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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.12.2021, RV/7400167/2020

Ist das Vergnügungssteuergesetz bzw. das Glücksspielautomatenabgabegesetz unionsrechtswidrig?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Fabian Maschke, Dominikanerbastei 17/11, 1010 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , mit welchen für das Halten von vier Spielapparaten im Zeitraum Oktober 2016 bis Dezember 2016 im eigenen Betrieb in der ***1***, Vergnügungssteuer sowie ein Verspätungszuschlag, und für das Halten von vier Spielapparaten im Jänner 2017, für das Halten von 7 Spielapparaten im Februar 2017 und für das Halten von 8 Spielapparaten im Zeitraum März 2017 bis Dezember 2017, jeweils im eigenen Betrieb in der ***1***, eine Glücksspielautomatenabgabe vorgeschrieben wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

I.1. Vergnügungssteuer Oktober 2016 bis Dezember 2016 und Verspätungszuschlag

Mit Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft vom Magistrat der Stadt Wien für die Monate Oktober bis Dezember 2016 für das Halten von vier Geldspielautomaten der Type Mainstreet/Mainvision, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert erzielt werden konnte, und die nicht zur Vergnügungssteuer angemeldet waren, eine Vergnügungssteuer gemäß § 6 Abs. 1 Wiener Vergnügungssteuergesetz (VGSG) in Höhe von 16.800 € vorgeschrieben und ein Verspätungszuschlag von 1.680,00 € festgesetzt.

In der Begründung wurden die bezughabenden Bestimmungen des Wiener Vergnügungssteuergesetzes zitiert und ausgeführt, die beschwerdeführende Gesellschaft habe im eigenen Betrieb in ***1***, vier Spielapparate gehalten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert erzielt hätte werden können. Diese seien jedoch nicht zur Vergnügungssteuer angemeldet gewesen. Der Sachverhalt sei durch Anzeigen der X- GmbH nach den bei Begehungen am und durchgeführten Testspielen auf zumindest einem der vorgefundenen Spielapparate und durch den Kontostand erwiesen.

I.2. Glücksspielautomatenabgabe für Jänner 2017 bis Dezember 2017

Mit Bescheid vom wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft vom Magistrat der Stadt Wien gemäß § 1 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz für das Halten von vier Spielapparaten der Type Mainstreet/Mainvision im Jänner 2017, für das Halten von fünf Spielapparaten Internet Terminal ohne Bezeichnung und zwei Spielapparaten der Type Memory Skill im Februar 2017 und für das Halten von zwei Spielapparaten der Type Mainstreet/Mainvision, vier Spielapparaten der Type Amatic und zwei Spielapparaten der Type ACT Skill im Zeitraum März 2017 bis Dezember 2017 eine Glücksspielautomatenabgaben von 127.400,00 € vorgeschrieben.

In der Begründung wurden die bezughabenden Bestimmungen des Wiener Glücksspielautoamtenabgabegesetzes zitiert und ausgeführt, die beschwerdeführende Gesellschaft habe im eigenen Betrieb in ***1***, seit Jänner 2017 Spielapparate gehalten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert erzielt hätte werden können. Für diese sei jedoch keine Glücksspielautomatenabgabe entrichtet worden. Der Sachverhalt sei durch Anzeigen der X- GmbH vom , vom , vom und vom sowie durch amtliche Feststellungen zu am , , bzw. erfolgten Beschlagnahmungen von Spielapparaten und durch den Kontostand erwiesen.

In den fristgerecht gegen die oben angeführten Bescheide erhobenen Beschwerden führte der rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft aus, die Beschwerdeführerin hätte keine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt, ihr Recht auf Parteiengehör sei missachtet worden. Außerdem sei den Begründungen der angefochtenen "Erkenntnisse" eine Sachverhaltsdarstellung überhaupt nicht bzw. nicht in ausreichendem Ausmaß zu entnehmen und es werde nicht angeführt, um welche Art von Geräten es sich gehandelt habe. Wie sich der vorgeschriebene Betrag errechne, sei in den angefochtenen Bescheiden ebenfalls nicht dargestellt.

Die gegenständlichen Bescheide würden auf einer unionsrechtswidrigen Rechtsgrundlage beruhen. Insbesondere sei zu den Erkenntnissen des , und des VfGH vin , E 945/2015, mit denen jeweils die unionsrechtliche Unbedenklichkeit des im Glücksspielgesetz normierten Monopolsystems festgestellt worden sei, sowie zum , in dem dieser von einer Unions- und Verfassungswidrigkeit der im Glücksspielgesetz normierten Monopolregelung ausgehe, auszuführen:

Diesen Entscheidungen läge keine eigenständige, auf die Frage der Unionsrechtskompatiblität des im Glücksspielgesetz normierten Monopolsystems bezogene Faktenermittlung zugrunde. Sie könnten daher von vorneherein nichts zur Klärung der vom EuGH betonten Anforderung beitragen, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen sei, dass es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung im Moment ihres Erlasses ankomme, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen ().

Das österreichische Glücksspielmonopol sei dem Grunde nach eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Es sei daher mit dem Unionsrecht nur dann vereinbar, wenn ein in den Verträgen normierter Rechtfertigungsgrund oder ein in der Judikatur des EuGH entwickelter Rechtsfertigungsgrund vorliege. Als zwingende Gründe des Allgemeininteresses kämen insbesondere der Verbraucherschutz, die Betrugsbekämpfung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen in Betracht.

