Keine Firmenwertabschreibung für türkisches Gruppenmitglied aufgrund von Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2022/13/0008. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den SenatsvorsitzendenR1, die RichterinR2 sowie die fachkundigen Laienrichter R3 und R4, in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Am Heumarkt 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2014 sowie über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2017, Steuernummer *** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin S, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
I.1. Außenprüfung
Bei der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde eine Außenprüfung u.a. betreffend Körperschaftsteuer für den Zeitraum 2014 durchgeführt. Die Prüfer trafen im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO vom u.a. folgende verfahrensgegenständliche Feststellungen:
Die beschwerdeführende Gesellschaft sei Mitglied einer steuerlichen Gruppe mit der F als Gruppenträger.
Im Rahmen der Steuererklärung für 2014 sei die Abrechnung des Fünfzehntelbetrages aus einer Firmenwertabschreibung gem. § 9 Abs. 7 KStG 1988 geltend gemacht worden und zwar in Höhe von *** Euro.
Die steuerliche Firmenwertabschreibung stehe im Zusammenhang mit dem Erwerb der türkischen A. (kurz "A"). Bei der A handele es sich um eine einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbare türkische Aktiengesellschaft, die eine internationale Schachtelbeteiligung der beschwerdeführenden Gesellschaft darstelle, für die nicht in die Steuerpflicht gemäß § 10 Abs. 3 KStG 1988 optiert worden sei. Die A sei ab der Veranlagung 2014 als ausländisches Gruppenmitglied in die steuerliche Unternehmensgruppe einbezogen worden.
Im Schreiben vom sei von der steuerlichen Vertretung für die Zulässigkeit der Firmenwertabschreibung dem Grunde nach auf das EuGH-Urteil C-66/14 vom hingewiesen worden (nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch Beschränkung auf inländische Gesellschaften). Des Weiteren sei die VwGH-Entscheidung vom (VwGH 2015/ 15/0001) angeführt worden, worin der Verwaltungsgerichtshof die Ausweitung der Firmenwertabschreibung auf Erwerbe an EU-Gesellschaften verfügt habe. Außerdem berufe sich die steuerliche Vertretung für den Anteilserwerb an der türkischen Gesellschaft auf Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei. Gemäß der im Zusatzprotokoll verankerten Stillhalteklausel dürften keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit eingeführt werden. Diese Stillhalteklausel sei unmittelbar anwendbares Recht, verdränge nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gegenläufiges innerstaatliches Recht und gelte im Verhältnis zu Österreich ab dem EU-Beitritt . Zum Zeitpunkt des EU-Beitritts Österreichs habe es grundsätzlich keine steuerliche Differenzierung zwischen Anteilserwerben an inländischen Gesellschaften und an türkischen Gesellschaften gegeben. Erst durch die Einführung der Gruppenbesteuerung sei eine solche Ungleichbehandlung neu geschaffen worden, indem beim Erwerb inländischer Gesellschaftsanteile eine FWA bei Gruppenbildung vorzunehmen gewesen sei, dies sei aber beim Erwerb türkischer Gesellschaftsanteile bei Gruppenbildung nicht zulässig gewesen.
Hinsichtlich der Übergangbestimmungen nach dem AbgÄG 2014 für Anteilserwerbe vor dem seien zusätzlich zum Schreiben vom in einer am übermittelten Stellungnahme die Umstände umfassend dargestellt worden, aufgrund derer sich der steuerliche Vorteil aus der FWA beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken gekonnt habe.
Demnach seien vor den finalen Kaufpreisverhandlungen im November 2012 die Organe der Erwerbsgesellschaft und der Konzernobergesellschaft von der steuerlichen Vertretung über den damals gerichtsanhängigen Fall betreffend der FWA bei EU-Beteiligungsgesellschaften, die Standstillklausel im Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei informiert worden und die Ausdehnung der FWA auf Erwerbe von Anteilen an türkischen Gesellschaften als "erfolgsversprechend" eingestuft worden. Dieser Wissenstand sei eingepreist worden, die im April 2013 ergangene positive Entscheidung des UFS Linz betreffend FWA bei EU-Beteiligungsgesellschaften habe sogar dazu geführt, dass sich das Management letztlich für einen einseitigen Verzicht auf einige wesentliche Closing-Bedingungen entschieden habe und dadurch der Verkauf mit Anteilsübertragung (Closing) am *** zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen zustande gekommen sei.
Wenn die Einpreisung der steuerlichen FWA in den Kaufpreis seitens der Behörde bestritten werden sollte, wäre die Übergangsregelung selbst europarechtswidrig, da die Übergangsregelungen zu einer versteckten und damit genauso wie eine offene Diskriminierung (EuGH- C-279/ 93 vom ) unzulässigen Diskriminierung zwischen Erwerben von inländischen und ausländischen Gesellschaften führe.
Für die Ermittlung des Firmenwertes sei vorschriftsgemäß das handelsrechtliche Eigenkapital der Beteiligungsgesellschaft zuzüglich stiller Reserven im nicht abnutzbaren Anlagevermögen berechnet worden (im gegenständlichen Fall ergaben das *** Euro) und dieser Betrag sei den steuerlich maßgeblichen Anschaffungskosten (*** Euro) gegenübergestellt worden.
Gem. § 9 Abs. 7 TS 1 KStG 1988 sei der abzugsfähige Firmenwert mit 50% dieser Anschaffungskosten beschränkt, was im gegenständlichen Fall einen abzugsfähigen Firmenwert in Höhe von *** Euro (50% von *** Euro) ergeben habe. In der Steuererklärung 2014 sei die (erstmalige) Absetzung eines Fünfzehntelbetrages aus der Firmenwertabschreibung in Höhe von *** Euro beantragt worden.
Für den Fall, dass sich im Beschwerdeverfahren die Abzugsfähigkeit dem Grunde nach ergebe, werde durch die Außenprüfung festgehalten, dass die rechnerische Ermittlung der Firmenwertabschreibung bzw. des Fünfzehntelbetrages den gesetzlichen Bestimmungen entspreche.
Die steuerliche Firmenwertabschreibung gem. § 9 Abs. 7 KStG 1988 im Zusammenhang mit der Beteiligung an der A werde jedoch dem Grunde nach nicht anerkannt.
§ 9 Abs. 7 KStG in der Fassung vor dem AbgÄG 2014 normiere bei Unternehmensgruppen eine auf 15 Jahre zu verteilende Firmenwertabschreibung für die Anschaffung von betriebsführenden unbeschränkt steuerpflichtigen nicht konzernzugehörigen Beteiligungskörperschaften im Ausmaß von maximal 50% der steuerlichen Anschaffungskosten. Mit dem AbgÄG 2014 sei die Möglichkeit dieser Firmenwertabschreibung abgeschafft worden, lediglich für vor dem angeschaffte Beteiligungen seien iVm § 26c Z 47 KStG offene Fünfzehntel weiterhin zu berücksichtigen, "wenn sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte" und die Einbeziehung dieser Körperschaft in eine Unternehmensgruppe spätestens für ein im Kalenderjahr 2015 endendes Wirtschaftsjahr dieser Beteiligungskörperschaft erfolge.
Mit Erkenntnis vom , Zl 2015/15/0001 entschied der VwGH unter Berücksichtigung des zum Vorabentscheidungsersuchen in der Rs Finanzamt Linz, dass die Firmenwertabschreibung iSd § 9 Abs 7 KStG im Rahmen der Niederlassungsfreiheit auch für die Anschaffung beschränkt steuerpflichtiger EU-Beteiligungskörperschaften steuerlich zustehe.
Nach Auffassung des geprüften Unternehmens gelte selbiges aufgrund der in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei normierten Stillhalteklausel auch für Erwerbe von Anteilen an türkischen Gesellschaften.
Dazu sei auszuführen: Durch das Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei (Beschluss 64/732/EWG des Rates v , ABL 1964 L 217/3685) solle nach Art. 2 Abs. 1 des Abkommens "eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien" gefördert werden und dadurch "der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungstandes und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden".
Dazu sollten u.a. "untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit" aufgehoben werden, dazu vereinbarten die Vertragsparteien "sich von Artikel 52 bis 56 und 58 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen". Nach Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls (VO 2760/72/EWG des Rates vom , ABL 1972 L 293/1) werden die Vertragsparteien "untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit einführen". Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sei nun zu prüfen, ob bei Einführung neuer nationaler Regelungen, diese im Verhältnis zur Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ungünstiger sind als jene, die galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat (vgl. bspw. Rs Savas, C-37/98 vom , Rn 71 4.TS iVm Rs Dereci, C-256/11 vom , Rn 88). Zum Zeitpunkt des EU-Beitritts Österreichs sei ertragsteuerlich das Regime der Organschaft in Kraft gewesen, wonach rechtlich selbständige inländische Unternehmen zu einer Besteuerungseinheit zusammengefasst werden konnten. Eine der FWA im Rahmen der Gruppenbildung vergleichbare Regelung habe zu diesem Zeitpunkt nicht existiert. Mit der Einführung des Gruppenbesteuerungsregimes durch das StRefG 2005 hätten nun auch ausländische Beteiligungsgesellschaften in die Unternehmensgruppe einbezogen werden können. Bei Vergleich des Inlandssachverhaltes mit dem Drittlandssachverhalt bestehe betreffend der FWA bei Gruppenbildung eine inhaltliche Ungleichbehandlung. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sei jedoch im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf die Stillhalteklausel des Art 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls das Vergleichspaar nicht Inlands- mit Drittlandssachverhalt, sondern der Drittlandssachverhalt in zeitlicher Hinsicht. Nachdem auch vor der Einführung des Gruppenbesteuerungsregimes keine FWA für die Anschaffung türkischer Gesellschaftsanteile möglich gewesen sei, entfalte die Stillhalteklausel nach Ansicht der Behörde im gegenständlichen Fall keine Wirkung.
