Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.11.2021, RV/7300037/2021

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Anmeldefrist Auf Rechtsmittel wird nciht verzichtet, ist keine Anmeldung einer Beschwerde

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0040. Zurückweisung mit Beschluss vom

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schneider Rechtsanwalts KG, Rechte Bahngasse 10 Tür 19D, 1030 Wien, wegen der Finanzvergehen der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung gemäß § 34 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG abgewiesen wurde, Geschäftszahl FV, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschuldigten, seines Verteidigers Mag. Alexander Schneider, des Amtsbeauftragten sowie der Schriftführerin zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Wie schon in der Entscheidung vom , RV/7300021/2021 ausgeführt wurde im Rahmen der Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom vom Beschwerdeführer in eventu gemäß § 167 FinStrG ein (fristgerechter) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom eingebracht und dagegen mit Eingabe vom Beschwerde eingebracht. Die Details sind der zitierten Entscheidung zu entnehmen.

Auszugsweise wurde in der Beschwerde ausgeführt:

"1 Sachverhalt:

Mit mündlich verkündetem Straferkenntnis wurde ein Einspruch des Beschwerdeführers gegen eine Strafverfügung des Finanzamt Wien 9/8/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde nach Durchführung eines Beweisverfahrens und einer mündlichen Verhandlung mit dem Beschwerdeführer am abgewiesen. In dieser Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer nach der Verkündung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen (Niederschrift über die mündliche Verhandlung gemäß § 135 FinStrG vom , Seite 8). Eine Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte (daher?) nicht (vgl. Niederschrift vom ).

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer am vom damaligen Finanzamt Wien 9/8/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde die schriftliche Ausfertigung des Straferkenntnisses zugestellt, gegen welche der Beschwerdeführer am Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhob.

Mit Bescheid vom wurde diese Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, das Rechtsmittel sei entgegen § 150 Abs. 4 FinStrG nicht innerhalb einer Woche ab Erkenntnisverkündung angemeldet worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Zugleich erhob er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und holte die Rechtsmittelanmeldung nach.

Die Beschwerde wurde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde weiters der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen. Begründet wird diese Entscheidung damit, ein Rechtsirrtum eines Rechtsvertreters stelle keine leichte Fahrlässigkeit iSd. § 167 Abs. 1 FinStrG dar.

[…] Der Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig. Tatsächlich liegt kein Rechtsirrtum des Beschwerdeführers oder seines Rechtsvertreters vor:

Der Beschwerdeführer erklärte nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen. Diese Erklärung kann nicht anders als die Anmeldung eines Rechtsmittels verstanden werden, da sie sonst überflüssig wäre.

Gemäß § 134 FinStrG hat der Verhandlungsleiter nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde zu erteilen. Diese Belehrung wurde nicht erteilt.

Es war daher kein Rechtsirrtum des Beschwerdeführers, sondern ein Rechtsirrtum der Verhandlungsleiterin, der dazu geführt hat, dass ein Rechtsmittel nicht rechtzeitig angemeldet wurde:

Der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsvertreter sind aufgrund der unterlassenen Rechtsmittelbelehrung der Verhandlungsleiterin davon ausgegangen, dass ihre Erklärung, auf Rechtsmittel nicht zu verzichten, als Anmeldung des Rechtsmittels verstanden wurde. Es handelt sich daher um einen Fehler in der Kommunikation zwischen der Verhandlungsleiterin und dem Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertreter, der durch eine rechtswidrige Vorgehensweise (unterlassene Rechtsmittelbelehrung) der Behörde verursacht wurde, und nicht um einen Rechtsirrtum des Beschwerdeführers oder dessen Rechtsvertreters. Der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertretung ist davon ausgegangen, dass angesichts der nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich abgegebenen Erklärung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, sowie auch angesichts der Tatsache, dass weder nach Abgabe dieser Erklärung, noch sonst im Zuge der Erkenntnisverkündung eine Belehrung gemäß § 134 Satz 4 FinStrG erfolgte, eine Rechtsmittelanmeldung gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG bereits erfolgt ist, und daher eine (weitere) Anmeldung der Beschwerde nicht erforderlich ist. Der Beschwerdeführer ist daher durch ein nicht vorwerfbares unvorhergesehenes Ereignis an der Einhaltung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom gehindert gewesen.

Der angefochtene Bescheid ist auch rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da die Begründung der Entscheidung, der Beschwerdeführer habe bei der Unterlassung der Rechtsmittelanmeldung grob fahrlässig gehandelt, nicht ausreichend begründet wurde: Die Unterlassung der Rechtsmittelbelehrung gemäß § 134 Satz 4 FinStrG durch die Verhandlungsleiterin als eigentlicher Auslöser der Unterlassung der Rechtsmittelanmeldung wurde nicht bzw. nicht ausreichend gewürdigt. Die Entscheidungsbegründung ist daher mangelhaft geblieben.

