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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.12.2021, RV/5101352/2018

Fachliteratur als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Helmut Mittermayr in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Finanzamt erließ den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) des Beschwerdeführers (im Folgenden abgekürzt: Bf) für das Jahr 2016 und führte zur Begründung aus:

"Da Ihre Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung trotz Erinnerung bis heute weder elektronisch über FinanzOnline noch in Papierform (Formular L1) beim Finanzamt eingegangen ist, musste Ihre ArbeitnehmerInnenveranlagung aufgrund der dem Finanzamt übermittelten Lohnzettel und Meldungen durchgeführt werden. Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen konnten dabei mangels Bekanntgabe nicht berücksichtigt werden."

In seiner Beschwerde vom führte der Bf aus:

"Ich führe hiermit eine Antragsänderung meines Einkommensteuerbescheids von 2016 durch, da mir die Vorschreibung zur Arbeitnehmerveranlagung postalisch an meine alte und somit unkorrekte Wohnadresse zugestellt wurde, wodurch ich diese nicht zeitgemäß durchführen konnte. Der letzte Bescheid wurde bereits richtig an meine derzeitige Braunauer Wohnadresse geschickt. Ich bitte diesen Umstand zu berücksichtigen."

Nach einem durchgeführten Vorhalteverfahren wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom der Einkommensteuerbescheid 2016 geändert. Begründend führte das Finanzamt an :

"Ihrer Beschwerde vom wird teilweise stattgegeben.

Aufwendungen für Behandlungsleistungen außerhalb der Schulmedizin und durch nicht ärztliches Personal (Shiatsu) sind nicht absetzbar. Diese Kosten wären nur dann absetzbar, wenn diese Leistungen ärztlich verordnet oder die Kosten teilweise von der Krankenkasse ersetzt werden.

Da die Aufwendungen für Ihr Tablet die Anschaffungskosten von € 400,00 nicht übersteigen (=geringwertiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 13 EStG) werden die Kosten - nach Abzug eines Privatanteils von 40 % - sofort abgeschrieben.

Aufwendungen sind steuerlich grundsätzlich nur für das Kalenderjahr abzugsfähig, in dem die Verausgabung stattgefunden hat. Das Tablet daher nicht berücksichtigt werden.

Kosten für Literatur, die auch für nicht in ihrer Berufssparte tätigen Personen von allgemeinem Interesse sein können, stellen selbst dann keine Werbungskosten dar, wenn aus diesen Publikationen Anregungen für die berufliche Tätigkeit gewonnen werden.

Von den beantragten Kosten für Fachliteratur wurden daher nur zu 50 % berücksichtigt.

Von den geltend gemachten Werbungskosten für Computer u. dgl. wurden Privatanteile im Betrag von 14,08 € (zusätzlich) ausgeschieden."

Mit als Beschwerde bezeichneten Schriftsatz vom , der als Vorlageantrag zu werten ist, wandte sich der Bf gegen die Beschwerdevorentscheidung vom und begründete dies wie folgt:

"Für einen Teil meiner Fachliteratur-Werbungskosten (in meiner Funktion als Deutsch- sowie Psychologie- und Philosophielehrer, zum damaligen Zeitpunkt an einer AHS) wurden nur 50 Prozent berücksichtigt, obwohl ich tatsächlich alle Bücher, seien es Werke für die Sprachbetrachtung, Sprachrichtigkeit, Aufsatzkunde, Kinder- und Jugendliteratur, der klassischen österreichischen Literatur, Grundlagen der Ethik, Psychologie etc. (genaue Auflistung mit österreichischem Lehrplanbezug siehe in der beigefügten Liste) für den Unterricht verwendet habe.

Ich bitte dies zu berücksichtigen und stelle daher einen Antrag auf eine Neuentscheidung des Einkommensteuerbescheides 2016."

