Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.12.2021, RV/7102720/2012

Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO (bei Einbringung nach Art III UmgrStG)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi als Vorsitzenden, den Richter ***Ri2*** als beisitzender Richter, SenLR1 als fachkundiger Laienrichter und SenLR2 als fachkundiger Laienrichter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hallas & Partner Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH & Co KG, Praterstraße 38, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2008

zum Antrag auf Vorlage der Kontrollmitteilung vom Finanzamt Salzburg-Land vom Mai 2012 beschlossen: Dem Antrag wird Folge gegeben,

zu den Anträgen auf Beischaffung
des Konkursaktes Gz1,
der Steuerakte der ***Ges.1*** (***StNrGes.1***)
sowie der ***Ges.2*** (Finanzamt 4/5/10, StNr. ***StNrGes.2***) beschlossen:
Den Anträgen wird nicht Folge gegeben und

zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Am erließ die belangte Behörde erstmalig den Einkommensteuerbescheid für 2008.

Mit Schreiben vom informierte das Finanzamt Salzburg-Land das Finanzamt 9/18/19 Klosterneuburg darüber, dass Herr ***Bf1*** (im Folgenden kurz Beschwerdeführerin = Bf.) € 102.094,62 nachzuversteuern habe. Begründend wurde folgendes ausgeführt:
"Der Bf. war Aktionär der ***Ges.1***. Lt. Einbringungsbilanz zum betrugen die Anschaffungskosten € - 102.094,62. Diese negativen Anschaffungskosten wurden nie durch Gewinne ausgeglichen. Nach dem Konkurs der ***Ges.1*** wurde diese mit amtswegig gelöscht. Gem. § 31 EStG 1988 (Beteiligungsausmaß mind. 1%) bzw. gem. § 20 Abs. 6 UmgrStG (Beteiligungsausmaß unter 1%) sind in diesem Fall in Höhe der seinerzeitigen negativen Anschaffungskosten positive Einkünfte zu versteuern. Der Überschuss gilt mit dem Tag der Löschung der Firma im Firmenbuch als realisiert."

Am erließ die belangte Behörde den Wiederaufnahmebescheid betreffend die Einkommensteuer 2008 mit folgender Begründung: "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit, und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden."

Der daraufhin ergangene Einkommensteuerbescheid vom enthielt folgende Begründung:
"Lt. Einbringungsbilanz der ***Ges.1*** betrugen Ihre Anschaffungskosten zum € - 102.094,62. Diese wurden nie durch Gewinne ausgeglichen. Durch den Konkurs der ***Ges.1*** ist das negative Kapitalkonto in Höhe von € - 102.094,62 zu versteuern."

Daraufhin erhob der Bf. am Berufung gem. § 243 BAO gegen den Wiederaufnahme- und Einkommensteuerbescheid. Begründend führte der Bf. folgendes an:
"Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2008 wird ausgeführt, dass "lt. Einbringungsbilanz der ***Ges.1***" die Anschaffungskosten unseres Mandanten "zum € - 102.094, 62" betrugen. Da diese "nie durch Gewinne ausgeglichen" wurden und die ***Ges.1*** in Konkurs verfallen ist, wäre "das negative Kapitalkonto in Höhe von € - 102. 094, 62 zu versteuern". Angesetzt wurden ohne nähere Begründung positive Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen in der Höhe von € 102.094,62.

Hierzu ist vorab darauf zu verweisen, dass über das Vermögen der ***Ges.1*** am der Konkurs eröffnet wurde, die Gesellschaft aufgelöst und das Unternehmen umgehend geschlossen wurde. Im Firmenbuch erfolgte die amtswegige Löschung gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit am , nachdem dem Firmenbuch vom Konkursgericht die Konkursaufhebung nach Schlussverteilung mitgeteilt wurde.

Gemäß § 31 Abs 2 EStG idF StRefG 1993 gilt der Untergang von Anteilen aufgrund einer Liquidation (Auflösung) oder die Beendigung einer Körperschaft für sämtliche Beteiligte unabhängig vom Beteiligungsausmaß als Veräußerung und führt somit zu einer Besteuerung nach § 31 EStG. Im § 31 Abs 3 EStG idF BGBL I 2004/180 wird normiert, dass in diesem Fall als Einkünfte der Unterschiedsbetrag zwischen dem "Abwicklungsguthaben" einerseits und den Anschaffungskosten sowie den Werbungskosten andererseits anzusetzen ist.