Demnach erübrige sich zwar eine Auseinandersetzung mit den Übergangsbestimmungen und der Frage, ob die Firmenwertabschreibung im Kaufpreis der ausländischen Beteiligung Niederschlag fand, jedoch könnten nach Ansicht der belangten Behörde die Aussagen des BMF in Punkt 3 der Information vom (BMF-010203/0178-VI/6/2016) analog zur Anwendung kommen.
Mit Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2014 vom erließ die belangte Behörde einen entsprechenden Bescheid. Mit Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2017 vom erließ die belangte Behörde unter Verweis auf die Feststellungen der Betriebsprüfung betreffend das Jahr 2014 den zweiten verfahrensgegenständlichen Bescheid.
I.2. Beschwerde
Mit Schreiben vom und erhob die steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft dagegen Beschwerde und verzichtete jeweils auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung.
In der Begründung führte diese dazu zusammengefasst wie folgt aus:
Im Rahmen der Steuererklärungen sei jeweils ein Betrag iHv *** Euro als steuerliche Firmenwertabschreibung aus dem Erwerb der türkischen A abgesetzt worden. Bei der A handele es sich um eine türkische Aktiengesellschaft, die eine internationale Schachtelbeteiligung sei, für die nicht in die Steuerpflicht gemäß § 10 Abs. 3 KStG optiert worden sei.
Gegenständlicher Anteilserwerb erfülle nachfolgende Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Firmenwertabschreibung:
- Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an einer betriebsführenden Gesellschaft,
- durch ein Gruppenmitglied,
- von einem fremden Dritten,
- vor dem und
- Aufnahme der erworbenen Gesellschaft in die Unternehmensgruppe (ab 2014)
Gegenständlich sei die Mehrheit der Anteile an der A, einer Kapitalgesellschaft, die mit einer inländischen Aktiengesellschaft vergleichbar sei, mit Anteilskaufvertrag vom *** und Closing am *** erworben worden. Im Jahr 2013 seien aufgrund eines Offerts an Kleinaktionäre der börsennotierten Gesellschaft weitere Minderheitsanteile gekauft worden. In Summe habe die Gesellschaft damit im Jahr 2014 über *** der Anteile an der A verfügt.
Unstrittig sei zwischen der Behörde und der Partei, dass die Höhe der Firmenwertabschreibung richtig berechnet worden sei (siehe 2.2 der Niederschrift) und die Übergangsbestimmung des § 26c Z47 KStG erfüllt sei, sollte das Assoziierungsabkommen mit der Türkei eine Firmenwertabschreibung gebieten (siehe 2.4 letzter Satz der Niederschrift).
Strittig sei demgegenüber alleinig die Rechtsfrage, ob die steuerliche Firmenwertabschreibung an einer türkischen Gesellschaft aufgrund der Stillhalteklausel des Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei (idF "Stillhalteklausel") zustehe (Sichtweise der Partei) oder nicht (Sichtweise der belangten Behörde).
Die genannte Stillhalteklausel verbiete, dass neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zur Türkei eingeführt würden und sei unmittelbar anwendbares Recht, das gegenläufiges innerstaatliches Recht verdränge (zB EuGH C-37/98 vom ). Im Verhältnis zu Österreich gelte diese Regelung ab dem EU-Beitritt (zB EuGH C-256/11 vom ). Strittig sei, wie der Begriff "neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit" auszulegen sei.
Der Begriff der "Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit" sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV) auszulegen. Die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit würden daher nicht nur explizit an türkische Staatsangehörige gerichtete Beschränkungen (zB Visapflicht, Einschränkungen beim Aufenthaltsrecht), sondern sämtliche Diskriminierungen des grenzüberschreitenden Türkei-Österreich Sachverhalts (idF der "Türkeisachverhalt") im Vergleich zum rein nationalen (österreichischen) Sachverhalt (idF der "Inlandssachverhalt") erfassen. In diesem Sinne sichere die Niederlassungsfreiheit nicht nur die Inländerbehandlung im Aufnahmestaat, sondern verbiete auch, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft - insbesondere Tochtergesellschaft - in einem anderen Mitgliedstaat behindere (vgl zB Finanzamt Linz, Rn 26).
Bestätigt werde diese Auffassung auch im Schrifttum, da demnach auch steuerliche Diskriminierungen Beschränkungen iSd Stillhalteklausel seien.
Dies sei schlüssig, da das Abkommen rein wirtschaftlichen Zwecken diene (vgl Art 2 des Abkommens; Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen), worunter naturgemäß das Steuerrecht zu subsumieren sei.
Im Unterschied zum EU-Sachverhalt seien allerdings im Verhältnis zur Türkei nur "neue" Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verboten. Dh, dass aus österreichischer Sicht zum bereits bestehende Beschränkungen weiter aufrecht bleiben könnten.
Demgegenüber scheine die Behörde davon auszugehen, dass Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit iSd Stillhalteklausel ausschließlich Beschränkungen im nationalen Recht erfassen würden, die sich explizit an ausländische/türkische Staatsangehörige richten (zB Visapflicht, Einschränkungen beim Aufenthaltsrecht) und naturgemäß keine Inländer betreffen. Nur vor diesem Hintergrund erscheine die Ansicht der Behörde, dass die Stillhalteklausel nur die steuerliche Verböserung des Türkeisachverhalts im Zeitablauf unterbinde, nachvollziehbar.
Diese Sichtweise sei in Fragen des Aufenthaltsrechts (siehe die von der Behörde zitierten Urteile in den Rs Savas und Dereci) zutreffend, da in diesen Fällen jede Verböserung des Türkeisachverhalts im Zeitablauf gleichzeitig auch zu einer Verböserung der Behandlung eines Türken gegenüber einem Inländer (der derlei Beschränkungen naturgemäß nicht unterliegen kann) führe.
Für den vorliegenden komplexeren Sachverhalt würde die Sichtweise der Behörde - eine Verböserung des Türkeisachverhalts im Zeitablauf widerspricht der Stillhalteklausel - aber zu wohl nicht erwünschten Ergebnissen führen: bei gleich behandelten Inlands- und Türkeisachverhalten wäre eine Verschlechterung des Türkeisachverhalts im Zeitablauf plötzlich verboten, auch wenn der Inlandssachverhalt in gleicher Weise schlechter gestellt wird. Diesfalls liege aber keine Diskriminierung und Beschränkung iSd der Stillhalteklausel vor, weil gerade keine unterschiedliche Behandlung der Sachverhalte erfolge.
Eine schädliche Diskriminierung und daher Beschränkung iSd Stillhalteklausel könne daher nur vorliegen, wenn der Inlandssachverhalt gegenüber dem Türkeisachverhalt im Zeitablauf besser oder der Türkeisachverhalt gegenüber dem Inlandssachverhalt im Zeitablauf schlechter gestellt werde.
Im vorliegenden Sachverhalt hätte eine Muttergesellschaft beim Erwerb einer Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft innerhalb der Gruppenbesteuerung eine Firmenwertabschreibung von bis zu 50 % der Anschaffungskosten vornehmen können, während ihr dies beim Erwerb einer türkischen Beteiligung versagt sei. Eine solche Regelung sei geeignet, einen Steuervorteil für eine Muttergesellschaft zu schaffen, die eine Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft erwerbe und indem dieser Steuervorteil für Beteiligungserwerbe an türkischen Gesellschaften nicht gewährt werde, komme es zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung und Benachteiligung des Türkeisachverhalts (vgl zum EU-Fall Finanzamt Linz, Rn 25 ff).
Folglich sei die Versagung der Firmenwertabschreibung für Investitionen in türkische Beteiligungen als Diskriminierung (Schlechterstellung des Türkeisachverhalts gegenüber dem Inlandssachverhalt) und daher als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zwischen Österreich und der Türkei zu sehen (vgl zum EU-Fall Finanzamt Linz, Rn 29). Da es diese Beschränkung am noch nicht gegeben habe, sei sie zudem als verbotene "neue Beschränkung" iSd Stillhalteklausel zu sehen.
Nachdem es zu vergleichbaren Rechtsfragen - soweit ersichtlich - bislang keine Rechtsprechung des EuGH gebe, werde angeregt, dass das BFG als vorlageberechtigtes Gericht an den EuGH herantrete, um im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Klärung dieser Frage zu erreichen.