Aus diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer an das Bundesfinanzgericht als zuständige Finanzstrafbehörde zweiter Instanz den Antrag, den angefochtenen Bescheid allenfalls nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben, die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis des Finanzamts Wien 9/8/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom gegen den Bescheid der Behörde 1. Instanz zu bewilligen und die Vorlage der Beschwerde an das zuständige Bundesfinanzgericht aufzutragen."

Diese Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, wogegen der Beschuldigte eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am , Ra 2021/16/0057-6, diese Entscheidung auszugsweise mit folgender Begründung aufgehoben:

"Die Revision erweist sich aus nachfolgenden Gründen als zulässig und auch als berechtigt:

Mit Art. 5 Z 35 des Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes 2012, BGBl. IN. 14/2013 - FVwGG, wurde § 134 FinStrG folgender Satz angefügt:

Nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses hat der Verhandlungsleiter Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde zu erteilen."

Gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG in der Fassung FVwGG 2012 ist, wenn ein Erkenntnis mündlich verkündet wurde, die Erhebung einer Beschwerde dagegen innerhalb einer Woche bei der Behörde, die das anzufechtende Erkenntnis erlassen hat, schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Eine angemeldete Beschwerde ist innerhalb der Frist gemäß Abs. 2 einzubringen. Eine nicht oder verspätet angemeldete Beschwerde ist zurückzuweisen, es sei denn, sie wurde von einer gemäß § 151 Abs. 1 berechtigten Person eingebracht, die bei der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war.

Nach den ErläutRV zu § 134 FinStrG, 2007 BlgNR XXIV. GP 25, solle die vorgesehene Belehrungspflicht auch im Verfahren vor dem Spruchsenat einen effektiven Rechtsschutz gewährleisten.

§ 150 Abs. 4 FinStrG setzt für die Einbringung einer Beschwerde deren fristgerechte Anmeldung voraus. Anders als etwa § 140 Abs. 2 FinStrG sieht das Gesetz für den Fall der Unterlassung einer Belehrung über die Notwendigkeit der Anmeldung einer Beschwerde keine Rechtsfolge für die Frist zur Anmeldung der Beschwerde vor.

§ 134 vierter Satz FinStrG stellt für die Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde durch den Verhandlungsleiter - ebenso wenig wie § 140 Abs. 2 bis 4 FinStrG - nicht darauf ab, dass der Beschuldigte keinen Rechtsbeistand genoss.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsmittelbelehrung nach § 140 FinStrG entsprechend ihrer Bezeichnung nur eine Belehrung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Rechtsmittels auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und kann daher niemals Kraft eigenen Rechtes ein Rechtsmittel gewähren oder versagen. Sie ist daher auch nicht selbst der Rechtskraft fähig, doch hängen von ihrer Richtigkeit die in den Abs. 2 bis 4 des § 140 FinStrG normierten Folgen ab. Unrichtige Rechtsmittelbelehrungen lassen gemäß § 140 Abs. 2 bis 4 FinStrG daher wohl dadurch bedingte Fristversäumnisse und Mängel oder Verletzungen der Einbringungszuständigkeit nicht wirksam werden, bewirken aber nicht, dass durch Belehrungsfehler ein Rechtsmittel, das nach dem Gesetz nicht zulässig ist, als eingeräumt gelten könnte ().

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Strafsachen ist zwar der Fortbestand des Hindernisses (dort im Sinne des § 364 Abs. 1 Z 1 StPO) nur auf Grund mangelnder Rechtskenntnis des Verteidigers zwar grundsätzlich nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund herzustellen, ausnahmsweise kann dies jedoch der Fall sein, wenn die mangelnde Rechtskenntnis oder der Rechtsirrtum primär durch einen Behördenfehler veranlasst wurde (RIS-Justiz RS 0101415 mwN). So kann auch ein in ein Urteil aufgenommener, indes unrichtiger Hinweis auf die Verlängerung der Rechtsmittelfrist oder eine über Antrag des Nichtigkeitswerbers zum wiederholten Male (und daher wirkungslos) mit Beschluss verlängerte Frist zur Ausführung der Beschwerdegründe einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund bilden (RIS-Justiz RS 0098989 mwN).

Weder den vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere der Ablichtung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom , noch den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ist zu entnehmen, dass dem - rechtsfreundlich vertretenen - Revisionswerber in dieser Verhandlung eine Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde erteilt worden wäre. Dem Revisionswerber kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn er für sich in Anspruch nimmt, dass ihm - und seinem Rechtsfreund - in der mündlichen Verhandlung vom nach Verkündung des Straferkenntnisses keine Belehrung über die Notwendigkeit der Anmeldung einer Beschwerde zuteil wurde.

