Pfändung einer Geldforderung (Glücksspielabgabe)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***1***, die Richterin ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***2*** und ***4*** in der Beschwerdesache ***3***, vertreten durch ***5***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend die Pfändung einer Geldforderung (Glücksspielabgabe) am zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt und Verfahrensgang
Das Finanzamt legte gegenständliche Beschwerde mit folgender Sachverhaltsdarstellung an das BFG zur Entscheidung vor:
"Die Beschwerdeführerin bietet in ihren Räumlichkeiten die Möglichkeit zur Teilnahme an Pokerspielen in Turnierform und in Form von Cashgames an. Es handelt sich um Ausspielungen iSd. § 2 Abs. 1 GSpG die der Glücksspielabgabe unterliegen.
Für den Zeitraum inklusive Jänner 2016 erfolgte eine bescheidmäßige Festsetzung der Glücksspielabgabe. Die Rechtsmittel dieser Zeiträume wurden bereits mir Erkenntnissen des abgewiesen. Die VfGH-Beschwerden mit Beschluss vom von diesem abgelehnt.
Für die Zeiträume Februar 2016 bis Februar 2017 wurden die Abrechnungen über die Glücksspielabgabe eingereicht. In diesen Anmeldungen wurde die mögliche Bemessungsgrundlage für Pokerturniere und Cashgames bekanntgegeben. Die Glücksspielabgabe wurde aber mit € 0,-- erklärt. Aus den bekanntgegebenen möglichen Bemessungsgrundlagen ergibt sich eine voraussichtliche Glücksspielabgabe für den gesamten obigen Zeitraum vom € 54.840.647,91. Die Detailaufstellung für jedes einzelne Monat kann dem Bescheid - Sicherstellungsauftrag entnommen werden.
Laut handelsrechtlicher Bilanz für das Jahr 2015 hat die Beschwerdeführerin ein negatives Eigenkapital von € 28.416.914,56 und einen Bilanzverlust von € 29.198.764,56. Des weiteren hat die Beschwerdeführerin einen Rückstand von € 33.761.443,94 an Glücksspielabgabe und Nebengebühren. Die aus den vorgelegten Abgabenerklärungen errechnete Glücksspielabgabe übersteigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebes erheblich. Wegen Gefährdung der Einbringlichkeit wurde am der gegenständliche Bescheid - Sicherstellungsauftrag zur Sicherung der Glücksspielabgabe - erlassen und vor Ort am Sitz der Beschwerdeführerin, ***6*** und gleichzeitig ebenfalls vor Ort ***7*** zH. des ausgewiesenen Vertreters Kzl. ***8*** zugestellt.
Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag (vorgelegt unter Zahl BFG ***9***), ein Antrag gem. § 16 Abs. 1 Z 2 AbgEO (Abweisungsbescheid vom , siehe Aktdokument) und ein Antrag gem. § 18 Z 1 und 3 AbgEO eingebracht. Die Beschwerde betreffend den Sicherstellungsauftrag wurde mit an das BFG vorgelegt. (Anm.: corr.)
Mit Bescheid vom wurde der Antrag gem. § 18 Z 1 und 3 AbgEO abgewiesen, da eine Aufschiebung der Exekution zur Sicherstellung, im Allgemeinen, nicht in Betracht kommt.
Am wurde Beschwerde gegen diesen Abweisungsbescheid eingebracht und deren direkte Vorlage ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung begehrt (vorgelegt unter Zahl BFG ***10***). Die Beschwerde wurde am vorgelegt.
Am wurde der Bescheid Pfändung einer Geldforderung und Verfügungsverbot mit RS (übernommen am ) versendet.
Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen die Pfändung einer Geldforderung erhoben und mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen (übernommen am ).
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom , eingebracht durch den nunmehrigen Vertreter ***11***."
Das Finanzamt hat hiezu folgende Stellungnahme abgegeben:
"Zu sämtlichen Vorbringen zur Glücksspielabgabe wird auf die ständige Rechtsprechung verwiesen:
UFS Wien vom , RV/1666-W/06, RV/1665-W/06, RV/1338-W/05, RV/0031-W/02, RV/1669-W/06, RV/1668-W/06, RV/1667-W/06, RV/1664-W/06, RV/1663-W/06; UFS Wien vom , RV/0421-W/02; UFS Wien vom , RV/0369-W/02, RV/0036-W/02; UFS Innsbruck vom , RV/0499-I/10; UFS Innsbruck vom , RV/0500-I/10; UFS Wien vom , RV/0743-W/11; UFS Graz vom , RV/0744-G/11; RV/3100689/2012; RV/7103332/2011; RV/2100581/2012, RV/7101758/2012, RV/7101758/2012 und RV/6100540/2010, RV/7101181/2013) sowie die Rechtsprechung des B 1357/11-16, vom , B 58-62/2014, vom , E 293/2015, vom , G 103-104/2016, vom , E 1330/2016-13, E 1756/2016, und vom , E 3862-2017, E 3452-2017 und E 3860-2017 und des GZ. Ro 2015/16/0024-7 und vom , Ro 2017-17-0025.