I.3. Stellungnahme der belangten Behörde zum Vorlageantrag
Mit Schreiben vom nahm die Betriebsprüfung zur Vorlage an das Bundesfinanzgericht betreffend das Jahr 2014 wie folgt Stellung:
Im Rahmen der Steuererklärung für 2014 sei (unter Kennzahl 9297) die Abrechnung des Fünfzehntelbetrages aus einer Firmenwertabschreibung im Zusammenhang mit dem Erwerb der türkischen A. (kurz "A") gem. § 9 Abs. 7 KStG 1988 idF des AbgÄG 2014 ab geltend gemacht worden und zwar in Höhe von *** Euro. Bei der A handele es sich um eine einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbare türkische Aktiengesellschaft, für die nicht in die Steuerpflicht gemäß § 10 Abs. 3 KStG 1988 optiert worden sei.
Die steuerliche Firmenwertabschreibung gem. § 9 Abs. 7 KStG 1988 im Zusammenhang mit der Beteiligung an der A (Türkei) sei bei Erlassung des Feststellungsbescheides Gruppenmitglied von der belangten Behörde dem Grunde nach nicht anerkannt worden. Dadurch habe sich eine Einkommenserhöhung für 2014 in Höhe von *** Euro ergeben.
Die Beschwerde richte sich gegen die Nichtanerkennung der Firmenwertabschreibung als Betriebsausgabe. Strittig sei die Rechtsfrage, ob die steuerliche Firmenwertabschreibung an einer türkischen Gesellschaft aufgrund des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei zustehe (Sichtweise der Partei) oder nicht (Sichtweise der belangten Behörde).
Durch das Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei (Beschluss 64/732/EWG des Rates vom , ABL 1964 L 217/3685 (idF Assoziierungsabkommen)) solle nach Art. 2 Abs. 1 des Abkommens "eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien" gefördert und dadurch "der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungstandes und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden". Im Abschnitt "Sonstige Bestimmungen wirtschaftlicher Art" hätten die Vertragsparteien u.a. vereinbart "sich von den Artikeln 52 bis 56 und 58 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben" (Art. 13 des Abkommens). Letztendlich sollten nach Art. 28 des Abkommens die vereinbarten Maßnahmen später den Beitritt der Republik Türkei zur Gemeinschaft erleichtern. Dazu sehe das Abkommen eine Vorbereitungsphase vor, die es der Republik Türkei ermöglichen solle, ihre Wirtschaft mit Hilfe der Gemeinschaft zu festigen (Art. 3 des Abkommens), eine Übergangsphase, in der die schrittweise Errichtung einer Zollunion und die Annäherung der Wirtschaftspolitiken vorgesehen sei (Art. 4 des Abkommens) und eine auf der Zollunion beruhende Endphase, die eine verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitiken der Vertragsparteien einschließe (Art. 5 des Abkommens).
1970 sei von den Vertragspartnern ein Zusatzprotokoll (VO 2760/72/EWG des Rates v , ABL 1972 L 293/1) unterzeichnet worden, um die Bedingungen, die Einzelheiten und den Zeitplan für die Verwirklichung der Übergangphase festzulegen (Art. 1 des Zusatzprotokolls).
In Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls hätten die Vertragsparteien vereinbart "untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit" einzuführen. Diese Stillhalteklausel verbiete allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Niederlassungsfreiheit strengeren Voraussetzungen unterworfen werde, als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls im jeweiligen Mitgliedstaat gegolten hätten. Im Verhältnis zu Österreich gelte diese Regelung ab dem EU-Betritt .
Fraglich sei, wie der Begriff "neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit" in Verbindung mit dem Assoziierungsabkommen auszulegen sei. Nach Ansicht des Abgabepflichtigen sei der Begriff der "Beschränkung der Niederlassungsfreiheit" in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) auszulegen. Im diesem Sinne sichere die Niederlassungsfreiheit nicht nur die Inländerbehandlung im Aufnahmestaat, sondern verbiete auch, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung einer nach seinem Recht gegründete Gesellschaft - insbesondere Tochtergesellschaft - in einem anderen Mitgliedstaat behindere.
Zur Frage der Einschränkung der Firmenwertabschreibung nach § 9 Abs. 7 KStG 1988 auf Erwerbe inländischer Gesellschaften habe der EuGH in der Rs Finanzamt Linz, C-66/14 vom mit Verweis auf seine frühere Rechtsprechung festgehalten, dass diskriminierende Steuerbestimmungen zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen können. Fraglich sei, ob die Vertragspartner des Assoziierungsabkommens in den Jahren 1963 (Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens) und 1970 (Unterfertigung des Zusatzprotokolls) diese Auslegung vor Augen hatten, da der EuGH erst 1986 im sogenannten "avoir fiscal"-Urteil (Rs Kommission/Frankreich, C-270/83 vom ) die Rechtsprechung zum Diskriminierungsverbot der Grundfreiheiten auf das Steuerrecht (direkte Steuern) ausgedehnt habe.
Das Assoziierungsabkommen verfolge zwar ausschließlich wirtschaftliche Zwecke (vgl. z.B. Rs Ziebell, EuGH C-371/08 vom , Rn 64), offen bleibe, ob auch Diskriminierungen aufgrund steuerlicher Bestimmung vom Assoziierungsabkommen erfasst werden sollten.
Darüber hinaus dürften nach dem Zusatzprotokoll keine neuen Bestimmungen zur Beschränkung der Niederlassungsfreiheit eingeführt werden. Die zum Zeitpunkt des EU-Beitrittes Österreichs geltende Vorgängerregelung zur Gruppenbesteuerung, die ertragsteuerliche Organschaft, beschränke die Niederlassungsfreiheit in einem vergleichbaren Maß, da eine unbeschränkte Steuerpflicht für Organgesellschaften normiert gewesen sei. Ausländische Gesellschaften hätten nicht in die Organschaft einbezogen werden können. Diese Einschränkungen im Bereich des Organschaftsregimes seien in einem vergleichbaren Maß geeignet gewesen, die Investitionen in ausländische Tochtergesellschaften zu behindern wie die Einschränkungen im Rahmen des Gruppenbesteuerungsregimes. Bei einem systematischen Vergleich einer gesamthaften Betrachtung der zum Zeitpunkt des EU-Beitritts Österreichs geltenden Bestimmungen zum Organschaftsregime im Vergleich zu den Bestimmungen zum Gruppenbesteuerungsregime ergebe sich bei weiter Auslegung insgesamt keine neue Schlechterstellung der Investitionen in eine türkische Tochtergesellschaft im Vergleich zu einer Investition in eine inländische Tochtergesellschaft. Unter beiden Regimen seien Investitionen in ausländische Gesellschaften "schlechter" behandelt worden, als Investitionen in inländische Gesellschaften.
Folglich ergebe sich nach Ansicht der belangten Behörde keine neue Beschränkung iSd Stillhalteklausel.
Es werde daher beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
I.4. Gegenäußerung der steuerlichen Vertretung
Mit Schreiben vom übermittelte die steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft dazu folgende Gegenäußerung:
Abweichend zu ihren bisherigen Aussagen im Bescheid vom (hinsichtlich der Begründung sei auf den BP-Bericht vom verwiesen worden) begründe die Behörde in der Stellungnahme vom die Versagung einer steuerlichen Firmenwertabschreibung für den Erwerb von Anteilen an der türkischen Gesellschaft A nunmehr nicht mehr damit, dass in zeitlicher Hinsicht keine Schlechterstellung von türkischen Anteilserwerben erfolgt sei. Die Behörde schließe sich somit offenbar der Rechtsansicht der Beschwerde vom an, dass dieser Vergleich nicht relevant für die Frage sei, ob eine neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit iSd Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls vorliege.
Auch die Behörde gehe nunmehr davon aus, dass das relevante Vergleichspaar der Vergleich des Auslandssachverhalts (österreichische Muttergesellschaft mit türkischer Tochtergesellschaft) mit dem reinen Inlandssachverhalt (österreichische Mutter- und Tochtergesellschaft) sei. Dennoch komme die Behörde in ihrer neuen Stellungnahme vom zum Ergebnis, dass die Firmenwertabschreibung zu versagen sei, weil eine neue Schlechterstellung von Investitionen in türkische Tochtergesellschaften im Regime der Gruppenbesteuerung nicht gegeben wären, da bei "einem systematischen Vergleich einer gesamthaften Betrachtung (...) bei weiter Auslegung" auch im System der ertragsteuerlichen Organschaft - welches zum Inkrafttretenszeitpunkt der Stillhalteklausel für Österreich am anwendbar gewesen sei - keine neue Schlechterstellung der Investitionen in türkische Tochtergesellschaften im Vergleich zu Investitionen in inländische Tochtergesellschaften vorliegen würden.
Weiters würden, von der Behörde noch zwei ergänzende Fragen aufgeworfen, ohne jedoch die Behördensichtweise zu diesen Fragestellungen auch nur ansatzweise darzulegen:
- Fraglich sei, ob die Vertragspartner des Assoziierungsabkommens bzw des Zusatzprotokolls zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung (1963 bzw 1970) auch Diskriminierungen aufgrund steuerlicher Bestimmungen vor Augen gehabt hätten.
- Fraglich sei, ob durch das Verbot neuer Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit im Zusatzprotokoll des Assoziierungsabkommens mit der Türkei in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten auch Beschräinkungen des Herkunftsstaats betreffend die "Niederlassung einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft - insbesondere Tochtergesellschaft - in einem anderen Mitgliedstaat" [bzw vorliegend der Türkei] verboten seien.