Liege eine anerkannte Zielsetzung für eine Beschränkung der einschlägigen Grundfreiheit vor, untersuche der EuGH zunächst im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob die nationale Maßnahme überhaupt geeignet sei, die legitime Zielsetzung zu erreichen, wobei die unionsrechtliche Zulässigkeit des Glücksspielmonopols auch von der tatsächlichen Wirkung der Regelung abhängig sei. Werde die Eignung bejaht, beurteile der EuGH in einem zweiten Schritt die Erforderlichkeit (Notwendigkeit) und gegebenenfalls in einem dritten Schritt die Angemessenheit der Beschränkung. Eine nationale Regelung sei nach Ansicht des EuGH dann unionsrechtswidrig, wenn diese Regelung nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder Kriminalitätsbekämpfung verfolge und nicht tatsächlich dem Anliegen entspreche, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen.

Im Schlussantrag der Generalanwältin Sharpston vom zu C-685/15 sei die Untauglichkeit zur Rechtfertigung des österreichischen Monopolsystems durch den Glücksspielbericht 2010 - 2014, das Informationsschreiben Stabstelle Spielerschutz vom , die Auswirkungen des Glücksspielgesetzes 2010 - 2014, die Stellungnahme des die Kalke Studie, Nachfolger Kalke Studie festgestellt worden. In tatsächlicher Hinsicht lasse sich weiterhin nicht feststellen,

  • dass in Österreich 64.000 Personen spielsüchtig seien und es hierzulande mehr spielsüchtige als drogenabhängige Personen gebe,

  • dass die Spielsucht in Österreich ein erhebliches gesellschaftliches Problem darstelle, das einen staatlichen Handlungsbedarf hinsichtlich Spielerschutzmaßnahmen begründe,

  • dass das Glücksspiel, insbesondere das Automatenglücksspiel, tatsächlich ein echtes Kriminalitätsproblem verkörpere.

Im Gegensatz dazu gelte es als erwiesen, dass

  • die Staatseinnahmen aus dem Glücksspiel jährlich ca. 500 Mio Euro betragen würden,

  • die Monopolinhaber eine aggressive Expansions- und Werbestrategie verfolgen würden und

  • der Staat die Notwendigkeit einer Monopolregelung nicht nachgewiesen habe, sodass nicht erkennbar sei, weshalb eine strenge Konzessionsprüfung ohne zusätzliche Beschränkung auf eine bestimmte Zahl von Anbietern zur Zielerreichung nicht ausreiche.

Der EuGH habe ausgesprochen, dass das Ziel, Verbraucher vor der Spielsucht zu schützen, mit der Politik der Expansion von Glücksspielen schwer vereinbar sei (). Eine solche Politik könne nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang hätten und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielten, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken. Die vom Inhaber eines staatlichen Monopols eventuell durchgeführte Werbung müsse maßvoll und eng auf das beschränkt bleiben, was erforderlich sei, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken. Eine solche Werbung dürfe aber nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt würden, indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht werde (, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07). Die bloße Tatsache, dass die Zulassung und Kontrolle hinsichtlich eines einzigen Betreibers sich als kostengünstiger erweise, rechtfertige die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht (). Um den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verminderung der Spielgelegenheiten gerecht zu werden, müsse eine nationale Monopolregelung auf der Feststellung beruhen, dass die mit dem Spielen verbundenen kriminellen und betrügerischen Tätigkeiten und die Spielsucht tatsächlich ein Problem darstellen würden. Es dürfe nur eine Werbung erlaubt sein, die auf das begrenzt sei, was erforderlich sei, um die Verbraucher zu genehmigten Spielnetzwerken zu lenken. Im Erkenntnis vom , C-347/09, habe der EuGH ausgesprochen, das vorlegende Gericht habe insbesondere zu untersuchen, ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit Spielen und die Spielsucht in Österreich ein Problem gewesen sei und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können. Es müsse die Wirksamkeit staatlicher Kontrolle bei einem Monopol, mit dem unter anderem auch Werbeprivilegien verbunden seien, überprüft werden.

Der nationale Gesetzgeber habe daher auch die Werbemaßnahmen des Monopolisten zu regeln und zu überwachen (Oreschnik, RdW 2014/695). Im Schrifttum werde die Ansicht vertreten, dass die vom EuGH vorgegebenen Werbebeschränkungen in der Praxis tatsächlich nicht eingehalten würden und das Glücksspielmonopol wegen der von den österreichischen Behörden geduldeten Werbepraxis der Glücksspielkonzessionäre unionsrechtswidrig sei. Der überwiegend private Anbieter werde nur oberflächlich kontrolliert und vor allem betreffend die Angebotsausdehnung und die aggressive Werbung nicht in die Schranken gewiesen.

