§ 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988: Befreiung von Zulagen bei Frontex-Einsätzen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang/Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer ist Polizist und war im Jahr 2017 für die EU-Agentur Frontex auf zwei Auslandseinsätzen.
In der elektronisch eingebrachten Arbeitnehmerveranlagung beantragte er unter anderem "sonstige Werbungskosten" in Höhe von 17.188,78 Euro.
2. In der Vorhaltsbeantwortung vom macht der BF folgende Angaben bezüglich der sonstigen Werbungskosten iHv. 17.188,78: "Siehe ."
Unter der Überschrift "Rückrechnung zuviel berechnete Lohnsteuer" findet sich eine nicht nachvollziehbare Aufstellung von Zahlen.
3. Im Einkommensteuerbescheid vom wurden diese Werbungskosten mit folgender Begründung nicht anerkannt:
"Mit der Vorhaltsbeantwortung - Rückverrechnung zuviel bezahlter Lohnsteuer - unter Anführung eines nicht nachvollziehbaren Zahlenwerkes, ist kein Sachverhalt begründet, welcher den Werbungskostenabzug rechtfertigen würde. ... Es ist Aufgabe des Steuerpflichtigen einen Vorhalt so präzise zu beantworten, dass die Behörde einen steuerlichen Sachverhalt erkennen und darüber absprechen kann."
4. In der Beschwerde vom wurde wiederum auf das verwiesen und eine "Rückrechnung zu viel bezahlter Lohnsteuer" in Höhe von 8.803 Euro beantragt. Eine Verzichtserklärung gemäß § 39a Abs. 5 BDG 1979 wurde trotz Vorhalt im gesamten Verfahren nicht vorgelegt.
5. Im E-Mail des für besoldungsrechtliche Angelegenheiten zuständigen Referats des Bundesministeriums für Inneres vom an das Finanzamt wurde mitgeteilt, dass in der Lohnverrechnung des BF im Jahr 2017 Reisezulagen in Höhe von 1.159,43 Euro, 1.042,22 Euro, 1.056,17 Euro und 1.084,62 Euro (insgesamt somit 4.347,44 Euro) als steuerpflichtig berücksichtigt wurden.
6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.
7. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor, beantragte die Abweisung und nahm wie folgt Stellung:
"Nach § 119 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. In diesem Zusammenhang sieht § 138 Abs. 1 BAO vor, dass die Abgabepflichtigen auf Verlangen der Abgabenbehörde zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen, sowie dessen Richtigkeit zu beweisen haben. § 138 Abs. 1 BAO betrifft vor allem die Feststellung solcher Verhältnisse, die für die Abgabenbehörde nur unter Mithilfe des Abgabepflichtigen aufklärbar sind, also Umstände, denen der Abgabepflichtige hinsichtlich der Beweisführung näher steht als die Abgabenbehörde.
Um eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 8 EStG zu erlangen ist eine Verzichtserklärung gemäß § 39a Abs. 5 BDG 1979 notwendig.
Mit Vorhalt vom des Finanzamtes Österreich, Dienststelle ***2***, wurde der Versuch einer präzisen Sachverhaltsklärung bezüglich der Verzichtserklärung gemäß § 39a Abs. 5 BDG 1979 unternommen.
Im gegenständlichen Fall wurde den Mindestanforderungen zur Lohnsteuerrückerstattung nicht nachgekommen bzw wurden keine Umstände, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden könnte, vorgebracht."
8. Mit E-Mails vom und vom übermittelte der BF dem Bundesfinanzgericht folgende Unterlagen:
Ein Dokument datiert mit mit der Bezeichnung "Verzichtserklärung", in der der BF auf die nationalen Reisegebühren gemäß § 39 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG) iVm § 1 Abs 4 Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV) bezüglich seiner Entsendung nach ***1*** verzichtet.
Ein Dokument, in dem von der Dienststelle des BF bestätigt wird, dass der BF auf die Reisegebühren bezüglich seiner Entsendung in Zusammenhang mit den Frontex-Einsätzen im Zeitraum bis und von bis verzichtet hat.
Für das Bundesfinanzgericht steht somit fest, dass der BF gemäß § 39a BDB 1979 für gewisse Zeiträume innerhalb des Jahres 2017 entsendet wurde und für Frontex im Ausland tätig war.
Gemäß § 39a Abs 5 BDB hat er auf die ihm nach der RGV gebührenden Leistungen schriftlich verzichtet.
