Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2021, RV/7101303/2013

Pendlerpauschale, doppelte Haushaltsführung, Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des FA Amstetten Melk Scheibbs vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2010 und 2011, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist verheiratet und hat ihren Hauptwohnsitz in ***A***. Sie brachte am elektronisch ihre Einkommensteuererklärungen für die Kalenderjahre 2010 und 2011 ein.

Die Bf. war in den berufungsgegenständlichen Jahren in Wien nichtselbständig tätig. Der Familienwohnsitz befand sich in ***A***. Teilweise hat die Bf. die Stecke Wohnung - Arbeitsstätte täglich zurückgelegt (gependelt) und teilweise hat sie in Wien genächtigt.

Die Bf. beantragte unter anderem in ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 ein Pendlerpauschale in Höhe von 1.686 Euro und für das Jahr 2011 in Höhe von 918 Euro. Weiters beantragte die Bf. Aufwendungen für Familienheimfahrten und Doppelte Haushaltsführung in folgender Höhe:


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2010
beantragt
Doppelte Haushaltsführung für 4 Monate
1.400,00
Familienheimfahrten für 4 Monate (17 Wochen)
120 km *2* 0,42= 100,8 €
100,8*17 Wochen= 1.713,60Maximal pro Monat 306 *4=
1.224,00


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2011
beantragt
Doppelte Haushaltsführung für April bis Dezember
(9 Monate)

2.970,00
Familienheimfahrten für 9 Monate (39 Wochen)
120 km *2* 0,42= 100,8 €
100,8*39 Wochen= 3.931,20Maximal pro Monat 306 *9=
2.754,00

Im Zuge der Veranlagung wurden vom Finanzamt weitere Ermittlungen durchgeführt. Mit E-Mail vom wurde die Bf. aufgefordert weitere Unterlagen vorzulegen und noch einige Fragen zu beantworten:

"Bitte reichen Sie die Dienstverträge beider Arbeitsverhältnisse sowie Ihre Arbeitsauf-zeichnungen nach.

Geben Sie auch bekannt, warum Sie zeitweise in Wien übernachtet haben und warum Sie dann wieder gependelt sind.

Bitte schicken sie noch die Belege für die Monate Jänner und Februar 2010 und die Adresse bzw. Steuernummer von ***B*** und ***C*** nach."

In der Beantwortung am übermittelte die Bf. die Unterlagen und führt hiezu aus:

"Unter Bezugnahme auf Ihr Mail vom übermittle ich in der Anlage:

1. den Dienstzettel betreffend ***D*** GmbH (Dienstvertrag wurde mündlich abgeschlossen) [Mail 1, da ansonsten Datei zu groß]

2. den Dienstzettel ***E*** (Dienstvertrag wurde mündlich abgeschlossen) [Mail 2, da ansonsten Datei zu groß]

3. die Zahlungsbestätigung von ***F*** (Adresse: ***Adresse_F***, Steuernummer habe ich leider keine) [Mail 1, da ansonsten Datei zu groß]

Die (Wohnungs-) Adresse von ***C*** lautet: ***Adresse_C***, Steuernummer habe ich leider keine. Auch Arbeitsaufzeichnungen liegen mir nicht vor.

In der Kanzlei ***E*** ist unter 4. vereinbart: "Die Einteilung der täglichen Arbeitszeit sowie deren Abänderung obliegt dem Dienstgeber. Bis auf weiteres wird die Arbeitszeit festgelegt mit Montag bis Freitag, jeweils von 08:30 Uhr bis 17:00 Uhr mit einer Mittagspause von 12:00 bis 12:30 Uhr, zuzüglich 5 Überstunden pro Monat." Ich war regelmäßig so um acht herum am Dienstort. In der Kanzlei ***D*** ist keine Vereinbarung getroffen, Dienstbeginn war jedoch je nach Arbeitsanfall zwischen 8 und 8:30. Auch am Abend war grundsätzlich kein fixes Dienstende, tatsächlich wurde so lange gearbeitet, bis alle Fristen (für Schriftsätze etc.) abgearbeitet waren. Teleworking war in keiner der beiden Kanzleien möglich.

Ab Mai 2010 hatte ich in Wien kein Zimmer mehr zur Verfügung, weshalb ich pendeln musste. Erst ab April 2011 war dann das Zimmer bei ***C*** frei.

