Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 14.12.2021, RV/7101546/2011

Darf ein Abgabenverfahren wiederaufgenommen werden, wenn der Abgabenanspruch absolut verjährt ist?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Richterin ***SenV*** und die Senatsmitglieder Richterin ***Ri***, Laienrichter ***SenLR2***, Wirtschaftskammer Niederösterreich, und Laienrichter ***SenLR1***, Arbeiterkammer Wien, in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Fidas Süd-Ost Steuerberatung GmbH, Raxer Straße 13, 8380 Jennersdorf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Zurückweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1999 nach der am in Anwesenheit der Schriftführerin ***S*** durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Als der im Spruch angeführte Bescheid angefochten wurde, war der Unabhängige Finanzsenat für die Rechtsmittelerledigung zuständig. Diese Zuständigkeit des Unabhängigen Finanzsenates endete am . An seine Stelle trat am das Bundesfinanzgericht (BFG), das alle mit Ablauf des anhängigen Rechtsmittelverfahren - und damit auch dieses Rechtsmittelverfahren - weiterführt. Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit () haben sich die Bezeichnungen der Rechtsmittel geändert. Das Bundesfinanzgericht verwendet in seinen Verfahren die verwaltungsgerichtsübliche Terminologie: "Berufungen" werden als "Beschwerden" bezeichnet und "Berufungswerber" als "Beschwerdeführer (Bf.)".

2. Mit Schreiben vom , zugestellt am , beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) unter anderem die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1999 und brachte begründend vor:

Er sei Miteigentümer der OEG gewesen und beziehe OEG-Einkünfte. Der nach der Verfahrenswiederaufnahme vom erlassene Feststellungsbescheid 1999 sei an die OEG adressiert und von der OEG wegen nicht anerkannter entnahmebedingter Zinsen angefochten worden. Die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid 1999 habe der Unabhängige Finanzsenat mit der Entscheidung Geschäftszahl RV/0510-W/05, als nicht zulässig zurückgewiesen, da das Finanzamt den Bescheid nicht an eine gemäß § 101 Abs 3 BAO idgF vertretungsbefugte Person zugestellt habe. Der Feststellungsbescheid 1999 sei ein Nichtbescheid und dass er ein Nichtbescheid sei, sei eine neu hervor gekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO idgF, die dem Bf. mit der am erfolgten Zustellung der Entscheidung Geschäftszahl RV/0510-W/05, bekannt geworden sei.

Der Bf. habe nicht erkennen können, dass der Feststellungsbescheid 1999 ein Nichtbescheid sei, weshalb ihn kein grobes Verschulden treffe. Vom Bundesministerium für Finanzen werde die Rechtsansicht vertreten, dass ein nicht erlassener Grundlagenbescheid im abgeleiteten Abgabenverfahren eine neu hervor gekommene Tatsache sei und dass die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn Bemessungsverjährung eingetreten sei.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1999 werde innerhalb von 3 Monaten gestellt. Der Bf. beantragte, die Einkommensteuer 1999 auf Basis der ursprünglich eingereichten Einkommensteuererklärung 1999 festzusetzen.

3. Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom zurück, da die Einkommensteuerfestsetzung 1999 seit absolut verjährt sei.

Der Zurückweisungsbescheid vom wurde am zugestellt und war innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar.

Mit Schreiben vom wurde beantragt, die Beschwerdefrist bis zu verlängern und mit Schreiben vom wurde beantragt, die Beschwerdefrist bis zu verlängern.

Der Zurückweisungsbescheid wurde mit der Beschwerde vom angefochten.

4. In der Beschwerde wiederholte der Bf. im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Wiederaufnahmeantrag vom und brachte ergänzend vor:

Gemäß § 209a Abs 2 BAO idgF sei die Verfahrenswiederaufnahme nach eingetretener Verjährung zu bewilligen, wenn die Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde oder eines Antrags im Sinne des § 85 BAO idgF abhänge. Da der UFS Wien die Beschwerde der OEG im Verfahren RV/0510-W/05 zurückgewiesen habe, bestehe für die Festsetzung der Einkommensteuer 1999 eine Abhängigkeit im Sinne des § 209a Abs 2 BAO idgF. Die Beschwerde der OEG im Verfahren RV/0510-W/05 sei zumindest ein Anbringen im Sinne des § 85 BAO idgF.

