Säumniszuschlag wegen Aberkennung von Vorsteuer, weil die Lieferungen aus dem Ausland in Österreich nicht steuerbar waren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** in der Beschwerdesache X.GmbH, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer SN, betreffend die Abweisung des Antrages auf Herabsetzung von Säumniszuschlägen gemäß § 217 Abs. 7 BAO nach der am in Anwesenheit des Vertreters des Finanzamtes Österreich, VÖ, sowie der Schriftführerin SF durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die in Österreich ansässige A.AG handelt mit Mineralölprodukten und belieferte im verfahrensgegenständlichen Jahr 2018 u.a. die ebenfalls in Österreich ansässige Beschwerdeführerin (Bf.), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Die Mineralölprodukte wurden von der A.AG von angemieteten Lagern in Italien an die österreichischen Kunden geliefert.
Die A.AG stellte ihren Kunden unter Verwendung ihrer österreichischen UID-Nummer österreichische Umsatzsteuer in Rechnung, die von der Bf. als Vorsteuer geltend gemacht wurde.
Nach Feststellungen der Steuerfahndung Wien (Informationsschreiben vom ) geht aus vorliegenden Lieferpapieren hervor, dass die Warenbewegung bei den von der A.AG verrechneten Leistungen in Italien begonnen hat. Der Ort der Lieferung befinde sich daher in Italien, die Lieferungen seien nicht in Österreich ausgeführt worden und unterlägen daher auch nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Die in den Rechnungen der A.AG ausgewiesene Umsatzsteuer werde nicht auf Grund der Lieferung, sondern auf Grund der Rechnung geschuldet (§ 11 Abs. 14 UStG 1994). Aus der Sicht der Bf. sei der Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbes verwirklicht worden (Art. 1 UStG 1994).
Mit dem Bescheid vom hob das Finanzamt Graz-Umgebung (nunmehr Finanzamt Österreich) den an die Bf. erlassenen Umsatzsteuerbescheid 2018 vom gemäß § 299 BAO von Amts wegen mit der Begründung auf, im Jahresumsatzsteuerbescheid 2018 sei Vorsteuer geltend gemacht worden, die aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 nicht abzugsfähig sei.
Das Finanzamt erließ am gleichen Tag einen (neuen) Umsatzsteuerbescheid 2018 mit einer Nachforderung an Umsatzsteuer in der Höhe von 73.140,32 €.
Mit dem Bescheid vom setzte das Finanzamt einen Säumniszuschlag in der Höhe von 1.462,81 € fest, weil die Umsatzsteuer 2018 nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden war.
Die Beschwerdeführerin (Bf.), beantragte am die Herabsetzung der "auf der Buchungsmitteilung Nr. 1/2020 ausgewiesenen ersten Säumniszuschläge für die USt 5/2018 bis 9/2018 im Gesamtbetrag von € 1.462,81".
Dazu wurde ausgeführt:
I.
Argumentation des Finanzamtes
Die Begründung des angefochtenen Bescheides entspricht der Standardbegründung in solchen Fällen. Sie lautet:
"Die Festsetzung war erforderlich, weil Sie die angeführten Abgabenschuldigkeiten nicht innerhalb der obenstehenden Frist entrichtet haben."
II.
Einwendungen
a)
Rechtlicher Rahmen
1.§ 217 BAO hat in seiner seit dem JStG 2018, BGBl I 2018/62, aktuellen und darum auch für diesen Fall maßgeblichen Fassung zusammen mit der einleitenden Überschrift auszugsweise folgenden Wortlaut:
"2. Säumniszuschläge
§ 217. (1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
(2 bis 6) […].
(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt."
2. Der Säumniszuschlag ist eine "Sanktion eigener Art" (, VwSlg 5659/F), die den Abgabenpflichtigen zur rechtzeitigen Zahlung anhalten soll, mithin eine objektive Säumnisfolge (zB ; , 98/14/0146) und ein "Druckmittel" zur rechtzeitigen Erfüllung der steuerlichen Zahlungspflichten (zB ; , 2002/14/0138). Sein Zweck liegt darin, die pünktliche Tilgung von Abgabenschulden sicherzustellen (; Ritz BAO6 § 217 Tz 2). Er ist solcherart eine objektive Rechtsfolge des Nichteinhaltens von Zahlungsterminen (zB ; , Ra 2017/13/0023). Die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt haben, sind grundsätzlich unbeachtlich (zB ). Vor allem setzt der Säumniszuschlag kein Verschulden des Abgabepflichtigen voraus (zB ; , 2009/17/0125). Doch ist fehlendes (grobes) Verschulden bedeutsam für den Herabsetzungsantrag gemäß § 217 Abs 7 BAO (Ritz BAO6 § 217 Tz 3).
3. Das Antragsrecht auf Herabsetzung von Säumniszuschlägen setzt voraus, dass dem Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft. Das ist bspw der Fall, wenn der Selbstberechnung eine vertretbare Rechtsansicht zu Grunde liegt (; , Erkenntnis Ra 2017/13/0023; Ritz BAO6 § 217 Tz 48). Der UFS hat in einer zollrechtlichen Entscheidung eine zur Nachahmung empfohlene Abgrenzungsformel zwischen leichtem und grobem Verschulden entwickelt. Sie lautet (. Doch erfolgt die optische Hervorhebung durch mich, den Verfasser dieser Eingabe. Das gilt ohne gegenteiligen Hinweis auch für alle weiteren Zitate):
"Es ist für die Frage der Herabsetzung bzw Nichtfestsetzung des Säumniszuschlags zu prüfen, ob für die nicht fristgerechte Zahlung grobes Verschulden anzulasten ist. Grobes Verschulden ist mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen, also mit einer Sorgfaltspflichtverletzung, die einem mit den rechtlichen Werten und ihn betreffenden Vorschriften verbundenen Menschen keinesfalls unterlaufen dürfen. Man kann als Abgrenzungsaspekt zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit prüfen, ob ein Fehler "nicht hätte passieren dürfen" oder aber "ob er passieren kann", also auch einem sorgfältigen Menschen gelegentlich unterläuft. Dabei sind jeweils die Umstände des Einzelfalles und die Erfahrung und die Stellung der Wirtschaftsbeteiligten mit zu berücksichtigen. Solche Fragen sind in der Judikatur und Literatur an zahlreichen Fällen ausdiskutiert".
b)
Einwendungen
Diese Begründung trifft aus Rechtsgründen nicht zu. Dazu im Einzelnen
1.
Der erste Rechtsgrund: kein grobes Verschulden
1. Die Verhängung eines Säumniszuschlages setzt auf Seiten der Partei grobes Verschulden voraus. Dieses Erfordernis ergibt sich aus § 217 Abs 7 BAO, weil ein Herabsetzungsantrag ohne ein solches - also deren Nichtvorhandensein - erfolgreich bleibt.
2. Die Judikatur zu grobem Verschulden (grober Fahrlässigkeit) zeigt folgendes Bild:
2.1. Der OGH versteht unter grober Fahrlässigkeit eine "ungewöhnliche, auffallende Vernachlässigung […], sofern der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar war" (RIS-Justiz RS 0085373 seit ). Nach einer anderen Judikaturlinie liegt grobe Fahrlässigkeit erst bzw nur dann vor, "wenn der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar war, wenn das Versehen mit Rücksicht auf seine Schwere oder Häufigkeit nur bei besonderer Nachlässigkeit und nur bei besonders nachlässigen oder leichtsinnigen Menschen vorkommen kann und nach Umständen auch wohl die Vermutung des bösen Vorsatzes nahelegt" (RIS-Justiz RS 0038120 seit , SZ 43/80). Kurzum: Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass "ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist" (RIS-Justiz RS0030272 seit ). Solcherart muss sich ein Handeln, um grob fahrlässig zu sein, "auffallend aus der Menge der unvermeidlichen Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens herausheben; dabei ist im Einzelfall auf die persönlichen Verhältnisse einzugehen, ferner muss der Schadenseintritt als wahrscheinlich voraussehbar sein" (RIS-Justiz RS 0030359 seit ). Eine andere Judikaturlinie bringt die Sache auf den Punkt (RIS-Justiz RS 0030303 seit ):
"Grob fahrlässig handelt, wer im täglichen Leben die erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grad, aus Unbekümmertheit oder Leichtfertigkeit außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste; grobe Fahrlässigkeit ist gegeben bei schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzungen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen."