Im konkreten Fall sind die anlässlich der Einbringung unserem Mandanten gewährten Anteile an der ***Ges.1*** nach Abschluss des Insolvenzverfahrens untergegangen. Da unserem Mandanten kein "Abwicklungsguthaben" im Sinne des § 31 Abs 3 zweiter Teilstrich EStG zugeflossen ist, kann sich unseres Erachtens auch kein Überschuss der Einnahmen über die negativen Anschaffungskosten und Werbungskosten und somit auch kein Veräußerungsgewinn gemäß § 31 EStG ergeben. Dies kann aus mehreren Blickwinkeln heraus begründet werden:
Der Begriff "Abwicklungsguthaben" im Sinne des § 31 Abs 3 zweiter Teilstrich EStG setzt den Zufluss eines Restvermögens voraus (siehe Wiesner/Schwarzinger UmS 74/28/01, SWK 2001, 1099), was im konkreten Fall nicht geschehen ist.
Zum Zeitpunkt der Einbringung muss ein positiver Verkehrswert vorgelegen haben, da ansonst kein Anwendungsfall des Art III UmgrStG vorgelegen wäre und es aufgrund des § 6 Z l4 lit b EStG im Jahr, in das der Einbringungsstichtag fällt, zum einlagebedingten Aufdecken allfälliger vorhandener stiller Reserven kommen würde (siehe Wiesner/Schwarzinger, UmS 30/3/01, SWK 2001, 84). Die steuerliche Unbeachtlichkeit der einbringungsbedingten negativen Anschaffungskosten erscheint daher völlig systemkonform, zumal von unserem Mandanten im Jahr 2001 positives Vermögen übertragen wurde.

Die Intention des Gesetzgebers im Zusammenhang mit dem § 31 EStG zielt auf die Sicherung der Einmalbesteuerung von Gewinnen der Kapitalgesellschaft ab. Nicht ausgeschüttete Gewinne, die zu keiner Besteuerung auf Empfängerebene führen, werden bei der Veräußerung bzw Liquidation erfasst (siehe zB Qantschnigg/Schuch, ESt-HB, § 31, Tz 1). Bei der ***Ges.1*** bestehen keine von der Körperschaft erwirtschafteten und nicht versteuerten Gewinne, weshalb für eine Besteuerung nach § 31 EStG kein Spielraum bleibt.

Die Begründung im angefochtenen Einkommensteuerbescheid ist überdies insofern völlig unschlüssig, da nach der Einbringung des Mitunternehmeranteils in die ***Ges.1*** ein von der Abgabenbehörde offensichtlich geforderter Ausgleich der negativen Anschaffungskosten durch Gewinne aufgrund des Vorliegens einer Kapitalgesellschaft und entsprechender Einkünfte aus Kapitalvermögen und mangels Vorliegens einer Mitunternehmerschaft überhaupt nicht mehr möglich war.

Als weiteres Argument kann vorgebracht werden, dass im Fall einer Umwandlung der ***Ges.1*** (ohne Konkurs) die negativen Anschaffungskosten des vor der Umwandlung erworbenen Anteils an der umgewandelten Kapitalgesellschaft ebenfalls keinerlei Relevanz mehr gehabt hätten (siehe hierzu zB GZ 06 8621/1-IV/6/98, sowie ÖSIZ 2003, 449f). Es ist kein Grund erkennbar, warum eine Beendigung der Gesellschaft ohne vorangegangener Umwandlung (etwa im Wege eines Konkurses) steuerrechtlich zu einem anderen Ergebnis führen soll. Auch aus diesem Blickwinkel ist die bereits aus dem Gesetzeswortlaut ableitbare Nichterfassung der gegenständlichen negativen Anschaffungskosten systemkonform."

Mit Berufungsvorentscheidung vom hinsichtlich des Wiederaufnahmebescheids teilte die belangte Behörde dem Bf. mit, dass der Bescheid aufzuheben war, da keine neuen Beweismittel oder Tatsachen genannt wurden, sondern lediglich der Gesetzestext widergegeben wurde.

