Altlastenbeitrag - Nachsicht gemäß § 236 BAO
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/13/0016. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/2200014/2022 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***Vt***, Rechtsanwalt, ***Vt-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Graz (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl:***1***, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der Altlastenbeitrag in der Höhe von 237.423 Euro wird durch Abschreibung nachgesehen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin, vertreten durch ***Vt***, Rechtsanwalt, folgenden Antrag (auszugsweise):
"Wir stellen durch unseren ausgewiesenen Rechtsvertreter nachfolgenden
ANTRAG
gemäß § 236 Abs 2 BAO hinsichtlich des mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , GZ: ***2***, festgesetzten Altlastensanierungsbeitrages:
A. Sachverhalt
Antragstellerin
Die Antragstellerin ist im Firmenbuch des Landesgerichts für (…)
Anlagengenehmigung
Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin bzw. die Antragstellerin betreibt u.a. auf Grundlage der Bescheide (…) in (…) eine mechanische Abfallbehandlungsanlage einschließlich der Zwischenlagerung für gefährliche und nicht gefährliche Abfälle.
Beseitigungsauftrag und Verwaltungsstrafverfahren:
Im Rahmen einer Ortsverhandlung am wurden abfallpolizeiliche Missstände festgestellt. Mit Bescheid des Stmk LH vom , GZ: (…), wurden hierzu abfallpolizeiliche Maßnahmen und Aufträge erteilt. Gegen diesen Bescheid wurde keine Berufung eingebracht, sodass dieser in Rechtskraft erwachsen ist. Den abfallpolizeilichen Maßnahmen und Aufträgen ist die Antragstellerin nachgekommen, was durch den Stmk LH mit Schreiben vom , GZ: (…), bestätigt wurde. Dies auflagenwidrige Lagerung erfolgte daher lediglich während weniger Wochen. Aufgrund der erheblichen Abfallmengen, die laufend in der Anlage der Antragstellerin umgesetzt wurden, war die gegenständliche Überlagerung darüber hinaus nicht als absichtlich zu qualifizieren. Ziel der Antragstellerin war, sämtliche zwischengelagerte Abfälle schnellstmöglich zu verwerten, was auch nachweislich erfolgt ist.
In weitere Folge erging gegen den damaligen handelsrechtlichen Geschäftsführer der Antragstellerin ein Straferkenntnis der BH (…), wobei diesem acht Übertretungen nach dem AWG 2002 vorgeworfen wurden. Dieser Bescheid wurde hinsichtlich der Punkt 2., 3., 4. Und 8. rechtskräftig. Diese Punkte betrafen Verletzungen von Auflagen des vorbeugenden Brandschutzes, der Humanmedizin, der Emissionstechnik sowie einer wasserrechtlichen Auflage. Hinsichtlich der restlichen Punkte dieses Bescheids gab der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Steiermark mit Bescheid vom , GZ: (…), der hierzu erhobenen Berufung Folge. Das Straferkenntnis vom wurde somit in den Punkten 1., 5., 6. und 7. behoben und das Verfahren gem § 45 Abs 1 VStG eingestellt.
Altlastensanierungsbeitragsverfahren (ALSAG)
Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , GZ: ***2***, wurde der antragstellenden Partei der Altlastenbeitrag in Höhe von EUR 280.263,00 abzüglich des im Weg der Selbstberechnung bereits erklärten und entrichteten Altlastenbeitrags iHv EUR 42.840,00, ergibt EUR 237.423,00, sowie ein Säumniszuschlag iHv EUR 4.748,46 zur Entrichtung vorgeschrieben. Das Zollamt Graz begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass aufgrund der mit dem unter Punkt "Beseitigungsverfahren und Verwaltungsstrafverfahren" dieses Antrags genannten Bescheides festgestellten abfallpolizeilichen Missstände keine zulässige Zwischenlagerung bzw. Bereithaltung oder Vorbereitung zur Behandlung von Abfällen und somit der "Ausnahmetatbestand" des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG nicht vorliege. Die konsenslose Lagerung sei im zweiten Quartal 2009, am , erfolgt. Am sei begonnen worden, die Abfälle Entsorgungsunternehmen weiterzuliefern. Ende Juli 2009 sei die konsenslose Lagerung behoben und die Abfälle entsorgt worden sein. Am Ende des zweiten Quartals habe dennoch eine Überlagerung von 2.729 Tonnen sonstiger Abfälle bestanden.
Die Antragstellerin hat dagegen fristgerecht den Rechtsbehelf der Berufung eingebracht und zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt. Kurzgefasst wurde vorgebracht, dass die Lagerungen in der abfallrechtlich genehmigten Anlage ohnehin lediglich zur Zwischenlagerung vorgenommen wurden und daher die vom Zollamt Graz zur Begründung herangezogene Entscheidung nicht zutreffe. Selbst wenn eine beitragspflichtige Tätigkeit vorgelegen sei, sei für diese bereits ein Altlastenbeitrag entrichtet worden, sodass eine unzulässige Doppelbesteuerung vorliege.
Mit Bescheid vom , GZ: (…), wurde am Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO stattgegeben.
Infolge der Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Graz vom , GZ: (…), wurde mit Bescheid vom , GZ: (…), der Ablauf der Aussetzung, welche mit Bescheid vom stattgegeben wurde, verfügt. In diesem Bescheid wies das Zollamt Graz die Berufung als unbegründet ab und führte hierzu aus, dass lediglich eine zulässige Zwischenlagerung vom "Ausnahmetatbestand" des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG umfasst sei. Das Zollamt Graz stützte sich dabei auf das Erkenntnis des zu 2003/07/0173. Die Lagerung sei nicht zulässig erfolgt.
Gegen die Berufungsvorentscheidung vom , GZ: (…), hat die Antragstellerin mit Eingabe vom fristgerecht wiederum den Rechtsbehelf der Beschwerde eingebracht und zeitgleich erneut die Aussetzung der Einhebung des Altlastenbeitrages iHv EUR 237.423,00 und des Säumniszuschlages iHv EUR 4.748,46 beantragt.
Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , GZ: (…), wurde der neuerliche Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom abgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin mit Eingabe vom fristgerecht Berufung in Kombination mit einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung erhoben.
Mit Bescheid des Zollamtes Graz , GZ: (…), wurde der neuerliche Antrag auf Aussetzung der Einhebung abgewiesen. Mit Berufungsvorentscheidung vom , GZ: (…), wurde auch die Berufung vom als unbegründet abgewiesen.
Gegen die vorgenannte Berufungsvorentscheidung vom hat die Antragstellerin mit Eingabe vom fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Gleichzeitig wurde wiederum ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.
Mit Schriftsatz vom hat die Antragstellerin einen Feststellungsantrag gem § 10 Abs 1 Z 3 ALSAG bei der offenbar nicht unzuständigen BH (…) eingebracht. Dabei wurde die Feststellung beantragt, dass die vom bis Ende Juli 2009 von der Antragstellerin vorgenommenen Überlagerungen von 2.729 Tonnen sonstiger Abfälle nicht der ALSAG-Pflicht unterliegen. Begründend wurde unter anderem vorgebracht, dass § 3 Abs 1 ALSAG die Beitragstatbestände und die Abs 1 a, 2, 3a und 4 ALSAG die Ausnahmetatbestände zur Beitragspflicht normieren. Außerdem sei die "Zulässigkeit" kein weiteres Tatbestandsmerkmal iSd § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG.