Insbesondere ist zu erwähnen, dass der VfGH nunmehr auch zu der verfahrensgegenständlichen Rechtslage keinerlei Bedenken sieht und auch keine gemeinschaftsrechtlichen. Wie bereits ausführlich in der Beschwerdevorentscheidung begründet liegen keine Gemeinschaftswidrigkeit und kein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit vor.
Der VfGH hat weder Bedenken betreffend die Besteuerung von Poker an sich noch betreffend die Höhe der Glücksspielabgabe auf Poker ( E 293/2015-4) und auch nicht betreffend eine unterschiedliche Besteuerung von konzessionierten und nicht konzessionierten Glücksspiel ( E 49/2015-5).
Das Finanzamt beantragt, daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."
Am übermittelte das BFG im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat einen Vorhalt worin mitgeteilt wurde, welche Beweismittel dem Bundesfinanzgericht bisher vorliegen und wie sich auf Grund dieser Beweismittel die Sach- und Rechtslage für die Berichterstatterin derzeit darstellt. Zur Abgabe einer allfälligen schriftlichen Stellungnahme wurde eine Frist von einem Monat ab Zustellung dieses Vorhaltes eingeräumt.
Mit Schriftsatz vom gab die ***12*** bekannt, dass Herr Rechtsanwalt ***13*** ("Beschwerdeführer"), als Insolvenzverwalter der ***14*** ("***15***"), die ***12*** ("***16***"), ***17***, zur Vertretung und zum Empfang von Zustellungen beauftragt und bevollmächtigt hat. Weiters wurde bekannt gegeben, dass über das Vermögen der ***14*** mit Beschluss des Handelsgerichts vom ***18***, Aktenzeichen ***19***, das Konkursverfahren eröffnet worden und der Einschreiter, ***20***, zum Masseverwalter bestellt worden ist.
Der Antrag auf mündliche Verhandlung wird im Verfahren zu GZ. RV/7101688/2018 zurückgezogen.
Demensprechend trat der Senat am zusammen.
II. Beweiserhebung
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die elektronisch vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes, samt Connexakten, sowie das Vorhalteverfahren.
Rechtslage und Erwägungen
Wie die Bf. zutreffend ausführt, steht der Bf. als Abgabenschuldnerin das Recht zu, gegen den an den Drittschuldner ergangenen Pfändungsbescheid ungeachtet der Rechtsmittelbeschränkung in §77 Abs 1 Z 1 AbgEO ein Rechtsmittel zu erheben (; , 84/13/0071). Lediglich gegen den Bescheid betreffend das Verfügungsverbot wäre ein Rechtsmittel gemäß § 77 Abs 1 Z 1 AbgEO unzulässig.
§ 65 Abs. 1 AbgEO: Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolgt mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, daß das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommender Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.
§ 65 Abs. 3 AbgEO: Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.
Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen (§ 65 Abs. 3 AbgEO). Der Bw. ist Schuldner der Abgabenschuldnerin, sohin der Drittschuldner. Diesem steht das Rechtsmittel gemäß § 65 Abs. 4 AbgEO zu.
Gemäß § 78 Abs. 1 AbgEO kann auf Grund eines Sicherstellungsauftrages (§ 232 BAO) zur Sicherung von Abgaben und Abgabenstrafen schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden.
Gemäß § 78 Abs. Abs. 3 erster Satz AbgEO sind auf das finanzbehördliche Sicherungsverfahren die Bestimmungen des I. Teils sinngemäß anzuwenden.
Aus den zitierten Gesetzesbestimmungen ergibt sich, dass im finanzbehördlichen Sicherstellungsverfahren die Pfändung grundbücherlich nicht sichergestellter Geldforderungen in Betracht kommt. Mit der Pfändung (bzw. Verwahrung) der im Gesetz erschöpfend aufgezählten Vermögenswerte ist das Sicherstellungsverfahren beendet.