In der beigelegten Liste sind folgende Titel angeführt:


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Titel
Preis
Sprachbewusstsein: Übungsbuch Grammatik Unterstufe
12,00
Literaturkunde: Gegenwartsliteratur (Motiv: Tod und Vergänglichkeit); Sprachbewusstsein und Sprachrichtigkeit in der Unterstufe; Reflexion über gesellschaftliche Realität
87.30
Michael Köhlmeier als einer der wichtigsten Werke der österreichischen Gegenwartsliteratur; Kinder- und Jugendliteratur (Thema Freundschaft)
32.30
Philosophie: aktuelle Anwendungsbereiche der Ethik
36.10
Kinder- und Jugendliteratur; Beispielliteratur Bürgerlicher Realismus (1848-1885)
39,90
Literatur der ehemaligen DDR
20.40
Sachinformationen aus Fachtexten entnehmen (Fächerübergreifender Unterricht mit Geschichte: Israelbezug)
10.80
Einf. in die historische Grammatik des Deutschen; Satzwerkstatt; Satzzeichenlehre; Grammatik Unterstufe; Literatur und Kultur; Vorwissenschaftliches Arbeiten/Methoden der empirischen Sozialforschung (Inhaltanalyse)
156
Philosophie: Grundfragen der Ethik
29.20
Deutsche Literatur nach 1989
30.80
Unterscheidung von fiktionalen und nichtfiktionalen Texten anhand einer Dystopie
24,67
Gegenwartsliteratur: Informationsgesellschaft; Analyse Erzählperspektive: Ich-Erzählung
8,99
Aufsatztraining Unterstufe (1. Klasse)
17,47
Aufsatztraining Unterstufe (2. Klasse)
17,47
Übungsbuch für Bildungsstandards (1. Klasse)
15,37
Deutsche Sprachgeschichte: Indogermanisch, Urgermanisch, Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Frühneuhochdeutsch, Neuhochdeutsch
13.27
Kreative Schreibübungen für das Unterrichtsfach Deutsch
18.40
Rhetorikanalyse der Antike am Beispiel Cicero
10.27
Lehrmethoden für den Klassenvorstand
5,14
Psychologie: Motive menschlichen Handelns erörtern: seelische Gesundheit und deren Beeinträchtigung am Bsp. Depression
10,27
Textsortentraining Oberstufe Argumentatives Schreiben (Kommentar, Glosse, Leserbrief)
15,41
Psychologie: kognitive Prozesse verstehen; EFT als lerntheoretische bzw. • lernunterstutzende Anwendung für Schülerinnen und Schüler
28,72
Kinder- und Jugendliteratur; Beispielliteratur Vormärz; Abenteuerliteratur; Schauergeschichten (Erlebniserzählung Unterstufe, 2. Klasse)
20.3
Lehrmethoden für den Klassenvorstand
51,35
Philosophie: Grundlagen der Ethik
19,84

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf war im beschwerdegegenständlichen Jahr als Deutsch-, Psychologie und Philosophielehrer an einer AHS beschäftigt.

Er beantragte die Kosten der Bücher (siehe die oben angeführte Liste der Titel der Bücher) als Werbungkosten bei der Veranlagung zu berücksichtigen.

Folgende der angeschafften Bücher stehen Zusammenhang mit der beruflichen Sphäre und sind geeignet, die Berufschancen zu erhalten oder zu verbessern:


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Titel
Preis
Sprachbewusstsein: Übungsbuch Grammatik Unterstufe
12,00
Sachinformationen aus Fachtexten entnehmen (Fächerübergreifender Unterricht mit Geschichte: Israelbezug)
10.80
Einf. in die historische Grammatik des Deutschen; Satzwerkstatt; Satzzeichenlehre; Grammatik Unterstufe; Literatur und Kultur; Vorwissenschaftliches Arbeiten/Methoden der empirischen Sozialforschung (Inhaltanalyse)
156
Aufsatztraining Unterstufe (1. Klasse)
17,47
Aufsatztraining Unterstufe (2. Klasse)
17,47
Übungsbuch für Bildungsstandards (1. Klasse)
15,37
Kreative Schreibübungen für das Unterrichtsfach Deutsch
18.40
Lehrmethoden für den Klassenvorstand
5,14
Lehrmethoden für den Klassenvorstand
51,35
Summe
304,00

Alle anderen Bücher zählen zur Literatur, die auch bei nicht in der Berufssparte des Steuerpflichtigen tätigen Personen von allgemeinem Interesse oder zumindest für einen nicht fest abgrenzbaren Teil der Allgemeinheit mit höherem Bildungsgrad bestimmt ist.