Mit Beschluss des BFG, Außenstelle Graz, vom , GZ: RV/4200035/201 3, wurde das ALSAG-Festsetzungsverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des bei der BH (…) anhängigen Feststellungsverfahrens nach § 10 Abs 1 Z 3 ALSAG ausgesetzt.
Mit Feststellungsbescheid vom , GZ: (…), hat die BH (…) gem § 10 ALSAG festgestellt, dass eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliege und diese somit der Altlastenbeitragspflicht unterliege. Gegen diesen Feststellungsbescheid hat die Antragstellerin fristgerecht Beschwerde erhoben. In diese wurden u.a. wiederum die Bedenken des vermeintlichen Tatbestandsmerkmals der "Zulässigkeit" ausgeführt.
Mit Erkenntnis des LVwG Steiermark vom , GZ: (…), wurde die Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet abgewiesen und die Altlastenbeitragspflicht bestätigt. Begründend wurde auf die ständige Rechtsprechung des VwGH hingewiesen, wonach auch ein Lagern/Zwischenlagern in einer kürzeren als in § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG genannten Zeitdauer der Altlastenbeitragspflicht unterliegt, wenn nicht alle hiefür erforderlichen behördlichen Genehmigungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind. Auch ein Auflageverstoß, wonach Lagerhöhen und Lagerplätze nicht eingehalten worden seien und somit gegen das AWG 2002 verstoßen worden sei, sei als Fehllagerung ohne alle hiefür erforderlichen Genehmigungen zu qualifizieren, die der ALSAG-Pflicht unterliege.
Gegen das Erkenntnis des LVwG Stmk hat die Antragstellerin sowohl Beschwerde an den VfGH als auch ao Revision an den VwGH erhoben.
Mit Beschluss vom , GZ: E 287/2015-4, hat der VfGH die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Mit Erkenntnis vom , GZ: Ra 2015/07/0041, hat auch der VwGH die ao Revision als unbegründet abgewiesen. Begründend hat der VwGH im Wesentlichen ausgeführt, dass nach seiner ständigen Rsp das Lagern (oder Zwischenlagern) in einer kürzeren als der in § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG genannten Zeitdauer der Altlastenbeitragspflicht unterliegt, wenn nicht alle hiefür erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind. Diese Grundsätze seien - entgegen dem klaren Wortlaut des § 3 Abs 1 Z1 lit b ALSAG - aber auch auf jene Fälle - wie den gegenständlichen - anzuwenden, wenn zwar eine abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung erteilt wurde, jedoch entsprechende Bescheidauflagen nicht eingehalten wurden. Auch in derartigen Fällen liege eine der Rechtsordnung widersprechende Lagerung vor, der das Privileg des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG nicht zukomme.
Aufgrund der vorzitierten Entscheidung des VwGH wurde schließlich der Altiastenbeitrag in Höhe von EUR 237.423,00 zzgl. Säumniszuschlag iHv EUR 4.748,46, sohin gesamt EUR 242.171,46, eingehoben.
Revidierung der VwGH-Judikatur
Mit Entscheidung des verstärkten Senates vom , GZ: Ro 2019/13/0006-11, hat der VwGH Klarheit geschaffen und die Ausführungen der antragstellenden Partei zur Lagerung/Zwischenlagerung im Abgabeverfahren der antragstellenden Partei in einem diesem Verfahren ähnlich gelagerten Fall bestätigt. Für die befristete Lagerung von Abfällen ist kein Altlastenbeitrag abzuführen. Dies unabhängig von der Frage der behördlichen Genehmigung. Das Höchstgericht revidiert damit die bisherige Judikatur des VwGH, wonach entgegen der gesetzlichen Bestimmungen die "Zulässigkeit" im Zusammenhang mit der Lagerung von Abfällen ein Tatbestandsmerkmal für die Beitragspflicht gewesen sei.
Ausschließlich fristwidrige Lagerungen - also solche, die die Frist von drei Jahren zum Zweck der anschließenden Verwertung oder die Frist von einem Jahr zum Zweck der anschließenden Beseitigung überschreiten - unterliegen damit der Beitragspflicht nach dem AISAG. Folglich ist gemäß dieser Entscheidung nur die Einhaltung der Frist zu prüfen, nicht aber Fragen der Genehmigung des Abfalllagers, das allfällige Fehlen einer berufsrechtlichen Genehmigung (§ 24a AWG 2002) oder gar die Einhaltung von Auflagen.
Die vorzitierte Entscheidung des Höchstgerichts stützt sämtliche Rechtsstandpunkte der antragstellenden Partei im rechtskräftig abgeschlossenen Abgabeverfahren. Die Lagerung bzw. Zwischenlagerung der Abfälle wie im abgeschlossenen Abgabeverfahren, ist, wie das Höchstgericht nunmehr bestätigt, jedenfalls nicht beitragspflichtig.
Gleichgültig, ob die in Frage kommenden Abfälle nun auf den Grundstücken in (…) von der antragstellenden Partei auflagewidrig (geringfügige Überlagerung) gelagert bzw. zwischengelagert wurden, spielt die Frage der "Zulässigkeit" im Zusammenhang mit der Beitragspflicht gemäß § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG nach dieser, für das vorliegende Nachsichtsverfahren zu berücksichtigende Judikatur des Höchstgerichtes keine Rolle. Ausschlaggebend für eine Beitragspflicht nach § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG ist ausschließlich die Dauer der Lagerung. Die Abfälle wurden allesamt unter einem Jahr zur anschließenden Beseitigung oder unter drei Jahren zur anschließenden Verwertung gelagert. Die antragstellende Partei hat somit, wie die Rechtsvertreter auch schon im Abgabeverfahren ausgeführt haben, keine beitragspflichtige Tätigkeit iSd § 3 Abs 1 ALSAG vorgenommen. An der Sach- und Rechtslage hat sich seit dem Abschluss des Abgabeverfahrens nichts geändert. Lediglich die Rechtsprechung des Höchstgerichts wurde durch die Entscheidung des den Ausführungen der Rechtsvertreter der antragstellenden Partei im zugrundeliegenden Abgabeverfahren gegen den Bescheid des Zollamtes Graz vom , GZ: (…), folgend - revidiert.
Durch diese Entscheidung des Höchstgerichts wurden die Ausführungen der antragstellenden Partei im bereits abgeschlossenen Abgabeverfahren vollumfänglich bestätigt. Bei Vorliegen dieser den Rechtstandpunkt der antragstellenden Partei stützenden Entscheidung zum Abschluss des Abgabeverfahrens wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine für die antragstellende Partei günstigere Entscheidung (keine Beitragspflicht) ergangen.
Aus diesem Grund wird der gegenständliche Antrag auf nachträgliche Nachsicht gemäß § 236 Abs 2 BAO gestellt.
B. Rechtliche Beurteilung
Nach § 236 Abs 2 BAO können bereits entrichtete Abgaben nachträglich nachgesehen werden. Für die Nachsicht entrichteter Abgaben ist an den Begriff der Unbilligkeit im Übrigen kein anderer (kein strengerer) Maßstab anzulegen als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgabenschulden.
Unbilligkeit
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe kann nach Lage des Falles eine persönliche oder sachliche sein (zB. VwGH 2006/15/0337; 2007/13/0135).