Die Pfändung einer Geldforderung zur Sicherung von Abgaben setzt gemäß § 78 Abs. 1 AbgEO einen nach den Grundsätzen des § 232 BAO erlassenen Sicherstellungsauftrag voraus. Entscheidend ist, dass ein Sicherstellungsauftrag und damit ein Titel für das Vollstreckungsverfahren vorliegt (vgl. , mwN; ).
Zweck und Aufgabe des Sicherungsverfahrens ist es, dem Abgabengläubiger bereits in einem Zeitpunkt, in dem sein Anspruch zwar dem Grunde nach feststeht, aber noch nicht realisierbar ist, wegen drohender Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgabenschuldigkeiten ein Pfandrecht zu verschaffen, dessen Rang auch für die nachfolgende Exekution zur Hereinbringung der Abgaben maßgebend ist, um dadurch die rechtlich erst später zulässige Durchsetzung des Abgabenanspruches zu gewährleisten. Damit der Zweck eines Sicherungsverfahrens als Sofortmaßnahme gewahrt ist, und zur Sicherung von Abgabenschuldigkeiten Pfandrechte rasch begründet werden können, fordert der Gesetzgeber gemäß § 232 BAO schon für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages daher nur das Vorliegen eines dem Grunde nach entstandenen Abgabenanspruches sowie das Vorliegen von gewichtigen Anhaltspunkten für dessen Höhe und für die drohende Gefährdung oder Erschwerung der Abgabeneinbringung beim Abgabenschuldner (; , 0046). Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages ist somit, bei Erfüllung der sonstigen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen iSd § 232 BAO selbst dann rechtmäßig, wenn die Abgabenschuld dem Ausmaß nach noch nicht feststeht ().
Ebenso wäre es mit dem Normzweck des Sicherungsverfahrens aber auch unvereinbar, wenn für die Vornahme der Pfändung von Vermögenswerten des Abgabenschuldners die Rechtskraft des Sicherstellungsauftrages abgewartet werden müsste. § 78 Abs. 1 AbgEO sieht deshalb ausdrücklich vor, dass auf Grund eines Sicherstellungsauftrages Vollstreckungshandlungen zur Sicherung von Abgaben schon vor Eintritt der Rechtskraft oder vor Ablauf der für die Leistung bestimmten Frist angeordnet werden können. Schlussfolgernd daraus kann auch die auf einem Sicherstellungsauftrag basierende Pfändung von Vermögenswerten des Abgabenschuldners als Vollstreckungshandlung zur Sicherung der Abgabenschuld rechtmäßigerweise nur zwischen Erlassung des Sicherstellungsauftrages (Titel für die Sicherungsmaßnahme) und Eintritt der Abgabenvollstreckbarkeit (Ende des Sicherungszeitraumes) vorgenommen werden.
Das Sicherungsverfahren durch Forderungsexekution findet mit der Pfändung der Geldforderung sein Ende; eine Verwertung durch Überweisung zur Einziehung iSd §§ 71 ff AbgEO hat im Sicherungsverfahren nicht stattzufinden ().
Soweit der Bf. auf die gegen den Sicherstellungsauftrag eingebrachte Beschwerde verweist, ist im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf hinzuweisen, dass Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Sicherstellungsauftrages im Zuge des Vollstreckungsverfahrens nicht geltend gemacht werden können.
Abgesehen vom Vorliegen eines nach den Grundsätzen des § 232 BAO erlassenen Sicherstellungsauftrages setzt die Pfändung einer Geldforderung zur Sicherstellung von Abgaben einen den vorstehenden Anordnungen entsprechenden Pfändungsbescheid und im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner zumindest eine dem Grunde nach entstandene Geldforderung voraus.
Zu den Pfändungen ist auszuführen, dass das Finanzamt jeweils von einer pfändbaren Forderung ausgeht. Die Pfändung erfolgte gemäß § 65 AbgEO dadurch, dass dem Drittschuldner verboten wurde, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Die im Sicherungsverfahren unzulässige Überweisung an die Republik Österreich zur Einziehung ist nicht erfolgt. Seitens des Drittschuldners erfolgten aktenkundig keine Einwendungen gegen die Pfändung. Die aufgrund des Sicherstellungsauftrages vorgenommenen Pfändungen sind daher seitens des Finanzamtes zu Recht erfolgt.
Im Übrigen wird auf die umfassende Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichenddurch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 65 Abs. 3 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101688.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at