Grobe Fahrlässigkeit setzt die objektive und subjektive Vorwerfbarkeit eines groben Verstoßes voraus ( f). Es ist mutig iS von unvertretbar, meiner Mandantin ein derart krasses Fehlverhalten bei einem Sachverhalt zu unterstellen, der sich ohne ihr Wissen, Wollen und Zutun in ihrem Vorfeld abgespielt hat.
2.2. DerVwGH liegt auf derselben Linie. Die Kernaussage seiner zu § 34 Abs 3 aF FinStrG ergangenen Entscheidung vom , 82/14/0159, VwSlg 5806/F, lautet:
"Den Begriff des schweren Verschuldens erläutert das Gesetz nicht. Aus den Gesetzesmaterialien, der Rechtsprechung des OGH und dem Schrifttum ergibt sich übereinstimmend, dass dem schweren Verschulden iS des § 34 Abs. 3 FinStrG gleiche Bedeutung beizumessen ist, wie dem gleichlautenden Begriff in § 88 Abs. 2 StGB (1548 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIII. GP; ; Burgstaller, Das "schwere Verschulden" des berufsmäßigen Parteienvertreters in § 34 Abs. 3 FinStrG, ÖStZ Nr. 9, 10/82). Dieser Begriff wieder hat den des "schweren Verschuldens" in § 431 Abs. 2 StG in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971, BGBl. Nr. 273, zum Vorbild (Burgstaller, a.a.O., Fellner, Finanzstrafgesetz, Neufassung 1975, § 34 Tz 13). Schrifttum und oberstgerichtliche Rechtsprechung sind weiters übereinstimmend der Auffassung, dass der strafrechtliche Begriff des schweren Verschuldens dem zivilrechtlichen Begriff der "groben Fahrlässigkeit" gleichzusetzen ist (Burgstaller, a.a.O., Fellner, a.a.O, Foregger-Serini, StGB 6, Anmerkung I zu § 88, Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB 2, § 88 Tz 11, , und , 11 Os 64- 66/72). Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung.
Der OGH hat sich mit den Begriffen des "schweren Verschuldens" und der "groben Fahrlässigkeit" wiederholt befasst. So sprach er aus, grobe Fahrlässigkeit liege nur vor, wenn das unterlaufene Versehen mit Rücksicht auf seine Schwere und Häufigkeit nur bei besonders nachlässigen und leichtsinnigen Menschen vorkommen kann und nach den Umständen die Vermutung des bösen Vorsatzes naheliegt (Entscheidung vom , 8 Ob 51/63). Bei schwerem Verschulden fällt dem Täter eine ungewöhnliche, auffallende Sorglosigkeit zur Last und der Eintritt des tatbildmäßigen Erfolges war ihm als wahrscheinlich - nicht etwa bloß als entfernt möglich - vorhersehbar (Entscheidungen vom , 11 Os 191/71, vom , 11 Os 61-63/72; vom , 11 Os 64-66/72; vom , 13 Os 26, 27/75; vom , 13 Os 561/76; vom , 12 Os 265/77, vom , 9 Os 17, 18/78, vom , 11 Os 73/78, vom , 2 Ob 115/78, und andere). Dabei ist stets die Lage des konkreten Falles - insbesondere der gesamte in der Tat verwirklichte Handlungs- und Gesinnungsunwert - in Betracht zu ziehen ( 13 Os 26, 27/75). In diesem Sinn sprach sich der OGH auch im Urteil vom , 11 Os 136/75, betreffend fahrlässige Abgabenverkürzung durch einen Steuerberater aus. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (, und vom , 8 Ob 229/78). Selbst die Missachtung einer grundlegenden Norm muss noch kein schweres Verschulden begründen (siehe Leukauf-Steininger; a.a.O., und die dort angeführte Rechtsprechung des OGH). Schweres Verschulden (grobe Fahrlässigkeit liegt demnach nicht schon vor, wenn das durchschnittliche Maß einer Fahrlässigkeit überschritten wird; das Verhalten des Täters muss vielmehr eine das durchschnittliche Maß einer Fahrlässigkeit beträchtlich übersteigende Sorglosigkeit erkennen lassen ( 9 Os 17, 18/78)."
3. Bezogen auf diesen Fall:
3.1. Die Rechnungsberichtigung hat ihren Ausgang bei unserem Lieferanten A.AG aus Gründen genommen, die wir weder kannten noch kennen konnten. Das insoweit (USt 2010) längst rechtskräftige, über FINDOK abrufbare Erkenntnis des , spricht klar für uns. Die Kernaussage auf Seite 13 lautet:
"Das Finanzamt geht in seiner Beurteilung offenbar davon aus, dass der Bf. aufgrund der Nutzung der Internetplattform "mobile.de" die in Deutschland veranschlagten Preise der tatsächlich angeschafften Kfz bekannt waren.
Diese Betrachtung ist wirklichkeitsfremd. Aufgrund der Vielzahl der angebotenen KFZ (laut Internetrecherche wurden am heutigen Tage bspw 31.347 VW Passat oder 103.394 VW Golf angeboten) ist es selbst für einen Kenner nicht augenscheinlich, dass genau das ihm verkaufte KFZ in Deutschland zu einem höheren Preis angeboten wurde.
Die Schwierigkeit der Kaufpreisermittlung zeigt sich auch dadurch, dass es dem Finanzamt in 22 Fällen trotz all der Möglichkeiten der Amtshilfe nicht gelungen ist, die tatsächlichen Einkaufspreise zu ermitteln.
Damit geht der Vorwurf der Finanzverwaltung, die Bf. habe von den höheren Einkaufspreisen ihrer Lieferanten gewusst, ins Leere."
Dort haben Prüfer und Finanzamt (Steuerfahndung) versucht, mit dem Argument zum Erfolg zu kommen, der Nachmann kenne die Kalkulation seines Vormannes wie seine eigene, um daraus abzuleiten, er - der Kunde - hätte gewusst, dass sein Lieferant (Zwischenhändler) die Fahrzeuge mit Verlust verkaufe und seinen Lebensstil solcherart mit Steuerschwindel, konkret mit dem Vorbeischleusen der vereinnahmten USt am Fiskus finanziere. Die Antwort des BFG ist eindeutig und klar.
Das trifft auch hier den Punkt: Der Vorwurf groben Verschuldens setzt unausgesprochen voraus, dass meiner Mandantin die Verhältnisse ihrer Lieferantin A.AG zu deren (ausländischen) Vormännern kenne. Diese Betrachtung ist wie jene im eben zitierten Erkenntnis des BFG wirklichkeitsfremd.
3.2. Die geänderte umsatzsteuerliche Gebarung mit (genauer: bei bzw. durch) A.AG führt bei meiner Mandantin (und den weiteren Kunden der A.AG) zu einem reinen Nullsummenspiel: Ihr steht der volle Vorsteuerabzug aus Inlandsrechnungen und ig Erwerben gleichermaßen zu. Die USt wirkt sich bei ihr nicht ergebniswirksam aus, weil sie ihrem Wesen nach den Letztverbraucher treffen will. Dazu sei an das tragende Prinzip der Kosten- und Wettbewerbsneutralität der USt erinnert (vgl nur Ruppe/Achatz UstG 19945 Einf Tz 47).
4. Fürs Erste bleibt festzuhalten: Meiner Mandantin ist das für die Verhängung des gegenständlichen Säumniszuschlages nötige grobe Verschulden (grobe Fahrlässigkeit) bereits aus dem dargelegten Grund abzusprechen. Dessen Festsetzung erweist sich solcherart zum ersten Mal als unberechtigt.
2.
Der zweite Rechtsgrund:
Zum Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug wegen Schlechtgläubigkeit
aa)
Gesetzeslage (nationales Recht)
Seit Art 4 Z 3 AbgSiG 2007, BGBl I 2007/99, geht das Recht auf Vorsteuerabzug verloren, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass ein bestimmter Umsatz in der Lieferkette malversiv ist. Die damals nachträglich in das Gesetz eingefügten beiden Schlusssätze des § 12 Abs 1 Z 1 UStG 1994 hatten folgenden Wortlaut:
"Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz iZm USt-Hinterziehungen oder sonstigen, die USt betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft;"
Die Materialien (ErlRV; 270 BlgNr 23. GP, 13) betonen unter Hinweis auf die EU-rechtlichen Vorgaben den bloß rein klarstellenden Charakter dieser Neuregelung. Sie lauten:
"Zu Z 4,6 und 8 (§ 12 Abs. 1 Z 1, § 27 Abs. 9 und § 28 Abs. 30 Z 1 und 2 UStG 1994):
Nach der Judikatur des EuGH (verb. Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03; verb. Rs.