§ 134 vierter Satz FinStrG gebietet eine solche Belehrung auch gegenüber einem rechtsfreundlich vertretenen Beschuldigten. Im Hinblick auf die zitierten ErläutRV, dass durch die in § 134 FinStrG vorgesehene Belehrungspflicht auch im Verfahren vor dem Spruchsenat ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden soll, stellt die Unterlassung einer solchen Belehrung jedenfalls ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 167 Abs. 1 FinStrG dar, das, wenn hiedurch mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum über das Erfordernis einer Anmeldung der Beschwerde veranlasst wurde, einen Wiedereinsetzungsgrund herstellen kann.

Indem das Gericht einer Unterlassung der Belehrung nach § 134 vierter Satz FinStrG die rechtliche Relevanz absprach, belastete es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist.

Auf die Bedeutung der in der mündlichen Verhandlung vom abgegebenen Erklärung, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, braucht bei diesem Ergebnis nicht weiter eingegangen zu werden."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 167 Abs. 1 FinStrG: Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

§ 167 Abs. 2 FinStrG: Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht gestellt werden, je nachdem, ob die Frist bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht wahrzunehmen war oder dort die Verhandlung stattfinden sollte. Diese sind auch jeweils zur Entscheidung über den Antrag berufen. Das Bundesfinanzgericht entscheidet mit Beschluss. War die Frist beim Spruchsenat wahrzunehmen oder sollte die Verhandlung vor dem Spruchsenat stattfinden, entscheidet der Vorsitzende des Spruchsenates über den Wiedereinsetzungsantrag.

§ 134FinStrG. Im Verfahren vor dem Spruchsenat hat der Vorsitzende nach Schluß der mündlichen Verhandlung auf Grund der Ergebnisse der Beratung und Abstimmung das Erkenntnis öffentlich zu verkünden und hiebei die wesentlichen Entscheidungsgründe bekanntzugeben. War die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, so ist sie auch bei der Bekanntgabe der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses auszuschließen, soweit dabei Verhältnisse oder Umstände zur Sprache kommen, die unter die Geheimhaltungspflicht nach § 48a BAO fallen. Im Verfahren vor dem Einzelbeamten ist die Verkündung des Erkenntnisses nicht öffentlich; das Erkenntnis kann auch der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten werden. Nach mündlicher Verkündung des Erkenntnisses hat der Verhandlungsleiter Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde zu erteilen.

§ 135 Abs. 1 FinStrG: Der Ablauf der mündlichen Verhandlung ist durch den Schriftführer, erforderlichenfalls nach den Angaben des Verhandlungsleiters, festzuhalten. Die Niederschrift hat zu enthalten

a) die Bezeichnung der Finanzstrafbehörde, den Namen des Verhandlungsleiters, im Verfahren vor einem Spruchsenat die Namen der Mitglieder des Spruchsenates und des Amtsbeauftragten; den Namen des Schriftführers;

b) Vor- und Zunamen, Tag und Ort der Geburt, Staatsbürgerschaft, Familienstand, Beschäftigung und Wohnort des Beschuldigten und, soweit solche am Strafverfahren beteiligt sind, auch Vor- und Zunamen, Beschäftigung und Wohnort der Nebenbeteiligten;

c) die Namen der als Verteidiger und Bevollmächtigte auftretenden Personen;

d) die deutliche Bezeichnung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat;

e) die Rechtfertigung oder das Geständnis des Beschuldigten;

f) die wesentlichen Aussagen der Zeugen und Sachverständigen und die sonstigen Beweisaufnahmen;

g) wenn das Erkenntnis nach Schluß der mündlichen Verhandlung verkündet worden ist, dessen Inhalt und die wesentlichen Gründe, sonst den Vorbehalt der schriftlichen Ausfertigung.

§ 135 Abs. 2 FinStrG: Alle Angaben in der Niederschrift sind mit möglichster Kürze abzufassen. Soweit die in Abs. 1 lit. b bis f bezeichneten Angaben bereits schriftlich im Akt niedergelegt sind, genügt in der Niederschrift ein kurzer Hinweis auf die bezüglichen Aktenstücke. Liegen die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 vor, so kann sich der Inhalt der Niederschrift auf die in Abs. 1 lit. a bis d und g genannten Bestandteile beschränken. Wurde nach § 56b vorgegangen, ist dies in der Niederschrift festzuhalten.