Zu den hier erheblichen Rechtsfragen existiere widersprüchliche Judikatur des OGH. Dieser habe zwar die ao. Revision in seiner Entscheidung zu 4 Ob 31/16m nach der mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage erfolgten Zurückweisung durch den Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen, in der Entscheidung zu 10 Ob 52/16v die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen. Darin habe der OGH ausgesprochen, die nationalen Gerichte hätten zu prüfen, ob das Verbot des Glücksspiels angesichts der konkreten Anwendungsmöglichkeiten tatsächlich den Zielen Rechnung trage, die es rechtfertigen könnten, und ob die mit ihm auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stünden ().

Die Ausführungen des OGH im Erkenntnis 10 Ob 52/16v würden durch ein aktuelles Vorabentscheidungsersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (eingereicht am und beim EuGH anhängig zur Zahl 920/19) untermauert. Darin lege das Landesverwaltungsgericht dem EuGH Fragen bezüglich der Werbepraktiken von Konzessionsinhabern vor und äußere Bedenken bezüglich der Gesamtkohärenz der Monopolregelung. Unter der Zahl C-231/20 sei ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen anhängig, in dem die Vereinbarkeit der Strafbestimmungen des GSpG mit dem Unionsrecht gegenständlich sei.

Da das Wiener Vergnügungssteuergesetz bzw. das Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz direkten Bezug auf das österreichische Glücksspielgesetz nehme und dieses in seiner momentanen Ausgestaltung unionsrechtswidrig sei, beruhten die Bescheide auf einer unionsrechtswidrigen Rechtsgrundlage.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, der beschwerdeführenden Gesellschaft sei mit Schreiben vom Parteiengehör gewährt und eine Frist zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt worden. Der Rechtsvertreter habe im Namen der beschwerdeführenden Gesellschaft das Vollmachtsverhältnis bekanntgegeben und um Übermittlung der dem Vorhalt zugrundeliegenden Akten ersucht. Diesen Ersuchen sei umgehend entsprochen worden. Eine Stellungnahme sei jedoch nicht erfolgt. In der Begründung der angefochtenen Bescheide sei auch die Art der Apparate, die der Bemessung zugrundeliegenden Anzeigen und die Berechnung des Abgabenbetrages erläutert worden.

Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Glücksspielgesetzes sei die verfahrensführende Behörde nicht berufen. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass eine Aufhebung dieses Gesetzes lediglich zur Folge habe, dass auch die mit Billigung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 GSpG in Wien gehaltenen Spielapparate mit Gewinnmöglichkeit in Geld oder Geldeswert der Vergnügungssteuer unterliegen würden.

Fristgerecht stellte der rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft Vorlageanträge.

Zu der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung erschien trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung kein Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft. Der Vertreter der Amtspartei verwies auf das bisherige Vorbringen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die beschwerdeführende Gesellschaft hielt in den Monaten Oktober bis Dezember 2016 im eigenen Betrieb vier Geldspielautomaten der Type Mainstreet/Mainvision, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert erzielt werden konnte. Diese Apparate waren nicht zur Vergnügungssteuer angemeldet.

Im Jänner 2017 hielt die beschwerdeführende Gesellschaft im eigenen Betrieb vier Spielapparate der Type Mainstreet/Mainvision, im Februar 2017 fünf Spielapparate Internet Terminal ohne Bezeichnung und zwei Spielapparate der Type Memory Skill und im Zeitraum März 2017 bis Dezember 2017 zwei Spielapparate der Type Mainstreet/Mainvision, vier Spielapparate der Type Amatic und zwei Spielapparate der Type ACT Skill. Für keinen dieser Spielapparate war die Glücksspielautomatenabgabe entrichtet worden.

Der beschwerdeführenden Gesellschaft war mit Schreiben vom Parteiengehör gewährt und waren über Ersuchen des rechtsfreundlichen Vertreters die dem Sachverhalt zugrundeliegenden Aktenteile übermittelt worden. Weder die beschwerdeführende Gesellschaft noch deren rechtsfreundlicher Vertreter nahm zu den Sachverhaltsannahmen Stellung.

Im Jahr 2015 weisen in Österreich zwischen 0,34 % und 0,60 % der Bevölkerung ein problematisches Spielverhalten auf, die Zahl der Problemspieler beträgt daher entsprechend zwischen 19.915 und 35.827 Personen. Zudem sind 2015 in Österreich zwischen ca. 27.600 bis etwa 46.000 Personen aktuell spielsüchtig. Diese Werte sind im Vergleich zum Jahr 2009 annähernd konstant. Männer weisen zu höheren Anteilen ein problematisches und pathologisches Spielverhalten auf als die Frauen. Innerhalb der verschiedenen Altersgruppen stellt sich das Ausmaß vorhandener Spielprobleme sehr unterschiedlich dar, wobei die 14- bis 30-Jährigen sich diesbezüglich am stärksten betroffen zeigen.