C-439/04 und C-440/04) steht einem Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug zu, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz oder ein anderer Umsatz in der Lieferkette, der dem vom Vertragspartner des Unternehmens getätigten Umsatz vorausgegangen oder nachgefolgt ist, mit einem MwSt-Betrug behaftet war. Die Änderungen haben daher lediglich klarstellenden Charakter."
Diese Norm wurde durch Art 4 Z 7 StRefG 2015/2016, BGBl I 2015/118, unverändert in § 12 Abs. 14 UStG 1994 überführt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"Das Recht auf Vorsteuerabzug entfällt, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz iZm mit USt-Hinterziehungen oder sonstigen, die USt betreffenden Finanzvergehen steht. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft."
Die eher unergiebigen Materialien (ErlRV; 684 BlgNR 25. GP, 30 f) betonen wiederum den EU-rechtlichen Bezug. Sie lauten:
"Zu Z 5, Z 13 und Z 16 (§ 12 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 2a, Abs. 14, § 28 Abs. 42 Z 1 sowie Art. 6 Abs. 1):
[…]. Nach der Rechtsprechung des EuGH (verbundene Rechtssachen C-131/13, C-163/13 und C-164/13, Schoenimport "Italmoda" Mariano Previti u.a.; vgl auch Rs C-285/09, R.) müssen nationale Behörden und Gerichte einem Unternehmer im Rahmen einer ig Lieferung das Recht auf Vorsteuerabzug, auf MwSt-Befreiung oder auf MwSt-Erstattung versagen, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass dieser StPfl wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen MwSt-Hinterziehung beteiligt hat. Dies gilt auch, wenn das nationale Recht keine Bestimmungen enthält, die eine solche Versagung vorsehen.
Aus Transparenzgründen soll der Entfall der Befreiung in Art. 6 Abs. 1 UStG 1994 aufgenommen und der Entfall des Vorsteuerabzugs aus § 12 Abs. 1 Z 1 in den Abs. 14 UStG 1994 verschoben werden. § 12 Abs. 14 UStG 1994 erfasst - entsprechend der Rechtsprechung des EuGH - alle Fälle des Vorsteuerabzugs (z.B. § 12 Abs. 1 Z 1 bis 3, §§ 13 und 14 sowie Art. 12 UStG 1994). […]."
bb)
Unionsrecht
1. Ausgangspunkt dieser Gesetzeslage ist die sog Betrugsbekämpfungsklausel des EuGH; sie hat ihren Ausgang 2006 genommen. Die Rn 52 bis 55 des Urteils vom , C-354, 355, 484/03, verbundene Rechtssachen Optigen, Bond House und Commisoners of Customs & Excise lauten:
"Das Recht eines StPfl, der solche Umsätze ausführt, auf Vorsteuerabzug wird auch nicht dadurch berührt, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehören, ohne dass dieser StPfl hiervon Kenntnis hat oder haben kann, ein anderer Umsatz, der dem vom StPfl getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem MwSt-Betrug behaftet ist.
Wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, ist das in den Artikeln 17 ff. der Sechsten Richtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integrierender Bestandteil des Mechanismus der MwSt und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Dieses Recht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (vgl ua Urteile vom in der Rechtssache C-62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995, I-1883, Rn18, und Gabalfrisa ua., Rn 43).
Ob die MwSt, die für die vorausgegangenen oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenständer geschuldet war, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des StPfl auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom in der Rechtssache C-395/02, Transport Service, Slg 2004,
I-1991, Rn 26). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass nach dem Grundprinzip des gemeinsamen MwSt-Systems, das sich aus den Artikeln 2 der Ersten und der Sechsten Richtlinie ergibt, die MwSt auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang erhoben wird, abzüglich der MwSt, mit der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet worden sind (vgl. u.a. Urteile vom in der Rechtssache C-98/98, Midland Bank, Slg 2000, I-4177, Rn 29, und Zita Modes, Rn 39).
Daher ist auf die erste Frage in allen drei Rechtssachten zu antworten, dass Umsätze, wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die nicht selbst mit einem MwSt-Betrug behaftet sind, Lieferungen von Gegenständen, die ein StPfl als solcher ausführt, und eine wirtschaftliche Tätigkeit iS der Artikel 2 Nummer 1, 4 und 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie sind, wenn sie die objektiven Kriterien erfüllen, auf denen diese Begriffe beruhen, ohne dass es auf die Absicht eines von dem betroffenen StPfl verschiedenen, an derselben Leistung beteiligten Händlers und/oder dem möglicherweise betrügerischen Zweck - den dieser StPfl weder kannte noch kennen konnte - eines anderen Umsatzes ankommt, der Teil dieser Kette ist und der dem Umsatz, den der betreffende StPfl getätigt hat, vorausgeht oder nachfolgt. Das Recht eines StPfl, der solche Umsätze ausführt, auf Vorsteuerabzug wird auch ncht dadurch berührt, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehören, ohne dass dieser StPfl hiervon Kenntnis hat oder haben kann, ein anderer Umsatz, der dem vom StPfl getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem MwSt-Betrug behaftet ist."
Der Gerichtshof ist bereits wenige Monate später deutlich geworden. Die Rn 53 bis 61 des Urteils vom , C-439, 440/04, verbundene Rechtssachen Kittel und Recolta - die Materialien zur Einführung der beiden Schlusssätze des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 durch das AbgSiG 2007 stützen sich explizit darauf - lauten:
"Dagegen sind die objektiven Kriterien, auf denen der Begriff der Lieferung von Gegenständen, die ein StPfl als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen, nicht erfüllt, wenn der StPfl selbst eine Steuerhinterziehung begeht (vgl. Urteil vom in der Rechtssache C-255/02, Halifax ua, Slg. 2006, I-0000, Rn 59).
Denn die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ist, worauf der Gerichtshof bereits hingewiesen hat, ein Ziel, das von der Sechsten Richtlinie anerkannt und gefördert wird (vgl. Urteil vom in den Rechtssachen C-487/01 und C-7/02, Gemeente Leusden und Holin Groep, Slg. 2004,
I-5337, Rn 76). Eine betrügerische und missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht ist nicht erlaubt (vgl. u. a. Urteile vom in der Rechtssache C-367/96, Kefalas ua, Slg. 1998I-2843, Rn 20, vom in der Rechtssache
C-373/97, Diamantis, Slg. 2000, I-1705, Rn 33, und vom in der Rechtssache
C-32/03, Fini H, Slg. 2005, I-1599, Rn 32).
Stellt die Finanzverwaltung fest, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise ausgeübt wurde, so ist sie befugt, rückwirkend die Zahlung der abgezogenen Beträge zu verlangen (vgl. u. a. Urteile vom in der Rechtssache 268/83, Rompelman, Slg. 1985, 655, Rn 24, vom in der Rechtssache C-110/94, INZO, Slg. 1996, I-857, Rn 24, und Gabalfrisa ua., Rn 46), und das nationale Gericht hat den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise geltend gemacht wird (vgl. Urteil Fini H, Rn 34).
Ebenso ist ein StPfl, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine MwSt-Hinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Sechsten Richtlinie als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, unabhängig davon, ob er aus dem Weiterverkauf der Gegenstände einen Gewinn erzielt.
Denn in einer solchen Situation geht der StPfl den Urhebern der Hinterziehung zur Hand und macht sich ihrer mitschuldig.
Im Übrigen wirkt eine solche Auslegung betrügerischen Umsätzen entgegen, indem sie ihre Durchführung erschwert.
