Unrechtmäßige Wiederaufnahme des Verfahrens
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, über die Beschwerden vom sowie vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend die Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 sowie gegen die der Bf. am zugestellten Haftungsbescheide hinsichtlich Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 zu Recht erkannt:
Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bei der Bf. handelt es sich um eine seit dem ***25*** in Liquidation befindliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Betriebsgegenstand unter anderem auch Reinigungsarbeiten für die Fa. ***2*** umfasste. Hierbei wurden nämliche Arbeiten zum Teil mit Arbeitern der Bf., zum Teil aber auch durch Subunternehmer besorgt.
1. Außenprüfung
Im Zuge einer im Jahr 2013 durchgeführten unter anderem die Körperschaftsteuer der Jahre 2009 bis 2011 umfassenden Außenprüfung traf die Prüferin nachstehende Feststellungen:
Tz 1 Allgemeines
Ungeachtet der Tatsache, dass Frau ***24*** als Geschäftsführerin und 100% Gesellschafterin der Bf. fungiere, sei beim Großteil der Besprechungen deren über die Geschäfte der Bf. bestens informierte Lebensgefährte Herr ***4*** anwesend gewesen und habe dieser, für als Subunternehmer der Bf. tätige Firmen die Funktion des Geschäftsführers ausgeübt.
Aus den - in den folgenden Textziffern näher auszuführenden Indizien - werde der Verdacht auf Scheinrechnungslegung durch Subunternehmer aufgeworfen:
1. Insolvenzverfahren kurz nach Firmengründung
2. Nichtnachkommen der Steuererklärungspflicht
3. Fehlende Mietverträge an den auf den Rechnungen verzeichneten Betriebsadressen
4. Mangelhafte Auskünfte der Geschäftsführer zu "ihren" Unternehmen
5. Zeitweiliger Gebrauch des an der Adresse ***9*** befindlichen, an Frau ***12*** vermieteten Objekts als Betriebsadresse durch zwei Subunternehmer
Tz 2 ***5***
Obiges- als Subunternehmen fungierendes - Unternehmen, für dessen Arbeiten die Bf. im Zeitraum Februar bis Oktober 2011 Aufwendungen in Höhe von 490.487,60 Euro geltend gemacht habe sei am ***6*** gegründet worden, respektive sei ein am ***7*** beantragtes Konkursverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet worden.
Während das an der ab Februar 2011 auf den Fakturen des Unternehmens verzeichnete Betriebsadresse ***9*** befindliche Objekt an Frau ***12*** vermietet worden sei, habe sich an der Adresse ***10*** die Wohnung des Bruders des Geschäftsführers der ***5*** Herrn ***11*** befunden. Befragt zur Geschäftsgebarung habe dieser bekannt gegeben die Fakturen auf einem zwischenzeitig entsorgten Computer erstellt, respektive die von der Bf. erhaltenen Geldbeträge verspielt zu haben.
Tz 3 ***13***
Einleitend sei anzumerken, dass über das Vermögen dieses Unternehmens, bei welchem Herr ***4*** bis zum 18.3.210 als Geschäftsführer fungiert habe, zunächst Konkurs eröffnet worden sei, welcher am mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben worden sei. Die an der Betriebsadresse ***14*** befindlichen Räumlichkeiten seien - den Feststellungen der Prüferin gemäß -, von nicht in Bezug zu obigem Unternehmen stehenden Personen angemietet worden, während die im Firmenbuch an nämlicher Adresse verzeichnete Topnummer ***15*** an Frau ***12*** in Bestand gegeben worden sei, welche ihrerseits dieses Objekt an ein anderes Unternehmen weitervermietet habe. Zusammenfassend sei daher der Firmensitz des für die Bf. im Zeitraum vom Juni 2010 bis Februar 2011 tätigen Unternehmens nicht nachvollziehbar.
Tz 4 ***16***
Obiges Unternehmen sei im Juli 2009 gegründet worden, bzw. sei über dieses am ***17*** ein Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden.
Ungeachtet dessen, dass das an Firmenadresse ***18*** domizilierte Lokal 3 nur im Zeitraum August 2009 bis Dezember 2009 vom Geschäftsführer Herrn ***19*** in Bestand gegeben und danach leer gestanden sei, habe auf den Rechnungen der ***16*** auch im Zeitraum vom Jänner 2010 bis Juli 2010 nämliche Adresse Verwendung gefunden.