Mit Zurückweisungsbescheid vom teilte die belangte Behörde dem Bf. mit, dass aufgrund der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheids der Einkommensteuerbescheid aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sei und eine Berufung gegen eben solchen daher nicht zulässig wäre.

Am erließ die belangte Behörde erneut einen Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 mit folgender Begründung:

"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit, und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden. Dem Finanzamt wurde im Mai 2012 eine Kontrollmitteilung vom Finanzamt Salzburg-Land übermittelt aus der hervorgeht, dass Sie Aktionär der ***Ges.1*** (FN***1***) waren und die Anschaffungskosten der Beteiligung laut Einbringungsbilanz zum € - 102.094,62 betrugen. Diese negativen Anschaffungskosten wurden nie durch Gewinne ausgeglichen. Nach dem Konkurs der ***Ges.1*** wurde diese mit amtswegig gelöscht. Da gemäß § 31 EStG 1988 (Beteiligungsausmaß mind. 1%) bzw. gemäß § 20 Abs 6 UmgrStG (Beteiligungsausmaß unter 1%) in diesem Fall in Höhe der seinerzeitigen negativen Anschaffungskosten positive Einkünfte zu versteuern sind, war das Einkommensteuerverfahren 2008 wieder aufzunehmen."

Der ebenfalls am ergangene Einkommensteuerbescheid 2008 bezog den Betrag iHv € -102.094,62 als Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen zur Berechnung der gesamten Einkünfte mit ein.

Mit Schreiben vom , eingegangen am erhob der Bf. erneut Berufung gegen die neu ergangenen Bescheide. Hinsichtlich der Begründung entspricht diese vollinhaltlich der Berufung vom .

Am wurde die Berufung (nunmehr Beschwerde) dem unabhängigen Finanzsenat (nunmehr Bundesfinanzgericht) vorgelegt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das Finanzamt aufgefordert, zur Beschwerde des Beschwerdeführers Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom vertrat das Finanzamt die Rechtsansicht der Einkommensteuerrichtlinien in der Fassung vom , Rz. 6671, wie in der Bescheidbegründung. Darüber hinaus verwies es auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100301/2013. Am wurde dieses Schreiben inhaltlich dem Vertreter des Bf. zur Kenntnis gebracht.

Am erstattete der Bf. mittels Fax einen sich gegen die Wiederaufnahme wendenden Schriftsatz, in dem er zunächst festhielt, dass der erste Absatz der Begründung nur aus einem Textbaustein bestehe, der ohne jede Bezugnahme auf den konkreten Fall nur eine allgemeine Formulierung enthalten würde. Es verstoße aber gegen die Begründungspflicht des § 93 Abs 3 lit a BAO, nur formelhaft auf den Grundsatz des Vorranges der Rechtsrichtigkeit zu verweisen (Wiedermann, Wiederaufnahme, 66, Ritz, BAO, § 307 Tz 3).

Hinsichtlich der behördlichen Darlegungen im zweiten Absatz der Begründung hielt der Bf. fest, dass in dem im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen und ebenfalls angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2008 sich eine ähnliche Formulierung als Begründung finden würde, wonach der Bf. laut einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes Salzburg-Land Aktionär der ***Ges.1*** (FN ***1***) gewesen wäre und lt. Einbringungsbilanz der ***Ges.1*** die Anschaffungskosten des Bf. zum € -102.094, 62 betragen hätten. Da diese nie durch Gewinne ausgeglichen worden wären, die ***Ges.1*** in Konkurs verfallen wäre und eine amtswegige Löschung mit erfolgt wäre, wären gem. § 20 Abs 6 UmgrStG (Beteiligungsausmaß unter 1%) iVm §31 EStG 1988 daher im Jahr 2008 (Tag der Firmenbuchlöschung) in Höhe der seinerzeitigen negativen Anschaffungskosten positive Einkünfte iHv EUR 102.094,62 zu versteuern

Die Abgabenbehörde hätte nicht dargelegt, warum gerade 2008 eine Wiederaufnahme zu erfolgen hätte, weshalb dem Bescheid eine nachvollziehbare Begründung fehlen würde. Dementsprechend wäre dem bekämpften Bescheid der Wiederaufnahmsgrund nicht zu entnehmen (auch nicht mittelbar). Die oben zitierte bescheidtragende Aussage in der Begründung des Wiederaufahmebescheides stelle vielmehr nur die Schlussfolgerung aus einem in den bekämpften Bescheiden dargestellten angenommenen Sachverhalt dar, aber nicht die Gründe für die angenommene Sachverhaltsannahme selbst.