Zur Behördenansicht werde wie folgt ausgeführt:
Ertragsteuerliche Organschaft:
Die Behördensichtweise, eine neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit liege nicht vor, sei nicht nachvollziehbar: Sei im Jahr 1995 (bis 2004) eine inländische oder türkische Gesellschaft erworben worden, so sei in beiden Fallen keine Firmenwertabschreibung bei einem Anteilskauf zugestanden, auch wenn eine inländische Tochtergesellschaft Teil einer ertragsteuerlichen Organschaft geworden sei. Die Organschaft habe bloß zu einer Ergebniszurechnung geführt.
Erst mit der Einführung der Gruppenbesteuerung im Jahr 2005 sei eine Firmenwertabschreibung für den Erwerb inländischer Beteiligungen eingeführt worden (bis zur Abschaffung der Firmenwertabschreibung für Erwerbe nach dem ). Die Firmenwertabschreibung auf vergleichbare EU-Erwerbe sei im EuGH-Verfahren C-66/14 vom aufgrund des nicht rechtfertigbaren Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit erlangt worden (). Für Erwerbe vergleichbarer türkischer Tochtergesellschaften stehe gesetzlich nach wie vor keine Firmenwertabschreibung zu. Durch die Einführung der Firmenwertabschreibung sei somit eine neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit beim Vergleich eines Inlandserwerbs mit dem Erwerb einer türkischen Gesellschaft eingeführt worden.
Damit sei ein Verstoß gegen das absolute Verbot neue Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit einzuführen verwirklicht (vgl , R2 61), da sich die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf "sämtliche neue Hindernisse für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit (...) erstreckt, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen" (vgl , R2 94; und C-301/09, R2 54).
Steuern vom Anwendungsbereich der Stillhalteklausel umfasst:
Für die Behörde erscheine es fraglich, "ob auch Diskriminierungen aufgrund steuerlicher Bestimmungen vom Assoziierungsabkommen erfasst sind", da die erste, diese Auslegung bestätigende, EuGH-Rechtsprechung zur französischen "Avoir Fiscal" erst 1986 () und damit nach Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens im Jahr 1963 und des Zusatzprotokolls im Jahr 1970 ergangen sei.
RS Demirkan - passive Dienstleistungsfreiheit:
Die Behörde beziehe sich mit ihrer Frage offenbar - ohne dies explizit anzuführen - auf die Rs Demirkan () zur passiven Dienstleistungsfreiheit. Verfahrensgegenständlich sei die Frage gewesen, ob es die Stillhalteklausel des Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls den Mitgliedstaaten verbiete, nach Inkrafttreten des Zusatzprotokolls neue Einreisebeschränkungen für türkische Staatsbürger einzuführen, die sich in einen Mitgliedstaat begeben möchten um dort eine Dienstleistung (potenziell) in Anspruch zu nehmen. Frau Demirkan, deren Visum für einen Familienbesuch in DeutschIand abgelehnt worden war, argumentierte, dass das Visumserfordernis eine verbotene neue Beschränkung der ebenfalls in Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls normierten Dienstleistungsfreiheit darstellen würde, da sie damit in der bloßen Möglichkeit der Empfangnahme von Dienstleistungen im Zielland (Deutschland) beschränkt sei.
Vom EuGH sei in der Rs Demirkan kein VerstoB gegen die Stillhalteklausel festgestellt worden, da keine neue Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs iSd Stillhalteklausel vorgelegen habe. Begründet sei dies im Wesentlichen damit worden, dass die Stillhalteklausel, sei es hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit oder dem freien Dienstleistungsverkehr, nur in Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit Wirkung entfalten könne. Bei der begehrten Einreise einer türkischen Staatsbürgerin in einen Mitgliedstaat für Familienbesuche werde selbst dann kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt, wenn die Einreise erfolge um im Mitgliedsstaat Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Damit habe der EuGH für diesen Sachverhalt abweichend zu den Grundsätzen, die das Unionsrecht für die Dienstleistungsfreiheit vorsehe, entschieden. Denn für die Frage ob sich eine Vorschrift des Unionsrechts (hier: Dienstleistungsfreiheit) für eine entsprechende Anwendung im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei eigne, sei nach der Rechtsprechung der Zweck und Kontext des Assoziierungsabkommens mit dem Zweck und Kontext des betreffenden Rechtsakts des Unionsrechts zu vergleichen (, Rz 62). Der Schutz der passiven Dienstleistungsfreiheit im Rahmen des Unionsrechts verfolge hingegen das Ziel einen als Raum ohne Binnengrenzen konzipierten Binnenmarkt zu schaffen, indem alle entgegenstehenden Hemmnisse - dh auch jene des freien Personenverkehrs - abgebaut würden.
Zur Verwirklichung dieser Zielsetzung innerhalb der Union sei es erforderlich gewesen auch für die Gruppe der Konsumenten, zu der prinzipiell jeder zähle, sämtliche Hemmnisse abzubauen. Dies erfolge ungeachtet des Umstands, dass Dienstleistungen für Konsumenten keine wirtschaftliche Tatigkeit darstellen müssten, wodurch die passive Dienstleistungsfreiheit eine Schutzkomponente erhielte, die faktisch kaum von der Freizügigkeit zu trennen sei (, Schlussanträge des Generalanwalts, Rz 50ff). Die Erstreckung der Dienstleistungsfreiheit in Art 56 AEUV auf die passive Dienstleistungsfreiheit erfolge somit nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern um alle Schutzlücken der von den Verträgen gewährten Freiheiten zu schließen (, Schlussanträge des Generalanwalts, Rz 69). Folglich habe der EuGH die passive Dienstleistungsfreiheit nicht von der - für den Schutz wirtschaftlicher Tätigkeiten konzipierten - Stillhalteklausel umfasst gesehen.
Weiters habe der EuGH im Rahmen des Verfahrens Demirkan keine Anhaltspunkte dafür identifizieren können, dass die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls bei deren Unterzeichnung davon ausgehen konnten, dass der freie Dienstleistungsverkehr iSd Zusatzprotokolls auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse.
Konträr zur passiven Dienstleistungsfreiheit sei jedoch der Bereich der direkten Steuern iZm der Niederlassungsfreiheit zu beurteilen. Wie unten aufgezeigt werde, würden (direkte) Steuern auch für die Mitgliedsstaaten seit jeher zum Kernbereich jeder wirtschaftlichen Tätigkeit zählen. Folgerichtig seien (direkte) Steuern vom Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot der Niederlassungsfreiheit erfasst. Neue Beschränkungen auf dem Gebiet der direkten Steuern würden wirtschaftliche Tätigkeiten beeinträchtigen und damit gegen die Stillhalteklausel des Zusatzprotokolls verstoßen. Die oben erläuterten Schlüsse des EuGH zum "extrem gelagerten Fall einer türkischen Staatsangehörigen, die unter Berufung auf die passive Dienstleistungsfreiheit die Befreiung von der Visumspflicht geltend machte" ( Schlussanträge des Generalanwalts, Rz 70) könnten daher nicht auf wirtschaftliche Tätigkeiten im Kernbereich des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls übertragen werden.
Steuern als Teil des wirtschaftlichen Kernbereiches der Niederlassungsfreiheit:
Unstrittig sei, dass vom Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten (Niederlassungsfreiheit) steuerliche Bestimmungen mitumfasst seien. Der Behörde sei zuzustimmen, dass sich der EuGH erstmals im Jahr 1986 im Rahmen der Rs Avoir Fiscal () mit Verstößen gegen die Niederlassungsfreiheit im Bereich des direkten Steuerrechts befasst habe. Bereits kurz davor habe sich der EuGH mit der diskriminierenden Wirkung von Vorschriften des direkten Steuerrechts für die Warenverkehrsfreiheit beschäftigt und einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit festgestellt ().
Aus dem Umstand, dass diese Entscheidungen erst nach Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls ergangen seien, solle jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls nicht bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls diese Auslegung vor Augen gehabt hätten. Gegen eine solche Schlussfolgerung spreche bereits der Umstand, dass offenkundig weder der Generalanwalt Mancini, noch der EuGH es für fraglich gehalten hätten, ob steuerliche Vorschriften vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten (Warenverkehrsfreiheit) umfasst seien. Folglich hätten sich weder der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen, noch der EuGH im Urteil () dazu veranlasst gesehen, sich mit dieser vermeintlichen Vorfrage auseinanderzusetzen. Auch die französische Regierung sei in beiden Verfahren augenscheinlich der Ansicht gewesen, dass direkte Steuern grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten (Niederlassungsfreiheit) umfasst seien. Lediglich sei, neben weiteren Punkten, argumentiert worden, dass bestehende diskriminierende/beschränkende Regelungen nur im Wege der Harmonisierung beseitigt werden könnten.
Für die gegenständliche Rechtsfrage habe diese - nicht erfolgreiche - Argumentation jedoch keine Relevanz, da vom EuGH sowohl die vorbehaltlose und damit unmittelbare Wirkung der Stillhalteklausel in Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls (zB , R2 54), wie auch die beschränkende Wirkung der selektiven Gewährung der Firmenwertabschreibung, abhängig von der Ansässigkeit der Gesellschaft (, R2 53), festgestellt worden sei. Gleichermaßen stehe fest, dass die strittige Bestimmung zur Firmenwertabschreibung erst nach Inkrafttreten des Zusatzprotokolls neu eingeführt worden sei und damit eine neue Beschränkung iSd Stillhalteklausel darstelle (siehe ausführlich Punkt 2).