§ 135 Abs. 3 FinStrG: Die Verhandlungsniederschrift ist vom Verhandlungsleiter und vom Schriftführer zu unterfertigen. Dem Beschuldigten und den Nebenbeteiligten ist auf Verlangen eine Ausfertigung dieser Niederschrift auszufolgen.

§ 150 Abs. 1 FinStrG: Rechtsmittel im Finanzstrafverfahren ist die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

§ 150 Abs. 2 FinStrG: Die Rechtsmittelfrist beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses oder sonstigen Bescheides, bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt mit deren Kenntnis, sofern der Beschwerdeführer aber durch den Verwaltungsakt behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung.

§ 150 Abs. 4 FinStrG: Wurde ein Erkenntnis mündlich verkündet, so ist die Erhebung einer Beschwerde dagegen innerhalb einer Woche bei der Behörde, die das anzufechtende Erkenntnis erlassen hat, schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Eine angemeldete Beschwerde ist innerhalb der Frist gemäß Abs. 2 einzubringen. Eine nicht oder verspätet angemeldete Beschwerde ist zurückzuweisen, es sei denn, sie wurde von einer gemäß § 151 Abs. 1 berechtigten Person eingebracht, die bei der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war.

§ 154 FinStrG: Ein Rechtsmittel ist nicht mehr zulässig, wenn nach Verkündung oder Zustellung des Erkenntnisses (Bescheides) ausdrücklich auf ein Rechtsmittel verzichtet wurde. Der Verzicht ist der Behörde, die das Erkenntnis (den Bescheid) erlassen hat, schriftlich bekanntzugeben oder zu Protokoll zu erklären. Wurde der Verzicht nicht von einem berufsmäßigen Parteienvertreter oder im Beisein eines solchen abgegeben, so kann er binnen drei Tagen schriftlich oder zur Niederschrift widerrufen werden.

Wurde am eine Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde erteilt?

Aufgrund der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im oben dargestellten aufhebenden Erkenntnis vom , Ra 2021/16/0057, wonach "weder den vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere der Ablichtung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom , noch den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zu entnehmen ist, dass dem - rechtsfreundlich vertretenen - Revisionswerber in dieser Verhandlung eine Belehrung über das Erfordernis der Anmeldung einer Beschwerde erteilt worden wäre. Dem Revisionswerber daher nicht entgegengetreten werden kann, wenn er für sich in Anspruch nimmt, dass ihm - und seinem Rechtsfreund - in der mündlichen Verhandlung vom nach Verkündung des Straferkenntnisses keine Belehrung über die Notwendigkeit der Anmeldung einer Beschwerde zuteil wurde", wurde zur Klärung des Sachverhalts eine mündliche Verhandlung zur Prüfung der Frage anberaumt, ob eine Rechtsmittelbelehrung und eine Belehrung über die Verpflichtung zur Anmeldung einer Beschwerde im Sinne des § 150 Abs. 4 FinStrG durch die damalige Verhandlungsleiterin erfolgt ist.

In dieser Verhandlung wurden - da der Verteidiger in der Beschwerde behauptet, es wäre keine Belehrung über die Verpflichtung zur Anmeldung einer Beschwerde erfolgt - die seinerzeitige Verhandlungsleiterin und die damalige Schriftführerin als Zeuginnen geladen.

Obwohl der Termin mit der damaligen Schriftführerin Frau M. vorab bestätigt wurde hat sich doch eine überraschende Terminüberschneidung ergeben, sodass sie nicht zur Verhandlung kommen konnte, jedoch vor der Verhandlung eine schriftliche Zeugenaussage übermittelte, die den Parteien ausgefolgt wurde, mit folgendem Inhalt:

"Zum Hergang der Verhandlung:

Herr ***Bf1*** ist zur Einspruchsverhandlung zuerst alleine erschienen. Die Verhandlungsleiterin schlug vor, auf dessen Verteidiger zu warten bzw. ihn zu kontaktieren. Herr ***Bf1*** verzichtete darauf und die Verhandlung wurde mit ausdrücklicher Einwilligung des Beschuldigten ohne dessen Anwalt begonnen. Als dieser nach einiger Zeit doch eintraf, wurde der bisherige Verlauf kurz geschildert und die Verhandlung ohne Einwände fortgeführt. Die Verhandlung verlief ruhig und sachlich, es fielen mir keine Besonderheiten auf. Meiner Erinnerung nach hat sich der Rechtsanwalt kaum an der Verhandlung beteiligt. Schlussendlich wurde das Erkenntnis durch die Verhandlungsleiterin verkündet und die Rechtsbelehrung (siehe unten) erteilt. Herr ***Bf1*** machte auf mich anfangs den Eindruck, er wolle sogar einen Rechtsmittelverzicht abgeben um die Sache abzuschließen. Ihm wurde seitens der Verhandlungsleiterin angeboten, sich mit dem Verteidiger zu besprechen, dazu gingen die beiden vor die Tür. Kurze Zeit darauf verkündete der Anwalt von Herrn ***Bf1***, dass kein Rechtsmittelverzicht abgegeben wird. Dass beabsichtigt wird, eine Beschwerde anzumelden oder gar einzubringen stand (zu diesem Zeitpunkt) nicht im Raum. Im Gegenteil, über das Einlangen des Rechtsmittels war ich persönlich recht verwundert.