Im Zuge eines über Herrn ***4*** hergestellten Kontaktes habe der seit Juli 2010 über keine gültige Meldeadresse verfügende, seinen Lebensunterhalt durch Spielgewinne bzw. durch Arbeitslosengeld bestreitende und seiner Steuererklärungspflicht nicht nachgekommene Herr ***20*** der Prüferin gegenüber eingeräumt, von den in der Buchhaltung der Bf. in Höhe von 349.212,00 Euro (2009) bzw. 338.117,00 Euro, richtig 357,731,50 Euro (2010) verzeichneten Beträgen im Zeitraum Juli 2009 bis September 2010 schätzungsweise 50.000,00 Euro bis 60.000,00 Euro erhalten zu haben.
Tz 5 ***21***
Einleitend sei anzumerken, dass Herr ***4*** bis zum ***22*** als Geschäftsführer obigen Unternehmens fungiert habe.
Aus den vorgelegten Rechnungen des angeführten im August 2011 gegründeten Unternehmens habe dieses für die Bf. Reinigungsarbeiten nach Brand bzw. Wasserschäden im Gesamtausmaß von 167.896,00 Euro erbracht, wobei - mit Ausnahme der Angaben betreffend Arbeitsstunden, Stundensatz und Gesamtbetrag - eine genaue Aufgliederung über Personaleinteilung, Leistungsort bzw. Art der Tätigkeit nicht vorgelegt worden sei.
Tz 6 Steuerliche Würdigung (wortwörtliche Wiedergabe) Aufgrund der in den Textziffern 1-5 angeführten Feststellungen liegt der Verdacht nahe, dass die in den Rechnungen angeführten Leistungen nicht oder nicht vom jeweiligen Unternehmen und in Folge dessen auch nicht in angeführter Höhe erbrachtwurden. Den Ermittlungen der Finanzbehörde zufolge liegt die Annahme nahe, dass es sich bei den gegenständlichen Rechnungen um sogenannte "Schein- u. Deckungsrechnungen" handeln kann, denen die steuerliche Anerkennung insofern zu versagen ist, als die geltend gemachten Aufwendungen um 50% gekürzt werden.
Dieses Vorgangsweise resultiert aus den allgemeinen Erfahrungen der Betriebsprüfung, wonach Scheinrechnungen üblicherweise in doppelter Höhe des Aufwandes für die Beschäftigung von Schwarzarbeitern ausgestellt werden, um deren Heranziehung zu verdecken.
Der von der Betriebsprüfung nicht anerkannte Teil wird dem Gewinn hinzugerechnet.
Der Abfluss der Geldbeträge, welche nicht als Aufwand anerkannt werden stellt eine verdeckte Ausschüttung dar und ist somit der Kapitalertragsteuer zu unterziehen.
Tz 12 Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO zur Körperschaftsteuer 2009 bis 2011
Nach den Ausführungen Tz 12 machen - unter dem Aspekt des Vorranges der Rechtsrichtigkeit gegenüber jener der Rechtsbeständigkeit - die in den Tz 1 bis 6 getroffenen Feststellungen eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO zur Körperschaftsteuer 2009 bis 2011 erforderlich.
2. Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer 2009 bis 2011 und Erlassung neuer Sachbescheide zur Körperschaftsteuer 2009 bis 2011
Die belangte Behörde folgte den Ausführungen der Prüferin und erließ am sowohl die Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschafsteuer 2009 bis 2011 verfügende Bescheide als auch neue Sachbescheide betreffend vorgenannter Abgaben.
3. Erlassung undatierter, - der Bf. am zugestellter- Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011
Aufbauend auf den Prüfungsfeststellungen wurden - wie aus dem Inhalt des unter Punkt 5 noch näher darzustellenden Rechtsmittelschriftsatz vom unzweifelhaft und schlüssig abzuleiten - undatierte und im Übrigen auch dem Verwaltungsgericht körperlich nicht vorliegende - auf Geltendmachung von Haftungen der Bf. für Kapitalertragsteuer im Ausmaß von 58.201,00 Euro (2009), 155.292,00 Euro (2010) und 120.027,00 Euro (2011) abzielende Bescheide erlassen, respektive diese der Bf. am zugestellt.
4. Berufung (Beschwerde) gegen die die Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 verfügenden Bescheide sowie die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2009 bis 2011
Mit Eingabe vom wurde gegen oben angeführten BescheideBerufung (Beschwerde)erhoben und eingangs moniert, dass in Ermangelung einer Darstellung der neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel, die im vorangegangen Steuerverfahren nicht geltend gemacht worden seien und deren Kenntnis einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, die amtswegige Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer 2009 bis 2011 per se jeglicher Grundlage entbehre und ergo dessen die Wiederaufnahmebescheide der Aufhebung verfallen seien.