Der Bf. zitierte aus dem (15/44 im Erlass-Kodex III) und brachte dazu vor, dass Nichtfeststellungsbescheide und Abgabenfestsetzungen mittelbar zusammenhängen. Deshalb hätte das Finanzamt die Einkommensteuer 1999 unmittelbar nach der Entscheidung , gemäß § 295 Abs 1 BAO idgF und unabhängig davon, dass die Einkommensteuerfestsetzung absolut verjährt ist, neu festsetzen müssen.

Der Bf. beantragte 1.) die Einkommensteuer 1999 auf Basis des ursprünglichen Feststellungsbescheides 1999 vom vor der Verfahrenswiederaufnahme vom festzusetzen, da das Verfahren wieder in den Stand vor der Erlassung dieses Bescheides trete und 2.) die mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat.

5. BFG - Ermittlungen: Vorhalt an die Abgabenbehörde vom ; Vorhaltsbeantwortung vom :

5.1. Im Abgabeninformationssystem sind die an die OEG ergangenen Bescheide nicht einsehbar, da sie in Papierform vorhanden waren. Der Papierakt ist nicht mehr vorhanden, da der Datensatz der OEG am gelöscht wurde.

5.2. Im Abgabeninformationssystem sind die an den Bf. ergangenen Einkommensteuerbescheide 1999 nicht einsehbar, da sie nur in Papierform vorhanden waren. Folgende Einkommensteuerbescheide 1999 wurden vom Finanzamt vorgelegt: Einkommensteuerbescheid 1999 vom , gemäß § 295 Abs 1 BAO idgF geänderter Einkommensteuerbescheid 1999 vom , Einkommensteuerbescheid 1999 vom und gemäß § 295 Abs 1 BAO idgF geänderter Einkommensteuerbescheid 1999 vom .

6. Aus der Entscheidung :

Der Spruch dieser Entscheidung lautete: "Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen die als "Bescheide" bezeichneten Schreiben des Finanzamtes Eisenstadt betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO idgF für die Jahre 1999 bis 2001 beschlossen: Die Berufung wird gemäß § 273 Abs 1 lit a BAO idgF als unzulässig zurückgewiesen".

In den Entscheidungsgründen steht, dass der gemäß § 188 BAO erlassene Feststellungsbescheid 1999 am erging. Das Feststellungsverfahren 1999 sei am wiederaufgenommen und ein neuer Feststellungsbescheid 1999 sei am erlassen worden. Die OEG habe den Feststellungsbescheid 1999 vom an einem in der Entscheidung nicht angegebenen Tag angefochten. Das Finanzamt habe der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom oder teilweise stattgegeben. Der UFS habe die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid 1999 als unzulässig zurückgewiesen, weil der Feststellungsbescheid 1999 an die OEG und nicht an einen zur Vertretung Befugten adressiert ist und hat festgestellt, dass diese Entscheidung keine Entscheidung in der Sache ist.

7. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung:

"Vertreterin des Bf.: § 295 Abs 4 BAO, wonach in Fällen wie dem vorliegenden ein Antrag auf Aufhebung gestellt werden kann, war im Jahr 2010 noch nicht in Kraft. Deshalb wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme eingebracht. Erst seit Jänner 2021 gibt es die Bestimmung, dass ein Antrag nach § 295 Abs 4 innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Zurückweisung gestellt werden kann. Der Wiederaufnahmeantrag vom ist quasi als Antrag gemäß § 295 Abs 4 BAO zu sehen, da es damals diese Möglichkeit noch nicht gegeben hat.

Vertreterin des FA: Dem Finanzamt lag im Zeitpunkt des Zurückweisungsbescheides vom ein Antrag auf Wiederaufnahme vor, weil es damals einen Antrag nach § 295 Abs 4 BAO noch nicht gab. Die absolute Verjährungsfrist war abgelaufen, deshalb erging der Zurückweisungsbescheid zu Recht. Eine Beschwerde oder ein Antrag nach § 295 BAO lag damals nicht vor. Eine Änderung gemäß § 295 Abs 1 BAO wurde damals vom Finanzamt nicht in Betracht gezogen.

Vertreterin des Bf.: Die Situation ist deshalb entstanden, weil die Verfahrensdauer beim UFS sehr lange war. Dadurch ist es dazu gekommen, dass in der Zwischenzeit die Verjährung eingetreten ist. Nach der jetzigen Rechtslage wäre zu Gunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden.