Demnach hat das nationale Gericht den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der StPfl wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine MwSt-Hinterziehung einbezogen war, was auch dann gilt, wenn der fragliche Umsatz den objektiven Kriterien genügt, auf denen der Begriff der Lieferungen von Gegenständen, die ein StPfl als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auf die Frage zu antworten ist, dass Artikel 17 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er in dem Fall, dass eine Lieferung an einen StPfl vorgenommen wird, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war, einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, wonach die Nichtigkeit des Kaufvertrags aufgrund einer zivilrechtlichen Bestimmung, nach der dieser Vertrag unheilbar nichtig ist, weil er wegen eines in der Person des Verkäufers unzulässigen Grundes gegen die öffentliche Ordnung verstößt, zum Verlust des Rechts auf Abzug der von diesem StPfl entrichteten Vorsteuer führt. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Nichtigkeit auf einer MwSt-Hinterziehung oder einem sonstigen Betrug beruht.
Steht dagegen aufgrund objektiver Umstände fest, dass die Lieferung an einen StPfl vorgenommen wird, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der ein eine MwSt-Hinterziehung einbezogen war, so hat das nationale Gericht diesem StPfl den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu verweigern."
Seit dieser Entscheidung steht und fällt das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Wissenskomponente des Rechnungsempfängers: Dass irgendein Umsatz in der Lieferkette - sei es der betreffenden, ein vor- oder ein nachgelagerter Umsatz - malversiv ist, ist unschädlich (Rn 60 letzter Satz), solange der Abnehmer davon weder wusste noch wissen musste (Rn 59 erster Satz, 61). Hat er dagegen davon gewusst oder hätte er davon wissen müssen, so geht das Recht auf Vorsteuerabzug verloren (Rn 59 erster Satz, 61), weil er sich damit den Betrügern "zur Hand macht" (Rn 57) und ihnen gleichgestellt wird. Dem liegt der - selbstverständliche - Gedanke zugrunde, dass sich Niemand rechtsmissbräuchlich oder betrügerisch auf im Rechtssystem der Union vorgesehene Rechte berufen darf (Rn 54,55; vgl auch Ruppe/Achatz UStG 19945 § 1 Rn 92/1). Das bedeutet im Einzelnen:
1.1. Die Malversation muss sich auf den Umsatzakt als solchen beziehen, nicht hingegen auf die steuerliche Moral oder Unmoral des Vor- oder Nachmannes. Solcherart ist es für das Recht auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung, ob die USt, die auf die vorausgegangenen Umsätze oder nachfolgenden Verkäufe der betreffenden Gegenstände geschuldet war bzw wird, tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde (, Transport Service, Rn26; ,
C-439/04, Kittel und Recolta, Rn 49; , C-277/14, PPUH Stehcemp, Rn 45 letzter Satz mwN). Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass sie nicht in einen Betrug einbezogen sind, können auf die Rechtmäßigkeit der Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, das Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (, Federation of Technological Industries, Rn 33; , C-439/04, Kittel und Recolta, Rn 51).
1.2. Anders verhält es sich mit solchen Wirtschaftsteilnehmern, die wussten oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit dem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine MwSt-Hinterziehung einbezogen ist: Sie machen sich solcherart mit den Betrügern "zur Hand" ( C-439, 440/04, Kittel und Recolta, Rn 57) und werden diesen gleichgestellt - sprich: Sie sind für Zwecke der USt als ein Teilnehmer an der Hinterziehung zu sehen, sodass ihnen das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen ist ( C-439, 440/04, Kittel und Recolta, Rn 56 bis 59; , C-80/11 und C-142/11, Mahageben und David, Rn 45).
1.3. Für den Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug ist das Vorliegen malversiver Umsätze nicht das Schlüsselkriterium ( C-354, 355, 484/03, Optigen ua, Rn 52; ,
C-439, 440/04, Kittel und Recolta, Rn 60 letzter Satz). Letztlich entscheidend ist die Wissenskomponente des Rechnungsempfängers. Erst bzw nur sie macht dessen Verhalten schuldhaft vorwerfbar. Das versteht sich von selbst: Wenn Dritte ohne sein Wissen, Wollen und Zutun - also hinter seinem Rücken - malversiv agieren, darf nicht er für den Steuerschwindel Dritter zur Rechenschaft gezogen werden. Anders ist die Situation hingegen dann, wenn er sich daran aktiv beteiligt oder den ihm bekannten MwSt-Betrug billigend zur Kenntnis nimmt. Derartiges ist hier aber nicht der Fall.
1.4. Entscheidend für den Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug sind objektive Umstände. Es ist Sache der Behörde, die Wissenskomponente des Rechnungsempfängers schlüssig darzutun (Rn 59). Der EuGH hat dazu in der Rn 45 seines Urteils vom , C-285/11, Bonik, klargestellt (ebenso bereits zB , C-439, 440/04, Kittel und Recolta, Rn 61).
"Vor diesem Hintergrund ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Art. 2, 9, 14, 62, 63, 167, 168 und 178 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass sie es verwehren, einem StPfl unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen das Recht, die MwSt auf eine Lieferung von Gegenständen als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung zu versagen, diese Lieferung werde angesichts von Hinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten auf ihr vorausgehenden oder nachfolgenden Umsatzstufen als nicht tatsächlich bewirkt betrachtet, ohne dass aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieser StPfl wusste oder wissen musste, dass der zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführte Umsatz in eine auf einer vorausgehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangenen MwSt-Hinterziehung einbezogen war, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat."
2. Der EuGH hat seine Judikatur zur Betrugsbekämpfungsklausel seit seinem Plöckl-Urteil vom , C-24/15, einschränkend modifiziert. Seither lautet sie:
"Wie der Generalanwalt in Nr. 81 seiner Schlussanträge festgestellt hat, sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs jedoch zwei Fälle anerkannt, in denen die Nichteinhaltung einer formellen Anforderung den Verlust des Rechts auf MwSt-Befreiung nach sich ziehen kann.
Als Erstes kann sich ein StPfl, der sich vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, die das Funktionieren des gemeinsamen MwSt-Systems gefährdet, für die Zwecke der MwSt- Befreiung nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , R, C-285/09, EU:C:2010:742, Rn 54, und vom , VSTR, C-587/10, EU:C:2012:592, Rn 46).
Das vorlegende Gericht hat jedoch festgestellt, dass im Ausgangsrechtsstreit keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorliegen und das Finanzamt eine Steuerhinterziehung ausgeschlossen hat. Daher ist diese Ausnahme von der Regel, wonach die MwSt-Befreiung selbst bei Nichteinhaltung einer formellen Voraussetzung zu gewähren ist, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, auf diesen Rechtsstreit nicht anwendbar.
Als Zweites kann der Verstoß gegen eine formelle Anforderung zur Versagung der MwSt-Befreiung führen, wenn er den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Collée,
C-146/05, EU:C:2007:549, Rn 31, und vom , VSTR, C-587/10, EU:C:2012:592, Rn 46)."
Diese Entscheidung ist kein Einzelfall geblieben. Sie wurde viel mehr durch eine Reihe weiterer Entscheidungen bestätigt, so bspw durch die Rn 59 des Urteils vom , C-108/17, Enteco Baltic:
Anders verhielte es sich nur, wenn sich der Importeur vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, die das Funktionieren des gemeinsamen MwSt-Systems gefährdet, oder wenn der Verstoß gegen eine formelle Anforderung den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Plöckl, C-24/15, EU:C:2016:791, Rn 39, 43, 44 und 46, sowie vom , Euro Tyre, C-21/16, EU:C:2017:106, Rn 36 bis 39 und 42)."
bzw aktuell durch die Rn 41 des Urteils vom , C-495/17, Cartrans. Sie lautet:
Zum einen kann sich ein StPfl, der sich vorsätzlich an einer das Funktionieren des gemeinsamen MwSt-Systems gefährdenden Steuerhinterziehung beteiligt hat, für die Zwecke der MwSt-Befreiung nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen (vgl. Urteil vom , Euro Tyre, C-21/16, EU:C:2017:106, Rn 39 und die dort ausgeführte Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verstößt es nicht gegen das Unionsrecht, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu fordern, dass er in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Sollte der betreffende StPfl gewusst haben oder hätte er wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und hat er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um diese zu verhindern, müsste ihm der Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung versagt werden (Urteil vom , Euro Tyre, C-21/16, EU:C:2017:106, Rn 40 und die dort angeführte Rechtsprechung)."
Diese Reduktion auf Vorsatz versteht sich mehr oder minder von selbst: Wenn beim Betrüger Vorsatz erforderlich ist - Begriffe wie Steuerhinterziehung, Missbrauch, Steuerumgehung setzen einen solchen nach jeder Rechtsordnung voraus - können iS von dürfen die Anforderungen beim Gehilfen nicht strenger sein als beim Übeltäter selbst.
3. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts besagt in seinem Kern, dass inkompatibles nationales Recht insoweit unangewendet zu bleiben hat (, Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251, Rn 12; , Rs 106/77, Simmenthal II, Slg 1978, 629, Rn 17 f; VfSlg 15.215/1998, 15427/1999, 17.342 ff/2004, , VwSlg 7047/F; , 96/17/0325; , 96/16/0199, VwSlg 7129/F; , Ro 2016/15/0042; , Ra 2016/16/0104; , Ra 2018/09/0134; RIS-Justiz RS0109951, uva). Das gilt auch hier: Wenn auf europäischer Ebene das Wissen oder Wissen-müssen des Rechnungsempfängers neuerdings auf Fälle vorsätzlicher Beteiligung an einem USt-Schwindel eingeschränkt ist, ist nationales Recht (hier: anfangs § 12 Abs 1 Z1 letzte beiden Sätze UStG 1994 idF Art 4 Z 3 AbgSiG 2007; aktuell § 12 Abs 14 idF Art 4 Z 16 StRefG 2015/2016) insoweit unanwendbar, als es für den Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug Fahrlässigkeit genügen lässt.
cc)
Praktische Auswirkungen
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich unter Mitberücksichtigung ergänzender Aspekte für diesen Fall Folgendes:
1. Grundvoraussetzung für die Rechtmäßigkeit des gegenständlichen Säumniszuschlages ist die Rechtmäßigkeit des Verlusts des Rechts auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsfakturen der A.AG AG. Bereits diese umsatzsteuerliche Vorfrage ist aus EU-rechtlichen Gründen keineswegs so eindeutig, wie der Fiskus es darzutun versucht. Im - wohl nur hypothetischen - Ernstfall wären die Erfolgsaussichten bei der Anfechtung des Verlusts des Vorsteuerabzugs aus den Eingangsfakturen der der A.AG AG - zurückhaltend formuliert - nicht die Schlechtesten.
2. Ergänzend dazu sei noch festgehalten:
2.1. Jeder einzelne Umsatz auf dem Weg zu meiner Mandantin ist im eindeutig "grünen Bereich" gelegen. Dasselbe gilt für den Weiterverkauf des gegenständlichen Mineralöls durch sie an ihre Kunden. Solcherart ist § 12 Abs 14 UStG 1994 dem Grunde nach unanwendbar.
2.2. Daran ändert sich selbst dann rein gar nichts, wenn die bisherige umsatzsteuerliche Behandlung beim Vormann meiner Mandantin der A.AG AG, Wien - unzutreffend gewesen wäre (bereits das entzieht sich unser aller Wissen und Urteil): Selbst in diesem Fall sind die Umsätze an bzw durch sie noch immer im "grünen Bereich" gelegen.
2.3. Es sei an das bereits erwähnte, über FINDOK abrufbare (insoweit unbekämpft gebliebene) Erkenntnis des , erinnert.
3. Dazu kommt noch:
3.1. Die (Standard-)Begründung des angefochtenen Bescheides greift zu kurz.
3.2. Seit , Josef Plöckl, Rn 44, bedarf es für den Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug Vorsatz und solcherart Wissen (vgl nur § 8 Abs 1 FinStrG). Das gilt selbst für dolus eventualis: Selbst der bedingte Vorsatz setzt konkretes Wissen voraus, ohne entsprechendes Faktenwissen kein Vorsatz (für viele: , VwSlg 7338/F; , 2005/15/0072). Hingegen sind Formulierungen wie (vgl Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg FinStrG § 33 Rz 218)
bekannt sein müssen (OGH7.10.1980, 9 Os 143/80),
für möglich halten müssen (OGH7.10.1980, 9 Os 143/80,
erkennen müssen (),
erkennen können (),
klar sein müssen (),
rechnen können oder müssen (; , 13 Os 65/81, SSt 52/39),
Umstände, mit denen jeder im Geschäftsleben Versierte ernsthaft rechnen muss (illustrativ ; ),
Wissen müssen" (, EvBl 1975/26; , 13 Os 123/86; aussagekräftig , 13 Os 167/87; : "Vorsatz setzt Wissen und nicht bloßes wissen müssen voraus"; , 97/17/0179; , 2009/16/0188),
Es möge richtig sein ()
dem für ein Vorsatzdelikt erforderliches Wissen nicht gleich zu halten (, SSt 36/2; , 12 Os 150/70, EvBl 1971/144; , 12 Os 131/77, SSt 48/81; ; , 95/16/0275; , 98/16/0131).
Bezogen auf diesen Fall: Hier wurden weder Faktenwissen noch Vorsatz auf Seiten meiner Mandantin auch nur angedeutet, geschweige denn konkret und nachprüfbar konstatiert.
3.3. Der Nachweis des Vorliegens einer Hinterziehung ist auf Basis der strengeren Beweisregeln des FinStrG (StPO) mit der Unschuldsvermutung als prozessualer Richtschnur zu erbringen (, VwSlg 7802/F; , 2009/16/0076, jeweils: "Für die Beurteilung der "hinterzogenen Abgabe" gilt die Unschuldsvermutung und wegen der die Abgabenbehörde treffenden Beweislast für die Hinterziehung auch der Zweifelsgrundsatz als verfahrensrechtliche Richtschnur"; ebenso Ritz BAO6 § 207 Tz 15; Stoll BAO 2172, zur längeren Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO wegen Hinterziehung). Auch davon ist das hiesige Anfechtungsobjekt weit entfernt.
3.4. Nach dem Zweck der Regelung (Vermeidung von Steuerbetrug) ist auf den Zeitpunkt des Leistungsbezugs abzustellen (Ruppe/Achatz UStG 19945 § 1 Rn 95 ganz am Ende). Solcherart schließt eine erst danach eingetretene Schlechtgläubigkeit den Vorsteuerabzug nicht aus. Das wird auch vom VwGH so gesehen; das Erkenntnis vom , 86/15/0087, VwSlg 6246/F, stellt dazu klar:
"Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ist nur dann gegeben, wenn sämtliche in § 12 UStG 1972 genannten Voraussetzungen in jenem Veranlagungszeitraum gegeben waren, in dem der Umsatz getätigt worden ist, der den Vorsteuerabzug auslöst (Hinweis Erk , 81/15/0072). […]. Dies bedeutet, es muss in jedem Einzelfall des Vorsteuerabzuges, unabhängig davon, wann sämtliche Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen, geprüft werden, ob im Zeitpunkt der Erbringung der dem Vorsteuerabzug zugrundeliegenden Lieferung oder sonstigen Leistung bei dem Unternehmer alle sonstigen (mit Ausnahme der Rechnung) im § 12 UStG 1972 für den Vorsteuerabzug geforderten Voraussetzungen vorhanden waren." (ebenso BGH , 1 StR 447/14).
bzw. im Erkenntnis vom , 2006/13/0070, VwSlg 8385/F:
"Es kommt für die Frage der Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erbringung der Leistung an, auf welche die als Vorsteuer geltend gemachte USt entfällt."
Im Klartext: Es genügt nicht, dass meine Mandantin heute weiß, dass der Fiskus die umsatzsteuerliche Behandlung beim Vormann unserer Mandantin - der A.AG AG - auf völlig neue Beine stellt. Es ist zudem völlig bedeutungslos, wenn sie dieses Faktenwissen bereits seinerzeit gehabt hätte, was sie aber nicht hat. Entscheidend wäre es gewesen, dass zumindest einer der Vorumsätze malversiv gewesen wäre, was er aber nicht ist - und es logischerweise auch nicht sein kann: Treibstoff, der von einem der Erdöl produzierenden Länder mit dem Schiff nach Italien und von dort zu meiner Mandantin bzw weiter zu ihren Kunden gelangt und von diesen verbraucht wird, ist zum Steuerschwindel von vornherein völlig ungeeignet.
4. Es bleibt dabei: Die Verhängung des gegenständlichen Säumniszuschlages ist nicht nur aus Gründen des § 217 Abs. 7 BAO, sondern bereits wegen der Fragwürdigkeit der Aberkennung des Rechts auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsfakturen der A.AG AG unzulässig.
3.