Darüber hinaus erscheine - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - weder die Heranziehung der Geschäftsführertätigkeit des Herren ***23*** bei einem der Subunternehmen, noch die Dauer des Bestehens, respektive der Geschäftstätigkeit der Subunternehmer als tragfähiges Indiz für die Ausstellung von Scheinfakturen nachvollziehbar.
Ebenso wenig könne man der Bf. "Ungereimtheiten" in Bezug auf die exakte Lokalisierung des Firmensitzes der Subunternehmer bzw. deren Verstöße gegen die Steuererklärungspflicht anlasten.
Schlussendlich habe das Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen einer Zeichnungs- bzw. Verfügungsberechtigung der Bf. oder des Herrn ***23*** auf den Konten der Subunternehmen ergeben.
Zusammenfassend werde somit die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt.
5. Berufung (Beschwerde) gegen die Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011
Mit Eingabe vom erhob der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. gegen die undatierten, der Bf. am zugestellten Haftungsbescheide für die Kapitalertragsteuer der Jahre 2009 bis 2011 Berufung (Beschwerde), wobei eingangs die Mangelhaftigkeit derselben wegen des Fehlens einer Begründung moniert wurde.
Darüber hinaus sei dem Wissenstand der Bf. nach die Abgabenschuld gegenüber dem Abgabenschuldner noch nicht geltend gemacht worden und sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; , 2009/16/0109) der angezogene Abgabenanspruch als Vorfrage zu klären.
Für den Fall, dass die Haftungsbescheide mit dem Ergebnis der Außenprüfung begründet seien, wiederholte die Bf. das bisherige unter Punkt 4 dargestellte Rechtsmittelvorbringen.
6. Nachreichung des BP-Berichtes sowie einer Begründung zu den Haftungsbescheiden für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011
Am wurden der vormaligen steuerlichen Vertretung der Bf. nachweislich der Bp- Bericht sowie die um eine Begründung ergänzte Haftungsbescheide für die Kapitalertragsteuer 2009 bis 2011 zugestellt.
Die Begründung der - für die an Frau ***24*** in den Jahren 2009 bis 2011 zugeflossenen Kapitalerträge - geltend gemachte Haftung lautet wortwörtlich wie folgt:
"Obliegt die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlichen Haftungspflichtigen kann eine bescheidmäßige Geltendmachung erfolgen, wenn kein selbst berechneter Betrag bekannt gegen wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden (§ 202 iVm § 201 Abs. 2 lit. c BAO). Die Voraussetzungen für eine sinngemäße Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO liegen vor, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind. Die Tatsachen oder Beweismittel, die neu hervorgekommen sind, sind dem beiliegenden BP-Bericht zur Außenprüfung zu entnehmen."
Der Vollständigkeit halber ist in Bezug auf die Höhe der Haftungsbeträge für die Kapitalertragsteuer der Jahre 2009 bis 2011 anzumerken, dass der Tz 7 des BP-Berichtes zu entnehmen ist, dass die Prüferin - ohne nähere Begründung - in rechnerischer Hinsicht auch eine Ausschüttung der Kapitalertragsteuer (Bruttoausschüttung) an die Geschäftsführerin der Bf. unterstellt hat.
7. Ergänzung der gegen die Haftungsbescheide für die Kapitalertragsteuer 2009 bis 2011 erhobenen Berufung vom
In dem - als Berufung gegen die mit datierten Haftungsbescheide für die Zeiträume 2009 bis 2011 titulierten - Schriftsatz vom wies der rechtsfreundlicheVertreter - unter Bezugnahme auf, bzw. Wiederholung des bisherigen Rechtsmittelvorbringens - auf den Umstand hin, dass in Anbetracht der Ausführungen in der Tz 6 des BP-Berichtes, wonach sich die Rechtmäßigkeit der Verfügung der amtswegigen Wiederaufnahme auf "Verdacht", "naheliegenden Annahmen" und "allgemeinen Erfahrungen" gründe, eine Mangelhaftigkeit der bereits am bekämpften Haftungsbescheide bewirkt werde.
8. Beschwerdevorentscheidungen (BVE) vom
Mit BVE vom wurden den gegen die Wiederaufnahmebescheide zur Körperschafsteuer 2009 bis 2011, die Körperschaftsteuerbescheide 2009 bis 2011 sowie die Haftungsbescheide für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 gerichteten Rechtsmittel vom bzw. unter grundsätzlicher Bezugnahme auf die Ergebnisse der Außenprüfung samt und sonders eine Absage erteilt.