Vertreterin des FA: Die Problematik ist dem Finanzamt bekannt. Aber die Rechtslage ist eindeutig hinsichtlich absoluter Verjährung und hinsichtlich der eingewendeten mittelbaren Abhängigkeit eines E-Bescheides in Bezug des nicht wirksamen F-Bescheides.

Frau ***Ri***: Angenommen es gibt keinen Wiederaufnahmeantrag, würde das Finanzamt einem jetzt gestellten Antrag gemäß § 295 Abs 4 BAO stattgeben?

Vertreterin des FA: Wenn es damals schon die neue Bestimmung des § 295 Abs 4 BAO gegeben hätte und der Beschwerdeführer hätte innerhalb eines Jahres nach Zustellung der UFS-Entscheidung einen Antrag nach § 295 Abs 4 BAO gestellt, hätte das Finanzamt diesen Antrag stattgegeben. Wenn der Antrag nach § 295 Abs 4 BAO jetzt gestellt wird, würde das Finanzamt im Sinne des Rechtsschutzes dazu tendieren dem Antrag stattzugeben. Ob dies tatsächlich möglich ist, müsste aber erst genauer recherchiert werden. Dazu kann jetzt keine abschließende Aussage getroffen werden.

Vertreterin des Bf.: Wenn der Antrag schon möglich gewesen wäre, hätte der Beschwerdeführer damals keinen Wiederaufnahmeantrag gestellt bzw. beide Anträge parallel gestellt.

Vertreterin des FA: Die Frage ist, ob ein Wiederaufnahmeantrag in einen Antrag gemäß § 295 Abs 4 BAO uminterpretiert werden kann."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

A. Da alle Fristverlängerungsanträge innerhalb offener Beschwerdefrist und die formgerechte Beschwerde innerhalb der verlängerten Beschwerdefrist eingebracht sind, ist über die Beschwerde "in der Sache" zu entscheiden.

B. In der Sache ist strittig, ob das Finanzamt den Wiederaufnahmeantrag vom rechtsrichtig wegen absolut verjährter Einkommensteuerfestsetzung 1999 zurückgewiesen hat oder nicht. Im Wiederaufnahmeantrag beantragte der Bf., die OEG-Einkünfte 1999 erklärungskonform zu veranlagen; in der Beschwerde beantragte er, die OEG-Einkünfte 1999 laut OEG-Feststellungsbescheid 1999 vom zu veranlagen.

C. Sach- und Beweislage:

Der Entscheidung ist folgende, aus den Verwaltungsakten sich ergebende Sach- und Beweislage zugrunde zu legen:

1.) Am erließ das Finanzamt den zeitlich gesehen letzten Einkommensteuerbescheid 1999 (gemäß § 295 Abs 1 BAO).

2.) Am wurde der zugestellt, worin die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid 1999 vom im Beschwerdeverfahren der OEG als nicht zulässig zurückgewiesen wurde.

3.) Am brachte der Bf. den Wiederaufnahmeantrag vom ein, worin er den am zugestellten als Wiederaufnahmegrund angab. Diesen Wiederaufnahmeantrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom zurück. Der Zurückweisungsbescheid vom ist der in diesem Beschwerdeverfahren angefochtene Bescheid.

D. Rechtslage, rechtliche Würdigung und Entscheidung:

D.1. In dieser Beschwerdesache sind die Verjährungsbestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden. Die Verjährungsbestimmungen sind Normen des Verfahrensrechtes (); werden sie geändert, ist die neue Rechtslage auch dann ab ihrem Inkrafttreten anzuwenden, wenn der Abgabenanspruch davor entstanden ist (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³ § 209, Rz 31).

Auch für Wiederaufnahmeanträge ist grundsätzlich die im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltende Verfahrensrechtslage anzuwenden, außer es käme zu einer (verfassungswidrigen) Verschlechterung der Rechtsposition des Antragstellers aufgrund der Erledigung der Beschwerde erst nach Inkrafttreten der neuen Rechtslage (vgl. , RS 2, mit Verweis auf ). Es ist daher die BAO in der am , dem Zeitpunkt des Wiederaufnahmeantrages, geltenden Fassung BGBI I 2010/105 zu Gunsten des Bf. anzuwenden, falls nach dieser Rechtslage der Wiederaufnahmeantrag rechtzeitig, aber nach der Rechtslage zum verspätet wäre.