Ich hoffe alle Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben, stehe für weitere Fragenbeantwortung jederzeit gerne zur Verfügung und ersuche höflich um Empfangsbestätigung der beiden Mails."

Vorgelegt wurde von der Bf. unter anderem auch eine Wegzeitberechung für den Weg Wohnung-Arbeitsstätte für beide Dienstgeber, wobei nach eigenen Angaben der Bf. die Wartezeiten bei den öffentlichen Verkehrsmitteln berücksichtigt wurden.

1. Wohnhaus ***A*** - Arbeitsstätte ***Adresse_Arbeitsstätte_E*** (Kanzlei ***E***)


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Wohnhaus ***Adresse*** - ***A*** Marktplatz
10 Minuten
***A*** Marktplatz - Wieselburg
33 Minuten
Wieselburg - Wien West (gem. ÖBB)
90 Minuten
Wien West - Herrengasse U3
18 Minuten
Herrengasse U3 zu Fuß bis ***Adresse_Arbeitsstätte_E***
13 Minuten
164 Minuten

2. Wohnhaus - Arbeitsstätte ***Adresse_Arbeitsstätte_D*** (Kanzlei ***D***)


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Wohnhaus ***Adresse*** - ***A*** Marktplatz
10 Minuten
***A*** Marktplatz - Wieselburg
33 Minuten
Wieselburg - Wien West (gem. ÖBB)
90 Minuten
Wien West - Herrengasse U3
18 Minuten
Herrengasse U3 zu Fuß bis ***Adresse_Arbeitsstätte_D***
16 Minuten
167 Minuten

Weiters wurden Zahlungsbestätigungen (Überweisungsbestätigungen) für die Zahlungen an die Unterkunftgeber vorgelegt. Dabei handelt sich um 2 Bestätigungen für das Kalenderjahr 2010 mit je 700,00 €. Der Betrag wurde für 2 Monate für die Mitbenutzung der Wohnung des jeweiligen Unterkunftgebers verrechnet.Die Bf. gab an von Jänner bis April 2010 in Wien genächtigt zu haben. Somit wurden für das Jahr 2010 insgesamt 1.400,00 € für 4 Monate beantragt.

Für das Kalenderjahr 2011 wurde laut der vorgelegten Bestätigungen der Banküberweisungen insgesamt 2.310,00 € überwiesen. Dieser Betrag ergibt sich aus folgenden Überweisungen laut der Bestätigung:


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330,00
660,00
660,00
330,00
(Verwendungszeck: Wohnung 12/2011 u. 1/2012)
660,00

Laut dem Antrag der Bf. für die Berücksichtigung der Werbungskosten für Doppelte Haushaltsführung betrug der monatliche Aufwand 330 €. Die Doppelte Haushaltsführung wurde für 2011 ab April bis Ende des Jahres 2011 beantragt.

Am wurden die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 und 2011 erlassen und nur ein Teil des Pendlerpauschales gewährt und die Aufwendungen für Familienheimfahrten und Doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt. In der zusätzlichen Bescheidbegründung wurde dies wie folgt begründet:

"Gem. § 16 Abs. 1 Z 6 Iit c EStG 1988 ist das große Pendlerpauschale nur dann zu berücksichtigen, wenn dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist.

Bei Ihrer Wegzeitberechnung (164 Minuten bzw. 167 Minuten) sind Sie von der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf der gesamten Wegstrecke ausgegangen. Es ist jedoch eine optimale Kombination zwischen Massenbeförderungs- und Individualverkehrsmittel (zB "Park and Ride") zu unterstellen:


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***A*** - BahnhofYbbs (PKW)
20 min
Ybbs - Wien Westbahnhof (REX)
80 min
Westbahnhof - Schottengasse (U)
15 min
Umsteigen etc.
10 min
Gesamt
125 min

Die Wegzeit für die einfache Wegstrecke ist unter 2,5 Stunden, für den Zeitraum Mai 2010 bis März 2011 wurde daher nur das klein Pendlerpauschale berücksichtigt, da die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Wegstrecke zumutbar ist.

pp 2010: 154,75 x 6 = 928,50 (Mai bis August und November - Dezember)

pp 2011: 168,- x 3 = 504,- (Jänner - März)

Sie haben für die Monate Jänner bis April 2010 und April 2011 bis Dezember 2011 die Kosten einer doppelten Haushaltsführung und wöchentliche Familienheimfahrten für eine einfache Wegstrecke von 120 km geltend gemacht.