Der bekämpfte Bescheid entbehre im Übrigen die für die Ermessensübung maßgeblichen Überlegungen und könnte der angewandte Tatbestand nicht aus der Begründung geschlossen werden. Es könnte auch vermutet werden, ob das Verfahren vielleicht nur wiederaufgenommen wurde, um eine geänderte rechtliche Beurteilung eines ohnehin bereits bekannten Sachverhalts vornehmen zu können. Letzteres könnte insofern vermutet werden, als offensichtlich bei der ***Ges.2*** mit einem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften von Personengesellschaften für das Jahr 2004 - und somit bereits im Jahr der Konkurseröffnung - Veräußerungsgewinne aufgrund negativer Kapitalkonten festgesetzt wurden und dieser Bescheid von der ***Ges.2*** bekämpft wurde. Aus der Formulierung der Begründung wäre jedenfalls nicht ersichtlich, warum gerade im Jahr 2008 eine Wiederaufnahme zu verfügen und die negativen Anschaffungskosten zu versteuern wären.

Der Bf. nahm weiters Bezug auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100301/2013, und schloss aus dem Fehlen einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung über die Auswirkung umgründungsbedingter negativer Anschaffungskosten auf einen steuerpflichtigen Gewinn im Zuge der Liquidation auf die ungenaue Begründung der Abgabenbehörde im Bescheid. Die belangte Behörde hätte sich im Rahmen der Bescheiderlassung und -begründung unter anderem auch damit auseinandersetzen müssen,
- ob überhaupt und wann nun im konkreten Fall eine Auflösung oder eine Beendigung der ***Ges.1*** vorlag
- ob tatsächlich Vermögenslosigkeit der ***Ges.1*** gegeben war, da nur dann die Gesellschaft als beendet gilt (und die Firmenbucheintragung nur deklarative Wirkung hat)
- wann eine Vermögenslosigkeit bei der der ***Ges.1*** eintrat
- ob nicht bereits im Jahr 2004 im Rahmen des Feststellungbescheids bei der ***Ges.2*** (Finanzamt 4/5/10, StNr ***StNrGes.2***) die Veräußerungsgewinne im Zusammenhang mit den negativen Kapitalkonten festgesetzt wurden und
- ob tatsächlich ein Zufluss eines Restvermögens an unseren Mandanten erfolgte, da dies eine Voraussetzung für das Vorliegen eines "Abwicklungsguthabens" (siehe unsere Beschwerde vom ) und zusätzlich auch der Zeitpunkt des Zuflusses beim § 31 EStG für den Zeitpunkt der Besteuerung relevant wäre.
Zum Beweis, dass
- im Jahr 2008 kein Zufluss eines Restvermögens beim Bf. stattfand,
- bereits im Jahr 2004 bei der ***Ges.2*** (Finanzamt 4/5/10, StNr ***StNrGes.2***) Veräußerungsgewinne gemäß § 24 EStG im Zusammenhang mit den negativen Kapitalkonten festgesetzt wurden,
- und zur Frage, ob und wann tatsächlich Vermögenslosigkeit bei der ***Ges.1*** eingetreten ist,
- sowie zur Abklärung der Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Art III UmgrStG im Rahmen der stattgefundenen Einbringung im Jahr 2001
beantragte der Bf. die Beischaffung des Konkursaktes Gz1 und der Steuerakte der ***Ges.1*** (***StNrGes.1***) sowie der ***Ges.2*** (Finanzamt 4/5/10, StNr ***StNrGes.2***) und die Vorlage der Kontrollmitteilung vom Finanzamt Salzburg-Land vom Mai 2012.

Der Bf. beantragte, der Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008 mangels Angabe eines Wiederaufnahmegrundes stattzugeben.