Zum Umfang der Rechtsbelehrung:

Nach Verkündung eines Erkenntnisses des Einzelbeamten wird dem Beschuldigte eine Rechtsbelehrung erteilt und darunter auch auf die Möglichkeit des Rechtsmittels sowie der Notwendigkeit dieses binnen einer Woche anzumelden ausdrücklich hingewiesen. Herr ***Bf1*** war rechtsanwaltlich vertreten und das Recht auf Erhebung des Rechtsmittels gegen das Erkenntnis des Einzelbeamten sowie die erforderliche Anmeldefrist ist auch immer in der schriftlichen Rechtsbelehrung im Zuge der Einleitungsverständigung enthalten. Ich weiß noch, dass auch Herr ***Bf1*** über das Recht der Beschwerde vor Ort mündlich aufgeklärt wurde und ihm die Möglichkeit gegeben wurde sich mit dem Anwalt zu beraten, ob eventuell sogar auf ein Rechtsmittel verzichtet wird. Ob auf die erforderliche Anmeldefrist der Beschwerde in der Verhandlung (neben der schriftlichen Belehrung) nochmals explizit hingewiesen wurde, ist mir jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr erinnerlich."

Dazu ist festzuhalten, dass schon im ho. Erkenntnis vom , RV/7300070/2020, folgende Zeugenaussage der damaligen Schriftführerin M. vom (die ebenfalls allen Parteien zugänglich gemacht wurde) auszugsweise nachzulesen war:

"[…] Können Sie sich noch an den Abschluss der Verhandlung erinnern?

Ja.

Was passierte nach Verkündung der Entscheidung?

Es wurde umfassend erörtert, warum es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Meines Erachtens wollte der Beschwerdeführer die Entscheidung annehmen. Mit der Begründung, er wolle die Sache, die schon lange zurückliegt, endlich abgeschlossen wissen damit "das alles vorbei ist".

Erfolgte seitens der Verhandlungsleiterin eine Rechtsmittelbelehrung?

Ja.

Es wurde in weiterer Folge auch gefragt, ob er einen Rechtsmittelverzicht abgeben wolle. Wie gesagt, meines Erachtens wirkte es, als würde der Beschwerdeführer selbst dies wollen. Sein Anwalt hat sich dann auch eingebracht. Nach einer Unterredung hat die Verhandlungsleiterin vorgeschlagen, die beiden Herren können auch den Raum verlassen, um sich zu besprechen.

Wissen Sie, warum diese nicht protokolliert wurde?

Weil dies nicht üblich ist; es befindet sich dieser Passus auch nicht in der Formatvorlage (Standarddokumente). Es wurde aber mündlich thematisiert.

Wurde seitens des Beschuldigten bzw. seines Verteidigers am Tag der Verhandlung eine Beschwerde angemeldet?

Nein. Definitiv nicht."

Der Verteidiger bestreitet in der Beschwerde, dass eine Belehrung über die Verpflichtung zur Anmeldung einer Beschwerde erteilt worden wäre und wiederholte dieses Vorbringen auch in der mündlichen Verhandlung.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht gab der Beschuldigte an: "Grundsätzlich kann ich mich an diese Frage nicht erinnern, ob zum Thema Rechtsmittelbelehrung etwas vorgebracht wurde. Deshalb habe ich einen Rechtsvertreter, auf den ich mich in dieser Sache verlasse.

Meiner Erinnerung nach hat die Verhandlungsleiterin damals gesagt, sie können sich jetzt kurz besprechen. Deshalb haben wir auch diese Beratung abgehalten.

Ich habe damals mit meinem Verteidiger besprochen, dass wir alle Rechtsmittel ausschöpfen."

Der Verteidiger führte zur Frage, wie er die Situation in Erinnerung habe, aus: "Nach der Belehrung, dass die Möglichkeit besteht gegen die Entscheidung eine Beschwerde einzulegen bzw. auf die Beschwerde zu verzichten haben wir uns beraten und schließlich zu Protokoll gegeben, dass wir auf ein Rechtsmittel nicht verzichten. Wäre mir das gesagt worden, dass ein Rechtsmittel gesondert anzumelden ist, hätte ich das sofort gemacht. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Verpflichtungsanmeldung einer Beschwerde thematisierst worden wäre."

