erkenntnis die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vordergrund stand, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102068.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at