Der BF erhielt von der EU-Agentur Frontex Reisezulagen, welche in der Lohnverrechnung des BF in Höhe der Tagsätze iSd § 26 Z 4 EStG 1988 steuerfrei belassen wurden. Die über den Tagsätzen bezahlten Beträge iHv. 4.347,44 Euro wurden als steuerpflichtige Reisezulagen berücksichtigt und wurden vom BF als Werbungskosten geltend gemacht.
Die Ermittlung des über den Betrag von 4.347,44 Euro hinausgehenden, als Werbungskosten beantragten Betrages iHv. 17.188,78 Euro kann vom Bundesfinanzgericht nicht nachvollzogen werden.
Beweiswürdigung
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt basiert auf den vom Finanzamt vorgelegten Akten und den vom BF dem Bundesfinanzgericht übermittelten Dokumenten.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
§ 3 Abs 1 Z 8 EStG1988 lautet:
"(1) Von der Einkommensteuer sind befreit:
[…]
8. Bei Auslandsbeamten (§ 92) die Zulagen und Zuschüsse gemäß § 21 des Gehaltsgesetzes 1956 in der Fassung der 53. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 314/1992, sowie Kostenersätze und Entschädigungen für den Heimaturlaub oder dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Bezüge, Kostenersätze und Entschädigungen auf Grund von Dienst(Besoldungs)ordnungen von Körperschaften des öffentlichen Rechts."
§ 92 Abs. 1 EStG 1988 lautet:
"Auslandsbeamte
(1) Für Auslandsbeamte im Sinne des § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung ist die Lohnsteuer nach den §§ 33 und 66 bis 68 zu berechnen. Der Arbeitnehmer hat die für die Anwendung dieser Bestimmungen maßgebenden Verhältnisse durch eine amtliche Bescheinigung nachzuweisen."
§ 26 Abs. 3 BAO lautet:
"(3) In einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte), werden wie Personen behandelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle haben. Das gleiche gilt für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, und für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören."
§ 39 Abs. 4 BDG 1979 lautet:
"(4) Bei einer Dienstzuteilung ist auf die bisherige Verwendung des Beamten und auf sein Dienstalter, bei einer Dienstzuteilung an einen anderen Dienstort außerdem auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse Bedacht zu nehmen."
§ 39a Abs. 1 und 2 sowie 4 und 5 BDG 1979 lauten:
"(1) Die Zentralstelle kann den Beamten mit seiner Zustimmung 1. zu Ausbildungszwecken oder als Nationalen Experten zu einer Einrichtung, die im Rahmen der europäischen Integration oder der OECD tätig ist, oder 2. für eine im Bundesinteresse gelegene Tätigkeit zu einer sonstigen zwischenstaatlichen Einrichtung oder 3. zu Aus- oder Fortbildungszwecken für seine dienstliche Verwendung zu einer Einrichtung eines anderen inländischen Rechtsträgers im Inland oder 4. für eine Tätigkeit im Rahmen von Partnerschaftsprojekten auf Grund von Außenhilfsprogrammen der Europäischen Union (insbesondere so genannten Twinning-Projekten) entsenden.
(2) Auf die Entsendung sind die Bestimmungen über die Dienstzuteilung anzuwenden. Für die Dauer einer solchen Entsendung gilt die betreffende Einrichtung als Dienststelle.
[...]
(4) Erhält der Beamte für die Tätigkeit selbst, zu der er entsandt worden ist, oder im Zusammenhang mit ihr Zuwendungen von dritter Seite, so hat er diese Zuwendungen dem Bund abzuführen.
(5) Abs. 4 ist nicht anzuwenden, wenn der Beamte auf alle ihm aus Anlaß der Entsendung nach § 21 des Gehaltsgesetzes 1956 und nach der Reisegebührenvorschrift 1955, BGBl. Nr. 133, gebührenden Leistungen schriftlich verzichtet; ein teilweiser Verzicht ist unzulässig. Im Fall des Verzichts gelten die von dritter Seite erhaltenen Zuwendungen, soweit sie nicht Reisekostenersätze sind, als Zulagen und Zuschüsse gemäß § 21 des Gehaltsgesetzes 1956. Ein Verzicht ist rechtsunwirksam, wenn ihm eine Bedingung beigefügt ist. Der Verzicht oder ein allfälliger Widerruf des Verzichts werden ab dem dem Einlangen folgenden Monatsersten wirksam; langen sie an einem Monatsersten ein, dann ab diesem."
Voraussetzung für die Befreiung in § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988 ist, dass der Steuerpflichtige als Auslandsbeamter im Sinne des § 92 EStG 1988 iVm § 26 Abs. 3 BAO anzusehen ist.