Der dritte Rechtsgrund:
Zur Rechnungsberichtigung ex nunc gemäß EuGH
Von einer Behörde kann - ja muss- die Kenntnis der Judikatur des EuGH zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung als bekannt vorausgesetzt werden. Dass sie hier ex nunc erfolgt, hat mit Entgegenkommen dem angesichts des Volumen des Falles herausgeforderten Fiskus gegenüber zu tun. Dass dieses Entgegenkommen nicht durch einen Säumniszuschlag "bestraft" werden darf (meine Mandantin empfindet angefochtenen Säumniszuschlag zu Recht als eine solche), versteht sich von selbst.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Herabsetzung des Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO als unbegründet ab.
Die Rechnungen der A.AG hätten eine österreichische Umsatzsteuer ausgewiesen, die die Bf. als Vorsteuer geltend gemacht habe, was auf eine Lieferung in Österreich hindeute. In Wirklichkeit habe jedoch eine Lieferung der Mineralölprodukte von Italien nach Österreich stattgefunden. Damit liege auf der Seite der A.AG eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art. 6 und 7 UStG vor. Für die Bf. bedeute dies einen innergemeinschaftlichen Erwerb gemäß Art. 1 UStG, der zu einem steuerbaren und steuerpflichtigen Vorgang in Österreich führe. Die Bf. hätte demnach die Umsatzsteuer in Österreich abführen müssen (Art. 1 UStG) und hätte in gleicher Höhe die Vorsteuer geltend machen können (Art. 12 UStG).
Im gegenständlichen Fall habe es die Bf. aber unterlassen, die Umsatzsteuer zu erklären bzw. abzuführen , habe aber die Vorsteuer in Anspruch genommen, so als hätte eine Lieferung in Österreich stattgefunden.
Die A.AG schulde die falsch ausgewiesenen österreichische Umsatzsteuer gemäß § 11 Abs. 14 UStG (Steuerschuld kraft Rechnungslegung). Die Bf. dürfe diese geschuldete Umsatzsteuer nach der Rechtsprechung aber nicht als Vorsteuer abziehen.
Der Umstand, wonach eine innergemeinschaftliche Lieferung bzw. ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliege, hätte bekannt sein müssen. Der Unternehmer sei verpflichtet, die entsprechenden Lieferpapiere bzw. CMR-Papiere mit den Rechnungen zu vergleichen. Diese stellten unabdingbare Grundaufzeichnungen der Buchhaltung dar und seien Teil des Belegwesens.
Einem ordentlichen Unternehmer hätte bereits aus den Lieferpapieren auffallen müssen, dass ein grenzüberschreitender Bezug vorliege, sodass eine österreichische Umsatzsteuer gar nicht anfallen konnte. Es liege eine Missachtung der unternehmerischen Sorgfalt vor. Man könne daher nur von grober Fahrlässigkeit ausgehen, denn wenn Belege nicht überprüft würden, seien entsprechende Fehler geradezu wahrscheinlich.
Entschieden zurückgewiesen werde der Vorwurf, die Finanzverwaltung habe den Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 14 UStG zur Gänze versagt. Der Vorsteuerabzug sei selbstverständlich zugelassen worden.
Im Schriftsatz vom brachte die Bf. durch ihren Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte nach allgemeinen Angaben zur Beschwerde aus:
B.
Begründung
I.
Argumentation der Behörde
Die Begründung des angefochtenen Bescheides hat nach der Schilderung des rechtlichen Rahmens samt geraffter Wiedergabe unseres bisherigen Vorbringens auf Seite 2 folgenden Inhalt:
"….." [wörtliche Wiedergabe der Beschwerdeentscheidung]
II.
Einwendungen
Damit ist die Behörde nicht im Recht. Ihr ist entgegen zu halten:
Zunächst halten wir unser gesamtes bisheriges Vorbringen aufrecht, speziell jenes aus der Eingabe vom .
Es hätte dem angefochtenen Bescheid gut getan, wenn sich die Behörde zuvor mit dem Sachverhalt erkennbar beschäftigt hätte. Dazu zählt auch (oder gerade) die A.AG-Seite, über die das Finanzamt uninformiert ist. Dazu im Einzelnen:
Die Situation ist keineswegs so eindeutig, wie das Finanzamt es darzutun versucht. So hat eine bei (der von mir ebenfalls vertretenen) A.AG durchgeführte USO an der bestehenden Praxis der Rechnungslegung mit USt-Ausweis rein gar nichts auszusetzen gehabt. Der USO-Bericht vom erschöpft sich in der Kürzung des Vorsteuerabzugs um läppische TEUR 2.
Die Rechnungslegung durch A.AG ist bis in den Herbst 2019 hinein auf Basis von Inlandslieferungen ergangen. Solcherart hat A.AG die in Rechnung gestellte (und vereinnahmte) USt ordnungsgemäß abgeführt und die X.GmbH (wie die übrigen Kunden) den Vorsteuerabzug zu Recht in Anspruch genommen. Ob die damalige umsatzsteuerliche Behandlung durch A.AG "richtig" oder "falsch" gewesen ist, war weder für meine Mandantin noch für die übrigen Kunden erkennbar. Die X.GmbH hatte zudem keinen vernünftigen Grund an dieser Fakturierungspraxis zu zweifeln, nachdem bzw weil er Kraftstoff auch von dritter Seite bezogen hat, und zwar ausnahmslos auf Basis von Inlandslieferungen. Schon deshalb nimmt sich der Hinweis auf § 11 Abs. 14 UStG 1994 von selbst aus dem Spiel.
Die steierische Finanzverwaltung hat sich mit dem - auch hier zu konstatierenden - wirklichkeitsfremden Argument, der Nachmann kenne die Verhältnisse seines Vormannes wie seine eigenen, nicht durchgesetzt. Dazu sei an die beiden Erkenntnisse des BFG, Standort Graz, vom , RV/2100265/2015, und vom , RV/2100069/2019 erinnert. Die Kernaussage der zuletzt genannten Entscheidung auf Seite 18 lautet:
"Die Bf. hat daher im Beschwerdefall nicht sorglos gehandelt, wenn ihr der Verkauf unter dem Einstandspreis nicht aufgefallen ist.
Im Übrigen entspricht es den Usancen des Wirtschaftslebens, dass der Lieferant versucht, seine Kalkulation gegenüber den Abnehmern nicht preiszugeben. Es wäre daher äußerst unüblich, wenn die Bf. über die Kalkulation der A GmbH Bescheid wüsste.
Die Bf. hat bei den Geschäften mit der A GmbH die gebotene Sorgfalt walten lassen, weshalb ein Versagen des Vorsteuerabzuges entsprechend den Einwendungen der Bf. nicht in Betracht kommt. Die Vorsteuern aus dem Erwerb der Handelswaren bei der A GmbH sind abzugsfähig."
Diese Entscheidung trifft auch hier den Punkt, ohne dass dazu noch viel zu sagen ist bis auf eines: Das Finanzamt tut so, als verstünde es sich von selbst, dass meine Mandantin (und die übrigen Kunden) die Vertragsbeziehungen der A.AG zu ihren Vormännern (Lieferanten) und den Weg der Ware auf das Genaueste kennen würde.
Der UFS hat in seinem zu § 217 Abs. 7 BAO ergangenen (unbekämpft gebliebenen) Berufungsbescheid vom , ZRV/0024-Z2L/05, nachstehende griffige Abgrenzungsformel zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit getroffen:
"Es ist für die Frage der Herabsetzung bzw Nichtfestsetzung des Säumniszuschlags zu prüfen, ob für die nicht fristgerechte Zahlung grobes Verschulden anzulasten ist. Grobes Verschulden ist mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen, also mit einer Sorgfaltspflichtverletzung, die einem mit den rechtlichen Werten und ihn betreffenden Vorschriften verbundenen Menschen keinesfalls unterlaufen dürfen. Man kann als Abgrenzungsaspekt zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit prüfen, ob ein Fehler "nicht hätte passieren dürfen" oder aber "ob er passieren kann", also auch einem sorgfältigen Menschen gelegentlich unterläuft. Dabei sind jeweils die Umstände des Einzelfalles und die Erfahrung und die Stellung der Wirtschaftsbeteiligten mit zu berücksichtigen. Solche Fragen sind in der Judikatur und Literatur an zahlreichen Fällen ausdiskutiert".
Letztere ist hier aus den dargelegten Gründen völlig ausgeschlossen. Solcherart erwarten wir eine vollinhaltliche Stattgabe dieses Einspruchs.
