Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.11.2021, RV/3100804/2020

Pensionsauszahlungen aus der deutschen und der französischen gesetzlichen Sozialversicherung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen die von der belangten Behörde ***FA***, nunmehr Finanzamt Österreich, am ausgefertigten Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2014 bis 2018 zu Recht erkannt:

  1. Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben bleiben zu den Beschwerdevorentscheidungen unverändert.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit den am ausgefertigten Bescheiden die Einkommensteuer für das Jahr 2014 mit € 565,00, für das Jahr 2015 mit € 294,00, für das Jahr 2016 mit € 452,00, für das Jahr 2017 mit € 459,00 und für das Jahr 2018 mit € 312,00 festgesetzt. Dabei wurden für die Ermittlung des Steuersatzes ausländische Einkünfte berücksichtigt, im Jahr 2014 Einkünfte in Höhe von € 2.838,00, im Jahr 2015 Einkünfte in Höhe von € 2.913,00, im Jahr 2016 Einkünfte in Höhe von € 2.932,00, im Jahr 2017 Einkünfte in Höhe von € 2.991,00 und im Jahr 2018 Einkünfte in Höhe von € 2.001,00.

2. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben und zur Begründung Folgendes vorgebracht (kursive Schreibweise im Original):

Wie unter Punkt 4. Progressionsvorbehalt steht, in Ihren Richtlinien für die Arbeitnehmerveranlagung steuerbefreite Auslandseinkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Es handelt sich aber um steuerpflichtige Einkünfte und sind daher ausgeschlossen.

Ihr Vorwurf lautete, dass ich nicht fristgerecht die steuerbefreiten Auslandseinkünfte bekanntgegeben habe, was nicht stimmt, da ich nach Ihren Richtlinien innerhalb von 5 Jahren die Arbeitnehmerveranlagung durchführen kann. Auch habe ich Ihnen sämtliche Abschreibposten für die Veranlagung noch nicht bekanntgegeben. Dies werde ich in den nächsten Tagen nach Einholen der notwendigen Unterlagen nachholen.

Zusammenfassend handelt es sich bei meinen Einkünften für Pensionen um keine steuerbefreiten Einkünfte und fallen daher nicht in den Progressionsvorbehalt.

3. Die belangte Behörde hat mit den am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidungen die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Einkommensteuer für das Jahr 2014 mit € 807,00, für das Jahr 2015 mit € 544,00, für das Jahr 2016 mit € 655,00, für das Jahr 2017 mit € 664,00 und für das Jahr 2018 mit € 668,00 festgesetzt. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt (kursive Schreibweise im Original):

In den streitgegenständlichen Jahren wurde eine österreichische Pension von der Pensionsversicherungsanstalt, eine französische Pension von der CNAV und eine deutsche Pension von der Deutschen Rentenversicherung Bund bezogen.

1)Deutschland: Gemäß Art 18 Abs. 2 DBA Österreich - Deutschland dürfen Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

Gemäß Art 23 Abs. 2 lit d DBA Österreich - Deutschland dürfen Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.

Die Pension der Deutschen Rentenversicherung Bund darf in Deutschland besteuert werden. Allerdings dürfen diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat (Österreich) bei der Berechnung des Durchschnittsteuersatzes herangezogen werden.

2)Frankreich: Gemäß Art 18 DBA Österreich - Frankreich dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbstständige Arbeit gezahlt wurden, nur in diesem Staat besteuert werden.

Entgegen dem Erstbescheid sind die Pensionsbezüge der CNAV nicht bei der Berechnung des Durchschnittsteuersatzes heranzuziehen, sondern in Österreich (Ansässigkeitsstaat) zu besteuern.