Persönliche Unbilligkeit:
Die persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers und besteht in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (zB ). Eine solche Unbilligkeit ist stets gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet (zB ). Für eine Unbilligkeit bedarf es aber nicht unbedingt einer Existenzgefährdung, es genügt, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind. Als Beispiel führt der VwGH an, dass eine persönliche Unbilligkeit dann besteht, wenn die Abgabeschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte (zB ).
Die Einhebung der Abgabe ist nach der Lage dieses Falls jedenfalls persönlich unbillig. Die antragstellende Partei erwirtschaftet regelmäßig nur geringe Jahresüberschüsse. So wurde beispielsweise im Jahr 2013 nur ein Jahresüberschuss von EUR 75.363,15 und im Jahr 2014 lediglich ein Jahresüberschuss von EUR 42.978,03 (vor Auflösung von buchmäßigen Rücklagen) erwirtschaftet (siehe dazu Beilage ./1, Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses 2014).
Der vom Zollamt Graz vorgeschriebene Altlastenbeitrag beträgt inklusive Säumniszuschlag EUR 242.171,46 und somit ein Vielfaches der regelmäßig erwirtschafteten Jahresüberschüsse. Die Abgabenschuld entfaltet für die antragstellende Partei strafähnliche Wirkung und stellt bis heute eine enorme finanzielle Belastung und Gefährdung des Unternehmens dar. Es besteht somit ein krasses Missverhältnis zwischen Einhebung der Abgabe und den der antragstellenden Partei erwachsenden Nachteilen.
Somit ergibt sich eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung des vorgeschriebenen Altlastenbeitrags.
Sachliche Unbilligkeit
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, "sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzeln in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist"
Eine solche sachliche Unbilligkeit wurde beispielweise angenommen, wenn eine vom Gesetz objektiv nicht gewollte Doppelbesteuerung eintritt (VwGH 90/15/01 18). Ein derartiger Fall der nicht gewollten Doppelbesteuerung liegt auch im vorliegenden Fall vor, weil der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 2 Z 2 ALSAG nicht berücksichtigt wurde. Entsprechend dieser Bestimmung ist eine beitragspflichtige Tätigkeit - sofern eine solche überhaupt vorgelegen wäre (was anhand der nunmehrigen Judikatur widerlegt wurde) - dann von der Beitragspflicht ausgenommen, soweit für diese Abfälle bereits ein Altlastenbeitrag entrichtet wurde. Wie aus der Niederschrift des Zollamtes Graz vom sowie aus Folgeschreiben sowie aus den Akten des Verfahrens für die Behörde selbst ersichtlich ist, wurden die Abfälle einer ordnungsgemäßen (externen) Verwertung zugeführt. In diesem Fall wurde auch der jeweilige Altlastenbeitrag vom jeweiligen Verwerter im Inland entrichtet. Die gegenständliche Altastenbeitragsvorschreibung stellt daher eine unzulässige, rechtswidrige, verpönte und nicht gewollte (VwGH 90/15/0118) Doppelbesteuerung dar. Für jene Abfälle, die zur Firma (…) Kft. verbracht wurden, wurde - wie von der Behörde richtig festgestellt - ohnedies der Altlastenbeitrag der Antragstellerin in Höhe von rund EUR 43.000,00 abgeführt.
Der nicht gewollten Doppelbesteuerung müssen auch jene Fälle gleichgesetzt werden, wonach das ALSAG bzw. in concreto § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG zu einer de facto "Doppelbestrafung" - wie auch im gegenständlichen Fall geschehen - geführt haben, wie der VwGH in seiner neuen Rechtsprechung nunmehr implizit festgestellt hat. Demnach kam es neben der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit bei vermeintlich "unzulässigen" bzw. konsenslosen Lagerungen bzw. bei (lediglich geringfügigen) Verstößen gegen Bescheidauflagen auch wie im gegenständlichen Fall - zu horrenden Altlastenbeitragsvorschreibungen. Gegen die Antragstellerin wurde neben der ALSAG-Vorschreibung aber auch eine Verwaltungsstrafe verhängt, welche zumindest in Teilen auch vom damaligen UVS Steiermark bestätigt und in Rechtskraft erwachsen ist. Diese bisher bestehende offenbar ungewollte "Doppelgleisigkeit" der Vorschreibung eines Altlastenbeitrags wegen einer vermeintlich "unzulässigen" Lagerung zusätzlich zur Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen Verwaltungsbestimmungen bzw. Auflagen ist ebenfalls als sachlich unbillig anzusehen und dem zitierten Fall (VwGH 90/15/0118) somit gleichzusetzen.
Die nunmehrige Entscheidung des Höchstgerichts trägt - in Abkehr von der bisherigen "Verkennung" des Gesetzes - auch dem tatsächlichen Verständnis des ALSAG als Abgabengesetz Rechnung. So hatte der Gesetzgeber bei der beitragsfreien Lagerung nach § 3 Abs 1 Z 1 b ALSAG, der - wie der VwGH nunmehr klargestellt hat - ohnedies einen Regeltatbestand darstellt und keine "Ausnahmen" von der Beitragspflicht, ganz sicher nicht im Sinn gehabt, die Beitragspflicht bei jedem kleinsten vermeintlichen "Verstoß" gegen die Rechtsordnung - etwa gegen eine Auflage - schlagend werden zu lassen. Das ALSAG ist nämlich kein Verwaltungsstrafgesetz, sondern ein Abgabengesetz. Wenn im Regeltatbestand der beitragsfreien Lagerung gemäß § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG aber bei "Nichteinhaltung" irgendwelcher Verwaltungsbestimmungen eine Beitragspflicht schlagend werden würde, wie dies bisher und auch im gegenständlichen Fall angenommen wurde, würde es sich bei dieser Bestimmung um keine Abgabenbestimmung, sondern um eine systemwidrige de facto "Strafbestimmung" handeln. Durch die im Rahmen dieser Interpretation erfolgende Qualifikation des ALSAG als Strafnorm stünde auch die Frage der Verhältnismäßigkeit der durch die Norm ausgelösten Strafhöhe im Raum. Der VfGH hat im Jahr 2000 im Zusammenhang mit dem AWG 1990 bereits festgestellt, dass es zwar nicht unsachlich ist, wenn sich die Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiert, auch in diesen Fällen muss jedoch die Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des durch das Vergehen bewirkten Schadens stehen. Die bisherige Auslegung des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG als Strafabgabe, die nur aufgrund vermeintlich "unrechtmäßigen" Handelns entstanden ist, ist bzw. war schon deshalb nicht angemessen, weil sie in keinerlei Verhältnis zum Grad des Verschuldens gestanden ist. Die Strafhöhe hat sich ausschließlich aufgrund der Materialmenge bestimmt und zum Teil zu Altlasten (Strafbeiträgen) von mehreren hunderttausend Euro geführt.
Dem Altlastenbeitrag unterliegen gem § 3 Abs 1 ALSAG das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb der Erde, wobei die Abfalldefinition des § 2 Abs 1 bis 3 AWG 2002 gilt. Als Ablagern gilt gem § 3 Abs 1 Z 1 lit b auch "das mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung oder das mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung".