Nicht unerwähnt bleiben darf: Die Praxis der Rechnungslegung seitens A.AG wurde erst ein Jahr nach dem Ende dieser Geschäftsbeziehung geändert.
C.
Beschwerdeantrag
Demzufolge wird nachstehender
A n t r a g
gestellt:
Das Finanzamt möge die Beschwerde mittels BVE vollinhaltlich stattgeben und den angefochtenen Bescheid vom ersatzlos aufheben
…..
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Österreich die Beschwerde als unbegründet ab.
Aus der Formulierung, die Bf. habe sich auf die Fakturierungspraxis verlassen und habe auch nicht an ihr gezweifelt, weil er auch Kraftstoff von dritter Seite bezogen habe" lasse sich erkennen, dass man nicht einmal versucht habe, die erhaltenen Rechnungen zu überprüfen und es offenbar an einem internen Kontrollmechanismus mangle. Eine ordentliche Unternehmerin hätte die Rechnungen auf ihre Richtigkeit mit den Grundaufzeichnungen (bspw. Lieferscheine, CMR-Papiere) verglichen.
Im gegenständlichen Fall habe man sich aber auf Rechnungen blind verlassen und die nötige Sorgfalt außer Acht gelassen. Diese Außerachtlassung entspreche nicht der Sorgfalt einer ordnungsgemäßen Unternehmerin. Einer solchen wäre bei Kontrolle der Rechnungen der falsche Ausweis der Umsatzsteuer aufgefallen. Eine sorgfältig handelnde Unternehmerin hätte auch nicht von der Vertragsbeziehung mit einer dritten Person auf die gegenständlichen Lieferungen mit der A.AG geschlossen.
Aus der Beschwerdeschrift gehe auch hervor, dass die Warenbewegung der Bf. unbekannt war, wenn ausgeführt werde: "Das Finanzamt tut so, als verstünde es sich von selbst, dass mein Mandant […] die Vertragsbeziehungen der A.AG zu ihren Vormännern (Lieferanten) und den Weg der Ware auf das Genaueste kennen würde". Das Wissen um die Herkunft der Waren sei integraler Bestandteil des gesamten Umsatzsteuergesetzes, das die gleichmäßige Besteuerung im gesamten Gemeinschaftsgebiet zum Gegenstand habe. Es sei daher unabdingbar, dass der Unternehmer Lieferscheine und CMR-Papiere ausstellt/erhält, wovon bereits die VO zu Art. 7 UStG BGBl 401/1996 idF BGBl II 172/2010 zeugt.
Dass von der A.AG falsche Lieferscheine ausgestellt worden seien, die in Österreich eine Lieferung zum Gegenstand hätten, werde nicht behauptet.
Es werde auch nicht behauptet, dass ein/e spezielle/r Mitarbeiter/in einem Irrtum erlegen sei, sondern man spreche ganz allgemein von der GmbH.
Es sei daher von grober Fahrlässigkeit auszugehen, weil es geradezu wahrscheinlich gewesen sei, dass es zu schwerwiegenden Fehlern kommen könne, wenn die nötige Sorgfalt nicht eingehalten werde.
Im Schriftsatz vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte aus:
1. Diese BVE wird ihrem gesamten Inhalt nach (in vollem Umfang) angefochten und bestritten.
2. Wir halten unser gesamtes bisheriges Vorbringen aufrecht. Ein Vorlageantrag muss nicht mehr begründet werden (vgl Ritz BAO6 § 264 Tz 4). Selbstverständlich erstatten wir umfassendes Vorbringen, dies zweckmäßigerweise jedoch erst nach erfolgter Vorlage an das BFG. Die Behörde praktiziert auch in der BVE ihr eigenes Sonderrecht. Meine Mandantin hat von A.AG bis zur Umstellung der Rechnungslegung auf ig Lieferungen Inlandsrechnungen erhalten, die sich mit den Eingangsrechnungen von anderen Mineralöllieferanten decken. Solcherart durfte - ja musste - meine Mandantin sich darauf verlassen, dass A.AG weiß, was sie tut, und weiters, dass deren damalige Rechnungslegung korrekt gewesen ist. Das Beharren der Behörde auf grobes Verschulden durch meine Mandantin ist wirklichkeitsfremd.
3. Demzufolge wird nachstehender
A n t r a g
gestellt: Das Bundesfinanzgericht möge der Beschwerde nach durchgeführter mündlicher Verhandlung vor dem/der EinzelrichterIn (kein voller Senat) vollinhaltlich stattgeben und den angefochtenen Bescheid samt BVE ersatzlos beheben. ….
Die Vorladung zur beantragten mündlichen Verhandlung sowie die an die Bf. gerichtete Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen (Begleitpapiere, Transportdokumente u.ä., die mit den verfahrensgegenständlichen Lieferungen der A.AG im Zeitraum 05 bis 09/2018 im Zusammenhang stehen) erging am und wurde laut Übernahmebestätigung der Bf. am zugestellt.
Am , beim BFG eingelangt am , ersuchte der Vertreter der Bf., die mündliche Verhandlung auf unbestimmte Zeit zu verschieben.
Das hier gegenständliche Thema betreffe mehr als 60 Kunden der A.AG österreichweit. Mit dem Finanzamt für Großbetriebe bestehe Übereinstimmung, dass eine Verhandlungslösung für alle Seiten die günstigste Variante sei. Eine solche Paketlösung, deren Zustandekommen hochwahrscheinlich sei, ziehe mit ziemlicher Sicherheit eine Umsetzung nach § 300 BAO nach sich. Die Verhandlungslösung abzuwarten und eine Verschiebung der mündlichen Verhandlung auf unbestimmte Zeit sei daher aus der Sicht der Bf. die beste Lösung.
"Für den aus unserer Sicht eher unwahrscheinlichen Fall, dass die Verhandlung doch stattfinden soll, können Sie davon ausgehen, dass von unserer Seite niemand daran teilnehmen wird. Das bedeutet im Ergebnis einen Verzicht ohne förmliche Zurücknahme dieses Antrages. ….."
Dem Vertreter der Bf. wurde am per Mail mitgeteilt, dass dem Ersuchen um Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht entsprochen werde. Die Zuständigkeit zur Erledigung der Beschwerde liege allein beim BFG; eine "Verhandlungslösung" mit dem Finanzamt sei für das BFG nicht bindend.
Zu der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung ist ein Vertreter der Bf. bzw. deren steuerlicher Vertreter nicht erschienen.
Der Vertreter des Finanzamtes Österreich führte aus, der Bf. hätte aufgrund der Lieferscheine, die nicht in deutscher Sprache ausgestellt sind und als deren Ausgangsort jeweils Triest angeführt ist, auffallen müssen, dass es sich um Lieferungen aus dem Ausland handelt und es sich daher nicht um inländische Warenlieferungen handeln kann. Dieser Umstand sei von der Bf. im Zuge des Verfahrens auch nie bestritten worden.
Der Vertreter beantragte unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom sowie in der Beschwerdevorentscheidung vom die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Im vorliegenden Antrag auf Herabsetzung (bzw. Nichtfestsetzung) des Säumniszuschlages vom sowie in der Beschwerde gegen den in dieser Angelegenheit vom Finanzamt erlassenen, hier angefochtenen Abweisungsbescheid vom wird das Vorliegen groben Verschuldens an der Säumnis in Abrede gestellt.
Insoweit die Bf. die Rechtmäßigkeit des Verlusts des Rechts auf Vorsteuerabzug aus den Eingangsfakturen der A.AG als Grundvoraussetzung für die Rechtmäßigkeit des gegenständlichen Säumniszuschlages bezweifelt und die Erfolgsaussichten bei der Anfechtung des Verlusts des Vorsteuerabzuges als nicht die Schlechtesten bezeichnet (Schriftsatz vom , Punkt A. II. b) 2. cc) 1.), ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Festsetzung von Säumniszuschlägen nicht davon abhängig ist, ob die Festsetzung der Stammabgabe rechtskräftig oder rechtmäßig ist (, , 2005/16/0240).
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der dem gegenständlichen Säumniszuschlagsbescheid zu Grunde liegende Umsatzsteuerbescheid 2018 vom in Rechtskraft erwachsen ist.