Voraussetzung für die Berücksichtigung von Kosten einer doppelten Haushaltsführung und für Familienheimfahrten ist ua., dass eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist.

Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr wird in der Verwaltungspraxis grundsätzlich dann angenommen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt ist. Lt. ständiger Judikatur handelt es sich dabei jedoch um keine starre Grenze, sondern es ist jeder Einzelfall konkret anhand der Verkehrsverbindungen und Arbeitszeiten auf Zumutbarkeit einer täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz zu überprüfen.

Wie aus der Begründung zum Pendlerpauschale hervorgeht, sind Sie in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 9 Monate täglich zu Ihrem Familienwohnsitz zurückgekehrt und es ist für Ihre Wegstrecke Wohnung - Arbeitsstätte überwiegend die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Die beantragten Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten konnten aufgrund der Zumutbarkeit einer täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht als Werbungskosten anerkannt werden."

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. fristgerecht Berufung und führte darin wie folgt aus:

"1. Großes Pendlerpauschale

Richtig ist, dass gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 das große Pendlerpauschale dann zu berücksichtigen ist, wenn dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist.

Der VwGH hat richtigerweise bestätigt, dass die Möglichkeit der kombinierten Benützung privater und öffentlicher Verkehrsmittel ("Park and Ride") bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Verwendung von Massenverkehrsmitteln mit einzubeziehen ist (vgl. 2006/15/0319).

Das bescheiderlassende Finanzamt übersieht jedoch folgende Berufungsentscheidung - Steuer (Senat) UFSW, GZ RV/1060-W/10-RS 6: Rechtssatz:

"Überschreitet die Zeit für den Arbeitsweg unter überwiegender Nutzung des öffentlichen Verkehrs für Hin- und Rückweg zusammen drei Stunden, ist die Benutzung von Massenverkehrsmitteln im Allgemeinen unzumutbar und steht das "große" Pendlerpauschale zu

(i.d.S. auch Doralt, EStG, 13. Auflage, § 16 Tz. 107; RV/0031-G/08 - dazu Demal, UFSjournal 2009, 12, und SWK 2009, K 8 - und RV/0311-G/08). Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung der Tageswegzeit gegenüber einer isolierten Betrachtung jeweils des Hin- und des Rückweges sachgerechter, da auf diese Weise ein allfälliger längerer Weg in eine Richtung durch einen allfällig kürzeren Weg in die andere Richtung ausgeglichen werden kann. § 9 Abs. 2 AIVG hält einen Arbeitsweg von ¼ der Normalarbeitszeit (8 Stunden) bei Vollzeitbeschäftigung zumutbar, also einen Arbeitsweg von i.d.R. einer Stunde je Richtung. Ein Pendler muss in Niederösterreich durchschnittlich ½ Stunde für seinen Arbeitsweg aufwenden. Die vom UFS in seinen vorgenannten Entscheidungen herangezogene Zumutbarkeitsgrenze von 1 ½ Stunden entspricht der dreifachen durchschnittlichen Pendelzeit in Niederösterreich und soll eine derartige Wegzeit etwa nach den Materialien zum Arbeitsmarktreformgesetz 2004 nur bei "Vorliegen besonderer Umstände zumutbar" sein. Eine darüber hinausgehende Wegzeit - also mehr als drei Stunden für den Hin- und Rückweg - ist daher grundsätzlich nicht zumutbar, auch wenn auf Grund des fehlenden adäquaten Arbeitsplatzangebots in der näheren Wohnumgebung oder im gesamten Bundesland Menschen gezwungen sind, eine noch längere Wegzeit in Kauf nehmen zu müssen."

In einem Folgerechtssatz [Berufungsentscheidung - Steuer (Senat) UFSW, GZ RV/1060-W/10-RS9] wird festgestellt: "wie RV/0311-G/08-RS1 (Hier: Im Allgemeinen wird bei einer Normalarbeitszeit von 8 Stunden am Tag ein Arbeitsweg von insgesamt mehr als drei Stunden (also bei gleicher Wegzeit eineinhalb Stunden in eine Richtung) nicht mehr zumutbar sein.) Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem täglichen Dienstweg ist das Verhältnis zwischen der Tageswegzeit und der täglichen Normalarbeitszeit miteinzubeziehen. Für Dienstnehmer in Vollzeitbeschäftigung stellt eine tägliche Wegzeit von drei Stunden pro Tag einen entfernungsunabhängigen Richtwertfür eine Zumutbarkeitsobergrenze dar."