Im vorliegenden Fall war von Anfang an geplant und klar, dass die auf den Grundstücken der abfallrechtlich genehmigten Abfallbehandlungsanlage in (…) zwischengelagerten Abfälle schnellstmöglich zu verwerten sind, was auch nachweislich erfolgt ist. Dies ergibt sich auch aus der Abfallbilanz betreffend den Zeitraum bis aus dem ersichtlich ist, dass einem Input von 105.754,67 Tonnen ein Output von 104.844,77 Tonnen gegenübersteht. Daraus ist ersichtlich, dass die Abfälle eine kurze Umschlagdauer haben und die Anlage in (…) lediglich ein Zwischenlager darstellt. Aufgrund der erheblichen Abfallmengen, die laufend in der Anlage der Antragstellerin umgesetzt wurden, war die gegenständliche Überlagerung darüber hinaus nicht als absichtlich zu qualifizieren.
Im Übrigen war für die antragstellende Partei weder vor noch im Laufe des Abgabeverfahrens erkennbar, dass der Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG erfüllt sein könnte. Von der antragstellenden Partei wurde schon zu Beginn des Verfahrens die Ansicht geäußert, dass die Frage der "Zulässigkeit" der Lagerung iSd § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG streng von der Altlastenbeitragspflicht nach dem AISAG zu trennen sei. Dies weil im eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung, die den Beitragstatbestand und keinen Ausnahmetatbestand nach § 3 Abs 1 a ALSAG normiert, das zusätzliche Kriterium der "Zulässigkeit" keine Deckung findet. Nach Rechtsansicht der antragstellenden Partei war und ist ausschließlich die fristwidrige Lagerung - also über ein Jahr zum Zweck der Beseitigung oder über drei Jahre zum Zweck der Verwertung - vom Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG umfasst und somit beitragspflichtig. Dass auch die geringfügige Überlagerung unterhalb der gesetzlich normierten Frist und zusätzlich (!) zu einem Verwaltungsstrafverfahren - unabhängig von der Frage der vermeintlich erforderlichen Genehmigungen - der Beitragspflicht unterliegen könnte, wie dies im gegenständlichen Fall angenommen wurde, war für die antragstellende Partei gänzlich ausgeschlossen.
Dass diese Rechtsansicht der antragstellenden Partei durchaus vertretbar war und ist, zeigt auch die nunmehrige Entscheidung des verstärkten Senates vom , GZ: Ro 2019/13/0006-11, mit der der VwGH Klarheit geschaffen und die Ausführungen der antragstellenden Partei zur Lagerung/Zwischenlagerung in einem ähnlich gelagerten Fall bestätigt hat. Für die befristete Lagerung von Abfällen unterhalb der gesetzlichen normierten Frist ist kein Altlastenbeitrag abzuführen. Dies unabhängig von der Frage der behördlichen Genehmigung oder eines Auflagenverstoßes. Das Höchstgericht bestätigt damit die Rechtansicht der antragstellenden Partei, welche diese bereits zu Beginn des zugrundeliegenden Abgabeverfahrens ausgeführt hat, und revidiert die bisherige Judikatur des VwGH, wonach entgegen der gesetzlichen Bestimmungen die "Zulässigkeit" im Zusammenhang mit der Lagerung von Abfällen ein Tatbestandsmerkmal für die Beitragspflicht gewesen sei.
Der VwGH hat mit dieser Entscheidung auch die Rechtsausführungen der antragstellenden Partei bestätigt, wonach beim Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG ausschließlich fristwidrige Lagerungen - also solche, die die Frist von drei Jahren zum Zweck der anschließenden Verwertung oder die Frist von einem Jahr zum Zweck der anschließenden Beseitigung überschreiten - der Beitragspflicht nach dem AISAG unterliegen. Folglich ist gemäß dieser Entscheidung nur die Einhaltung der Frist zu prüfen, nicht aber Fragen der Genehmigung des Abfalllagers, das allfällige Fehlen einer berufsrechtlichen Genehmigung (§ 24a AWG 2002) oder gar die Einhaltung von Auflagen.
An der aktuellen Rechtslage hat sich im Vergleich zur Rechtslage zum Schluss des zugrundeliegenden Abgabeverfahrens nichts geändert. Der Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG hat somit in der im zugrundliegenden Verfahren zur Anwendung gelangenden Fassung gleich gelautet wie die nunmehr geltende Fassung.
Die Festsetzung und Einhebung eines derart hohen Altlastenbeitrages (EUR 237.423,00 zzgl. Säumniszuschlag iHv EUR 4.748,46, sohin gesamt EUR 242.171,46,) für einen gesetzlich nicht normierten sondern einen vom VwGH de facto neu geschaffenen Beitragstatbestand - nämlich die auflagenwidrige Lagerung unter der in § 3 Abs 1 Z 1 lit b angeführten Frist samt "Hineininterpretation" eines zusätzlichen Zulässigkeitskriteriums - ist somit ein vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigtes Ergebnis, mit dem nicht gerechnet werden musste, da noch nicht einmal die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit zweifelsfrei von einer derartigen Abgabenschuldigkeit ausgegangen ist. Wäre das Entstehen der Altlastenbeitragspflicht gem. § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG für die antragstellende Partei offensichtlich gewesen, wäre die der Abgabe zugrundeliegende geringfügig auflagenwidrige Zwischenlagerung auch gar nicht dergestalt durchgeführt worden. Dieses ungewöhnliche Entstehen der Abgabeschuld - dh durch "Uminterpretation" und Hinzufügen von ungeschriebenen weiteren Kriterien zum Gesetzeswortlaut - hat zu einem massiven und für den Antragsteller nicht vorhersehbaren Vermögenseingriff geführt, der zu einem in Relation zum Ausgangssachverhalt auch der Höhe nach unproportionalen Ergebnis führt. Im Ergebnis wurde im gegenständlichen Fall eine an sich unproblematische gesetzliche Bestimmung (§ 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG), deren Wortlaut eindeutig formuliert ist, derart fehlinterpretiert und "umgedeutet", dass es zu einer unsachgemäßen und unzulässigen Abgabenfestsetzung gekommen ist.
Diese Unbilligkeit wird auch deshalb verstärkt, weil die Geltendmachung der Beitragsfreiheit durch die - wie der VwGH nunmehr klarstellt - unrichtigen Rechtsauskünfte und Rechtsansichten des Zollamtes Graz, des BFG sowie des LVwG Stmk aussichtslos war (vgl dazu auch VwGH 85/17/0143).
Die Unbilligkeit und Bejahung der unbilligen Härte nach der Lage des Falles muss auch deshalb zu Gunsten der antragstellenden Partei ausgehen, weil kein öffentliches Interesse an der Einbringung einer Abgabe anzunehmen ist, "wenn die Abgabenforderung - obgleich rechtskräftig festgesetzt - materiell nicht berechtigt war." (vgl VwGH 85/17/0143 [RS Nr 5]) Da die dem gegenständlichen Nachsichtsantrag zugrundeliegende Abgabeforderung auf der - wie das Höchstgericht mit Entscheidung vom , GZ: Ro 201 9/13/0006-11, klargestellt hat - materiell rechtswidrigen Annahme, dass auch kürze (auflagenwidrige) Zwischenlagerungen unterhalb der Frist des § 3 Abs 1 Z 1 lit b ALSAG sowie die Nichteinhaltung eines im Gesetzeswortlaut nicht enthaltenen zusätzlichen "Zulässigkeitskriteriums" (Vorliegen aller erforderlichen Genehmigungen sowie Auflagen) eine Altlastenbeitragspflicht auszulösen vermögen, beruht, liegt auch aus diesem Grund eine sachliche Unbilligkeit bzw. unbillige Härte zulasten der Antragstellerin vor.