D.2. Gemäß § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO in der am geltenden Fassung und § 4 Abs 2 lit a Z 2 BAO in der am geltenden Fassung entsteht der Abgabenanspruch bei der zu veranlagenden Einkommensteuer mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird; gemäß § 209 Abs 3 BAO in der am und geltenden Fassung verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches: Nach dieser Rechtslage entsteht der Abgabenanspruch für die Einkommensteuer 1999 am und verjährt absolut am . Der Bf. hat daher seinen mit datierten und am eingebrachten Wiederaufnahmeantrag zu einem Zeitpunkt gestellt, als der Abgabenanspruch für die Einkommensteuer 1999 bereits absolut verjährt ist.

D.3. Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde ab, steht der Abgabenfestsetzung gemäß § 209a Abs 2 BAO in der am und geltenden Fassung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Beschwerde vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde:

Die Einkommensteuerfestsetzung 1999 hängt mittelbar vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens der OEG gegen den Feststellungsbescheid 1999 vom ab, da die OEG-Einkünfte 1999 der Höhe nach strittig sind und diese Einkünfte des Bf. im Einkommensteuerverfahren 1999 zu veranlagen sind. Laut Abgabeninformationssystem hatte die OEG den Feststellungsbescheid 1999 mit der am eingelangten Beschwerde angefochten. Die OEG hatte daher ihre Beschwerde eingebracht, bevor der Abgabenanspruch für die Einkommensteuer 1999 am absolut verjährt war, weshalb der oben zitierte Gesetzestatbestand erfüllt ist. Das Finanzamt hätte daher die OEG-Einkünfte des Bf. auch nach dem nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens der OEG festsetzen dürfen, was jedoch nicht geschehen ist.

D.4. Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde ab, steht der Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung gemäß § 209a Abs 2 BAO in der am geltenden Fassung auch dann nicht entgegen, wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 BAO eingebracht wurde.

Gemäß § 304 BAO in der am geltenden Fassung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen, wenn ihr nicht a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre, oder b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs 1 BAO zugrunde liegt:

Wie bereits ausgeführt, hängt die Einkommensteuerfestsetzung 1999 mittelbar vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens der OEG gegen den Feststellungsbescheid 1999 vom ab. Deshalb dürfen die OEG-Einkünfte nach dem nur dann nach dem Ergebnis des OEG-Beschwerdeverfahrens veranlagt werden, wenn der am gestellte Wiederaufnahmeantrag im Sinne der vorzit. Rechtslage rechtzeitig gestellt ist.

Ein Wiederaufnahmeantrag ist im Sinne des vorzit. § 304 lit a BAO rechtzeitig gestellt, wenn er bei angenommener siebenjähriger Verjährungsfrist innerhalb dieser siebenjährigen Verjährungsfrist gestellt wird. Beträgt die Verjährungsfrist für die Einkommensteuerfestsetzung 1999 sieben Jahre, endet sie am , weshalb der Bf. den am gestellten Wiederaufnahmeantrag nicht innerhalb der (angenommenen) siebenjährigen Verjährungsfrist gestellt hat. Die siebenjährige Verjährungsfrist kann gegebenenfalls durch nach außen erkennbare Amtshandlungen gemäß § 209 Abs 1 BAO verlängert werden. Die Frist des § 304 lit a BAO wird aber jedenfalls durch die absolute Verjährung am begrenzt. Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1999 ist daher gemäß § 304 lit a BAO in der am geltenden Fassung ausgeschlossen.

Ein Wiederaufnahmeantrag ist im Sinne des vorzit. § 304 lit b BAO rechtzeitig gestellt, wenn der Wiederaufnahmeantrag innerhalb von fünf Jahren nach Rechtskraft des durch den zeitlich gesehen letzten Einkommensteuerbescheides 1999 vom abgeschlossenen Einkommensteuerverfahrens 1999 gestellt wird. Diesen Bescheid hat das Finanzamt spätestens nach drei Werktagen und damit am Montag, den , zugestellt und da er innerhalb eines Monats ab Zustellung anfechtbar gewesen ist, endet die Beschwerdefrist spätestens am Donnerstag, den , und der Bescheid ist spätestens am Freitag, den , rechtskräftig gewesen. Bei einem am rechtskräftig gewordenen Bescheid enden die fünf Jahre ab Rechtskraft am , weshalb der Bf. den Wiederaufnahmeantrag vom nicht innerhalb von fünf Jahren ab Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1999 vom gestellt hat. Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1999 ist daher gemäß § 304 lit b BAO in der am geltenden Fassung ausgeschlossen.