Ebenso lautet der Rechtssatz der oben zitierte Berufungsentscheidung - Steuer (Referent) UFSG, GZ RV/0311-G/08-RS1: "Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf dem täglichen Dienstweg ist das Verhältnis zwischen der Tageswegzeit und der täglichen Normalarbeitszeit miteinzubeziehen. Für Dienstnehmer in Vollzeitbeschäftigung stellt eine tägliche Wegzeit von drei Stunden pro Tag einen entfernungsunabhängigen Richtwert für eine Zumutbarkeitsobergrenze dar."

Die Liste an gleichlautenden Rechtssätzen könnte beinahe beliebig fortgesetzt werden.

Das bescheiderlassende Finanzamt stellte eine Wegzeit für die einfache Wegstrecke von 125 Minuten fest. Für Hin- und Rückweg ergibt sich somit zusammen eine Wegzeit von 250 Minuten, das sind rund 4,2 Stunden.

Da die Zeit für den Arbeitsweg unter überwiegender Nutzung des öffentlichen Verkehrs für Hin- und Rückweg drei Stunden bei weitem überschreitet ist die Benutzung von Massenverkehrsmitteln jedenfalls unzumutbar und steht mir das "große" Pendlerpauschale zu.

Man bedenke - die tägliche Wegstrecke beträgt mehr als die halbe Arbeitszeit (bei Vollbeschäftigung und einer Normalarbeitszeit von 8 Stunden)!

2. Kosten für doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten

Die Kosten für doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten wurden deshalb nicht berücksichtigt, weil eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz zumutbar sei.

Die bescheiderlassende Behörde führt richtiger Weise aus, dass Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr in der Verwaltungspraxis grundsätzlich dann angenommen wird, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt ist. Da wohl auch das bescheiderlassende Finanzamt davon ausgeht, dass die jeweilige Strecke vom Wohnort zum Arbeitsort mehr als 120 Kilometer beträgt, führt es weiters aus, dass dies keine starre Grenze sei, sondern jeder Einzelfall konkret zu prüfen sei, um letztendlich die beantragten Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten deshalb nicht zuzuerkennen, weil die Zumutbarkeit einer täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz aufgrund der Zumutbarkeit der überwiegenden Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sei.

Wie aus dem Tenor des Bescheides hervorgeht, ist unbestritten, dass der Familienwohnsitzvom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt ist. Alleine deshalb hätte das bescheiderlassende Finanzamt im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Verwaltungspraxis zum Schluss kommen müssen, dass eine Rückkehr zum Familienwohnsitz unzumutbar ist.

Wie in der Berufungsentscheidung - Steuer (Senat) UFSW, GZ RV/1060-W/10-RS 6 ausgeführt, tut es nichts zur Sache, ob "auf Grund des fehlenden adäquaten Arbeitsplatzangebots in der näheren Wohnumgebung oder im gesamten Bundesland Menschen gezwungen sind, eine noch längere Wegzeit in Kauf nehmen zu müssen."

Dass ich es 9 Monate in Kauf habe nehmen müssen und gezwungen war, täglich zu meinem Familienwohnsitz zurückzukehren kann auf Grundlage der ergangenen Entscheidung nicht als Begründung herangezogen werden, mir die Kosten für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht zu gewähren. Vielmehr war ich aus persönlichen Gründen und aus Gründen die bei den Vermietern liegen zeitweise zum Pendeln gezwungen.

Zur Widerlegung der Ausführungen der bescheiderlassenden Behörde bezüglich der Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel verweise ich auf Punkt 1. meiner Berufung.

Da mir die Benutzung von Massenverkehrsmitteln aufgrund der zitierten Entscheidungen unzumutbar ist, der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 km entfernt ist und es aufgrund der zitierten Entscheidungen nicht darauf ankommt, ob ich tatsächlich für eine bestimmte Zeit gependelt bin (ich bin nicht aus freien Stücken gependelt, sondern war vielmehr dazu gezwungen) ist eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar und sind deshalb auch die beantragten Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten anzuerkennen."