Ausgehend vom Jahr 2015 haben 41 % der Bevölkerung (14 bis 65 Jahre) in den letzten 12 Monaten irgendein Glücksspiel um Geld gespielt, dieser Wert ist seit 2009 kaum verändert (2009: 42 %). Das klassische Lotto "6 aus 45" ist das beliebteste Glücksspiel in Österreich. Jeder dritte Österreicher hat dieses Spiel im Jahr 2015 mindestens einmal in den letzten 12 Monaten gespielt (ca. 33 %), der prozentuale Anteil für die 30-Tages-Prävalenz beträgt ca. 20 %. Seit 2009 haben sich diese Werte so gut wie nicht geändert (jeweils nur um ca. ± 1 Prozentpunkt). Dagegen ist für diesen Zeitraum eine deutliche Zunahme bei der europäischen Lotterie, den von 15 Euromillionen, zu konstatieren: Der Prozentwert für die monatliche Teilnahme hat sich von etwa 4 % auf etwa 8 % verdoppelt. Auch beim Joker gibt es seit 2009 einen prozentualen Anstieg. Inzwischen spielt jede siebte Person mindestens einmal im Jahr dieses Glücksspiel (ca. 14 %). Damit ist es das zweitverbreitete Glücksspiel in Österreich. Bei den Rubbellosen - die auf dem vierten Platz liegen - sind nur geringe Veränderungen zwischen 2009 und 2015 vorhanden. Alle anderen Glücksspiele besitzen bezogen auf die Spielteilnahme in der Gesamtbevölkerung eine nachgeordnete Bedeutung: Das gilt für die Sportwetten genauso wie für die klassischen Casinospiele, bei denen 2015 jeweils etwa 4 % in den letzten 12 Monaten gespielt wurden. Glücksspielautomaten in Casinos und in Spielhallen werden von noch weniger Personen gespielt. In den letzten 12 Monaten haben am Automatenglücksspiel in Spielbanken ca. 0,5 % teilgenommen, im Jahr 2009 waren dies ca. 0,6 % bezogen auf die 12-Monats-Prävalenz. Bezüglich der Teilnahme am Automatenglücksspiel außerhalb von Spielbanken (Spielhallen, Einzelaufstellungen, illegale Glücksspielautomaten) ist der Wert bezogen auf die 12-Monats-Prävalenz von ca. 1,2 % im Jahr 2009 auf ca. 1 % im Jahr 2015 zurückgegangen.

Der monatliche Geldeinsatz für Glücksspiele hat im Zeitraum von 2009 auf 2015 leicht zugenommen und zwar wurden von den Glücksspielenden 2015 im Durchschnitt etwa 57 Euro pro Monat für Glücksspiele ausgegeben im Vergleich zu 53 Euro im Jahr 2009. Auf der Ebene der einzelnen Glücksspielarten bestehen hier jedoch sehr unterschiedliche Entwicklungen. Der Geldeinsatz ist 2015 am höchsten bei den Automatenspielen außerhalb der Casinos. Im Durchschnitt werden hierfür von den Spielern pro Monat ca. 203 Euro eingesetzt, vor sechs Jahren lag der entsprechende Wert sogar bei etwa 317 Euro. Es folgen die klassischen Casinospiele mit einem Mittelwert von ca. 194 Euro. Auch für diese Glücksspielform wird im Jahr 2015 durchschnittlich weniger Geld aufgewendet als in 2009. Stark angestiegen sind dagegen im betrachteten Zeitraum die Geldeinsätze für Sportwetten, diese haben sich von ca. 47 Euro auf ca. 110 € mehr als verdoppelt.

Die Anteile problematischen und pathologischen Spielens unterscheiden sich je nach Glücksspielart erheblich. Die zahlmäßig große Gruppe der Spieler von Lotterieprodukten beinhaltet anteilsbezogen nur wenige Personen, die ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten zeigen (jeweils etwa ein Prozent). Während bei den Rubbellosen sich nur leicht höhere Werte zeigen, ist bei den klassischen Casinospielen bereits mehr als jeder zwanzigste Spieler betroffen.

Auch Sportwetten beinhalten ein erhebliches Risiko, spielbedingte Probleme zu entwickeln. So erfüllen ca. 7,1 % dieser Spielergruppe die Kriterien problematischen Spielens und weitere ca. 9,8 % zeigen ein pathologisches Spielverhalten. Etwa jeder sechste Sportwetter ist daher von einer Spielproblematik betroffen. Noch höher sind diese Anteile bei Spielautomaten, welche in Spielhallen, Kneipen oder Tankstellen stehen. Etwa 21,2 % dieser Spieler sind spielsüchtig. Die Prävalenzwerte für die Automatenspiele der "Casino Austria" nehmen sich im Vergleich dazu eher gering aus. So liegen die Anteile für problematisches Spielen bei ca. 3,7 % und für pathologisches Spielen bei ca. 4,4 %. Dennoch weist etwa jede zwölfte Person, die in den klassischen Spielbanken am Automaten spielt, glücksspielbedingte Probleme auf. Bei der Prävalenz problematischen und pathologischen Spielens ging die Rate bei Automaten in Casinos von ca. 13,5 % im Jahr 2009 auf ca. 8,1 % im Jahr 2015 und bei Automatenaufstellungen außerhalb von Casinos von 33,2 % im Jahr 2009 auf 27,2 % im Jahr 2015 zurück.

In Wien spielt ein größerer Teil der Einwohner Glücksspiele um Geld als dies in den anderen Bundesländern (zusammengenommen) der Fall ist. Während für Wien die aktuellen Zahlen 46% (12 Monate) und 31% (30 Tage) lauten, liegen die entsprechenden Werte für die anderen Bundesländer bei 40% und 26%.