D.5. Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde ab, steht der Eintritt der Verjährung der Abgabenfestsetzung gemäß § 209a Abs 2 BAO in der am geltenden Fassung auch dann nicht entgegen, wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor Ablauf der Frist des § 304 lit b BAO beantragt oder durchgeführt wird. Gemäß § 304 BAO in der am geltenden Fassung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung nur zulässig, wenn sie a) vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder b) innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird.

Wie bereits ausgeführt, hat der Bf. seinen Wiederaufnahmeantrag nicht vor dem sondern erst am gestellt: Die Einkommensteuerfestsetzung 1999 ist daher auch nach der am geltenden Rechtslage absolut verjährt gewesen, als der Bf. seinen Wiederaufnahmeantrag gestellt hat.

Den Einkommensteuerbescheid 1999 hat das Finanzamt zuletzt am Donnerstag, den , geändert. Von einem dreitägigen Postlauf ausgehend ist dieser Bescheid am Montag, den , zugestellt gewesen, weshalb die Beschwerdefrist am Donnerstag, den , geendet hat und der Bescheid am Freitag, den rechtskräftig gewesen ist. Der Bf. hätte daher den Wiederaufnahmeantrag bis Dienstag, den , stellen müssen, damit er ihn im Sinne des § 304 lit b BAO in der am geltenden Fassung rechtzeitig gestellt hätte. Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 1999 ist daher auch gemäß § 304 lit b BAO in der am geltenden Fassung ausgeschlossen.

D.6. Nach Ellinger/Sutter/Urtz, § 304, E 5, ist § 304 BAO idF Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz - FVwGG 2012 bei nach dem gestellten Wiederaufnahmeanträgen anzuwenden, ist bei vor dem gestellten Wiederaufnahmeanträge nicht zwingend anzuwenden und darf nicht angewendet werden, wenn zulässige Wiederaufnahmeanträge durch seine Anwendung unzulässig werden. § 304 BAO in der am geltenden Fassung ist am außer Kraft getreten und lautet in der bis geltenden Fassung "Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmeantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist". Wie bereits wiederholt ausgeführt, hat der Bf. seinen Wiederaufnahmeantrag nicht bevor, sondern nachdem die Einkommensteuerfestsetzung absolut verjährt gewesen ist, eingebracht. Die Fallkonstellation, dass ein zulässiger Wiederaufnahmeantrag wegen des nicht angewendeten FVwGG 2012 unzulässig geworden ist, ist daher nicht eingetreten.

D.7. Wird ein Wiederaufnahmeantrag gestellt, hat der Gesetzgeber in § 209a BAO und § 304 BAO festgelegt, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine absolut verjährte Abgabe dennoch festgesetzt werden darf. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist dem Wiederaufnahmeantrag stattzugeben; sind sie nicht erfüllt, ist der Wiederaufnahmeantrag zurückzuweisen (). Das Finanzamt hat den Wiederaufnahmeantrag des Bf. rechtsrichtig zurückgewiesen. Deshalb ist das Beschwerdebegehren, das Einkommensteuerverfahren 1999 wiederaufzunehmen, abzuweisen.

D.8. In der mündlichen Senatsverhandlung wurde seitens des Bf. beantragt, den Wiederaufnahmeantrag vom in einen Antrag nach § 295 Abs 4 BAO in der am geltenden Fassung umzudeuten. Über diesen Antrag durfte das Bundesfinanzgericht nicht entscheiden, denn in diesem Beschwerdeverfahren ist strittig, ob das Finanzamt den Wiederaufnahmeantrag vom rechtsrichtig wegen absolut verjährter Einkommensteuerfestsetzung 1999 zurückgewiesen hat oder nicht. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher ausschließlich die Beschwerde gegen den Bescheid über die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages.

Nach dem ersten Satz der Bestimmung des § 295 Abs 5 BAO idF BGBl I 2021/3 steht die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs 1 bis 4 der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des aufzuhebenden beziehungsweise zu ändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs 3) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu. Obwohl der Umdeutungsantrag in der mündlichen Senatsverhandlung gestellt wurde, ist die Zuständigkeit, über diesen Antrag zu entscheiden, nicht auf das Bundesfinanzgericht übergegangen. Das Bundesfinanzgericht ist daher nicht berechtigt, über diesen Antrag zu entscheiden.

E. Revision

Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da das Gesetz die Rechtsfrage beantwortet, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit absolut verjährte Abgaben dennoch festgesetzt werden dürfen. Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101546.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at