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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.12.2021, RV/1100004/2021

Anspruch eines Alleinverdienerabsetzbetrages als Negativsteuer unter Einbeziehung ausländischer steuerfreier Einkünfte?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Steuerberater, Vertreter-Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Der im Inland ansässige Beschwerdeführer (in der Folge abgekürzt Bf.) ist verheiratet und Vater eines Kindes iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988. Im Streitjahr 2019 war der Bf. in Ort, Deutschland nichtselbständig tätig.

In dem am erstellten Einkommensteuerbescheid 2019 wurden die Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, als im Inland steuerbefreit behandelt. Mangels sonstiger Einkünfte wurde die Einkommensteuer mit € 0,00 festgesetzt. Nicht berücksichtigt wurde der geltend gemachte Alleinverdienerabsetzbetrag in Höhe von € 494,00. Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 33 Abs. 8 Z 1 bis 3 EStG 1988 seien für die Ermittlung erstattungsfähiger Negativsteuer, die auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerbefreiten Einkünfte wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln. Es könne daher keine Negativsteuer erstattet werden.

In der am fristgerecht eingebrachten Beschwerde brachte der steuerliche Vertreter des Bf. zusammenfassend vor, die Abweisung der Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages führe im vorliegenden Fall zu einer Schlechterstellung gegenüber anderen inländischen Steuerpflichtigen. Der Bf. sei ein in Deutschland tätiger unselbständigen Arbeitnehmer, der aber nicht Grenzgänger sei, da sein Dienstort außerhalb der festgelegten Entfernungen liege. Stünde einem inländischen Dienstnehmer oder einem Grenzgänger der Alleinverdienerabsetzbetrag zu, dem Bf. aber nur deshalb nicht, weil sein Dienstort mehr als 30 km von der Grenze entfernt liege, dann verstieße das gegen den Gleichheitsgrundsatz und wäre somit verfassungungswidrig. Aus diesem Grund sehe § 33 Abs. 11 EStG 1988 vor, dass der Durchschnittssteuersatz bei Progressionseinkünften zunächst ohne Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 zu ermitteln sei. Von der unter Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes ermittelten Steuer (im vorliegenden Fall Null) seien die Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 abzuziehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde wiederum mit der Begründung abgewiesen, dass Einkünfte, die auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen (Doppelbesteuerungsabkommen) oder völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfrei seien, gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 für Zwecke der Berechnung der Erstattung wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln seien (Rz 810a/810f). Daher könne sich keine Steuer unter Null ergeben. Die Negativsteuer und der Kindermehrbetrag seien eingeführt worden für Personen, die aufgrund der Höhe ihres Einkommens wenig bzw. keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlen würden. Nach Sinn und Zweck der Negativsteuer sollen davon die Bezieher niedriger Einkommen profitieren. Ist der Steuerpflichtige von einer Steuerbefreiung auf Grund zwischenstaatlicher Verträge oder anderer völkerrechtlicher Privilegien begünstigt, soll es nur insoweit zu einer Gutschrift kommen, als das Einkommen auch unter Berücksichtigung dieser steuerbefreiten Beträge unter der Besteuerungsgrenze bleibt." (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage 848 der Beilagen XXII. Gesetzgebungsperiode). Für Zwecke der Ermittlung der SV-Rückerstattung bzw. Erstattung des Alleinverdienerabsetzbetrages nach 33 Abs. EStG 1988 sind daher die in Österreich steuerbefreiten ausländischen Einkünfte wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln und bei der Berechnung zu berücksichtigen (vlg ).

Über FinanzOnline wurde in der Folge fristgerecht der Vorlageantrag eingebracht. Hierin brachte der steuerliche Vertreter des Bf. im Wesentlichen vor, die Begründung des Finanzamtes nur Bezieher niedriger Einkommen seien von der Negativsteuer erfasst, könne er nicht teilen, da dies für eine Negativsteuer im Zusammenhang mit der Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen gelte, nicht aber für den Alleinverdienerabsetzbetrag. Dies würde im Ergebnis bedeuten, dass Besserverdienende in keinem Fall Anspruch auf einen Alleinverdienerabsetzbetrag haben würden. Voraussetzung für die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrag sei, dass der Steuerpflichtige mindestens ein Kind habe, mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet sei, von seiner Ehegattin nicht dauernd getrennt lebe und die Ehegattin im Kalenderjahr Einkünfte von höchstens 6.000 Euro erziele. Laut Homepage des BMF stehe der Alleinverdienerabsetzbetrag grundsätzlich dann zu, wenn ein Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 für mehr als sechs Monate bestehe. Im vorliegenden Fall seien alle Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages gegeben. Vorliegend sei die Berechnung in Anwendung des § 33 Abs. 11 EStG 1988 durchzuführen. Der Durchschnittssteuersatz bei Progressionseinkünften sei zunächst ohne Berücksichtigung der Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 zu ermitteln. Von der unter Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes ermittelten Steuer seien in der Folge die Abzüge nach den Abs. 4 bis 6 abzuziehen.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt sowie der Verfahrensgang ergeben sich aus den von der Abgabenbehörde vorgelegten Akten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 33 Abs. 11 EStG 1988:

"Ist bei der Berechnung der Steuer ein Progressionsvorbehalt aus der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu berücksichtigen, gilt für die Steuerberechnung Folgendes: Der Durchschnittssteuersatz ist zunächst ohne Berücksichtigung der Abzüge nach Abs. 4 bis 6 zu ermitteln. Von der unter Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes ermittelten Steuer sind die Abzüge nach Abs. 4 bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) abzuziehen."

Bei der Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird das (Gesamt)Einkommen nach den Vorschriften des österreichischen Einkommensteuergesetzes ermittelt (; unter Hinweis auf ), die auf dieses Einkommen entfallende österreichische Einkommensteuer eruiert, und sodann der Durchschnittssteuersatz errechnet. Dieser wird auf jenen Einkommensteil angewandt, der von Österreich besteuert werden darf (, ; Hofstätter/Reichel, § 33 EStG 1988 Tz 18; Lang/Schuch, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Österreich, Art. 15 Rz 51).

Infolge der Anwendung des Progressionsvorbehaltes werden somit die deutschen Einkünfte aus unselbständiger Arbeit in Österreich nicht besteuert, sondern es werden lediglich die steuerpflichtigen inländischen Einkünfte mit jenem Steuersatz erfasst, der zum Tragen käme, wenn alle Einkünfte aus inländischen Quellen stammten.

Im gegenständlichen Fall ist die Anwendung des DBA und des darin in Art. 23 vorgesehenen Progressionsvorbehaltes im Einkommensteuerbescheid 2019 sowie dessen Berechnung nach § 33 Abs. 11 EStG 1988 nicht strittig.

In Streit steht jedoch die Anerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages als Negativsteuer.

Gemäß § 33 Abs. 8 Z 1 EStG 1988 ist der Alleinverdienerabsetzbetrag zu erstatten, wenn sich nach Abs. 1 und 2 dieser Norm eine Einkommensteuer unter Null ergibt.

Gemäß § 33 Abs. 8 Z 4 erster Satz EStG 1988 sind auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreie Einkünfte für Zwecke der Berechnung der Einkommensteuer gemäß Z 1 bis 3 wie steuerpflichtige Einkünfte zu behandeln.

Der Alleinverdienerabsetzbetrag kann im Rahmen der Einkommensteuerberechnung zu einer Gutschrift führen, sofern die nach dem Tarif (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) und nach Abzug der Absetzbeträge gemäß § 33 Abs. 2 EStG 1988 berechnete Einkommensteuer unter Null ist (siehe dazu z.B. Kanduth-Kristen in Jakom EStG, 14. Aufl. (2021), § 33 Rz 110).

Sinn und Zweck dieser Negativsteuer ist eine Begünstigung der Bezieher niedriger Einkünfte. Daher sollen nach den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage (RV 848 BlgNR XXII GP) zu § 33 Abs. 8 Z 4 EStG 1988 Steuerpflichtige, deren Einkünfte auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen im Inland steuerfrei sind, nur dann von der Negativsteuer profitieren, wenn ihr Einkommen auch unter Berücksichtigung der steuerbefreiten Einkünfte unter der Besteuerungsgrenze bleibt (siehe dazu , sowie BFG, RV/1100215/2021).

Im Beschwerdefall ist diese Voraussetzung deshalb nicht erfüllt, weil die vom Bf. im Streitjahr nach Abzug des Pauschalbetrages für Sonderausgaben gem. § 18 EStG in Höhe von € 60,00 erzielten steuerbefreiten Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit € 94.940,00 betrugen und somit eindeutig über der Besteuerungsgrenze des § 33 Abs. 1 EStG 1988 in Höhe von € 11.000,00 (tarifliche Nullzone bzw. steuerfreies Existenzminimum) lagen.

Da somit der Alleinverdienerabsetzbetrag in Höhe von € 494,00 aufgrund der im Beschwerdefall zur Anwendung kommenden gesetzlichen Fiktion des § 33 Abs. 8 Z 4 erster Satz EStG 1988 nicht erstattungsfähig war, konnte der Beschwerde nicht Folge gegeben werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 33 Abs. 8 Z 4 erster Satz EStG 1988 liegt keine einer (ordentlichen) Revision zugängliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Gesamthaft war somit wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Belehrung und Hinweise

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100004.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at