Beweiswürdigung

Der oben festgestellte Sachverhalt gründet sich auf Anzeigen der X- GmbH, betreffend den Zeitraum Oktober bis Dezember 2016 auf die bei Begehungen durchgeführten Testspiele und betreffend den Zeitraum Jänner bis Dezember 2017 auf amtliche Feststellungen und erfolgte Beschlagnahmungen. Dass Vergnügungssteuer bzw. Glücksspielautomatenabgabe für die vorgefundenen Spielapparate nicht entrichtet worden ist, ergibt sich aus dem Kontostand. Diese Feststellungen werden von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten.

Der rechtsfreundliche Vertreter bestreitet in den Beschwerden lediglich die Unionsrechtskonformität des Wiener Vergnügungssteuergesetzes bzw. des Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetzes, weil diese beiden Gesetze direkten Bezug auf das seiner Ansicht nach unionsrechtswidrige Glücksspielgesetz nehmen würden.

Die für eine Gesamtwürdigung der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes relevanten Umstände haben sich seit der zuletzt veröffentlichten Entscheidung des , aber auch seit dem Erkenntnis des , nicht entscheidend geändert. Dazu kommt das Bundesfinanzgericht aus folgenden Erwägungen:

Die im Sachverhalt angeführten Feststellungen gründen sich u.a. auf die Glücksspielberichte 2014-2016 und 2017-2019 des Bundesministeriums für Finanzen, die auch auf der Webseite des Bundesministeriums für Finanzen abrufbar und somit allgemein zugänglich sind.

Die Feststellungen zum Glücksspielverhalten, inklusive des problematischen und pathologischen Spielverhaltens ergeben sich aus der Studie "Glücksspielverhalten und Glücksspielprobleme in Österreich - Ergebnisse der Repräsentativerhebung 2015" von Dr. Kalke und Prof. Dr. Wurst vom Institut für interdisziplinäre Sucht und Drogenforschung in Hamburg. In dieser Studie ist die Erhebungs- und Auswertungsmethodik nachvollziehbar dargelegt, es sind aus Sicht des erkennenden Gerichts im Verfahren keine Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit dieser Studie hervorgekommen.

Der rechtsfreundliche Vertreter stellte in seiner Beschwerde abweichend von der oben zitierten Studie und entgegen der Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes fest, es nicht erwiesen, dass in Österreich 64.000 Personen spielsüchtig seien. Das im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesfinanzgericht beigebrachte Gutachten von Univ.-Prof. Dr. A ist jedoch nicht geeignet, den Beweis für diese Behauptung zu erbringen. Darin gelangte der Gutachter zum Ergebnis, dass die aus einer Telefonumfrage zur Glücksspielteilnahme und zum Spielverhalten erschlossene Entwicklung nicht den strengen Anforderungen des EuGH an das im Rahmen der Kohärenzprüfung heranzuziehende Datenmaterial genüge. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch im Erkenntnis Ra 2018/17/0048 die Vorgangsweise der Datenermittlung nicht angezweifelt, sondern ausgesprochen, dass in der Kalke/Wurst-Studie durch eine statistische Hochrechnung aus einem Sample die Anzahl der Spielsüchtigen ermittelt worden sei. Das Bundesfinanzgericht schließt sich der Ansicht des Höchstgerichtes an; es besteht für das erkennende Gericht kein Zweifel an der Richtigkeit der darin ersichtlichen empirischen Daten zur Verbreitung von Glücksspiel und Glücksspielsucht in Österreich, zumal die Methodik der Datenerhebung klar und nachvollziehbar dargelegt wurde. Die Ergebnisse dieser Studie sind auch repräsentativ, weil insgesamt 10.000 Personen im Alter zwischen 14 und 65 Jahren befragt wurden und diese Stichprobe nach den Variablen Bundesland, Alter, Geschlecht und Schulbildung gewichtet wurden, um ein repräsentatives Abbild der österreichischen Bevölkerung zu erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Rechtsgrundlagen:

1. Vergnügungssteuer:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über die Besteuerung von Vergnügungen im Gebiete der Stadt Wien (VGSG) lauten auszugsweise:

"Steuergegenstand

§ 1 (1) Folgende im Gebiet der Stadt Wien veranstaltete Vergnügungen unterliegen einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes:

....

3. Halten von Spielapparaten und von Musikautomaten (§ 6);

...

(2) Bei Verwirklichung eines der Tatbestände des Abs. 1 wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, dass gleichzeitig auch erbauende, belehrende oder andere nicht als Vergnügungen anzusehende Zwecke verfolgt werden oder dass der Unternehmer nicht die Absicht hat, eine Vergnügung zu veranstalten.

Halten von Spielapparaten und von Musikautomaten

§ 6 (1) Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann und für die keine Bewilligung oder Konzession nach §§ 5, 14 oder 21 Glücksspielgesetz, BGBl Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl I Nr. 111/2010, erteilt wurde, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat je 1.400 Euro. Die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung über das Spielergebnis durch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt wird.

(4) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Steuer endet erst mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Abmeldung des Apparates erfolgt oder die Abgabenbehörde sonst davon Kenntnis erlangt, dass der Apparat vom Steuerpflichtigen nicht mehr gehalten wird.