Die damalige Verhandlungsleiterin gab als Zeugin unter Wahrheitspflicht befragt zur Protokoll: "Ich kann mich noch gut an den Fall erinnern. Meiner Erinnerung nach ist die Rechtsmittelbelehrung erfolgt. Nach 13 Jahren Berufserfahrung habe ich umfassend, richtig und vollständig eine Rechtsmittelbelehrung erteilt. So wie beim Spruchsenat wird nach Begründung der Entscheidung eine Belehrung erteilt, dass die Beschuldigten überlegen können, dass Rechtsmittel anzunehmen, dagegen Beschwerde einzubringen und nach einer Überlegungsfrist spätestens binnen 1 Woche das Rechtsmittel anzumelden haben." Zugestanden wird von ihr, dass das Protokoll insofern lückenhaft ist. "Meiner Erinnerung nach ist die Belehrung über die Verpflichtung zur Anmeldung einer Beschwerde nicht ,gerutscht'. […]
Auch wenn die Verhandlung am zunächst mit Einverständnis des Beschuldigten in Abwesenheit seines Verteidigers begonnen wurde, wurde aus meiner Sicht ein faires, rechtsstaatlich garantiertes Verfahren durchgeführt. Nach der Verkündung der Rechtsmittelbelehrung war der Beschuldigte tat- und schuldeinsichtig und ich hatte den Eindruck, dass er die Entscheidung annehmen wollte. Nach eingehender Besprechung mit seinem Rechtsanwalt wurde dann in der Niederschrift protokolliert, dass auf ein Rechtsmittel nicht verzichtet wird."

Der Beschuldigte ergänzte dazu, "ich war zu keinem Zeitpunkt tat- oder schuldeinsichtig, das dürfte nur die Wahrnehmung der damaligen Verhandlungsleiterin sein. Wir haben schon im Vorgespräch mit meinem Verteidiger vereinbart, dass wir alle Rechtsmittel ausschöpfen. Ich wollte jedenfalls keine Vorstrafe erhalten."

Verteidiger an die Zeugin: "Nachdem ich gesagt habe, dass wir auf Rechtsmittel nicht verzichten, haben Sie dann die Verpflichtungsanmeldung einer Beschwerde erwähnt?"

Zeugin: "Das habe ich schon vorher gemacht."

Der Vollständigkeit halber wird die entsprechende Passage aus der Verhandlungsniederschrift vom zitiert:

"Der Anwalt und Hr. ***Bf1*** verlassen den Raum zur Beratung.
10:54: es ergeht kein Rechtsmittelverzicht."

Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen war daher zu prüfen, welche Aussagen zutreffend sind.

§ 98 Abs. 1 FinStrG: Als Beweismittel im Finanzstrafverfahren kommt unbeschadet des Abs. 4 alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 98 Abs. 3 FinStrG: Die Finanzstrafbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

Aussage des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung:

"Ich habe damals mit meinem Verteidiger besprochen, dass wir alle Rechtsmittel ausschöpfen. […] Ich war zu keinem Zeitpunkt tat- oder schuldeinsichtig, das dürfte nur die Wahrnehmung der damaligen Verhandlungsleiterin sein. Wir haben schon im Vorgespräch mit meinem Verteidiger vereinbart, dass wir alle Rechtsmittel ausschöpfen."

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, weshalb hätten der Beschuldigte und sein Verteidiger nach Verkündung des Erkenntnisses am über die Frage, ob ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wird, extra den Raum verlassen sollen um zu besprechen, ob ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wird oder nicht, wenn ohnehin von vornherein - wie in der mündlichen Verhandlung behauptet - schon in einem Vorgespräch vereinbart gewesen sein soll, dass alle Rechtsmittel ausgeschöpft werden?

Angesichts dieser Widersprüche in der Aussage des Beschuldigten erscheinen die Aussagen der Zeuginnen, dass der Beschuldigte eigentlich eher geneigt war, die Entscheidung anzunehmen, zutreffend und die nunmehr auch in der mündlichen Verhandlung gemachte gegenteilige Aussage des Beschuldigten und seines Verteidigers als Verteidigungsstrategie einzustufen, wobei Beschuldigter und Verteidiger nicht zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet sind.

Bei freier Beweiswürdigung ist davon auszugehen, dass sich der Beschuldigte und sein Verteidiger - zugegeben völlig im rechtlichen Rahmen, da sich kein Beschuldigter selbst belasten muss - auf eine Verteidigungsstrategie verständigt haben, dass die Verpflichtung zur Anmeldung einer Beschwerde innerhalb einer Woche von der Verhandlungsleiterin nicht bekanntgegeben wurde und damit die gesetzlich vorgegebene Belehrung der Anmeldeverpflichtung einer Beschwerde nicht erfolgt sein soll.