9. Vorlageantrag vom
Mit Eingabe vom stellte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. einen Antrag auf Vorlage der gegen die Wiederaufnahmebescheide zur Körperschafsteuer 2009 bis 2011, die Körperschaftsteuerbescheide 2009 bis 2011 sowie die Haftungsbescheide für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 gerichteten Rechtsmittel an das BFG.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
1. Rechtmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2011
1.1. Rechtsgrundlagen
Nach der vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall anzuwendenden Norm des § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
1.2. Rechtliche Beurteilung
Ausgehend von der Diktion des § 303 Abs. lit. b BAO hatte das BFG zwecks Verifizierung bzw. Falsifizierung der Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahmebescheide zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 die Tauglichkeit der von der belangten Behörde für nämliche Gestion in den Tz 1 bis 6 des BP-Berichtes herangezogenen Wiederaufnahmegründe zu prüfen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nämlich nicht Sache des Abgabepflichtigen, das Nichtvorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nachzuweisen, sondern Aufgabe der Abgabenbehörde, die von ihr verfügte Wiederaufnahme durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen oder Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind ().
In Ansehung vorstehender Ausführungen ist nach dem Dafürhalten des BFG in den angezogenen Tz 1 bis 6 des BP-Bericht nicht eine, die Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer 2009 bis 2011 rechtfertigende, neu hervorgekommene Tatsache dokumentiert.
Diese Schlussfolgerung liegt darin begründet, dass die belangte Behörde ausschließlich in der Sphäre der Subunternehmer gelegene "Ungereimtheiten" (ungeklärter Firmensitz, Nichtnachkommen der Steuererklärungspflicht) als Grundlage eines nahe liegenden Verdacht bzw. der naheliegenden Annahme der Ausstellung und Verwendung von Schein- und Deckungsrechnungen heranzieht.
Nach Ansicht des BFG vermögen derartig gehegte, - schlussendlich in eine Wiederaufnahme der Verfahren verbunden mit, auf allgemeiner Erfahrung der Betriebsprüfung fußender Aufwandskürzungen - mündende Mutmaßungen nicht die Darstellung konkreter Geschäftsfälle, aus Anlass deren tatsächlich Scheinrechnungen erstellt, bzw. jene einer nachgewiesenen Verwendung derselben durch die Bf. zu ersetzen.
Aus vorgenannten Gründen wurde daher die Wiederaufnahme der Verfahren zur Körperschaftsteuer der Jahre 2009 bis 2011 völlig begründungslos und ergo dessen zu Unrecht verfügt, weswegen wie im Spruch zu befinden war.
1.3. Rechtsfolgen der Aufhebung
Wird der Wiederaufnahmebescheid aufgehoben (insbesondere im Bescheidbeschwerdeverfahren oder gemäß § 299 Abs. 1 BAO), so tritt nach § 307 Abs. 3 BAO das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus (; , 2006/15/0353; , 2010/17/0122), der alte Sachbescheid lebt wieder auf (z.B. , 0017; , 2009/15/0170).
Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeuten vorstehende Ausführungen, dass die Körperschafsteuerbescheide vom (2009), vom (2010) sowie vom (2011) wiederum in den Rechtsbestand treten.
2. Rechtmäßigkeit der Haftungsbescheide für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011
Nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO iVm § 202 Satz 1 leg. cit. kann eine Festsetzung unter anderem erfolgen, wenn in sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.
Bezogen auf den "Neuerungstatbestand" ist somit erforderlich, dass für die Abgabenbehörde im Verfahren nicht geltend gemachte Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, wenn die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Voraussetzung für die Festsetzung ist daher, dass entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages noch nicht bekannt waren und dass diese Umstände nachträglich neu hervorkommen (etwa im Zuge einer Außenprüfung).
Die Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) des Festsetzungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen für seine Erlassung darzulegen. Stützt sich die Behörde auf neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel (iSd § 303), so hat sie diese Tatsachen (Beweismittel) und ihr "Neuhervorkommen" in der Bescheidbegründung darzulegen.
§ 201 Abs. 2 Z 3 erfordert einen im Bescheid anzuführenden Wiederaufnahmegrund ().
Bei Wiederaufnahmebescheiden ist die Nichtdarlegung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel in der Bescheidbegründung nicht im Rechtsmittelverfahren sanierbar (vgl zB ; , 93/14/0187, 0188). Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor, so muss das BFG den angefochtenen Wiederaufnahmebescheid ersatzlos aufheben. Gleiches gilt für Bescheide iSd § 201 Abs. 2 Z 3 (z.B. ; ; , RV/6100144/2010) und entsprechende Bescheide nach § 202 ().
In Ansehung vorstehender sowie der unter Punkt 1.2. getätigten Ausführungen war wie im Spruch zu befinden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor, da das Erkenntnis direkt auf den Rechtsvorschriften der BAO fußt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 202 Abs. 1 Satz 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104888.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at