§ 13 (1) Steuerpflichtig ist der Unternehmer der Veranstaltung. Unternehmer der Veranstaltung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder, in dessen Namen oder auf dessen Rechnung die Veranstaltung durchgeführt wird oder die Entgelte gefordert werden. Sind zwei oder mehrere Unternehmer (Mitunternehmer) vorhanden, so sind sie als Gesamtschuldner steuerpflichtig. In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 3 gelten auch der Inhaber des für das Halten des Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und der Eigentümer des Apparates als Gesamtschuldner."

2. Glücksspielautomatenabgabe:

§ 1 bis 3 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz lauten:

"§ 1. Für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann und für die keine Bewilligung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, erteilt wurde, ist eine Steuer zu entrichten. Die Steuer beträgt je Apparat und begonnenem Kalendermonat 1.400 €. Die Steuerpflicht besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung über das Spielergebnisdurch den Apparat selbst, zentralseitig oder auf eine sonstige Art und Weise herbeigeführt wird.

§ 2. (1) Steuerpflichtig ist die Unternehmerin oder der Unternehmer. Unternehmerin oder Unternehmer im Sinne dieses Gesetzes ist jede bzw. jeder, in deren bzw. dessen Namen oder auf deren bzw. dessen Rechnung der Spielapparat gehalten wird oder die Entgelte gefordert werden. Sind zwei oder mehrere Unternehmerinnen bzw. Unternehmer (Mitunternehmerinnen bzw. Mitunternehmer) vorhanden, so sind sie als Gesamtschuldnerinnen bzw. Gesamtschuldner steuerpflichtig. Die Inhaberin oder der Inhaber des für das Haltendes Apparates benützten Raumes oder Grundstückes und die Eigentümerin oder der Eigentümer des Apparates gelten als Gesamtschuldnerinnen bzw. Gesamtschuldner.

(2) Die in den §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Steuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung - BAO gilt sinngemäß.

(3) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einflussnehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(4) Die in Abs. 3 bezeichneten Personen haften für die Steuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

§ 3. Die Steuer ist erstmals spätestens einen Tag vor Beginn des Haltens und in der Folge jeweils bis zum Letzten eines Monats für den Folgemonat zu entrichten. Die Steuerpflichtendet mit Ablauf des Kalendermonates, in dem der Apparat nicht mehr gehalten wird."

Rechtliche Würdigung:

Der vorliegende Beschwerdefall betrifft Regelungen, wonach für das Halten von Spielapparaten, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert (so zB Jeton- oder Warengewinn) erzielt werden kann und für die keine Bewilligung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, erteilt wurde, eine Steuer zu entrichten ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt eine Regelung, die den bewilligungslosen Betrieb von Glücksspielautomaten verbietet, eine Beschränkung des durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. zuletzt , Stanley International Betting mwN sowie , Pfleger). Solche Beschränkungen können im Rahmen der Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie dem Verbraucherschutz, dem Spielerschutz und der Kriminalitätsbekämpfung gerechtfertigt sein (vgl. , Digibet und Albers). Für den Bereich des Glücksspielwesens hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass die Ziele des österreichischen Regelungssystems, nämlich die Spieler zu schützen, indem das Angebot von Glücksspielen begrenzt wird, um Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, indem diese im Rahmen einer kontrollierten Expansion reguliert werden, zu den Zielen zählen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Beschränkungen von Grundfreiheiten rechtfertigen können (EuGH, , Rs C-390/12, Pfleger, Rn. 42 mwN). Verfolgt eine solche Regelung hingegen nicht wirklich das Ziel des Spielerschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung bzw. entspricht sie nicht tatsächlich dem Anliegen, in kohärenter und systematischer Weise die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern oder die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität zu bekämpfen, steht Art. 56 AEUV einer solchen Regelung entgegen (vgl. , Pfleger).

Für die Klärung der Frage, welche Ziele mit den nationalen Rechtsvorschriften tatsächlich verfolgt werden, sind jedenfalls die nationalen Gerichte zuständig (, Ömer und Dickinger, uva), die eine Gesamtwürdigung der Umstände vornehmen müssen, unter denen eine die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird (, Pfleger, Rn. 52). Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , E 945/2016 ua, legt der EuGH dabei nur die Leitlinien für die Prüfung fest, ob die tatsächlichen Wirkungen einer Rechtsvorschrift in Einklang mit dem durch diese Regelung verfolgten und unionsrechtlich anerkannten Ziel stehen, während das nationale Gericht die für diese Beurteilung notwendigen Erhebungen in gesamthafter Betrachtung anstellen muss (vgl. LVwG Steiermark , 41.23-2516/2017).

Die in § 14 Abs. 3 GSpG normierte Beschränkung ist jedoch - wie dies der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, ausgesprochen hat - durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit, weil damit das Ziel verfolgt wird, die im Glücksspielsektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer effizient zu kontrollieren, um der Ausnutzung der Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Diese Regelung wird tatsächlich dem Anliegen gerecht, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen ().

Vor dem Hintergrund der - auf Grundlage der zum Glücksspielmarkt in Österreich und den tatsächlich bestehenden Gefahren für Spieler in Zusammenhang mit der Veranstaltung von Glücksspielen getroffenen Feststellungen - vorgenommenen Gesamtbetrachtung bestehen für das Bundesfinanzgericht keinerlei Anhaltspunkte, von der Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes abzuweichen.