2. Beweiswürdigung

§ 167 Abs. 1 BAO Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

§ 167 Abs. 2 BAO Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

In freier Beweiswürdigung kommt das Gericht zu der Ansicht, dass die oben im Sachverhalt angeführten Bücher in Zusammenhang mit der beruflichen Sphäre stehen.

Alle anderen Bücher sind auch bei nicht in der Berufssparte des Steuerpflichtigen tätigen Personen von allgemeinem Interesse oder zumindest für einen nicht fest abgrenzbaren Teil der Allgemeinheit mit höherem Bildungsgrad von Interesse.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Rechtsgrundlagen

§16 Abs. 1 EStG 1988 Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

§ 20. (1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
……

Aufwendungen für Fachliteratur, die im Zusammenhang mit der beruflichen Sphäre steht, sind als Werbungskosten absetzbar (vgl. z.B. Jakom/Peyerl EStG, 2020,§ 20 Rz 90, Stichwort Literatur; Jakom/Lenneis EStG 2020 § 4 Rz 330, Stichwort Fachliteratur)

Es genügt, wenn die Aufwendungen an sich - auch ohne konkret erkennbare Auswirkung auf die Einkünfte - geeignet sind, die Berufschancen zu erhalten oder zu verbessern. Nicht entscheidend ist, ob der Arbeitgeber die Anschaffung der Fachliteratur fordert oder daran interessiert ist ().

Literatur, die auch bei nicht in der Berufssparte des Steuerpflichtigen tätigen Personen von allgemeinem Interesse oder zumindest für einen nicht fest abgrenzbaren Teil der Allgemeinheit mit höherem Bildungsgrad bestimmt ist (), stellt keine Werbungskosten dar. Dies gilt selbst dann, wenn aus den betreffenden Publikationen Anregungen für die berufliche Tätigkeit gewonnen werden können ( betr. Literatur für Unterrichtsgestaltung eines Lehrers)

Allgemein bildende Nachschlagewerke oder Lexika (, AHS-Lehrer; , Hauptschullehrer; , Lexikon der Malerei eines Mittelschullehrers für Geografie und Geschichte, , Brockhaus-Enzyklopädie, Österreichlexikon, Wörterbücher), Werke der Belletristik (; , jeweils AHS-Lehrer für Deutsch), Wanderkarten und Reiseführer (, Geografieprofessor) oder "Who is Who in Österreich" () sind keine Fachliteratur.

Dienen Zeitschriften und Bücher weit überwiegend berufsspezifischen Aspekten, sodass eine allfällige private Mitveranlassung hinsichtlich ihrer Anschaffung nur mehr als völlig untergeordnet zu beurteilen ist, kann die Abzugsfähigkeit der dafür entstandenen Aufwendungen nicht mit dem Hinweis auf das Abzugsverbot nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 verweigert werden (, betr. französische Literatur einer Französischlehrerin für die Vorbereitung, Abhaltung und Ausgestaltung von Lehrveranstaltungen).

Erwägungen:

Wie in freier Beweiswürdigung festgestellt, sind die im Sachverhalt oben dargestellten Bücher um insgesamt 304,00 €, als in Zusammenhang mit der beruflichen Sphäre stehend anzusehen und es sind daher diese Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

In der Beschwerdevorentscheidung wurde bisher ein Betrag von 761,00 € als Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, in Abzug gebracht. Darin sind 50% der beantragten Aufwendungen für Literatur von 731,74 €, das sind 365,87 € enthalten.

Das Gericht kommt nunmehr zu der Ansicht, dass von den Kosten für Fachliteratur nur mehr 304,00 € als Werbungskosten zu berücksichtigen ist.
365,87 € minus 304,00 € ergibt den Betrag von 61,87 €

Die zu berücksichtigenden Werbungskosten vermindern sich somit um 61,87 auf 699,13 €.

Der Einkommensteuerbescheid war daher abzuändern.

Zur Berechnung der Höhe der festgesetzten Abgabe wird auf das als Beilage angeschlossene Berechnungsblatt verwiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die entscheidungswesentlichen Fragen lagen im Bereich der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung. Das Erkenntnis hing nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101352.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at