Allerdings besteht ebenfalls bei freier Beweiswürdigung für das Bundesfinanzgericht keine Veranlassung, die Angaben der damaligen Verhandlungsleiterin oder der Schriftführerin in Zweifel zu ziehen, zumal einer Mitarbeiterin der Finanzstrafbehörde die Wahrnehmung und richtige Wiedergabe maßgeblicher Sachverhalte, insbesondere bezüglich des Ablaufes einer mündlichen Verhandlung, wohl zugemutet werden kann. Auch besteht kein Grund, an der Objektivität der Zeuginnen zu zweifeln. Diese sind unter Androhung einer gerichtlichen Strafe zur Angabe der Wahrheit verpflichtet. Aus dem Akt ergeben sich außerdem keine Anhaltspunkte, dass die Zeuginnen den Beschuldigten wahrheitswidrig belasten wollten (vgl. , 93/03/0276; ). Im Übrigen unterliegen die Aussagen der Zeuginnen auf Grund des abgelegten Diensteides der Wahrheitspflicht, sodass im Falle der Verletzung dieser Pflicht nicht nur strafrechtliche, sondern auch dienstrechtliche Sanktionen zu befürchten wären (vgl. ).

Zusammengefasst ist daher davon auszugehen, dass sowohl eine Rechtsmittelbelehrung über die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde als auch die Belehrung über die Verpflichtung zur Anmeldung der Beschwerde binnen einer Woche von der Verhandlungsleiterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am erteilt wurde.

Rechtsirrtum des Rechtsvertreters?

Der Beschuldigte führte in der Beschwerde aus, dass er "nach der Erkenntnisverkündung ausdrücklich erklärte, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen. Diese Erklärung kann nicht anders als die Anmeldung eines Rechtsmittels verstanden werden, da sie sonst überflüssig wäre."

Im aufhebenden Erkenntnis des wurde darauf verwiesen, dass § 134 vierter Satz FinStrG eine Belehrung über die Notwendigkeit der Anmeldung einer Beschwerde auch gegenüber einem rechtsfreundlich vertretenen Beschuldigten gebietet. Im Hinblick auf die ErläutRV (2007 BlgNR XXIV. GP 25), dass durch die in § 134 FinStrG vorgesehene Belehrungspflicht auch im Verfahren vor dem Spruchsenat ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden soll, stellt die Unterlassung einer solchen Belehrung jedenfalls ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 167 Abs. 1 FinStrG dar, das, wenn hiedurch mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum über das Erfordernis einer Anmeldung der Beschwerde veranlasst wurde, einen Wiedereinsetzungsgrund herstellen kann.

Wie oben ausgeführt ist die Verhandlungsleiterin ihrer Belehrungspflicht gemäß § 134 vierter Satz FinStrG nachgekommen, sodass von ihr eine mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum des Verteidigers auch nicht veranlasst wurde.

Der Verteidiger bestreitet nicht, dass eine Rechtsmittelbelehrung erfolgt ist, zumal offenbar als Ausfluss dieser Belehrung aus Sicht des Verteidigers die Besprechung mit dem Klienten über einen möglichen Rechtsmittelverzicht vor der Tür erforderlich erschein. Schon aus der gesetzlichen Reihenfolge, wonach im § 150 FinStrG die Beschwerde geregelt ist (Beschwerde binnen Monatsfrist, sofern sie vorher innerhalb einer Woche angemeldet wurde) und im § 154 FinStrG die Folgen des Rechtsmittelverzichts geregelt sind, ist abzuleiten, dass zunächst über die Anmeldeverpflichtung und dann über den Rechtsmittelverzicht belehrt wurde.

Ob der Beschuldigte und/oder der Verteidiger nach der Verkündung am in der Besprechung zur Frage, ob ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wird, sich zu sehr auf den Rechtsmittelverzicht konzentriert haben und dabei die Frage der fristgerechten Verpflichtung zur Anmeldung der Beschwerde aus dem Blick verloren haben kann insoweit dahingestellt bleiben, als der Verteidiger ja behauptet, ein Rechtsmittel damit angemeldet zu haben, dass er zu Protokoll gegeben hat, dass auf ein Rechtsmittel nicht verzichtet wird.

Zur Frage, ob die Passage, "auf Rechtsmittel wird nicht verzichtet", eine Anmeldung einer Beschwerde darstellt, darf auf die ho. Entscheidung vom , RV/7300070/2020, verwiesen werden, wonach laut ständiger Rechtsprechung des VwGH Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Hinweis ; , Ra 2014/13/0003; , Ra 2015/15/0041; ).