Nach den getroffenen Feststellungen wiesen 1,1 % aller Personen zwischen 14 und 65 Jahren und damit ein nicht unerheblicher Teil der österreichischen Bevölkerung ein problematisches oder pathologisches Spielerverhalten im psychiatrischen Sinn auf, sodass davon auszugehen ist, dass die Verbreitung von Spielsucht in Österreich ein erhebliches Problem in der österreichischen Gesellschaft darstellt. Dabei stellt insbesondere das Automatenglücksspiel außerhalb von Spielbanken, im Hinblick auf den Spielerschutz ein besonders gravierendes Problem dar (Anteil der Spielteilnehmer mit problematischem oder pathologischem Suchtverhalten bei Automaten außerhalb Kasinos: 27,2%).

Dieser Umstand erklärt sich vor allem daraus, dass im Bereich des Automatenglücksspiels außerhalb von Spielbanken bekanntermaßen der Anteil bewilligungslos betriebenen Glücksspiels besonders hoch ist, was sich aus der Anzahl der bei den Verwaltungsgerichten der Länder und in der Folge beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren hinsichtlich solcher Ausspielungen ergibt. Bei solchen bewilligungslosen Ausspielungen kommen mangels eines wirksamen Kontroll- und Aufsichtsrechtes die Spielerschutzvorschriften durch die Behörden nicht zur Anwendung. Dies im Gegensatz zum von der staatlichen Aufsicht erfassten Automatenglücksspiel innerhalb von Spielbanken.

Vor diesem Hintergrund hegt das Bundesfinanzgericht keinerlei Zweifel, dass die Bestimmungen des Vergnügungssteuergesetzes bzw. des Glücksspielautomatengesetzes zur Hintanhaltung von illegalem Glücksspiel verhältnismäßig sind und tatsächlich in einer kohärenten und systematischen Weise das Ziel verfolgen, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern. Somit dienen die anzuwendenden Bestimmungen den Zielen des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern.

Das Bundesfinanzgericht gelangt bei Gesamtwürdigung der Umstände daher zur Überzeugung, dass die nationalen Vorschriften tatsächlich dem Anliegen entsprechen, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern, die Tätigkeiten in diesem Bereich zu begrenzen und die mit diesen Spielen verbundene Kriminalität systematisch und kohärent zu bekämpfen. Die Unionsrechtswidrigkeit der im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen war daher zu verneinen.

3. Verspätungszuschlag betreffend Vergnügungssteuer für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2016:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über die Anmeldung von Apparaten im Sinne des VGSG im Gebiete der Stadt Wien lauten auszugsweise:

"Anmeldung und Eintrittskarten

§ 14 (1) ...

(2) Das Halten von Apparaten (§ 6) ist spätestens einen Tag vor deren Aufstellung beim Magistrat anzumelden.........

....

Festsetzung und Fälligkeit der Steuerschuld

§ 17 (1) Der Unternehmer hat dem Magistrat längstens bis zum 15. des Folgemonates für den unmittelbar vorausgehenden Monat die Steuer zu erklären und zu entrichten.

....

(3) Die Anmeldung von Apparaten (§ 14 Abs. 2) gilt als Steuererklärung für die Dauer der Steuerpflicht. Die durch die Anmeldung erfolgte Selbstbemessung durch den Inhaber des für das Halten des Apparates benutzten Raumes oder Grundstückes wirkt im Falle eines Wechsels in der Person unmittelbar auch gegen den neuen Inhaber, wenn der Apparat weiterhin gehalten wird. ...."

§ 135 Bundesabgabenordnung (BAO) bestimmt:

"Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; ....."

Zweck des Verspätungszuschlages ist es, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und Entrichtung der Abgabe sicherzustellen. Nach Ansicht des VfGH hat der Verspätungszuschlag auch die Funktion der Abgeltung von Verzugszinsen und der Abgeltung von erhöhtem, durch die nicht rechtzeitige Einreichung der Abgabenerklärungen verursachten Verwaltungsaufwand (Ritz, BAO6, § 135, Tz 1).

Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen liegt dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Behörde und setzt voraus, dass ein Abgabepflichtiger die Frist zur Einreichung einer Erklärung nicht einhält und dass dies nicht entschuldbar ist.

Eine Verspätung ist nicht entschuldbar, wenn den Abgabepflichtigen daran ein Verschulden trifft. Bereits der leichteste Grad der Fahrlässigkeit (culpa levissima) schließt die Entschuldbarkeit aus (vgl. Ritz, BAO6, § 135, Tz 4 und 10).

Leichte Fahrlässigkeit liegt vor bei Fehlern, die auch einem sorgfältigen Menschen gelegentlich unterlaufen.

Gesetzesunkenntnis oder irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nur dann entschuldbar und als Fahrlässigkeit nicht zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Der Abgabepflichtige hat bei Beurteilung des Sachverhaltes und der Rechtslage jenes Maß an Sorgfalt aufzuwenden, das von ihm objektiv nach den Umständen gefordert werden muss und das ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zugemutet werden kann. In der Unterlassung einer entsprechenden oder gebotenen oder zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden. Bei Zweifeln über die Gesetzeslage und die Richtigkeit einer rechtlichen Beurteilung ist von einer Verpflichtung, sich fachkundig informieren und beraten zu lassen, auszugehen. Unter solchen Voraussetzungen sind objektive Verletzungen der Erklärungspflicht durch den Abgabepflichtigen nicht entschuldbar (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Seite 1530).

Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens der Behörde ergeben sich primär aus der das Ermessen einräumenden Bestimmung. Die im § 20 BAO erwähnten Ermessenskriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit sind grundsätzlich und subsidiär zu beachten. Zu berücksichtigen ist auch der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung (Ritz, BAO6, § 20, Tz 6).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei, unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben.

Zweck des Verspätungszuschlages ist, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und Entrichtung der Abgaben sicherzustellen. Er hat auch die Funktion der Abgeltung von erhöhtem, durch die nicht rechtzeitige Einreichung der Abgabenerklärungen verursachten Verwaltungsaufwand. Weiters stellt er die Einhaltung einer geordneten Abgabenfestsetzung sicher.

Der Verspätungszuschlag ist eine administrative Ungehorsamsfolge und Druckmittel eigener Art (Ritz, BAO6, § 135, Tz 3). Entsprechend herrschender Lehre und Judikatur sind bei der Ermessensübung folgende Kriterien zu berücksichtigen:

- Das Ausmaß der Fristüberschreitung

- Die Höhe des durch die verspätete Einreichung erzielten Vorteils

- Das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen

- Der Grad des Verschuldens

Die Spielapparate hätten einen Tag vor der Aufstellung bei der Behörde angemeldet werden müssen. Diese Anmeldung gilt als Steuererklärung. Bis zum 15. des Folgemonates hätte die Beschwerdeführerin die Steuer selbst berechnen und entrichten müssen.

Mit Schreiben vom wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, die gegenständlichen Spielapparate binnen zwei Wochen nachträglich zur Vergnügungssteuer anzumelden. Dieser Aufforderung leistete die Beschwerdeführerin keine Folge.

Durch die unterlassene Anmeldung spätestens einen Tag vor der Aufstellung der Apparate wurde die Frist zur Einreichung der Erklärung nicht gewahrt. Die grundsätzliche Berechtigung zur Auferlegung eines Verspätungszuschlages nach Maßgabe des § 135 BAO war für die Behörde damit gegeben.

Die Beschwerdeführerin ist aber auch nach Aufforderung zur Anmeldung der Apparate zur Vergnügungssteuer dieser Erklärungspflicht nicht nachgekommen. Aus dem Anforderungsschreiben der Behörde war für die Beschwerdeführerin ersichtlich, dass die Behörde von einer Vergnügungssteuerpflicht und damit einer Erklärungspflicht ausging. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte sie sich fachkundig beraten lassen oder informieren müssen und mit der Abgabe der Erklärung reagieren müssen. Dies schließt eine Entschuldbarkeit der Nichtabgabe der Abgabenerklärung aus.

Ermessensübung:

Der Gesetzeszweck des Verspätungszuschlages ist darin zu erblicken, die Abgabepflichtigen zur Erfüllung ihrer ihnen obliegenden Verpflichtungen zur rechtzeitigen Einreichung von Abgabenerklärungen anzuhalten. Bei der Ermessensübung ist demnach im Rahmen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit die Zielrichtung des Verspätungszuschlages und Art und Ausmaß der unbestreitbaren Pflichtwidrigkeit in Betracht zu ziehen.

Die Beschwerdeführerin hat die Pflicht zur rechtzeitigen Abgabenerklärung verletzt. Durch das Verhalten der Beschwerdeführerin wurde der Gang des Abgabenverfahrens und die Sicherheit des Abgabenaufkommens berührt. Die Behörde musste die Vergnügungssteuer mit Bescheid gem. § 201 BAO festsetzen. Es erwuchs ihr damit ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Im Hinblick auf den Zweck des Verspätungszuschlages und die ordnungspolitische Funktion desselben war angesichts der vorliegenden mehrfachen Pflichtverletzungen (fehlende vorhergehende Anmeldung der Geräte, keine Reaktion auf die Aufforderung zur Anmeldung und fehlende Selbstberechnung) die Verhängung eines Verspätungszuschlages im Höchstausmaß von 10 % angemessen.

Der Verspätungszuschlag in dieser Höhe erscheint zweckmäßig zur Erreichung des Zieles, die Beschwerdeführerin zur Einhaltung von Fristen und zur rechtzeitigen Abgabe von Abgabenerklärungen anzuhalten.

Dass der Verhängung des Verspätungszuschlages berechtigte Interessen der Beschwerdeführerin entgegenstünden, ist aus dem Akteninhalt nicht erkennbar. Das Vorliegen diesbezüglicher Umstände behauptet nicht einmal die Beschwerdeführerin. Die Verhängung des Verspätungszuschlages erscheint dem Bundesfinanzgericht damit auch nicht unbillig.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es sich dabei in der Regel um keine revisible Rechtsfrage handelt (vgl. ); zudem ist das erkennende Verwaltungsgericht in dieser Frage der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, und , Ra 2018/17/0048, selbst vorgenommen Abwägung inhaltlich gefolgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Glücksspiel
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 1 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBl. Nr. 56/2005
Art. 56 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz, LGBl. Nr. 56/2005
§ 14 Abs. 3 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise













ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400167.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
LAAAC-29332