Die Bf. stellte den Antrag der Berufung (nunmehr Beschwerde) stattzugeben.

Im Zuge der Bearbeitung der Beschwerde wurde die Fahrtzeit bei Verwendung des KFZ für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Laut Michelin Routenplaner beträgt die Fahrtzeit für die 120 km lange Strecke 84 Minuten.

Der Gatte der Bf. war in den berufungsgegenständlichen Jahren in der Nähe des Familienwohnsitzes (11 bzw. 15 Km entfernt von diesem) beschäftigt. Sein Einkommen betrug 14.735,90 € (2010) und 18.083,36 € (2011).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Uneinigkeit besteht im konkreten Fall darüber, ob das sogenannte große Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 oder das kleine Pendlerpauschale nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 zusteht und ob die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten vorliegen.

Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen und der Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes wird der Entscheidung folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Die Bf. hatte seinen Wohnsitz in ***A***, ihre Arbeitsstätte befand sich in Wien. Sie legte somit eine tägliche Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von rund 120 km zurück.

Im Beschwerdefall ergeben sich nach den Feststellungen der belangten Behörde folgende Fahrtmöglichkeiten:

a) Laut dem Michelin-Routenplaner zufolge beträgt die Wegstrecke Wohnung - Dienstort 120 km und kann mit einem PKW in einer Fahrtdauer von 84 Minuten zurückgelegt werden.

b) Die in der Bescheidbegründung dargestellte Ermittlung der Zeit für den Arbeitsweg, bei optimaler Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel, wurde von der Bf. nicht beeinsprucht. Es ergibt sich somit folgendes Bild (bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel) unter Berücksichtigung von Wartezeiten und Fußwegen:


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Auto Wohnung - Bahnhof Ybbs (PKW)
20 min
Öffentliche Verkehrsmittel (ÖBB) vom Bahnhof Ybbs bis Wien Westbahnhof
80 min
Westbahnhof - Schottengasse (U)
15 min
Umsteigen (Fußweg) und Wartezeiten
10 min
Gesamt
125 Minuten

Von der Bf. übermittelten Wegzeitberechnungen für die Fahrtstrecke Wohnung-Arbeitsstelle ergeben wie oben angeführt einen Zeitaufwand von 164 bzw. 167 Minuten.

Weiters wurde die im Zuge der Veranlagung nicht gewährte Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten beantragt.

Die Bf. legte Zahlungsbestätigungen für die Aufwendungen vor.

Dabei ist festzuhalten, dass im Jahr 2010 1.400 € und im Jahr 2011 laut den vorgelegten Bestätigungen insgesamt 1.980,00 €, an Unterkunftsgeber überwiesen wurden. Die Zahlung für Dezember 2011 wurde am gemeinsam mit der Zahlung für 1/2012, insgesamt 660,00 €, durchgeführt. Für 2011 ergibt sich somit ein Betrag von [1.980,00+330,00(Zahlung für Dezember 2011)] 2.310,00 €.

Der Gatte der Bf. war nach Erhebungen des Bundesfinanzgerichtes in beiden Jahren in der Nähe des Familienwohnsitzes (11 bzw 15 km Entfernung davon) beschäftigt. Sein Einkommen betrug 14.735,90 € (2010) und 18.083,36 (2011).

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

1. Pendlerpauschale:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach Z 6 dieser Gesetzesstelle zählen zu den Werbungskosten die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Intention des Gesetzgebers des EStG 1988 war es, durch Neuregelung der Absetzbarkeit von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den bis dahin steuerlich begünstigten, aus umweltpolitischer Sicht aber unerwünschten Individualverkehr einzudämmen und die Bevölkerung zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen (, 0003). Vor diesem Hintergrund wurde § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 geschaffen und ist diese Bestimmung daher so zu verstehen und auszulegen.

Die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Arbeitsweg) sind grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten, der allen aktiven Arbeitnehmern unabhängig von den tatsächlichen Kosten zusteht.

Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 stehen grundsätzlich nur dann zu, wenn

- entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst (sog. kleines Pendlerpauschale) oder

- die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens zwei Kilometer beträgt (sog. großes Pendlerpauschale).