Im Rahmen der am stattgefundenen mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat trug der Vorsitzende zunächst den Sachverhalt vor. Die Parteien führten zunächst aus wie in den Schriftsätzen im bisherigen Verfahren.
Dem steuerlichen Vertreter der Bf. wurde ein Schreiben des FA Salzburg Land vom , die Einbringungsbilanz zum der ***Ges.1*** sowie der Einbringungsvertrag (Seite 1), jeweils in Kopie, übergeben.

Der steuerliche Vertreter führte aus wie im Fax vom und betonte, dass sich das FA über den Eintritt der Vermögenslosigkeit kundig hätte machen müssen.

Der Finanzamtsvertreter verwies auf die Begründung, dass im Jahr 2008 die Löschung erfolgt wäre und eine Verteilung nicht mehr durchgeführt wurde (siehe Löschung gem. § 40 FBG) und weiters auf die Randziffer 158 der Körperschaftssteuerrichtlinie.

Der steuerliche Vertreter verwies abermals darauf, dass die Vermögenslosigkeit im Finanzamtsakt nicht festgestellt wurde und diese auch Voraussetzung für die Beendigung der Gesellschaft in Hinsicht auf § 31 EStG wäre.

Die Parteien stellten keine weiteren Fragen und Beweisanträge, wurde das Beweisverfahren geschlossen und zog sich der Senat zur Beratung zurück.

Nach seinem Wiedererscheinen verkündete der Vorsitzende gemäß § 277 Abs. 4 BAO den Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

Über die Beschwerde hat das Bundesfinanzgericht erwogen:

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Am erließ die belangte Behörde den bekämpften Wiederaufnahmebescheid hinsichtlich der Einkommensteuer 2008 und wurde dieser folgt begründet:
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit, und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden. Dem Finanzamt wurde im Mai 2012 eine Kontrollmitteilung vom Finanzamt Salzburg-Land übermittelt aus der hervorgeht, dass Sie Aktionär der ***Ges.1*** (FN***1***) waren und die Anschaffungskosten der Beteiligung laut Einbringungsbilanz zum € - 102.094,62 betrugen. Diese negativen Anschaffungskosten wurden nie durch Gewinne ausgeglichen. Nach dem Konkurs der ***Ges.1*** wurde diese mit amtswegig gelöscht. Da gemäß § 31 EStG 1988 (Beteiligungsausmaß mind. 1%) bzw. gemäß § 20 Abs 6 UmgrStG (Beteiligungsausmaß unter 1%) in diesem Fall in Höhe der seinerzeitigen negativen Anschaffungskosten positive Einkünfte zu versteuern sind, war das Einkommensteuerverfahren 2008 wieder aufzunehmen."
Dieser Sachverhalt ergibt sich sowohl aus den vorgelegten Akten als auch aus dem Beschwerdevorbringen.

Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:

Gem. § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 2. Aufl, § 303 Rz. 13 und die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. Ritz, a.a.O., § 303 Rz. 14 und die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist unter anderem dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. u.a. VwGH-Erkenntnis vom , 94/15/0067).

Im gegenständlichen Fall wurden erst durch die Kontrollmitteilung des Finanzamtes Salzburg-Land und im Rahmen des Erhebungsverfahrens sämtliche für die Besteuerung maßgeblichen Umstände bekannt. Es ist damit unbestritten, dass erst nach Erlassung des Erstbescheides für die Besteuerung des Bf. maßgebliche Tatsachen und Umstände der Abgabenbehörde bekannt wurden. Ob dem Bf. ein Verschulden an der behördlichen Unkenntnis dieses entscheidungsrelevanten Umstandes trifft, ist für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO unerheblich.

Das Bundesfinanzgericht vermag der Argumentation des Bf. nicht zu folgen, dass die Behörde den Wiederaufnahmegrund nicht angeführt hätte, da sie vielmehr in der Bescheidbegründung auf § 303 Abs.4 BAO und darin ausdrücklich auf neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel verwies, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Die neuen Tatsachen wurde in der Folge noch insoferne präzisiert, als das Finanzamt ausdrücklich auf eine im Mai 2012 vom Finanzamt Salzburg-Land übermittelte Kontrollmitteilung verwies aus der hervorgeht, dass der Bf. Aktionär der ***Ges.1*** (FN***1***) war und die Anschaffungskosten der Beteiligung laut Einbringungsbilanz zum EUR - 102.094,62 betrugen, diese negativen Anschaffungskosten nie durch Gewinne ausgeglichenwurden und nach dem Konkurs der ***Ges.1*** diese mit amtswegig gelöscht wurde.