Diese oben genannten Schlussfolgerungen des EuGH seien (nicht nur) rückblickend nachvollziehbar denn, wie bereits aus der Vielzahl an dazu in Auftrag gegebenen Studien und Kommissionsinitiativen geschlossen werden könne, habe es bereits viele Jahre vor der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls im Jahr 1970 hinreichend deutliche Indizien gegeben, dass direkte Steuern maßgebenden Einfluss auf wirtschaftliche Tätigkeiten hätten und damit von Relevanz für das Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten seien:
Bereits im Rahmen der Vorarbeiten zur Gründung der EWG seien im Spaak-Bericht vom , der einen konkreten Aktionsplan zur Errichtung eines allgemeinen gemeinsamen Markts (und den gemeinsamen Ausbau der Atomindustrie) enthalten habe und als Verhandlungsgrundlage der Gründernationen für die EWG-Verträge gedient habe, Differenzen zwischen den indirekten und direkten Steuersystemen der Gründungsnationen und deren Wirkung als mögliche "Verzerrungsfaktoren" identifiziert worden. Zur Beseitigung dieser wesentlichen Hemmnisse (des Waren- und Personenverkehrs) sei, unter anderem, die Vereinheitlichung der Steuersysteme empfohlen worden.
Im Auftrag der Kommission der EWG sei der Steuer- und Finanzausschuss unter dem Vorsitzenden Dr. Neumark ("Neumark-Komitee") im Jahr 1960 mit Untersuchungen zu Unterschieden in der öffentlichen Finanzwirtschaft der Mitgliedsländer und deren negative Auswirkungen auf die Errichtung des Gemeinsamen Markts beauftragt worden. Die Relevanz direkter Steuern für wirtschaftliche Tätigkeiten und damit für den Wirkungsbereich der Grundfreiheiten sei der Kommission offenkundig bewusst gewesen, da dem Neumark-Komitee explizit aufgetragen worden sei, das Gebiet der direkten Steuern und die wirtschaftlichen Wirkungen ungleicher Gesamtsteuerbelastungen zu untersuchen und Möglichkeiten zur Beseitigung jener Ungleichheiten aufzuzeigen, die die Bildung und das Funktionieren des Gemeinsamen Markts in besonderem Maß stören. Für die Untersuchung seien von der Kommission Arbeitshypothesen vorgegeben worden, die als weitere Nachweise gedient hätten, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt die hohe Relevanz direkter Steuern für wirtschaftliche Tätigkeiten erkannt worden seien: So sei beispielsweise formuliert worden, dass es das Ziel der EWG sei sich hin zu einer Wirtschafts- und Währungsunion zu entwickeln, die Steuergrenzen auf das notwendige Minimum zu reduzieren, alle übrigen Wettbewerbsverfälschungen und -verzerrungen abzubauen und die volle Freizügigkeit für Unternehmen herbeizuführen, damit schlussendlich Steuern und öffentliche Ausgaben Produktionsverlagerungen nicht beeinflussen. Zudem habe die Kommission das Neumark-Komitee auf die öffentliche Diskussion hingewiesen, dass unterschiedliche Verhältnisse von direkten und indirekten Steuern Wettbewerbsverzerrungen zwischen den EWG-Ländern verursachen würden und dies zu untersuchen sei.
Aus der Zusammenfassung der an das Neumark-Komitee gestellten Anforderungen und Arbeitshypothesen gehe die große Bedeutung der direkten Steuern in besonders unverkennbarer Weise hervor. So sei "als selbstverständliches weiteres Integrationsziel (...) die Vermeidung von steuerlichen und ähnlichen Diskriminierungen anzustreben, die sich auf die Staatsangehörigkeit oder auf den steuerlichen Wohnsitz gründen würden. Darüber hinaus sei Sorge darüber zu tragen, dass den Bewegungen von (...) Unternehmen zwischen den Mitgliedsstaaten keinerlei finanzpolitische Hemmnisse bereitet würden, dass diese Bewegungen sich vielmehr insoweit in derselben Weise vollziehen könnten, als ob es sich um den Austausch von Produktionsfaktionen innerhalb eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets handelte." Und weiter:
"Das Ziel muss nach allem (..) darin bestehen, steuer- und ausgabenpolitisch Bedingungen zu schaffen, wie sie in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet bestehen würde (...)." Durch die Harmonisierung der Steuersysteme sollte das Zwischenziel erreicht werden, dessen Verwirklichung dazu dienen soll, "all jene Maßnahmen der öffentlichen Finanzwirtschaft der Mitgliedstaaten zu beseitigen oder unmöglich zu machen, die geeignet sind, Hemmungen oder Verzerrungen des Wettbewerbs innerhalb der EWG hervorzurufen."
Auch dass gewissen (externen Kräften) besondere Bedeutung für die Erreichung des Gemeinsamen Markts zukommen sollte - wie sie schlussendlich dem EuGH durch seine Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten und insbesondere zum Wirkungsbereich der Niederlassungsfreiheit auch tatsächlich zugekommen ist - hat sich bereits sehr frühzeitig abgezeichnet, wie das Neumark-Komitee zutreffend festgehalten habe. So war es zu vermuten, "dass im Zuge der im Vertrag vorgesehenen etappenweisen Verwirklichung der Integration aus dem Gemeinsamen Markt selbst starke Kräfte erwachsen werden, die die Mitgliedstaaten zu einer gewissen Harmonisierung ihrer Steuer- und Finanzpolitik drängen."
Vom Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sei noch im Jahr 1961 ein allgemeines Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit erlassen worden. Unter Beschränkung sei jedes Verbot oder jede Behinderung der selbstständigen Tätigkeiten von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auf Grund einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift zu verstehen gewesen, die zu einer anderen Behandlung als die der eigenen Staatsangehörigen geführt habe. Als derartige beschränkende Vorschriften seien insbesondere jene identifiziert worden, die die Aufnahme oder Ausübung einer (selbstständigen) Tätigkeit durch steuerliche Lasten finanziell erschweren, oder die die Beteiligung an Gesellschaften ausschließen oder beschränken würden.
Im Jahr 1966 sei der von der EWG Kommission in Auftrag gegebene Segré-Report veröffentlicht worden, in dem Hindernisse die der Errichtung eines einheitlichen Kapitalmarkts entgegenstehen aufgezeigt und Lösungsvorschläge unterbreitet worden seien. Als eines der Kernhindernisse für die Etablierung eines einheitlichen Kapitalmarkts sei der Bereich der (direkten) Steuern identifiziert worden, dem ein eigenes umfassendes Kapitel (Chapter 14) gewidmet worden sei. Neben dem Problem der Doppelbesteuerung und der diskriminierenden Wirkung der unterschiedlichen Besteuerung von Ansässigen und nicht ansässigen Steuerpflichtigen sei als besonderes Hindernis die selektive Gewährung von Steuervorteilen, abhängig von der Destination des Investments, erkannt worden.
Da diese Hindernisse der Etablierung eines einheitlichen integrierten europäischen Kapitalmarkts entgegengestanden seien, jedoch nicht ohne weiteres sofort beseitigt werden hätten können, hätten die Autoren des Segré-Reports empfohlen, dass zwischenzeitlich alle Möglichkeiten unternommen würden, um die Unterschiede in den nationalen Steuersystemen der Mitgliedstaaten zu beseitigen (im Original: "Meanwhile, everything possible should be done to taper down the disparities existing in this respect between the tax systems of the Member States.").
Im Programm der Steuerharmonisierung aus dem Jahr 1967 habe die EWG Kommission einige steuerliche Maßnahmen empfohlen, die unabdingbar für die Errichtung und das Funktionieren eines Gemeinsamen Markts seien und daher teilweise noch vor Inkrafttreten der Zollunion am , teilweise danach, zwingend umzusetzen wären. Als eine dieser umgehend umzusetzenden Maßnahmen habe die Kommission empfohlen, bestehende Vorschriften (Art 93 und Art 102 EWG) dergestalt zu präzisieren, dass neue steuerliche Maßnahmen betreffend die Unternehmensgewinnbesteuerung, die eine Anreizwirkung hätten und geeignet seien Wettbewerbsverzerrungen auszulösen, nur nach vorangegangener Konsultierung umgesetzt werden dürfen. Zudem sollten im Bereich des Kapitalverkehrs "sämtliche Tatbestände verzerrender oder diskriminierender Art [ausgeschaltet werden], die geeignet sind anomale Kapitalbewegungen zu verursachen (...)." Nach Inkrafttreten der Zollunion sollte es zu einer weitgehend Harmonisierung der Steuern auf Unternehmensvermögen kommen, wobei die Notwendigkeit der Angleichung der direkten Steuern nach Ansicht der Kommission ohnehin "allgemein anerkannt sei".