Der Fälligkeitstag der Umsatzsteuer 2018 ist der (siehe dazu die ausführliche Begründung im Abweisungsbescheid vom ). Die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages entstand gemäß § 217 Abs. 1 BAO in diesem Zeitpunkt. Daran vermag die Judikatur des EuGH zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung nichts zu ändern (Schriftsatz vom , Punkt A. II. b) 3.)
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Säumniszuschlages ist nach dem Gesetzeswortlaut, dass eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurde. Der Umstand der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Umsatzsteuer (bzw. die unrichtige Berechnung der Umsatzsteuer durch die Geltendmachung von Vorsteuer aus nicht steuerbaren Lieferungen) in den jeweiligen Voranmeldungszeiträumen wird durch die in der Zwischenzeit erfolgte Rechnungsberichtigung und Entrichtung durch Überrechnung der Gutschrift der Lieferantin an die Bf. nicht saniert, weshalb das Vorbringen, dass es sich bei der geänderten umsatzsteuerlichen Gebarung um ein reines Nullsummenspiel handelt (Schriftsatz , II. b) 3.2.), nicht von Bedeutung ist.
Die Bf. geht aufgrund ihrer Ausführungen zum Verlust des Rechts auf Vorsteuerabzug wegen Schlechtgläubigkeit (Schriftsatz vom , Punkt A. II. b) 2. aa) bis cc), Seite 7 bis 17) offensichtlich davon aus, dass der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen der A.AG AG gemäß § 12 Abs. 14 UStG 1994 nicht anerkannt wurde ("Das Recht auf Vorsteuerabzug entfällt, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft").
Dieses Vorbringen entspricht nicht der Aktenlage. Der Ort der gegenständlichen Lieferungen befand sich in Italien, weshalb die Lieferungen in Italien steuerbar sind. Die A.AG wies in den Rechnungen an die Bf. Rechnungen mit österreichischer Umsatzsteuer aus, obwohl die Lieferungen in Österreich nicht steuerbar waren. Es lag somit ein unberechtigter Steuerausweis gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 vor. Wie bereits in der Bescheidbegründung zum Umsatzsteuerbescheid 2018 vom ausgeführt wurde, kann eine lediglich aufgrund der Rechnung geschuldete Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden (, Genius Holding, , , 2005/15/0140).
Auf die Ausführungen unter den Punkten A. II b) 2., A. II b) 2. cc) 2. und A. II b) 2. cc) 3. des Schriftsatzes vom ist daher nicht näher einzugehen.
Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (). Keine leichte Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt.
Das grobe Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten; dies gilt auch für Organe juristischer Personen.
Die Bf. wurde durch ihre Geschäftsführer vertreten; deren grobes Verschulden an der Säumnis ist daher der Bf. zuzurechnen.
(Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist (vgl. auch hiezu Ritz, aaO, § 217 Tz. 46).
Dass Arbeitnehmer/innen der Bf. an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft, wurde im Verfahren nicht vorgebracht; weitergehende Erhebungen über Auswahl- oder Kontrollverschulden der Geschäftsführer können daher unterbleiben.
Zum Vorliegen groben Verschuldens argumentiert die Abgabenbehörde sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerdevorentscheidung, die Bf. habe Vorsteuer in Anspruch genommen, als hätte eine Lieferung in Österreich stattgefunden, obwohl aus den Lieferpapieren eindeutig erkennbar war, dass die Warenlieferungen ihren Ausgang im Ausland genommen haben (Ort der Lieferung Triest, Lieferscheine in italienischer Sprache).
Der schriftlichen Aufforderung vom zur Vorlage entsprechender Unterlagen im Zusammenhang mit den Treibstofflieferungen im Zeitraum 05 bis 09/2018 bis ist die Bf. zwar nicht nachgekommen, aus den im Akt erliegenden Lieferpapieren ist aber eindeutig ersichtlich, dass die Lieferscheine in italienischer Sprache verfasst sind.
Der daher nicht von der Hand zu weisenden Argumentation der Abgabenbehörde, der Vorhaltscharakter zukommt (), tritt die Bf. nicht entgegen. Das Verweisen auf das gesamte bisherige Vorbringen (Schriftsatz vom , B II. 1.) kann nicht als Eingehen auf die Argumentation der Behörde gesehen werden.
Dass der Rechnungsberichtigung bei der A.AG Gründe zu Grunde liegen, die die Bf. "weder kannte noch kennen konnte" (Schriftsatz vom , II. b) 3.1.) entspricht daher nicht der Aktenlage. Das Vorliegen groben Verschuldens wird seitens der Abgabenbehörde nicht damit argumentiert, dass die Bf. die Verhältnisse ihrer Lieferantin nicht gekannt hat, sondern damit, dass die Bf. innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerlich gleich behandelt hat wie Inlandslieferungen.
Der Sachverhalt des in diesem Zusammenhang vom Vertreter der Bf. zitierten Erkenntnisses des , ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Abgesehen davon, dass die A.AG die (fälschlicherweise) in Rechnung gestellte Umsatzsteuer auch abgeführt hat und sich ein Vergleich mit den in der zitierten Entscheidung dolos handelnden Lieferfirmen schon aus diesem Grund nicht aufdrängt, ist im vorliegenden Fall nicht verfahrensgegenständlich, ob die Bf. von höheren Einkaufspreisen (oder sonstigen Umständen) ihrer Lieferantin wusste, wissen musste oder nicht wusste.
Wesentlich ist hingegen, dass die falsche umsatzsteuerliche Behandlung der Lieferungen der Bf. durch die ausländischen Lieferpapiere ins Auge springen musste. Dem Finanzamt ist auch insoweit zu folgen, als aus dem Vorbringen, die Bf. habe auch Kraftstoff von dritter Seite bezogen und zwar ausnahmslos auf Basis von Inlandslieferungen (Schriftsatz , B.II. 2.2.), der Schluss gezogen werden kann, dass die Bf. die Rechnungen weder überprüft noch auf ihre Richtigkeit mit den Grundaufzeichnungen verglichen hat und es daher offensichtlich an einem internen Kontrollmechanismus gemangelt hat. Dass die Praxis der falschen Rechnungslegung erst ein Jahr später geändert wurde, ist hingegen für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit nicht von Belang.
Der Verweis auf eine bei der A.AG durchgeführte Umsatzsteuersonderprüfung, die zur gegenständlichen Umsatzsteuerproblematik keine Feststellungen zur Folge hatte, ist insoweit nicht von Bedeutung, als nicht ausgeführt wird, dass das Ergebnis der Prüfung der Bf. mitgeteilt wurde. Es wird auch nicht vorgebracht, dass die Rechnungslegung mit Umsatzsteuerausweis durch die A.AG jemals Gegenstand von Diskussionen mit der Bf. oder mit steuerlichen Vertretern der AG war. Ebensowenig wird die Beiziehung eines steuerlichen Vertreters oder eine entsprechende Auskunftseinholung bei der zuständigen Behörde durch die Bf. behauptet.
Ausgehend von den nicht bestrittenen Ausführungen der Abgabenbehörde ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Buchhaltung der Bf. im maßgeblichen Zeitraum nicht so eingerichtet war, dass innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Erwerbe, die im Bereich der Unternehmerschaft allgemein bekannt sind, steuerrechtlich ordnungsgemäß abgewickelt wurden. Der Bf. (bzw. ihren vertretungsbefugten Organen) ist daher hinsichtlich der objektiv gegebenen Säumnis nicht nicht nur ein Fehler anzulasten, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft, sondern von einem groben Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO auszugehen. Eine Herabsetzung oder Nichtfestsetzung des beschwerdegegenständlichen Säumniszuschlags hatte mangels Vorliegen der dafür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen somit nicht zu erfolgen.
Insoweit im Vorlageantrag weiteres "umfassendes Vorbringen" angekündigt wurde, "zweckmäßigerweise jedoch erst nach erfolgter Vorlage an das BFG", ist festzuhalten, dass außer dem Ersuchen um Vertagung der mündlichen Verhandlung vom kein weiteres Vorbringen vor dem BFG erstattet wurde.
Eine förmliche Zurücknahme des Antrages auf Abhaltung der mündlichen Verhandlung erfolgte nicht, weshalb diese - in Abwesenheit der Bf. - durchgeführt wurde.
Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis leitet sich aus den oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu zitierten Literatur und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.
Beilage für beide Parteien: Niederschrift vom
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100388.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at