In zeitlicher Hinsicht müssen die entsprechenden Verhältnisse im Lohnzahlungszeitraum überwiegend (dh. an mehr als der Hälfte der Arbeitstage im Lohnzahlungszeitraum) gegeben sein.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 Kilometer und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann sind die in § 16 Abs. 1 Z 6 it. b EStG 1988 genannten Pauschbeträge zu berücksichtigen.

Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden die gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Pauschbeträge (sog. großesPendlerpauschale) berücksichtigt.

Die Z 6 des § 16 Abs. 1 EStG wurde hinsichtlich der Höhe der Pauschbeträge öfter geändert bzw. angepasst.

In der folgenden Übersicht werden die gültigen Pauschbeträge für die berufungsgegenständlichen Jahre aufgelistet:

§ 16 Abs. 1 Z 6 it. b EStG 1988 (kleines Pendlerpauschale)


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Entfernung
ab bis
ab bis
ab 20 km
630,00 €
696,00 €
ab 40 km
1.242,00 €
1.356,00 €
ab 60 km
1.857,00 €
2.016,00 €

§ 16 Abs. 1 Z 6 it. c EStG 1988 (großes Pendlerpauschale)


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Entfernung
ab bis
ab bis
ab 2 km
342,00 €
372,00 €
ab 20 km
1.356,00 €
1.476,00 €
ab 40 km
2.361,00 €
2.568,00 €
ab 60 km
3.372,00 €
3.672,00 €

Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach der geltenden Verwaltungspraxis für die Streitzeiträume wird folgende Auslegung vertreten:

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt.

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt.

Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten, aber nicht mehr als 2,5 Stunden, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.

Wie oben bereits ausgeführt wurde die Fahrtzeit mit dem PKW (84 Minuten) für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Die dreifache Fahrtdauer würde 252 Minuten betragen.

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - im öffentlichen Interesse - nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden ().

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XVII. GP, 75) ist die Zumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln auf Grund der Fahrzeiten zu prüfen: Unzumutbar seien im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km sei die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Eine Gesamtwegzeit (in einer Richtung) von eineinhalb Stunden wird aber nicht nur im Nahbereich, sondern allgemein als zumutbar anzusehen sein (-I/12).

Unzumutbarkeit liegt beispielsweise bei tatsächlicher Unmöglichkeit vor, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit (Nachtarbeit) verkehrt. Unzumutbarkeit liegt auch wegen langer Anfahrtszeit vor. Wird bei einer einfachen Wegstrecke ab 40 km eine Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten ist die Unzumutbarkeit gegeben. Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt aber auch dann vor, wenn die Fahrt zur Arbeitsstätte und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als drei Mal so lange dauert wie mit dem privaten Pkw.

Nach steht der Umstand, dass ein Teil der Gesamtwegstrecke nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden und die Benützung eines Individualverkehrsmittels deshalb unerlässlich ist, der Annahme der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel so lange nicht entgegen, als der Anfahrtsweg bis zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrsmittels zuzüglich sonstiger erforderlicher Gehwege bei ansonsten aber gegebener Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz weniger als die Hälfte der Gesamtwegstrecke beträgt. Bei Ermittlung der Gesamtwegzeit ist vom schnellsten verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel auszugehen und eine optimale Kombination von Massen- und Individualverkehrsmittel zu unterstellen ("park and ride"; ; - W/08).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom , 2011/15/0132 auf das Erkenntnis , verwiesen. Darin führt der Verwaltungsgerichtshof zur Zumutbarkeit der Verwendung von öffentlichen Verkehrsmitteln für den täglichen Arbeitsweg aus:

"Eine nähere ausdrückliche Bestimmung, was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG zu verstehen ist, ist dem Gesetz - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - nicht zu entnehmen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0053).

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0001, und vom , 2007/15/0053).

Der Begriff der Unzumutbarkeit in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 handelt dabei - entgegen der offenbaren Annahme der belangten Behörde und der Mitbeteiligten - nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns an sich, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0132).

Dies setzt allerdings grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr voraus.

Die im angefochtenen Bescheid zitierte Spruchpraxis der belangten Behörde, die ab Erreichen einer gewissen Fahrzeitdauer eine absolute Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich mit dem Individualverkehr vornimmt, entspricht damit nicht dem Gesetz. Sie würde dazu führen, dass beispielsweise auf Strecken mit sehr gut ausgebauten Eisenbahnschnellverbindungen die Benützung eines Massenbeförderungsmittels "unzumutbar" wäre, selbst wenn dieses schneller als der Individualverkehr wäre.

Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG herangezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Die Erl RV zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:

"'Unzumutbar' sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten jedenfalls für zumutbar halten. Diese Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.

Im Beschwerdefall ergibt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde an vier von fünf Arbeitstagen der Mitbeteiligten nur eine Differenz der Gesamtfahrtdauer zwischen Massenbeförderungsmittel (3 Stunden 25 oder 22 Minuten) und Individualverkehr (3 Stunden) von 25 oder 22 Minuten. Damit beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel, wie das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht herausstreicht, lediglich das 1,2fache der Wegzeit mit dem Kfz.

Gerade in solchen Fällen geringfügiger Differenz der Fahrzeiten ist nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und seiner vorrangigen Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr der Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs zumutbar. Die Mitbeteiligte räumt im Übrigen auch ein, dass sie tatsächlich nicht mit dem Pkw, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Dass ein tägliches Pendeln von rund 3 Stunden sowohl mit dem Pkw als auch mit dem Massenbeförderungsmittel an sich belastend ist, ist unzweifelhaft. Insoweit finden auch in anderen Rechtsbereichen - wie etwa in dem von der Mitbeteiligten vorgebrachten Arbeitslosenversicherungsrecht oder bei der Berücksichtigung von Aufwendungen berufsbedingter doppelter Haushaltsführung - andere Unzumutbarkeitsbegriffe Anwendung. Nimmt ein Arbeitnehmer das Pendeln dennoch in Kauf, ist allerdings gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zur Bestimmung des zumutbaren Verkehrsmittels ein Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr notwendig.

Indem die belangte Behörde ohne das Anstellen eines solchen Vergleichs allein aufgrund einer absoluten Gesamtfahrzeit von über 3 Stunden schon von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln ausgegangen ist und bereits deshalb eine Relevanz der neu hervorgekommenen öffentlichen Anreisemöglichkeiten ausgeschlossen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr ausschlaggebend ist und eine Fahrzeit von 90 Minuten für die einfache Strecke unter Zugrundelegung einer Kombination von Massenbeförderungsmitteln und PKW jedenfalls zumutbar ist. Die Heranziehung von Unzumutbarkeitsbegriffen aus anderen Rechtsbereichen wie zB dem Arbeitslosenversicherungsrecht hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, ist bei Ermittlung der Wegzeit immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG [Stand ], § 16 Anm 81).

Bei Feststellung der für die Zumutbarkeit maßgeblichen Fahrtdauer mit Massenbeförderungsmitteln ist im gegenständlichen Fall von den vom Bundesfinanzgericht ermittelten Verkehrsverbindung auszugehen.

Wie oben bereits dargestellt ergibt sich bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel eine Fahrtzeit von 125 Minuten. Dies ist somit eine Gesamtfahrtzeit pro Tag von 250 Minuten (4 Stunden 10 Minute).

Die Fahrtzeit für die Strecke Wohnung - Dienstort mit dem PKW beträgt, wie bereits ausgeführt, laut Michelin-Routenplaner 84 Minuten, somit pro Tag 168 Minuten (2 Stunden 48 Minuten).

Die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel beträgt somit das 1,5 fache der Wegzeit mit dem PKW.

Selbst wenn man die Fahrtzeit, welche die Bf. mit den öffentlichen Verkehrsmitteln angegeben hat annimmt, beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel nur das 2 fache der Wegzeit mit dem PKW.

Ausschlaggebend ist, ob das öffentliche Verkehrsnetz benützt werden konnte, nicht von Bedeutung ist, ob es auch tatsächlich verwendet wurde.

Der Bf. ist einzuräumen, dass die Abhängigkeit von den Fahrzeiten öffentlicher Verkehrsmittel aus Sicht des jeweiligen Arbeitnehmers unbefriedigend sein kann, doch liegt dies im - dem Gesetzgeber bekannten - Wesen öffentlicher Verkehrsmittel und führt diese Abhängigkeit allein noch nicht zur Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Maßgebend ist, ob bei einer zumutbaren Gestaltung der Arbeitszeiten öffentliche Verkehrsmittel mit einer zumutbaren Gesamtwegzeit verwendet werden können ().