In weiterer Folge seien von der Kommission weitere Studien zu den oben angesprochenen Themenstellungen in Auftrag gegeben worden. Im Van den Tempel-Report aus 1970 sei eine gemeinschaftsweite Harmonisierung der Besteuerung von Gesellschaften und deren Anteilseignern (auf der Grundlage des klassischen Systems) vorgeschlagen worden, da nur damit eine internationale Besteuerungsneutralität auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene erreicht werden könnte.
Im Rahmen der Vorbereitungsmaßnahmen für eine Wirtschafts- und Währungsunion habe auch das dafür eingesetzt Werner-Komitee im Jahr 1970 auf die Notwendigkeit der Beseitigung von Steuerhindernissen für den freien Kapitalverkehr hingewiesen. Den im Werner-Bericht aufgezeigten Maßnahmen habe sich die Kommission, sowie auch der Rat und die Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten in einer gemeinsamen Resolution angeschlossen.
Relevanz steuerlicher Vorschriften für das Beschränkungsverbot der Stillhalteklausel:
Die Relevanz des direkten Steuerrechts für die Niederlassungsfreiheit gehe nicht nur aus den oben erwähnten - allesamt vor Unterzeichnung des Zusatzprotokolls bekannt gewordenen - Dokumenten hervor. Auch das Assoziierungsabkommen und Zusatzprotokoll selbst lege diese Schlussfolgerung nahe.
Schließlich sei es Sinn und Zweck des Assoziierungsabkommens "durch einen beschleunigten wirtschaftlichen Fortschritt (...) den Abstand zwischen der türkischen Wirtschaft und der Wirtschaft der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu verringern", um "später den Beitritt der Türkei zur Gemeinschaft zu erleichtern".
Nachvollziehbar sei es daher, dass an einigen Stellen im Assoziierungsabkommen auch steuerliche Maßnahmen explizit geregelt würden (Art 16, Art 20), würden diese doch den wirtschaftlichen Kernbereich des Abkommens tangieren.
Zum Niederlassungsrecht selbst enthalte das Assoziierungsabkommen und das Zusatzprotokoll keine ausführlichen autonomen Regelungen oder Einschränkungen.
Stattdessen hätten die Vertragsparteien in Art 13 des Assoziierungsabkommens vereinbart, "sich von den Artikeln 52 bis 56 und 58 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben."
Zur ansonsten wortidenten Bestimmung in Art 14 zum freien Dienstleistungsverkehr, habe der EuGH bereits festgehalten, dass die unionsrechtlichen Grundsätze zum freien Dienstleistungsverkehr so weit wie möglich auf das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei übertragen werden sollten, um zwischen den Vertragsparteien die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs zu beseitigen ( und C-369/01, R2 112). Es erscheine wegen des ansonsten identen Wortlauts naheliegend, dass die Aussagen des EuGH zur Auslegung des Art 14 auch für die Auslegung der Niederlassungsfreiheit in Art 13 heranzuziehen seien. So gehe zB die deutsche höchstgerichtliche Rechtsprechung (BVerwG , 1 C 21/00) davon aus, dass "(sich) der Begriff der Niederlassungsfreiheit i.S.v. Art 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei (...) nach Art 43 ff. EG (früher Art 52 ff EG-Vertrag (bestimmt)." Diese Auslegung erscheine schlüssig, immerhin sei das Assoziierungsabkommen mit der Türkei äußerst weitreichend, da es auf den Beitritt der Türkei zur Gemeinschaft gerichtet sei (vgl Art 28). Eine Auslegung der Niederlassungsfreiheit dergestalt, dass (neue) steuerliche Diskriminierungen nicht umfasst seien, erscheine daher im Widerspruch zum Ziel und Zweck des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls.
Nach alledem oben gesagten würden sämtliche Gründe dafür sprechen, dass die Einführung neuer beschränkender steuerlicher Bestimmungen in Zusammenhang mit wirtschaftlichen Tätigkeiten als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen seien und damit nach der Stillhalteklausel verboten seien. Es verwundere daher nicht, dass das holländische Höchstgericht Hoge Raad (, ECLI:NL:HR:2009:BJ2011) in der Einführung eines körperschaftsteuerlichen Abzugsverbots für Aufwendungen niederländischer Muttergesellschaften in Zusammenhang mit Auslandsbeteiligungen nach Inkrafttreten des Zusatzprotokolls einen verbotenen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit iSd Art 41 des Zusatzprotokolls erkannt habe, wenn es um türkische Beteiligungen gegangen sei. Das Abzugsverbot sei für nicht anwendbar erklärt worden. Wie der Hoge Raad unter Verweis auf EuGH-Rechtsprechung (zB , Rz 46) erläutert habe, handele es sich bei der Stillhalteklausel schließlich um eine klare, genaue und nicht an Bedingungen geknüpfte Bestimmung, die den Vertragsparteien untersage, nach Inkrafttreten des Zusatzprotokolls neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit einzuführen. Der Anwendungsbereich der Stillhalteklausel sei für den Hoge Raad offenkundig unzweifelhaft gewesen, weshalb der Gerichtshof eine Vorlage dieser Rechtsfrage an den EuGH nicht für erforderlich gehalten habe.
Diese Sichtweise werde auch durch ein obiter dictum des Generalanwalts Saugmandsgaard in einem Fall der ungarischen Kraftfahrzeugsteuer für Gütertransporte gestützt (, Schlussanträge des Generalanwalts, Fußnote 32 in Verbindung mit Randzahl 58).
Die oben erwähnten Schlussfolgerungen, dass Diskriminierungen/Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch steuerliche Vorschriften einen Verstoß gegen die Stillhalteklausel darstellten, würden auch in der Literatur bestätigt (zB Smit, EU Freedoms, Non-EU Countries and Company Taxation (2012), 687; Yalti/Ozgenc in Lang/Pistone (Hrsg), The EU and Third Countries: Direct Taxation (2007), 998).
Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch den Herkunftsstaats würden gegen die Stillhalteklausel verstoßen. Die Behörde halte es für fraglich ob der Begriff "neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit" in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit auszulegen sei und in diesem Sinne auch verbiete, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft - insbesondere Tochtergesellschaft - in einem anderen Mitgliedstaat behindere (vgl Stellungnahme , S 2).
Weshalb die Behörde diesen Punkt für fraglich halte, lege sie nicht dar. Für die steuerliche Vertretung sei die vermeintliche Unklarheit der Behörde nicht nachvollziehbar: Bereits die Ausführungen und Judikaturverweise im vorangegangenen Kapitel würden hinreichend darlegen, dass die unionsrechtliche Auslegung zur Niederlassungsfreiheit jedenfalls "so weit wie möglich" anzuwenden sei. Damit sei zweifelsohne auch der im Rahmen des Unionsrechts unstrittige Schutz vor Beschränkungen des Herkunftsstaates umfasst (dies explizit bestätigend zB Smit, EU Freedoms, Non-EU Countries and Company Taxation (2012), 687). Die Ausklammerung eben jenes essenziellen Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit - nämlich der Schutz vor Beschränkungen des Herkunftsstaates - vom Verbot neuer Beschränkungen iSd Art 41 Abs 1 des Zusatzprotokolls, wäre nicht einleuchtend und hätte wohl wegen der klaren und bedingungslosen Formulierung der Stillhalteklausel einer gesonderten Regelung bedurft. Eine solche Auslegung wäre auch in krassem Widerspruch zum Sinn und Zweck des Assoziierungsabkommens, dessen primäre Zielsetzung die Begünstigung der wirtschaftlichen Entwicklung der Türkei sei (, RZ 42). Dass die Erreichung dieses Zieles insbesondere mittels verstärkter Investitionen aus Mitgliedstaaten in die türkische Wirtschaft - damit auch in türkische Unternehmen - erreicht werden solle, ergebe sich bereits aus dem Abkommen selbst (Art 2023 des Assoziierungsabkommens und Art 5124 des Zusatzprotokolls).
Folglich würden sämtliche Gründe für die Auslegung der Niederlassungsfreiheit iSd Stillhalteklausel sprechen, dass auch Beschränkungen des Herkunftsstaats verboten seien.
Fazit:
Nach alledem stelle die Versagung der Firmenwertabschreibung aus Sicht der steuerlichen Vertretung einen unzulässigen Verstoß gegen die Stillhalteklausel dar, weshalb der Beschwerde stattzugeben sei.
Sollte das BFG die Beantwortung der Rechtsfrage dennoch als nicht ausreichend eindeutig ansehen, so würde die Vorlage dieser Rechtsfrage an den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens durch das BFG angeregt.
I.5. Mündliche Verhandlung am
In der mündlichen Verhandlung am gab der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft an, dass er diese im Zuge der im Jahre 2012 erfolgten Kaufverhandlungen nicht nur darüber informiert habe, dass ein ähnliches Verfahren eines Klienten, den er vertrete, beim EuGH anhängig sei. Er habe auch darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Regelung des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei gute Chancen bestünden, eine Firmenwertabschreibung an der zu erwerbenden türkischen Gesellschaft vorzunehmen. Die vorgenannten beiden Umstände wären in den Kaufpreis eingeflossen.