Nach Verkündung des Erkenntnisses und Belehrung über die Rechtsmittelmöglichkeit und der Verpflichtung zur Anmeldung einer Beschwerde kann von einem Verteidiger verlangt werden, dass zwischen der Alternative, auf ein Rechtsmittel zu verzichten (mit der Konsequenz, dass die Finanzstrafbehörde die Möglichkeit der Erlassung eines vereinfachten Erkenntnisses gehabt hätte) oder der Alternative, ein Rechtsmittel bzw. eine Beschwerde anmelden zu wollen, ein Unterschied besteht.

Rechtsmittelerklärungen des Beschuldigten, eines Nebenbeteiligten und des Amtsbeauftragten dürfen nicht nur sinngemäß, sondern müssen wörtlich festgehalten werden [Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 134, I. Kommentar zu § 134 (Rz 3)]. Das protokollierte Parteienvorbringen, auf Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, ist - entgegen der Darstellung in der Beschwerde - eindeutig: "es ergeht kein Rechtsmittelverzicht".

Die Anwendung des Grundsatzes, dass es in der Beurteilung von Parteienvorbringen nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes (Hinweis ; , 89/17/0174), setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung überhaupt vorliegt, und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann ().

Der Oberste Gerichtshof hat sich zu der hier relevanten Frage, ob die Aussage, auf ein Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, eine entsprechende Anmeldung einer Beschwerde bzw. eines Rechtsmittels darstellt, wie folgt geäußert:

Selbst eine nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung abgegebene allgemeine Erklärung "Rechtsmittel erheben zu wollen" (wie sie der Verteidiger behauptet) stellt eine nicht näher spezifizierte Absichtserklärung dar, die die Frist zur Rechtsmittelanmeldung offenlässt, wie etwa ebenso die Erklärung, auf Rechtsmittel nicht zu verzichten oder sich Bedenkzeit vorzubehalten. Tatsächlich wurde daher keine Frist versäumt, sondern vom Angeklagten bewusst nicht genützt (vgl. ; 13 Os2/08f).

Trifft den Parteienvertreter ein maßgebliches Verschulden an der Versäumung der Frist, so ist dieses der Partei zuzurechnen (Hinweis Fellner, Finanzstrafgesetz, Rz 8, 16 und 17 zu § 167 bis § 168 FinStrG; ; ).

Hinsichtlich der Beurteilung, ob ein minderer Grad des Versehens vorliegt, ist an beruflich rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an Verfahren beteiligte Personen. War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgewendet werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (; ).

Im Sinne dieser Rechtsprechung kann bei einer Äußerung, auf ein Rechtsmittel nicht verzichten zu wollen, nicht von einer irrtümlichen Kommunikation gegenüber der Verhandlungsleiterin ausgegangen werden, da sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Verteidiger die Möglichkeit hatten, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung zu korrigieren und eine möglicherweise nicht protokollierte Anmeldung der Beschwerde aufnehmen zu lassen. Dem sowohl vom Beschuldigten als auch vom Verteidiger unterfertigten Protokoll ist keine diesbezügliche Ergänzung zu ersehen. Eine allfällige nachträgliche Protokollrüge des Beschuldigten ist nicht aktenkundig.

Offenbar ist der Verteidiger über die Bedeutung seiner in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom protokollierte Aussage, kein Rechtsmittel zu erheben, einem möglichen Rechtsirrtum unterlegen, wenn er seine Aussagen als Anmeldung einer Beschwerde wertet. Objektiv gesehen ist diese Anmeldung nicht erfolgt, wobei dieses Unterbleiben, da die nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde, beim Verteidiger über den minderen Grad des Versehens hinausgeht.

Aufgrund des durchgeführten Verhandlung steht fest, dass eine Unterlassung einer Belehrung als ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 167 Abs. 1 FinStrG nicht stattgefunden hat, somit hiedurch auch keine mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum über das Erfordernis einer Anmeldung der Beschwerde beim Verteidiger oder Beschuldigten veranlasst worden sein kann, das einen Wiedereinsetzungsgrund herstellen hätte können.

Da eine Unterlassung einer Belehrung gemäß § 134 vierter Satz FinStrG als ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 167 Abs. 1 FinStrG nicht vorliegt und weder ein unvorhergesehenes noch ein unabwendbares Ereignis als Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in die Versäumung der Anmeldefrist einer Beschwerde ausreichend glaubhaft gemacht wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die zitierte höchstgerichtliche Judikatur wird verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
















OGH, 13 Os2/08f
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7300037.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at