Nach den obigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes ("Unzumutbar" sind im Vergleich zu einem KFZ jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrtzeiten) steht somit das große Pendlerpauschale nicht zu.

Die Beschwerde wird in diesem Beschwerdepunkt abgewiesen.

2. Doppelte Haushaltsführung:

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Das gilt gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig. Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (sowohl am Familienwohnsitz als auch an einem weiteren Wohnsitz am Beschäftigungsort) sind steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes noch als durch die Einkunftserzielung veranlasst gilt (vgl. , m.w.N.).

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob es für die Bf. im Streitjahr zumutbar war, täglich eine Strecke von insgesamt etwa 240 km bei einem Zeitaufwand von mindestens 168 Minuten zurückzulegen.

Im Erkenntnis , bestätigte der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, wonach die tägliche Zurücklegung einer Strecke von insgesamt etwa 262 km bei einem Zeitaufwand von jeweils insgesamt etwa 140 Minuten nicht mehr zumutbar sei. Der vorliegende Fall weicht nicht wesentlich von jenen Werten ab, wobei die Gesamtfahrzeit von rund 168 Minuten nur unter der Annahme zu erreichen ist, dass die Bf. nicht im Berufsverkehr unterwegs ist. Die Bf. hat, wie im Sachverhalt ausgeführt, eine Arbeitszeit von 8:30 bis 17:00 Uhr, und auch Überstunden zu leisten. Die Arbeitszeitregelung der Bf. führt zu Fahrtzeiten während des Berufsverkehrs, wodurch sich die Wegzeit erheblich verlängern kann. Durch die fixe Arbeitszeit der Bf. ist es ihr auch nicht möglich durch eine frühere morgendliche Anreise ihre Fahrzeiten zu optimieren.

Insgesamt ist somit davon auszugehen, dass der Bf. im Streitjahr die tägliche Rückkehr an ihrem Familienwohnsitz nicht zumutbar war.

Zu prüfen bleibt daher, ob der Bf. im Streitjahr die Verlegung ihres Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung zumutbar gewesen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt (vgl. zB , m.w.N.), dass die Beibehaltung eines (Familien-)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann verschiedenen Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben.

Gegen die Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Erwerbstätigkeit spricht im vorliegenden Fall, dass der Ehegatte der Bf. im Streitjahr in der Nähe des Familienwohnsitz Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 14.735,90 € (2010) bzw. 18.083,36 € (2011) erzielte.

Berufstätigkeit des Ehepartners am Familienwohnsitz hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach als Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes unter der Bedingung bejaht, dass der Ehepartner des Steuerpflichtigen aus seiner Berufstätigkeit nachhaltige Einkünfte nicht bloß untergeordneten Ausmaßes erzielt ().

Bei der hier vorliegenden Relation der Einkommen der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten, nach dem die Einkünfte des Ehegatten der Beschwerdeführerin über 40 % des Familieneinkommes ausmachen, kommt dem Beitrag der Einkünfte des Ehegatten zum Familieneinkommen ein solches Gewicht zu, das es rechtfertigt, die Gefahr des Verlustes solcher Einkünfte durch einen Wechsel des Familienwohnsitzes als Grund zu erkennen, der eine Unzumutbarkeit des Wechsels des Familienwohnsitzes bewirkt.

Da für die Bf. in den Streitjahren sowohl die tägliche Rückkehr an ihrem Familienwohnsitz als auch dessen Verlegung an den Ort der Beschäftigung unzumutbar waren, sind die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten dem Grunde nach anzuerkennen. Hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen können die Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung nur soweit anerkannt werden als diese durch Belege nachgewiesen wurden.

Es werden somit folgende Beträge im Zusammenhang mit der beantragten doppelten Haushaltsführung anerkannt:


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2010
2011
1.400,00 €
2.310,00 €

Die Aufwendungen für Familienheimfahrten für 2010 und 2011 werden für die Monate der doppelten Haushaltsführung gewährt. Die Höhe der absetzbaren Kosten sind durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit e mit dem höchsten Pendlerpauschale begrenzt. Es ergeben sich daher für die berufungsgegenständlichen Jahre folgende Beträge:

2010:

3.372,00 / 12 * 4 = 1.124,00 €

2011:

3.672,00 / 12 * 9 = 2.754,00 €

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

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