Dem Einwand des Bf. hinsichtlich des Jahres der Wiederaufnahme des Verfahren vermochte der Senat nicht zu folgen, da erst durch die Löschung der Firma 2008 endgültig die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft feststand und erst zu diesem Zeitpunkt das Finanzamt vom Untergang der Gesellschaftsanteile ausgehen durfte. Wie im Fax vom der steuerliche Vertreter auch selbst § 31 Abs.2 EStG 1988 idF StRefG 1993 zitiert, gilt der Untergang von Anteilen entweder aufgrund einer Liqidation (Auflösung) oder bei Beendigung einer Körperschaft. Dass das Finanzamt den Zeitpunkt der Löschung der Gesellschaft für die Wiederaufnahme des Verfahrens heranzog, vermag daher nicht als rechtwidrig erkannt werden.

Da die Kenntnis der oben angeführten Umstände zweifellos zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hat, ist die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO zulässig. Sie liegt im Ermessen der Abgabenbehörde.

Von zentraler Bedeutung für die Ermessensübung ist die Berücksichtigung des Zweckes der Ermessen einräumenden Norm.
Zweck des § 303 BAO ist es, eine neuerliche Bescheiderlassung dann zu ermöglichen, wenn Umstände gewichtiger Art hervorkommen. Ziel ist ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis.
Grundsätzlich ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (= Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (= Rechtskraft) zu geben.

Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Wiederaufnahme letztlich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, 2. Aufl., § 303 BAO, Rz. 38).

Da die im Rahmen der Wiederaufnahme des Verfahrens vorgenommene Änderung nicht von bloß geringfügigem Ausmaß sind, standen der Durchführung einer Wiederaufnahme verwaltungsökonomische Gründe nicht entgegen.

Auch aus Gründen der Unbilligkeit hatte die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu unterbleiben, da der Bf. im gegenständlichen Fall keinesfalls darauf vertrauen durfte, dass von ihm - aus welchen Gründen immer - der Sachverhalt der Löschung von amtswegen der Gesellschaft der Einkommensteuer nicht zugrundegelegt wird.

Die im Fax vom gestellten Anträge auf Beischaffung des Konkursaktes Gz1 und der Steuerakte der ***Ges.1*** (***StNrGes.1***) sowie der ***Ges.2*** (Finanzamt 4/5/10, StNr ***StNrGes.2***) zum Beweis, dass
- im Jahr 2008 kein Zufluss eines Restvermögens bei dem Bf. stattfand,
- bereits im Jahr 2004 bei der ***Ges.2*** (Finanzamt 4/5/10, StNr ***StNrGes.2***) Veräußerungsgewinne gemäß § 24 EStG im Zusammenhang mit den negativen Kapitalkonten festgesetzt wurden,
- und zur Frage, ob und wann tatsächlich Vermögenslosigkeit bei der ***Ges.1*** eingetreten ist
- sowie zur Abklärung der Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Art III UmgrStG im Rahmen der stattgefundenen Einbringung im Jahr 2001
wurden durch den Beschwerdesenat abgelehnt, da diese im Lichte obiger Ausführungen zur Löschung der ***Ges.1*** im Firmenbuch im Wiederaufnahmeverfahren zum Einkommensteuerbescheid des Bf. keine Relevanz aufweisen.

Dem Antrag auf Vorlage der Kontrollmitteilung vom Finanzamt Salzburg-Land vom Mai 2012 wurde Folge gegeben und ein Schreiben des FA Salzburg Land vom , die Einbringungsbilanz zum der ***Ges.1*** sowie der Einbringungsvertrag (Seite 1), jeweils in Kopie, übergeben.

Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2008 bis war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit gegenständlichem Erkenntnis wird nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden. Feststellungen auf der Sachverhaltsebene betreffen keine Rechtsfrage und sind grundsätzlich keiner Revision zugänglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 Abs. 6 UmgrStG, Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
Hirschler/Sulz/Oberkleiner in BFGjournal 2022, 13
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102720.2012

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at