Diese besondere Unbilligkeit des gegenständlichen Falles - verglichen mit anderen ALSAG-Fällen - wird auch dadurch deutlich, dass einzig der Antragstellerin ausschließlich aufgrund eines geringfügigen Auflageverstoßes (!) - bei Vorliegen aller Genehmigungen - ein Altlastenbeitrag in Höhe von nahezu EUR 250.000,00 vorgeschrieben wurde. Dieses Verfahren war bis zur Revidierung der Rechtsprechung des VwGH durch den verstärkten Senat tatsächlich einzigartig.
Im Ergebnis ist die Einhebung der Abgabe im konkreten Fall daher sachlich unbillig iSd § 236 BAO. Die Feststellung des Vorliegens von "Unbilligkeit" ist dabei nach der Rsp der VwGH keine Ermessensfrage (VwGH 93/17/9156). Wiewohl bei Vorliegen der Nachsichtsvoraussetzungen die Bewilligung der Nachsicht nach der stRsp des VwGH (VwGH 97/14/0013, 2006/15/0259, zuletzt Ro 2014/17/0032) im Ermessen der Behörde liegt, muss diese dennoch nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit entscheiden und darf sich bei dieser Entscheidung nicht von unsachlichen Erwägungen leiten lassen (wiederum VwGH Ro 2014/17/0032). Diesbezüglich sei auch auf einschlägige Judikatur des VfGH verwiesen, wonach der Entscheidungsspielraum (iSv Ermessen) gerade in sensiblen Bereichen wie dem Strafrecht, aber auch dem Sozialversicherungs- und Steuerrecht, wozu auch das ALSAG zu zählen ist, entsprechend enger - dh. für den Normunterworfenen vorteilhafter - zu ziehen ist. Dies folgt insbesondere aus dem "differenzierten Legalitätsprinzip". Dem Gesetzgeber ist also nicht entgegenzutreten, wenn er sich auslegungsbedürftiger Gesetzesbegriffe (zB. "Ermessen") bedient, soweit das Handeln der Vollziehung im Ergebnis hinreichend vorherbestimmt ist. Im Umkehrschluss wird daher bei Vorliegen von "Unbilligkeit" - wie im gegenständlichen Fall - aufgrund der Sensibilität des Steuerrechts, dem Erfordernis der hinreichenden Vorherbestimmung des Vollziehungshandelns sowie unter Beachtung der Rechtsprechung des VfGH von einem "de facto"-Anspruch auf Genehmigung der nachträglichen Nachsicht iSd § 236 BAO auszugehen sein.
Auf das bisher einwandfreie steuerliche Verhalten der Antragstellerin wird an dieser Stelle hingewiesen.
Auf Basis der dargestellten Sach- und Rechtslage stellt die antragstellende Partei den
ANTRAG
• Das Zollamt Graz möge als Abgabebehörde die gegenständliche Abgabeschuldigkeit gemäß § 236 Abs 2 iVm Abs 1 BAO nachträglich zur Gänze nachsehen, weil die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig iSd § 236 Abs 1 BAO war bzw. ist;
und
• den nachträglich nachgesehenen Betrag der antragstellenden Partei zu Händen des ausgewiesenen Rechtsvertreters ersetzen."
Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl: 700000/210497/1/2019, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 236 BAO könnten fällige Abgabenschuldigkeiten nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig sei. Eine persönliche Unbilligkeit liege vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen gefährde oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden sei. Betreffend eine allfällige Existenz- bzw. Insolvenzgefährdung sei auf die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit sowie auf die insolvenzrechtliche Überschuldung hinzuweisen. Obwohl die Beschwerdeführerin ihre gegenwärtige finanzielle Situation nicht mit Nachweisen dargelegt habe, lasse der lediglich vorgelegte Jahresabschluss zum eine konstante und positive Entwicklungsprognose verzeichnen. Nach Auflösung unversteuerter Rücklagen sowie des Gewinnfreibetrages aus dem Vorjahr habe der Bilanzgewinn im Jahr 2014 276.081,24 Euro betragen. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich Vorliegens einer Unbilligkeit grundsätzlich den Nachsichtswerber treffe. Von einer Existenzgefährdung der Beschwerdeführerin bzw. einer persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung sei nicht auszugehen.
Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten stellten keine Unbilligkeiten dar. Folglich könne auch in der allgemeinen Wirkung genereller Normen keine sachliche Unbilligkeit gesehen werden. Das gelte auch im Hinblick auf die Rechtsbildung durch höchstgerichtliche Rechtsprechung, welche nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls eine unbillige Härte des Einzelfalles, sondern vielmehr eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage darstelle. Daher führe selbst ein Abgehen des Gerichtshofes von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht dazu, dass sämtliche auf der bisherigen Rechtsprechung beruhenden Abgabenvorschreibungen als unbillig anzusehen seien. Die Abgaben seien - basierend auf einem Feststellungsverfahren nach § 10 ALSAG - rechtskräftig festgesetzt worden. Die Nachsicht diene nicht dazu, Unrichtigkeiten von Abgabenfestsetzungen zu beseitigen oder unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen.
Im zweiten Quartal 2009 seien von der Beschwerdeführerin 6.120 Tonnen Abfälle zu einem Zementwerk zur Verbrennung verbracht worden und hierfür der Altlastenbeitrag in der Höhe von 42.840 Euro angemeldet und entrichtet worden. Mit Stichtag hätten sich jedoch nach wie vor 2.728,40 Tonnen Abfälle in konsensloser Lagerung durch die Beschwerdeführerin befunden, hierfür seien die Abgaben vorgeschrieben worden. Es liege auf der Hand, dass es sich bei den im zweiten Quartal 2009 zur Verbrennung verbrachten Abfällen nicht um die zum Stichtag nach wie vor auf dem Gelände der Beschwerdeführerin konsenslos gelagerten Abfälle gehandelt hat. Es sei für die Behörde nicht nachvollziehbar, dass die Festsetzung des Altlastenbeitrages einen objektiv vom Gesetzgeber nicht gewollten Fall der Doppelbesteuerung darstelle und somit eine sachliche Unbilligkeit bewirken könne. Da im gegenständlichen Fall weder eine sachliche noch eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung der Abgabenschuldigkeiten nachgewiesen worden seien, habe die Behörde keine Ermessensentscheidung treffen können und das Ansuchen sei abzuweisen gewesen.
Dagegen richtete sich die Beschwerde vom . Die Beschwerdeführerin, vertreten durch ***Vt***, Rechtsanwalt, brachte zusätzlich zu den im Antrag gemachten Ausführungen vor, der angefochtene Bescheid sei formell mangelhaft und daher rechtswidrig. Es seien wesentliche Sachverhaltselemente nicht festgestellt worden. Der gegenständliche Fall unterscheide sich von anderen Fällen dadurch, dass einzig der Beschwerdeführerin ausschließlich aufgrund eines geringfügigen Auflagenverstoßes - bei Vorliegen aller Genehmigungen - ein Altlastenbeitrag vorgeschrieben worden sei; dieses Verfahren sei, anders als die belangte Behörde vermeine, bis zur Revidierung der Rechtsprechung tatsächlich einzigartig und nicht in Entsprechung der seinerzeitig geltenden Judikatur und Rechtslage gewesen. Darüber hinaus sei zusätzlich wegen des gleichen Verstoßes eine Verwaltungsstrafe gegen die Beschwerdeführerin verhängt worden. Es sei auch nicht festgestellt worden, ob wirtschaftliche Auswirkungen vorgelegen seien, die außergewöhnlich seien.