Auf die Fragen des Vorsitzenden und der berichterstattenden Richterin, ob Einigkeit darüber bestehe, dass einzig und allein strittig sei, ob die Anwendung des Art. 41 des Zusatzprotokolls eine Firmenwertabschreibung hinsichtlich des Erwerbes einer türkischen Tochtergesellschaft ermögliche oder nicht, stimmten beide Verfahrensparteien zu. Auch die Frage, ob die Voraussetzungen der Übergangsbestimmung von § 26c Z 47 KStG erfüllt seien und Einvernehmen bestehe, dass die Höhe einer eventuellen Firmenwertabschreibung richtig berechnet worden sei, beantworteten beide Verfahrensparteien mit ja.
Der steuerliche Vertreter verwies hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit auf die entsprechende Rechtssprechung des EuGH. Es gäbe in Bezug auf das Vergleichspaar Inlandssachverhalt/Türkeisachverhalt keine zwei Niederlassungsfreiheiten. Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls sei seit dem unmittelbar anwendbares Recht in Österreich. Hinsichtlich der in Art. 41 Abs. 1 normierten Stillhalteklausel sei festzuhalten, dass im Zeitablauf eine Verschlechterung des Türkeisachverhaltes eingetreten sei, weil eine Firmenwertabschreibung für inländische Gesellschaften neu eingeführt worden sei. Im Jahr 1995 habe es noch keine Firmenwertabschreibung im Sinn des § 9 Abs. 7 KStG gegeben. Damit habe sich der Türkeisachverhalt gegenüber dem Inlandssachverhalt verschlechtert.
Hinzuweisen sei darauf, dass Beschränkungen gemäß der Rechtsprechung des EuGH nicht zulässig seien. Steuerrecht sei in der EU ganz allgemein kein Randthema, sondern berühre Diskriminierungen bzw. Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit in einem wesentlichen Ausmaß. Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls lege klar und deutlich fest, dass neue Hürden der Niederlassungsfreiheit nicht zulässig seien. Somit seien diese in Ansehung des vorstehend Gesagten auch im Steuerrecht unzulässig.
Der Vertreter der belangten Behörde verwies auf die Ausführungen der belangten Behörde im Betriebsprüfungs-Bericht bzw. den weiteren Stellungnahmen zur Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist Mitglied einer steuerlichen Gruppe mit der F als Gruppenträger.
In den gegenständlichen Veranlagungsjahren machte die beschwerdeführende Gesellschaft jeweils die Abschreibung des Fünfzehntelbetrages aus einer Firmenwertabschreibung gem. § 9 Abs. 7 KStG 1988 idF vor AbgÄg 2014, BGBl. I Nr. 112/2012 in Höhe von *** Euro geltend.
Die steuerliche Firmenwertabschreibung steht im Zusammenhang mit dem Erwerb der türkischen A. (kurz "A"). Bei der A handelt es sich um eine einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbare türkische Aktiengesellschaft. Die Beteiligung stellt eine internationale Schachtelbeteiligung der beschwerdeführenden Gesellschaft dar, für die nicht in die Steuerpflicht gemäß § 10 Abs. 3 KStG 1988 optiert wurde. Die A wurde ab der Veranlagung 2014 als ausländisches Gruppenmitglied in die steuerliche Unternehmensgruppe einbezogen.
Für die Ermittlung des Firmenwertes wurde das handelsrechtliche Eigenkapital der Beteiligungsgesellschaft zuzüglich stiller Reserven im nicht abnutzbaren Anlagevermögen berechnet (im gegenständlichen Fall *** Euro) und dieser Betrag wurde den steuerlich maßgeblichen Anschaffungskosten (*** Euro) gegenübergestellt.
Gem. § 9 Abs. 7 TS 1 KStG 1988 idF vor AbgÄg 2014, BGBl. I Nr. 112/2012 ist der abzugsfähige Firmenwert mit 50% dieser Anschaffungskosten beschränkt, was im gegenständlichen Fall einen abzugsfähigen Firmenwert in Höhe von *** Euro (50% von *** Euro) ergeben würde. In der Steuererklärung 2014 wurde erstmalig die Absetzung eines Fünfzehntelbetrages aus der Firmenwertabschreibung in Höhe von *** Euro beantragt.
Die Mehrheit der Anteile an der A wurde mit Anteilskaufvertrag vom *** und Closing am *** erworben. Im Jahr 2013 wurden aufgrund eines Offerts an Kleinaktionäre der börsennotierten Gesellschaft weitere Minderheitsanteile gekauft. In Summe verfügte die Gesellschaft damit ab dem Jahr 2014 über *** der Anteile an der A.
Die grundsätzlich richtige Berechnung der Höhe der Firmenwertabschreibung und die Erfüllung der Übergangsbestimmungen des § 26c Z 47 KStG, insbesondere dass sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte bzw. tatsächlich ausgewirkt hat, wird von keiner der Verfahrensparteien bestritten.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt und sind insoweit unstrittig. Zur Feststellung, dass sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte, ist festzuhalten, dass dies von der beschwerdeführenden Gesellschaft im Verfahrensverlauf ausführlich schlüssig dargelegt wurde. Die belangte Behörde bestätigte auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, dass keine Zweifel an der Möglichkeit bzw. der tatsächlichen Kaufpreisbeeinflussung bestehen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 9 Abs. 7 KStG BGBl. Nr. 401/1988 idF vor AbgÄg 2014, BGBl. I Nr. 112/2012 lautete wie folgt:
"(7) Bei der Gewinnermittlung sind Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Z 2 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988) und Veräußerungsverluste hinsichtlich von Beteiligungen an Gruppenmitgliedern nicht abzugsfähig. Im Falle der Anschaffung einer Beteiligung (Abs. 4) durch ein Gruppenmitglied bzw. den Gruppenträger oder eine für eine Gruppenbildung geeignete Körperschaft an einer betriebsführenden unbeschränkt steuerpflichtigen Beteiligungskörperschaft (Abs. 2), ausgenommen unmittelbar oder mittelbar von einem konzernzugehörigen Unternehmen bzw. unmittelbar oder mittelbar von einem einen beherrschenden Einfluss ausübenden Gesellschafter, ist ab Zugehörigkeit dieser Körperschaft zur Unternehmensgruppe beim unmittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger eine Firmenwertabschreibung in folgender Weise vorzunehmen:
Als Firmenwert gilt der dem Beteiligungsausmaß entsprechende Unterschiedsbetrag zwischen dem handelsrechtlichen Eigenkapital der Beteiligungskörperschaft zuzüglich stiller Reserven im nicht abnutzbaren Anlagevermögen und den steuerlich maßgebenden Anschaffungskosten, höchstens aber 50% dieser Anschaffungskosten. Der abzugsfähige Firmenwert ist gleichmäßig auf 15 Jahre verteilt abzusetzen.
Insoweit von den Anschaffungskosten einer Beteiligung steuerwirksame Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Z 2 lit. a des Einkommensteuergesetzes 1988) vorgenommen worden sind, ist der Firmenwert im ersten Jahr der Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe um den vollen Betrag der Teilwertabschreibung, saldiert mit erfolgten Zuschreibungen, zu kürzen. Offene Teilbeträge der Teilwertabschreibung sind unabhängig davon gem. § 12 Abs. 3 Z 2 weiter zu berücksichtigen.
Findet die Gruppenbildung erst nach dem Anschaffungsjahr statt, können jene Fünfzehntel abgesetzt werden, die ab dem Jahr des Wirksamwerdens der Unternehmensgruppe offen sind. Die Firmenwertabschreibung ist auf die Dauer der Zugehörigkeit der beteiligten Körperschaft und der Zugehörigkeit des Betriebes oder der Teilbetriebe der Beteiligungskörperschaft zur Unternehmensgruppe beschränkt.
Ergibt sich auf Grund der Anschaffung der Beteiligung ein negativer Firmenwert, ist dieser im Sinne der vorstehenden Sätze gewinnerhöhend anzusetzen.
Die steuerlich berücksichtigten Fünfzehntelbeträge vermindern oder erhöhen den steuerlich maßgeblichen Buchwert.
Gehen Beteiligungen, auf die eine Firmenwertabschreibung vorgenommen wurde, umgründungsbedingt unter oder werden sie zur Abfindung der Anteilsinhaber der übertragenden Körperschaft verwendet, sind abgesetzte Fünfzehntelbeträge zum Umgründungsstichtag steuerwirksam nachzuerfassen, soweit der Nacherfassungsbetrag im Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Verkehrswert der abgeschriebenen Beteiligung Deckung findet. Tritt an die Stelle der firmenwertabgeschriebenen Beteiligung umgründungsbedingt die Beteiligung an einer übernehmenden Körperschaft, hat die Nacherfassung erst dann zu erfolgen, wenn die Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft umgründungsbedingt untergeht."
§ 26c Z 47 KStG 1988 lautet wie folgt:
"§ 9 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/2014 tritt mit in Kraft. Offene Fünfzehntel für Beteiligungen, die vor dem angeschafft wurden, sind nur dann weiter zu berücksichtigen, wenn sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte und die Einbeziehung dieser Körperschaft in eine Unternehmensgruppe spätestens für ein Wirtschaftsjahr dieser Körperschaft erfolgt, das im Kalenderjahr 2015 endet."
Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls (VO 2760/72/EWG des Rates vom , ABl 1972 L 293/1) zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei sieht folgendes vor:
"Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen."