Gemäß § 26 Abs. 3 BAO sind Auslandsbeamte österreichische Staatsbürger, die in einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes stehen und die ihren Dienstort im Ausland haben. § 26 Abs. 3 BAO enthält eine Fiktion in Bezug auf das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthaltes. Durch die Bestimmung des § 26 Abs. 3 BAO wird u.a. bewirkt, dass Auslandsbeamte und die in der genannten Bestimmung umschriebenen Familienangehörigen auch ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind (vgl. § 1 Abs. 2 EStG 1988). Aus der Verknüpfung der Worte "Dienstverhältnis", "Dienstort im Ausland" sowie "Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle" im ersten Satz des § 26 Abs. 3 BAO ergibt sich, dass in Bezug auf das die Dienstbezüge auslösende Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes der Dienstort im Ausland gelegen sein muss, um von einem "Auslandsbeamten" im Sinne dieser Bestimmung sprechen zu können (, VwSlg 8116/F).
Auch wenn der Zweck des § 26 Abs. 3 BAO darin besteht, bei Auslandsbeamten, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu fingieren, um eine unbeschränkte Steuerpflicht zu begründen (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 341), ist für Zwecke des § 3 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 davon auszugehen, dass das Fehlen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts keine Voraussetzung fiir die Befreiung der Zulagen gemäß § 21 GehaltsG ist. Es ist allein darauf abzustellen, ob der zulagenempfangende Beamte seinen Dienstort in Bezug auf das die Dienstbezüge auslösende Dienstverhältnis im Ausland hat. Dabei ist auf die dienstrechtlichen Bestimmungen abzustellen.
Das BDG sieht keine Definition des Dienstortes vor. Aus § 39 Abs. 4 BDG ergibt sich aber, dass dienstrechtlich - anders als nach § 2 RGV, der als Dienstort die Ortsgemeinde, in der die Dienststelle liegt, der der Beamte dauernd zur Dienstleistung zugewiesen ist, und als Dienstzuteilung die vorübergehende Zuweisung an einen "anderen" Ort definiert - eine Dienstzuteilung auch an einen anderen Dienstort erfolgen kann. Als dieser kann vor dem Hintergrund des § 39 Abs. 4 BDG, wenn Organisationsvorschriften nicht etwas anderes vorsehen, nur der Ort, an dem die Dienststelle ihren Sitz hat, der der Beamte vorübergehend zugewiesen wird, in Betracht kommen (vgl. zur Unterscheidung dienstrechtlicher und speziell reisegebührenrechtlicher Begriffe etwa ).
§ 39a Abs. 2 BDG 1979 sieht vor, dass auf die Entsendung die Bestimmungen über die Dienstzuteilung anzuwenden sind, und enthält eine Fiktion, wonach die betreffende Einrichtung, an die der Beamte entsendet wurde, für die Dauer der Entsendung als Dienststelle gelte. Der Dienstort eines gemäß § 39a BDG 1979 an eine ausländische Einrichtung entsendeten Frontex-Beamten liegt somit für die Dauer seiner Entsendung im Ausland ().
Der BF wurde gemäß § 39a BDG 1979 für gewisse Zeiträume innerhalb des Jahres 2017 an eine ausländische Einrichtung entsendet und war für Frontex im Ausland tätig; seine Dienststelle und damit sein Dienstort befanden sich aufgrund der Fiktion des § 39a Abs. 2 BDG 1979 im Ausland. Er war damit für den Entsendezeitraum als Auslandsbeamter im Sinne des § 26 Abs. 3 BAO anzusehen.
Gemäß § 39a Abs. 5 BDG hat er auf die ihm nach der RGV gebührenden Leistungen schriftlich verzichtet. Der Verzicht führt nach dieser Bestimmung dazu, dass die von dritter Seite empfangenen Zahlungen als Zulagen gemäß § 21 GehG gelten und damit unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 fallen.
Soweit in der Lohnverrechnung des BF im Jahr 2017 Reisezulagen iHv. 4.347,44 Euro als steuerpflichtig berücksichtigt wurden, werden diese als steuerfrei anerkannt.
Das betraglich darüber hinausgehende Begehren ist als unbegründet abzuweisen.
Der Bescheid war daher spruchgemäß abzuändern.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 39a Abs. 2 BDG 1979, Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 § 26 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 21 GehG, Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54/1956 § 92 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Abs. 4 RGV, Reisegebührenvorschrift, BGBl. Nr. 133/1955 § 39 Abs. 4 BDG 1979, Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 § 39a Abs. 5 BDG 1979, Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/1979 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100564.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at