4. Mit Schreiben vom hat der Beschwerdewführer einen als Vorlageantrag zu wertenden "Einspruch Einkommensteuer 2014-2018" erhoben und dazu ausgeführt (kursive Schreibweise im Original):

Ich habe heute am die Beschwerdevorentscheidung vom erhalten. Nachdem die Beschwerdevorentscheidung von Ihnen ohne Begleitschreiben versendet wurde habe ich dies nun bestätigt. Für mich ist diese neuerliche Berechnung nicht nachvollziehbar. Jetzt ist die Nachforderung zum Beispiel für das Jahr 2014 Euro 807,00 statt Euro 565,00 mit einer weiteren Nachforderung von Euro 242,00. Dies ist nun die 3. Bescheidvariante. Daraus geht hervor, dass Sie versuchen in irgend einer Weise Geld zu lukrieren.

All diese Berechnungen sind nicht relevant. Ich beziehe mich auf meinen Einspruch vom .

In dem an die belangte Behörde gerichteten Einspruch vom hat der Beschwerdeführer zum Punkt "Einkommensteuerberechnung" Folgendes ausgeführt (kursive Schreibweise im Original):

Es kann sicher nicht rechtmässig sein, dass ich die Einkommensteuer einmal im Ausland und ein zweites Mal im Niederlassungsland bezahlen muss. Ebenso wurde ein Progressionszuschlag bereits im Ausland in Form eines Sockelbetrages eingehoben. Sollten hier Abstimmungsschwierigkeiten sein müssten Sie dies mit Ihren Partnern im Ausland besprechen.

Zudem heisst es in der Arbeitnehmerveranlagung unter Punkt 4. Progressionsvorbehalt:

"Unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit."

In meinem Falle handelt es sich aber um bereits besteuerte Einkünfte. Nach meiner Information war dies in früheren Jahren der Fall, wo die Pensionen im Ausland nicht versteuert werden mussten.

[…]

Die Berechnung der deutschen Pension durch die Deutsche Pensionsversicherungsanstalt wurde dem Finanzamt Reutte bereits vorgelegt. Die Berechnung der französischen Pension durch die französische Anstalt CNAV wurde mit mir nur mündlich besprochen. Die Anstalt CNAV beruft sich auf den Datenschutz. Diese Angelegenheiten können Sie sicher auf internem Weg mit dieser Behörde abklären und Sie werden mir recht geben

5. Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer hat von der Pensionsversicherungsanstalt steuerpflichtige Bezüge erhalten, im Jahr 2014 € 25.813,08, im Jahr 2015 € 26.251,80, im Jahr 2016 € 26.556,80, im Jahr 2017 € 26.779,32 und im Jahr 2018 € 27.207,72.

2. Der Beschwerdeführer hat von der gesetzlichen Sozialversicherung Deutsche Rentenversicherung Bund Pensionsauszahlungen erhalten, im Jahr 2014 € 1.800,78, im Jahr 2015 € 1.834,74, im Jahr 2016 € 1.893,12, im Jahr 2017 € 1.950,90 und im Jahr 2018 € 2.001,06.

3. Der Beschwerdeführer hat aus Frankreich von der gesetzlichen Sozialversicherung Caisse Nationale d'Assurance Vieillesse (CNAV) Pensionsauszahlungen erhalten, im Jahr 2014 € 1.038,00, im Jahr 2015 € 1.079,00, im Jahr 2016 € 1.039,00, im Jahr 2017 € 1.041,00 und im Jahr 2018 € 1.047,00.

III. Beweiswürdigung

Die Sachlage ist hinsichtlich der österreichischen Bezüge aufgrund der von der Pensionsversicherungsanstalt ausgestellten Lohnzettel und hinsichtlich der ausländischen Pensionsauszahlungen anhand der Daten, die der belangten Behörde im Wege des automatischen Informationsaustausches AEOI (Automatic Exchange of Invormation) zugegangen sind, aktenkundig belegt und erwiesen.

IV. Rechtliche Würdigung

1. Rechtslage

1.1. Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland (Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002) lautet:

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

1.2. Art. 23 Abs. 2 lit. a und d DBA-Deutschland lauten:

(2) Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.

[…]

d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.

1.3. Art. 18 DBA-Frankreich (Abkommen zwischen der Republik Österreich und der französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 613/1994) lautet:

Vorbehaltlich des Artikels 19 Absatz 1 dürfen Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.