Ebenso sei die rechtliche Begründung mangelhaft. Es sei im Antrag ausgeführt worden, dass das Abgabenverfahren schon deshalb einzigartig sei, weil aufgrund eines unwesentlichen Auflagenverstoßes Altlastenbeitrag in der Höhe von 250.000 Euro vorgeschrieben worden sei. Es sei auch vorgebracht worden, dass die ganz offenbar ungewollte Doppelgleisigkeit der Vorschreibung eines Altlastenbeitrages wegen einer vermeintlichen unzulässigen Lagerung zusätzlich zur Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Verstoßes gegen Verwaltungsbestimmungen als sachlich unbillig anzusehen seien. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liege dann Unbilligkeit vor und es bestehe kein öffentliches Interesse an der Einbringung einer Abgabe, wenn die Abgabenforderung - obgleich rechtskräftig festgesetzt - materiell nicht berechtigt gewesen sei. Eine sachliche Unbilligkeit bzw. eine unbillige Härte zulasten der Beschwerdeführerin liege vor. Die belangte Behörde habe sich mit keinem der vorgebrachten Punkte auseinandergesetzt und auch die zugunsten der Beschwerdeführerin bestehende Judikatur nicht berücksichtigt.
Es sei im gegenständlichen Fall eine an sich unproblematische gesetzliche Bestimmung derart fehlinterpretiert und umgedeutet worden, dass es zu einer unsachgemäßen und unzulässigen Abgabenfestsetzung gekommen sei. Es liege entgegen der Ansicht der belangten Behörde kein Fall einer legislatorisch bedingten Unzulänglichkeit vor, weil nach dem klaren Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG gerade keine Abgabe entstanden sei. Die Abgabe sei vielmehr aufgrund eines gesetzlich nicht normierten, sondern vom Verwaltungsgerichtshof de facto neu geschaffenen Beitragstatbestandes eingehoben worden. Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin für den Fall der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***3***, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte das Zollamt neben den im angefochtenen Bescheid getätigten Ausführungen aus, mit dem Abgabenbescheid seien Abgaben lediglich für die zum Stichtag noch in konsensloser Lagerung befindlichen Abfälle vorgeschrieben worden. Die an das Zementwerk gelieferten Mengen seien selbstverständlich außer Betracht geblieben. Es handle sich bei der Vorschreibung des Altlastenbeitrages um keine Strafe und somit liege kein Verstoß gegen das Doppelbesteuerungsverbot vor. Es handle sich nicht um Unbilligkeiten des Einzelfalls, wenn eine durch die Einhebung der Abgaben bedingte Belastung zwar zu subjektiv empfundenen Härten führe, jedoch in gleichen Lagen, sohin allgemein eintrete. Die Abgabenvorschreibung sei in Entsprechung der seinerzeit geltenden Judikatur erfolgt, die vormals geltende Rechtslage im Hinblick auf die beitragspflichtige unzulässige Zwischenlagerung habe nicht einzig den gegenständlichen Sachverhalt betroffen, sondern zahllose weitere gleich oder ähnlich gelagerte Fälle unterschiedlicher Wirtschaftsbeteiligter oder Einzelpersonen. Ein Abgehen des Verwaltungsgerichtshofes von seiner bisherigen Rechtsprechung führe nicht dazu, dass sämtliche auf der bisherigen Rechtsprechung beruhenden Abgabenvorschreibungen als unbillig anzusehen seien. Die vorliegenden Umstände vermögen keine Unbilligkeit begründen, diese sei aber eine unabdingbare Voraussetzung für eine eventuelle Nachsicht. Von der Beschwerdeführerin seien weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit nachgewiesen worden, die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung durch die Behörde seien nicht erfüllt gewesen und die Erstentscheidung sei daher zu bestätigen gewesen.
Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
In der mündlichen Verhandlung betonte die Beschwerdeführerin nochmals, es handle sich um den einzigen Fall, in dem es aufgrund einer nicht eingehaltenen Bewilligungsauflage zur Vorschreibung des Altlastenbeitrages gekommen sei. Die belangte Behörde führte aus, es mache keinen Unterschied, ob eine Bewilligung fehle oder ob gegen eine vorhandene Bewilligung verstoßen werde. Selbst der Verwaltungsgerichtshof habe im betreffenden Feststellungsverfahren die Beitragspflicht bejaht. Die Beschwerdeführerin entgegnete der belangten Behörde, Auflagenverstöße kämen bei genehmigten Anlagen häufig vor, die dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegende Abgabenvorschreibung sei der einzige Fall, bei dem ein Auflagenverstoß zur Abgabenvorschreibung geführt habe.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 323b Abs. 1 BAO tritt das Zollamt Österreich am an die Stelle der am zuständig gewesenen Zollämter.
Der Beschwerdeführerin wurde der Betrieb einer mechanischen Abfallbehandlungsanlage einschließlich der Zwischenlagerung für gefährliche und nicht gefährliche Abfälle bewilligt.
Mit Bescheid vom , Zahl: ***2***, hat das Zollamt für die Beschwerdeführerin für das zweite Quartal 2009 Altlastenbeitrag in der Höhe von 280.263 Euro mit der Begründung, es habe unzulässige Abfallüberlagerungen (Zwischenlagerungen) gegeben, festgesetzt; nach Abzug des selbst berechneten und entrichteten Betrages in der Höhe von 42.840 Euro ergab dies eine Nachforderung in der Höhe von 237.423 Euro. Gleichzeitig wurde ein Säumniszuschlag in der Höhe von 4.748,46 Euro vorgeschrieben. In der dagegen erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) vom wurde im Wesentlichen vorgebracht, bei einem nicht mehr als einjährigen Lagern von Abfällen zur Beseitigung oder bei einem nicht mehr als dreijährigen Lagern von Abfällen zur Verwertung komme des nicht auf die Zulässigkeit der Lagerung an. Für die Erfüllung des Abgabentatbestandes sei einzig und allein entscheidend, ob eine Lagerung der Abfälle länger oder kürzer als ein Jahr bzw. drei Jahre erfolge. Mit Berufungsvorentscheidung vom , Zahl: ***4***, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dagegen richtete sich der Vorlageantrag vom .
Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin bei der Bezirksverwaltungsbehörde einen Antrag gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 ALSAG. Darin wurde (ausführlich) vorgebracht, beim Beitragstatbestand des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG handle es sich nicht um einen Ausnahmetatbestand, sondern um einen Beitragstatbestand und die Zulässigkeit sei richtigerweise kein Kriterium des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG. Darüber hinaus verfüge die Beschwerdeführerin über die Genehmigung zur Behandlung von Abfällen in ihrer Anlage. Daher sei auch das vom Verwaltungsgerichtshof dem Abgabentatbestand hinzugefügte Kriterium der "Zulässigkeit" erfüllt. Mit Bescheid vom stellte die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Überlagerung der Altlastenbeitragspflicht unterliege. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom als unbegründet abgewiesen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin eine außerordentliche Revision; in dieser brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, entgegen den vom Verwaltungsgerichtshof zuletzt beurteilten Fällen sei es zwar zu einem Auflagenverstoß gekommen, jedoch zu keiner Verletzung von Bewilligungspflichten. Das Landesverwaltungsgericht habe die im vorliegenden Fall gegebene partielle Konsenswidrigkeit einer vollständigen Konsenslosigkeit gleichgestellt und habe das gesamte Vorbringen zur richtigen Auslegung des in § 3 Abs. 1 Z 1 lit.b ALSAG normierten Abfalllagerungstatbestandes übergangen. Neben den Ausführungen im Antrag und in der Beschwerde verwies die Beschwerdeführerin nochmals darauf, "dass schon die Wortinterpretation des § 3 Abs. 1 Z 1 lit b AlSAG kein anderes Ergebnis zulässt, als eine Betragspflicht bei einer Lagerung zur Beseitigung erst nach Ablauf von 365 Lagerungstagen bzw. eine Beitragspflicht bei einer Lagerung zur Verwertung erst nach Ablauf von 1095 Lagerungstagen" vorgesehen ist.
Mit Erkenntnis vom , Ra 2015/07/0041, hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die Revision sei zulässig gewesen, weil "die in der Revision genannte Frage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht beantwortet wurde." Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unterliege das Lagern (oder Zwischenlagern) in einer kürzeren als der in § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG genannten Zeitdauer der Altlastenbeitragspflicht, wenn nicht alle hierfür erforderlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen seien. Diese Grundsätze träfen aber auch auf jene Fälle zu, "in denen - wie hier - zwar eine abfallwirtschaftsrechtliche Bewilligung erteilt wurde, vom Bewilligungsinhaber jedoch entsprechende Bescheidauflagen nicht eingehalten wurden, was dazu führte, dass eine Abfallüberlagerung erfolgte." Der Verwaltungsgerichtshof führte weiter aus, für "eine unterschiedliche Gewichtung eines Auflagenverstoßes einerseits und einer fehlenden Bewilligung andererseits besteht - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - im vorliegenden Zusammenhang keine Grundlage."
Nach einem Telefongespräch am zwischen der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin und dem Leiter der für die Entscheidung über die als Beschwerde zu wertende Berufung vom zuständigen Gerichtsabteilung nahm die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom die Beschwerde gegen den Abgabenbescheid vom zurück. Mit Beschluss vom , GZ. RV/4200035/2013, wurde die als Beschwerde zu wertende Berufung vom gegen den Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl: ***2***, als gegenstandslos erklärt.
Mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Ro 2019/13/0006, änderte der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung; er hielt seine Judikatur nicht mehr aufrecht, wonach auch ein Zwischenlagern in einer kürzeren als der in § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG genannten Zeitdauer der Altlastenbeitragspflicht unterliegt, wenn nicht alle hierfür erforderlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind.
Die Beschwerdeführerin hat die mit Bescheid vom vorgeschriebenen Abgaben mit der Bezahlung der letzten Rate am vollständig entrichtet.
Der Sachverhalt stand aufgrund der dem Bundesfinanzgericht im verfahrensgegenständlichen Verfahren vorgelegten Verwaltungsakten und aufgrund der im Beschwerdeverfahren gegen den Abgabenbescheid vorgelegten Unterlagen fest und deckt sich auch mit den Vorbringen und Ausführungen in den Eingaben und Erledigungen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und wurde auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Diese Bestimmung findet gemäß § 236 Abs. 2 BAO auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein (§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005 - nachfolgend Verordnung genannt).
Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 236 Abs. 1 BAO muss sich die Unbilligkeit, soll sie nachsichtsbedeutsam sein, auf die Einhebung beziehen (vgl. auch Stoll, BAO Kommentar, 2436).
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es in einem Verfahren betreffend Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO Sache des Antragstellers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann. Im Nachsichtverfahren trifft den Antragsteller somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht ().
Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtwerbers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht aus persönlichen Gründen nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Liegenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (vgl. auch § 2 der Verordnung). Dabei sind nicht die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld maßgebend, sondern jene zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen (zum Beispiel ).
Für das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie erwirtschafte regelmäßig nur geringe Jahresüberschüsse, hat die Beschwerdeführerin ihrem Antrag vom den Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum beigelegt; weitere Unterlagen wurden nicht beigebracht. Beim vorgelegten Bericht handelt es sich zum einen nicht um eine Unterlage für den für die Entscheidung des Nachsichtsantrages maßgeblichen Zeitpunkt, zum anderen ließen sich aus der Behauptung, nur geringe Jahresüberschüsse zu erzielen, und aus dem genannten Bericht eine Gefährdung der Existenzgrundlage nicht ableiten. Die Beschwerdeführerin konnte laut Bericht - wie bereits die belangte Behörde ausgeführt hat - im Jahr 2014 im Vergleich zum Jahr 2013 ihren Umsatz auf 13.137.729,83 Euro steigern und der Bilanzgewinn hat im Jahr 2014 276.081,24 Euro betragen. Der im genannten Bericht enthaltene Prognosebericht geht auch von einem konstanten Geschäftsverlauf und einem positiven Betriebsergebnis im Geschäftsjahr 2015 aus. Das findet Bestätigung in einer vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Abfrage, wonach laut dem Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2019 die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 16.497.404,42 Euro betragen hat. Auch nach den Feststellungsbescheiden haben sich die Gesamtbeträge der Einkünfte positiv entwickelt; für das Jahr 2019 wurden Einkünfte in der Höhe von 449.471,58 Euro festgestellt.
Auch die (bereits erfolgte) Entrichtung des vorgeschriebenen Altlastenbeitrages hat offenbar zu keiner Gefährdung der Existenzgrundlage geführt. Die Beschwerdeführerin existiert auch nach der Bezahlung der Abgaben und es wurde weder vorgebracht, noch ergaben sich aus den Unterlagen Anhaltspunkte dafür, dass diese mit besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Eine vom Bundesfinanzgericht durchgeführte Abfrage im Abgabeninformationssystem hat ergeben, dass für das Jahr 2017 (in diesem Jahr wurde die letzte Rate beglichen) Einkünfte in der Höhe von 735.893,57 Euro festgestellt worden sind. Auch die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt durch das Bundesfinanzgericht angegeben, das Unternehmen habe sich offenbar erholt; die Abgabenvorschreibung habe der Beschwerdeführerin geschadet. Diese Angaben und die Ausführungen im Antrag vermochten unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen eine persönliche Unbilligkeit nicht begründen.
Zur sachlichen Unbilligkeit hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0117, Folgendes ausgeführt:
"15 Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der genannten Verordnung beispielsweise aufgezählten Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ereignis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensverlauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. etwa ).
16 Eine Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO setzt die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung voraus, eine solche kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Im Nachsichtsverfahren können daher nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären."
Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass die Einhebung von Abgaben nicht allein wegen einer Änderung der Rechtsprechung unbillig ist. Dies, weil solche Änderungen Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage sind und nicht Unbilligkeit der Einziehung des Einzelfalles (Stoll, BAO, 2440). Der verfahrensgegenständliche Fall war jedoch anders gelagert, es traten besondere Umstände hinzu.
Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG hat der Gesetzgeber eine Beitragspflicht (unter anderen) für das mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung und für das mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung vorgesehen, und dabei nicht auf erforderliche behördliche Bewilligungen oder (wie im vorliegenden Fall) auf die Einhaltung von behördlichen Bewilligungen abgestellt. Entgegen dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmung ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (argumentum: "Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt …" - ) auch bei nicht mehr als einjährigem oder nicht mehr als dreijährigem Lagern von einer Beitragspflicht ausgegangen, wenn nicht alle hierfür erforderlichen behördlichen Bewilligungen (Anzeigen oder Nichtuntersagungen) vorgelegen sind. Eine solche Beitragspflicht war vom Gesetzgeber zwar nicht beabsichtigt oder gewollt, jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof diese im Erkenntnis vom , 2010/07/0218, dargelegte Rechtsansicht bis zum Erkenntnis des verstärkten Senates auch in der Folgejudikatur (fünf Erkenntnisse und drei Beschlüsse) vertreten; diese Rechtsansicht bezog sich somit nicht auf einen Einzelfall.
Auch wenn das Bundesfinanzgericht nicht abschließend beurteilen konnte, ob - wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht - die dem Nachsichtsantrag zugrunde liegende Abgabenvorschreibung der einzige Fall ist, in dem es bei Verletzung einer Bewilligungsauflage zu einer Beitragsvorschreibung gekommen ist, so stand doch fest, dass die gegenständliche Abgabenvorschreibung der erste Fall war, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Frage zu beantworten hatte, "ob trotz des Vorliegens sämtlicher Genehmigungen für eine Abfallzwischenlagerung auch (nur) bei einem Auflagenverstoß eine Beitragspflicht nach dem AlSAG gegeben sein könne." Es war nicht nur der erste Fall mit dieser Frage, sondern auch der einzige Fall mit dieser Frage, über den der Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden hatte; die im Erkenntnis des verstärkten Senates angeführten Judikate betrafen - mit Ausnahme des gegenständlichen Falles - ausschließlich Fälle sogenannter konsensloser Zwischenlagerungen. Es mag betreffend konsensloser Zwischenlagerungen - wie die belangte Behörde der Auffassung ist - "zahllose" Verfahren gegeben haben, der Verwaltungsgerichtshof hatte jedoch nur in einem Fall (nämlich in dem, dem gegenständlichen Antrag zugrunde liegenden Fall) über eine sogenannte konsenswidrige Zwischenlagerung zu entscheiden.
Im verfahrensgegenständlichen Fall war auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin nicht nur im Beschwerdeverfahren gegen den Abgabenbescheid, sondern auch im Feststellungsverfahren nach § 10 ALSAG die Abgabenvorschreibung und die Feststellung der Bezirksverwaltungsbehörde genau mit den Argumenten bekämpft hat, die der verstärkte Senat seiner (geänderten) Rechtsansicht zugrunde gelegt hat, nämlich dass § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG für kürzere Zwischenlagerungen eine Beitragspflicht nicht normiert und dies unabhängig davon, ob die hierfür erforderlichen behördlichen Bewilligungen vorliegen oder darin enthaltene Auflagen eingehalten werden.
Die Beschwerdeführerin ist gegen die Abgabenvorschreibung nicht nur mit den zutreffenden Argumenten vorgegangen, sondern die Beschwerdeführerin hat die Vorschreibung der Abgaben auch mit den ihr zustehenden Rechtsmittel bekämpft und im Feststellungsverfahren gemäß § 10 ALSAG sogar Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Dass sie dort mit den zutreffenden Argumenten nicht durchdringen konnte und nach Ergehen des Erkenntnisses im Feststellungsverfahren die Beschwerde gegen den Abgabenbescheid zurückgenommen hat, kann der Beschwerdeführerin nicht vorgeworfen werden; auch wenn die Beschwerde gegen Abgabenbescheid nicht zurückgenommen worden wäre, wäre das Bundesfinanzgericht im Beschwerdeverfahren gegen den Abgabenbescheid an die Entscheidung (Vorfrage) im Feststellungsverfahren gebunden gewesen.
Die Beschwerdeführerin hat somit im Abgaben- und Feststellungsverfahren mit den zutreffenden Argumenten nicht nur alle ihr zustehenden Rechtsmittel ergriffen (vgl. Stoll, BAO, 2436), sie war damit trotz richtiger Rechtsansicht nicht erfolgreich und somit ist es im vorliegenden Fall zu einer vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Vorschreibung einer Beitragsschuld gekommen. Vom Verwaltungsgerichtshof war - wie bereits ausgeführt - nur im gegenständlichen Fall die Frage zu beantworten, ob bei Verstoß gegen eine Auflage auch bei kürzerem als in § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG vorgesehenen Zwischenlagern die Beitragsschuld entsteht. Nicht nur die vorstehenden Erwägungen, sondern auch die Tatsache, dass für eine kurzfristige Überlagerung Altlastenbeitrag in der Höhe von 237.423 Euro nachgefordert worden ist, sind besondere Umstände, die eine sachliche Unbilligkeit begründen (vgl. ). Die Ansicht des Bundesfinanzgerichtes stützt sich somit nicht allein auf die Änderung der Rechtsprechung durch einen verstärkten Senat (vgl. ), sondern auf die zusätzlich hinzugetretenen Umstände.
Liegt wie im verfahrensgegenständlichen Fall eine Unbilligkeit vor, so liegt die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde oder des Bundesfinanzgerichtes (). Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei, unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben.
Ein öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgabe ist zu verneinen, wenn wie im gegenständlichen Fall die Abgabennachforderung - obgleich rechtskräftig festgesetzt - materiell nicht berechtigt war (). Zu berücksichtigen war auch, dass die Beschwerdeführerin - obwohl sie von der Unrichtigkeit der Abgabenvorschreibung überzeugt war und diese mit allen ihr zustehenden Möglichkeiten bekämpft hat - die Abgaben entrichtet hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände war daher Altlastenbeitrag in der Höhe von 237.423 Euro nachzusehen.
Die Beschwerdeführerin hat mit ihrem Antrag vom die Nachsicht "hinsichtlich des mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , GZ: ***2***, festgesetzten Altlastensanierungsbeitrages" begehrt. In der Beschwerde vom begehrte die Beschwerdeführerin, es möge dem Antrag auf Nachsicht stattgegeben werden. Das Begehren der Beschwerdeführerin richtete sich somit klar und deutlich (lediglich) auf die Nachsicht des Altlastenbeitrages. Wegen der Antragsgebundenheit darf eine Nachsicht nicht über den Antrag hinausgehen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 236 Tz 1; ). Es bedurfte daher keiner Erwägungen, ob auch die Voraussetzungen für die Nachsicht des Säumniszuschlages gegeben gewesen wären; denn mangels eines diesbezüglichen Antrages wäre selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser nicht nachzusehen gewesen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht stützt seine Entscheidung auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Vorschriften und auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Die Beantwortung der Frage, ob im konkreten Fall eine Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO vorliegt und dem Nachsichtsantrag stattzugeben ist, geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (; , Ra 2020/13/0046). Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | VwGH, Ra 2019/15/0117 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2200004.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at