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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 16.12.2021, RV/3100032/2017

Rechtswidrigkeit einer Beschwerdevorentscheidung betreffend den Sachbescheid, wenn gegen den ebenfalls bekämpften Wiederaufnahmsbescheid nicht entschieden worden ist.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache Bf, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes L (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 (Steuernummer xxx/xxxx) beschlossen:

Die Beschwerdevorentscheidungen vom und betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 werden aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I) Verfahrensgang / Schverhalt:

Im Zuge einer bei der H GmbH in Feldkirch gemäß § 147 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG am abgeschlossenen Prüfung lohnabhängiger Abgaben sind für den Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: Bf) für die Jahre 2009 und 2010 neue Lohnzettel ausgestellt worden.

Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt das Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2009 und 2010 wieder auf und erlies auf der Basis der geänderten Lohnzettel gleichzeitig neue Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010.

Mit Eingabe vom erhob der Bf sowohl gegen die angeführten Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch gegen die erlassenen Einkommensteuerbescheide das Rechtsmittel der Beschwerde.

Mit Ausfertigungsdatum vom (betreffend das Jahr 2009) und (betreffend das Jahr 2010) wies das Finanzamt in automationsunterstützt erstellten Beschwerdevorentscheidungen die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 als unbegründet ab. In der gesonderten Begründung vom , dem Bf zugestellt am , wies das Finanzamt zwar darauf hin, dass an den Bf ein durch das Bundesrechenzentrum ausgefertigter Bescheid betreffend Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010, sowie gegen die neuen Sachbescheide Einkommensteuer 2009 und 2010 sowie gegen die Bescheide betreffend Anspruchszinsen für die Jahre 2009 und 2010 am und abgefertigt" worden seien, tatsächlich sind durch das Bundesrechenzentrum nur Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für Jahre 2009 und 2010 und die (hier nicht streitgegenständlichen) Anspruchszinsen ausgefertigt worden.
Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer für 2009 und 2010 blieb unerledigt.

Mit Schreiben vom stellte der Bf den Antrag die Beschwerde gegen die Sachbescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

II) Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes. Hinsichtlich der fehlenden Beschwerdevorentscheidung zur Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens wurde dem Finanzamt mit E-Mail vom mitgeteilt, dass nach den vorgelegten Akten und einer Einsicht in den elektronischen Akt entgegen den Angaben in der oben angeführten gesonderten Bescheidbegründung, keine Beschwerdevorentscheidung zur Wiederaufnahme des Verfahrens ergangen ist.
Auch in eine neuerliche Überprüfung konnte das Finanzamtes hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens weder die automationsunterstützte Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen über das Bundesrechenzentrum noch die unmittelbare Erlassung durch das Finanzamt feststellen.

III) Rechtslage und rechtliche Beurteilung:

Nach § 262 Abs. 1 BAO ist - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). ,Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Nach § 264 Abs. 7 BAO scheidet durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.

Der Wiederaufnahmsbescheid und der neue Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (; ; ; ). Auch hinsichtlich ihrer Behebbarkeit sind sie getrennt zu beurteilen (; vgl. auch Ritz, BAO6, § 307 Tz 7).

Werden sowohl der Wiederaufnahmsbescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmsbescheid zu entscheiden. (; ; ). Wurde das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmsbescheid unerledigt gelassen und vorerst über die Bescheidbeschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, so ist die Entscheidung inhaltlich rechtswidrig. Gleiches gilt auch für Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamts (vgl. und die dort angeführte Vorjudikatur; vgl. auch Ritz, BAO6, § 307 Tz 7 mwN).

Wie oben ausgeführt ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmsbescheid zu befinden.
Im gegenständlichen Fall wäre das Finanzamt daher verpflichtet gewesen, zunächst über die Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens mittels Beschwerdevorentscheidung abzusprechen. Tatsächlich hat das Finanzamt jedoch lediglich über die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 abgesprochen. Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahmsbescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 blieb unerledigt.

Die Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes in denen es über die angefochtenen Sachbescheide abgesprochen hat, ohne vorher über die ebenfalls angefochtenen Wiederaufnahmebescheide abzusprechen, erweisen sich somit als rechtswidrig.

Die Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 waren daher aufzuheben. Eine inhaltliche Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die in der Beschwerde vorgebrachten Einwände kommt daher nicht in Betracht (vgl. auch mwN).

Durch die Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung scheidet gemäß § 264 Abs. 7 BAO der Vorlageantrag vom betreffend die Beschwerde gegen die Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 ex lege aus dem Rechtsbestand aus.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Finanzamt sowohl über die Beschwerde gegen die angefochtenen Wiederaufnahmsbescheide als auch über die Beschwerde gegen die angefochtenen Sachbescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 zu entscheiden haben.
Ergänzend wird hinsichtlich des fortgesetzten Verfahrens auf die vom Bundesfinanzgericht ergangene Entscheidung vom , RV/3101042/2015 verwiesen.

IV) Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Durch diesen Beschluss wird das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt, die eingebrachte Beschwerde bleibt weiterhin aufrecht. Dem Finanzamt wird dadurch lediglich ermöglicht, das anhängige Rechtsmittelverfahren weiter zu führen. Bei der gegenständlichen Entscheidung handelt es sich somit um einen verfahrensleitenden Beschluss, der nicht gesondert bekämpfbar ist.

Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Entscheidung angefochten werden (§ 25a Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, § 88a Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953).

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100032.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at