2. Beurteilung

2.1. Strittig ist im Beschwerdefall, ob und in welchem Ausmaß die Pensionsauszahlungen der gesetzlichen Sozialversicherungen Deutsche Rentenversicherung Bund und der französischen gesetzlichen Sozialversicherung Caisse Nationale d'Assurance Vieillesse in Österreich besteuert werden.

2.2. Die Pensionsauszahlungen der der gesetzlichen Sozialversicherung Deutsche Rentenversicherung Bund dürfen nach dem in Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland festgelegten Kassenstaatsprinzip nur im Staat der zahlenden Kasse besteuert werden, im konkreten Fall daher in Deutschland. Österreich als jener Staat, in dem der Beschwerdeführer ansässig ist, hat nach der in Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA-Deutschland normierten Befreiungsmethode die Pensionszahlungen von der Besteuerung auszunehmen. Gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland dürfen in Österreich die Pensionsauszahlungen gleichwohl bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen des Beschwerdeführers einbezogen werden (Progressionsvorbehalt). Das bedeutet im konkreten Fall, dass Österreich die Pensionsauszahlungen der Deutsche Rentenversicherung Bund zwar nicht in die Bemessungsgrundlagen der Einkommensteuer einbeziehen darf, es aber zulässig ist, sie bei der Ermittlung des Einkommensteuersatzes der anderen Einkünfte zu berücksichtigen ().

2.3. Die belangte Behörde hat in den mit Beschwerde angefochtenen Bescheiden die Pensionszahlungen der Deutsche Rentenversicherung Bund nicht in die Bemessungsgrundlagen der Einkommensteuer einbezogen, sie sind im steuerpflichtigen Einkommen nicht enthalten. Die Pensionszahlungen wurden daher entsprechend Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland und Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA-Deutschland von der Besteuerung in Österreich ausgenommen. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Durchschnittsteuersatz, der auf die anderen Einkünfte (die Bezüge aus der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt) anzuwenden ist, wurden die Pensionszahlungen dagegen berücksichtigt. Dieses Vorgangsweise entspricht Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA-Deutschland.

2.4. Die Pensionsauszahlungen der gesetzlichen Sozialversicherung Caisse Nationale d'Assurance Vieillesse dürfen nach Art. 18 DBA-Frankreich nur in dem Staat besteuert werden, in dem der Beschwerdeführer ansässig ist, somit in Österreich. In den mit Beschwerde angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde die Pensionszahlungen nicht in die Bemessungsgrundlagen der Einkommensteuer einbezogen. In den Jahren 2014 bis 2017 wurden die Pensionszahlungen aber bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für den Durchschnittsteuersatz, der auf die anderen Einkünfte (die Bezüge aus der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt) anzuwenden ist, berücksichtigt. Damit entsprechen die angefochtenen Bescheide nicht der geschilderten Rechtslage. Die belangte Behörde hat mit den am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2014 bis 2018 ihre Fehler korrigiert. Dort ist nachvollziehbar dargestellt, dass die Pensionsauszahlungen aus Frankreich in die Bemessungsgrundlagen der Einkommensteuer einbezogen wurden. Rechtskonform wurden in den Beschwerdevorentscheidungen nur die Pensionszahlungen aus Deutschland aus der Steuerbemessungsgrundlage ausgeschieden und auch nur diese bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für den Durchschnittsteuersatz, der auf die anderen Einkünfte (die Bezüge aus der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt und aus der französischen Caisse Nationale d'Assurance Vieillesse) anzuwenden ist, berücksichtigt.

2.5. Somit war spruchgemäß zu entscheiden. Die angefochtenen Bescheide waren gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuändern. Bemessungsgrundlagen und Höhe der festgesetzten Abgabe bleiben zu den Beschwerdevorentscheidungen unverändert.

V. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Rechtsfragen zum Progressionsvorbehalt sind mit der zitierten Judikatur ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 23 Abs. 2 lit. a und d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 18 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100804.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at