Gemäß den Feststellungen hielt die beschwerdeführende Gesellschaft in den verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahren 2014 und 2017 über *** der Anteile an der in der Türkei ansässigen A. Die A wurde dabei ab der Veranlagung 2014 als ausländisches Gruppenmitglied in die steuerliche Unternehmensgruppe, der die beschwerdeführende Gesellschaft als Gruppenmitglied angehörte, einbezogen. Unstrittig ist dabei zwischen den Verfahrensparteien die Berechnung und Höhe einer allfälligen Firmenwertabschreibung, sowie dass die sonstigen Voraussetzungen der Übergangsbestimmung des § 26c Z 47 KStG grundsätzlich erfüllt wären.
§ 26c Z 47 KStG 1988 bestimmt dabei nicht, in welchem Ausmaß eine mögliche Kaufpreisbeeinflussung erforderlich ist. Letztlich könnte sich auch der Umstand, dass keine Firmenwertabschreibung zulässig zu sein scheint, auf den Kaufpreis auswirken.
Zur Frage, ob sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung durch die beschwerdeführende Gesellschaft auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte, ist festzuhalten, dass dies im Verfahrensverlauf unbestritten blieb. Im Erkenntnis vom , RV/7103647/2019, hat das BFG bereits festgehalten, dass der Wortlaut der Bestimmung auf die abstrakte Möglichkeit einer Kaufpreisbeeinflussung abstellt und ausgeführt, dass es weder erforderlich noch zweckmäßig erscheint, das hochgradig unbestimmte Abstellen auf eine potentielle Möglichkeit einer Kaufpreisbeeinflussung im Interpretationswege eng auszulegen, insbesondere da eine solche Auslegung zu unionsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Vorliegens eines Verstoßes gegen Primärrecht führen würde.
§ 9 Abs. 7 KStG in der im Veranlagungsjahr geltenden Fassung sah jedoch die Möglichkeit der Vornahme einer Firmenwertabschreibung lediglich im Fall des Erwerbs von Anteilen an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft vor.
Zweifelsfrei erfüllt der Beteiligungserwerb der beschwerdeführenden Gesellschaft an der türkischen A diese Voraussetzungen nicht. Von der steuerlichen Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde jedoch vorgebracht, dass - in Anlehnung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2015/15/0001 - aufgrund der Stand-Still-Klausel von Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls (VO 2760/72/EWG des Rates vom , ABl 1972 L 293/1) zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei die Firmenwertabschreibung auch im Fall des Beteiligungserwerbs an der türkischen A zur Anwendung käme.
Der Begriff der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit auszulegen. Im Unterschied zum EU-Sachverhalt seien allerdings im Verhältnis zur Türkei nur "neue" Beschränkungen verboten. Somit könnten aus österreichischer Sicht zum bereits bestehende Beschränkungen weiter aufrecht bleiben.
Eine schädliche Diskriminierung und daher Beschränkung iSd Stillhalteklausel könne dann vorliegen, wenn der Inlandssachverhalt gegenüber dem Türkeisachverhalt im Zeitablauf besser oder der Türkeisachverhalt gegenüber dem Inlandssachverhalt im Zeitablauf schlechter gestellt würde.
Die Versagung der Firmenwertabschreibung für Investitionen in türkische Beteiligungen sei als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zwischen Österreich und der Türkei zu sehen. Da es diese Beschränkung am noch nicht gegeben habe, sei sie als verbotene "neue Beschränkung" iSd Stillhalteklausel anzusehen. Sei im Jahr 1995 (bis 2004) eine inländische oder türkische Gesellschaft erworben worden, so sei in beiden Fällen keine Firmenwertabschreibung bei einem Anteilskauf zugestanden, auch wenn eine inländische Tochtergesellschaft Teil einer ertragsteuerlichen Organschaft geworden sei.
Nachdem es zu vergleichbaren Rechtsfragen bislang keine Rechtsprechung des EuGH gebe, regte die steuerliche Vertretung an, dass das BFG als vorlageberechtigtes Gericht an den EuGH herantrete, um im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens die Klärung dieser Frage zu erreichen.
Die belangte Behörde entgegnete, dass die zum Zeitpunkt des EU-Beitrittes Österreichs geltende Vorgängerregelung zur Gruppenbesteuerung, nämlich die ertragsteuerliche Organschaft, die Niederlassungsfreiheit in einem vergleichbaren Maß beschränkt habe. Ausländische Gesellschaften hätten nicht in die Organschaft einbezogen werden können. Diese Einschränkungen im Bereich des Organschaftsregimes seien in einem vergleichbaren Maß geeignet gewesen, die Investitionen in ausländische Tochtergesellschaften zu behindern wie die Einschränkungen im Rahmen des Gruppenbesteuerungsregimes.
Bei einem systematischen Vergleich einer gesamthaften Betrachtung der zum Zeitpunkt des EU-Beitritts Österreichs geltenden Bestimmungen zum Organschaftsregime im Vergleich zu den Bestimmungen zum Gruppenbesteuerungsregime ergebe sich bei weiter Auslegung insgesamt keine neue Schlechterstellung der Investitionen in eine türkische Tochtergesellschaft im Vergleich zu einer Investition in eine inländische Tochtergesellschaft. Unter beiden Regimen seien Investitionen in ausländische Gesellschaften "schlechter" behandelt worden, als Investitionen in inländische Gesellschaften.
Es ist daher durch das Bundesfinanzgericht zu prüfen, ob die Versagung der Firmenwertabschreibung im Fall des Erwerbs von Anteilen an einer türkischen Gesellschaft eine "neue Beschränkung" im Sinne des Art. 41 Abs. 1 des erwähnten Zusatzprotokolls darstellt. Als maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist dabei unstrittig der EU-Beitritt Österreichs zum anzusehen.
Im , Rz 89 führte der EuGH aus, dass eine Stillhalteklausel, wie sie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthält, nicht die Wirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift habe, die das maßgebliche materielle Recht unanwendbar mache und an dessen Stelle trete, sondern eine gleichsam verfahrensrechtliche Vorschrift darstelle, die in zeitlicher Hinsicht festlege, nach welchen Bestimmungen der Regelung eines Mitgliedsstaats die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen sei, der in einem Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen wolle.
In Rz 90 wird diesbezüglich präzisiert, dass den innerstaatlichen Stellen das absolute Verbot auferlegt werde, durch eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen neue Hindernisse für die Ausübung dieser Freiheit einzuführen.
In Rz 91 führte der EuGH näher aus, dass auch wenn während eines ersten Abschnitts der schrittweisen Herstellung dieser Freiheit bereits bestehende innerstaatliche Einschränkungen auf dem Gebiet der Niederlassungsfreiheit beibehalten werden könnten, infolgedessen darauf zu achten sei, dass kein neues Hindernis eingeführt werde, damit die schrittweise Einführung dieser Freiheit nicht zusätzlich behindert werde.
Hierzu wird vom BFG festgehalten, dass zum relevanten Vergleichszeitpunkt keine Möglichkeit der Vornahme einer Firmenwertabschreibung bestanden hat. Es mag zwar zutreffen, dass aufgrund der zwischenzeitlichen Abänderung der österreichischen Vorschriften für einen begrenzten Zeitraum die Möglichkeit einer Firmenwertabschreibung für den Erwerb von Anteilen an inländischen und - aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben - letztlich auch hinsichtlich EU-Gesellschaften im Rahmen einer Unternehmensgruppe möglich war. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich die (Un- )Möglichkeit der Vornahme einer Firmenwertabschreibung im Fall des Erwerbs einer Beteiligung an einer türkischen Gesellschaft im Vergleich zum nicht geändert hat. Es liegt daher aus Sicht des Bundesfinanzgerichts keine neue Beschränkung vor, da die Situation hinsichtlich Firmenwertabschreibungen für Erwerbe von Beteiligungen an türkischen Gesellschaften unverändert geblieben ist.
Wie oben erwähnt, hat der EuGH festgehalten, dass Art. 41 Abs. 1 des zitierten Zusatzprotokolls nicht die Wirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift zukommt, die das maßgebliche materielle Recht unanwendbar macht und an dessen Stelle tritt, sondern es sich um eine gleichsam verfahrensrechtliche Vorschrift handelt, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, nach welchen Bestimmungen eines Mitgliedsstaats die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist, der in einem Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen will.
Da in zeitlicher Hinsicht relevant ist, ob zum die Möglichkeit einer Firmenwertabschreibung bestanden hat und diese Frage eindeutig verneint werden kann, liegt keine neue Beschränkung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls (VO 2760/72/EWG des Rates vom , ABl 1972 L 293/1) zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei vor.
Da die Rechtsprechung des EuGH in dieser Hinsicht klar erscheint, ist die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht erforderlich.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Rechtsfrage, ob Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls (VO 2760/72/EWG des Rates vom , ABl. 1972 L 293/1) zum Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei derart auszulegen ist, dass § 9 Abs. 7 KStG idF vor AbgÄg 2014, BGBl. I Nr. 1120/2012, die Vornahme einer Firmenwertabschreibung hinsichtlich des Erwerbs einer Beteiligung an einer türkischen Gesellschaft ermöglicht, bis jetzt nicht befasst Die Revision war daher zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 7 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Herdin-Winter in BFGjournal 2022, 30 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7105613.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at