Wirkung der Aufhebung einer lex specialis durch den VfGH
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***RI*** in der Beschwerdesache ***BF***, ***BF-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Grunderwerbsteuer, Steuernummer ***BF-StNr***, Erfassungsnummer ***ErfNr***, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Mit Einbringungsvertrag vom und damit Anwachsung gemäß § 142 UGB ist hinsichtlich der ***BR-Einlage***, im Folgenden nur mehr kurz Baurecht genannt, ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht worden, für den die ***BF***, nunmehrige Beschwerdeführerin, =Bf., als Erwerbende unter der Erfassungsnummer ***ErfNr*** zunächst die Grunderwerbsteuer (GrESt) nach § 22 Abs. 5 UmgrStG vom 2-fachen Einheitswert (EW) mit 20.643 € selbst berechnet hat (EW 294.900 x 2 x 3,5 %).
Antrag auf Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe
Am hat die Bf. den gegenständlichen Antrag auf Festsetzung der GrESt im Sinne des § 201 BAO gestellt, um die Abgabenfestsetzung sodann im Instanzenzug bekämpfen zu können, da die Bf. verfassungsrechtliche Bedenken gegen den EW als Bemessungsgrundlage hegte.
Aufgrund der Einbringung vom unter gleichzeitiger Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB sei hinsichtlich des zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Baurechtes ein Erwerbsvorgang nach dem GrEStG verwirklicht worden. Der EW des Baurechtes sei nicht rechtskräftig in Höhe von 294.900 € festgesetzt worden. Die Bf. habe das Baurecht bzw. das darauf befindliche Superädifikat um 250.000 € an die Marktgemeinde ***Ort*** verkauft, was dem Verkehrswert entspreche. Der Gesetzgeber habe im UmgrStG keine dem § 6 Abs. 1 lit. b GrEStG vergleichbare Bestimmung eingeführt, wonach vom Steuerschuldner nachgewiesen werden könne, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer als das Dreifache des EW sei. Entgegen der Absicht des Gesetzgebers, Erleichterungen für die Wirtschaft zu schaffen, trete das wirtschaftliche Ergebnis ein, dass die Bemessungsgrundlage höher sei als das Doppelte des gemeinen Wertes. Nach Ansicht der Antragstellerin sei daher § 22 Abs. 5 UmgrStG verfassungswidrig.
Das Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel, nunmehr Finanzamt Österreich (FA) hat den Festsetzungsantrag mit Bescheid vom abgewiesen.
Der folgende Rechtsweg hat schließlich damit geendet, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am einerseits unter der Zahl G 156/2019 den § 22 Abs. 5 UmgrStG als verfassungswidrig aufgehoben hat und andererseits unter der Zahl E 1086/2018 das darauf gründende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes (BFG) vom , RV/5101027/2016, aufgehoben hat. Im daran anschließenden fortgesetzten Verfahren hat das BFG mit Erkenntnis vom , RV/5100002/2020, den angefochtenen Abweisungsbescheid des FA aus verfahrensrechtlichen Gründen ersatzlos aufgehoben.
Damit war der Antrag der Bf. auf Festsetzung der Selbstberechnungsabgabe vom wieder unerledigt.
Mit Schriftsatz vom hat die Bf. sodann diesen Festsetzungsantrag dahingehend modifiziert, dass die GrESt mit 0 € festzusetzen sei.
Die Bf. verweist auf das aufhebende Erkenntnis des BFG; folge man der darin vertretenen Auffassung, § 22 Abs. 5 UmgrStG sei lex specialis zu den Bestimmungen des GrEStG, dann sei die GrESt nach Aufhebung der Bestimmung durch den VfGH mit 0 € festzusetzen.
GrESt-Bescheid
Mit dem nunmehr gegenständlichen Bescheid vom hat das FA erstmals die betreffend den Einbringungsvertrag vom anfallende GrESt gemäß § 201 BAO mit 8.750 € vom Wert der Grundstücke in Höhe von 250.000 € festgesetzt.
Zur Begründung zitiert das FA zunächst das aufhebende Erkenntnis des BFG im fortgesetzten Verfahren und die zum Stichtag maßgebliche Rechtsvorschrift des § 4 GrEStG. Abschließend führt das FA aus, da die lex specialis § 22 Abs. 5 UmgrStG nunmehr aufgehoben sei, komme sohin die lex generalis zur Anwendung. Im konkreten Fall gelange der zitierte § 4 GrEStG (idF BGBl. I 36/2014) zur Anwendung. Laut Vorbringen der Bf. sei das Baurecht bzw. das darauf befindliche Superädifikat um € 250.000,- verkauft worden. Dieser Kaufpreis entspreche laut Vorbringen auch dem Verkehrswert bzw. gemeinen Wert. Die Festsetzung der Steuer sei daher ausgehend von 250.000 € erfolgt.
Beschwerde
Dagegen hat die Bf. am das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt, weil § 22 Abs. 5 UmgrStG zu keinem der Fälle des maßgeblichen § 4 Abs. 2 Z 1 bis 4 GrEStG im Verhältnis einer lex specialis gestanden sei. Dazu müsste einer der Tatbestände alle Begriffsmerkmale von § 22 Abs. 5 UmgrStG enthalten und diese Bestimmung mindestens eines oder mehrere zusätzliche Merkmale, was nicht der Fall sei. Die Bescheidbegründung sei nicht nachvollziehbar und unrichtig, sie widerspreche auch der Entscheidung des BFG, welches nur Spezialität von § 12, nicht jedoch von § 22 Abs. 5 UmgrStG zum GrEStG annehme.
Die Bf. beantragt überdies die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das FA die Beschwerde mit der folgenden Begründung als unbegründet abgewiesen.
"Entgegen dem Vorbringen widerspricht die nunmehrige Vorschreibung nicht dem Erkenntnis des . Das BFG mag zwar im Ergebnis der Beschwerde vom stattgegeben und den in diesem Zusammenhang angefochtenen Bescheid, mit welchem der Antrag auf Erlassung eines Abgabenbescheides abgewiesen wurde, ersatzlos aufgehoben haben. Dabei hat das BFG in den Erwägungen zu dieser Entscheidung angeführt, dass gemäß § 279 Abs. 1 BAO das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden hat. "Sache" sei die (Nicht-)Festsetzung der GrESt gewesen. Das BFG dürfe aber nicht - im Sinne des § 201 BAO - in seinem Erkenntnis die erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid vornehmen. Diese Erwägungen lassen erkennen, dass das BFG eine Festsetzung der GrESt bei seiner Entscheidung keinesfalls ausgeschlossen hatte, sondern der Festsetzung mit Erkenntnis entgegenstehe, dass Erkenntnisse eine Abgabe nicht erstmals vorschreiben dürfen.
Zum Vorbringen die Vorschreibung der GrESt widerspreche auch der Entscheidung des welches nur Spezialität von § 12, nicht jedoch von § 22 Abs. 5 UmgrStG zum GrEStG annimmt, ist Folgendes festzuhalten:
Der VfGH hat in seiner Entscheidung vom , G 156/2019, zum gegenständlichen Sachverhalt ausgeführt:
"Die Einbringung eines inländischen Grundstückes in eine Körperschaft im Wege einer Sacheinlage unterliegt als Erwerbsvorgang iSd. § 1 Abs. 1 GrEStG der GrESt. Bemessungsgrundlage für die GrESt ist nach § 4 Abs. 1 GrEStG allgemein der Wert der Gegenleistung. Ist eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder die Gegenleistung geringer als der gemeine Wert, ist nach der für den Anlassfall maßgeblichen Rechtslage BGBl. I 36/2014 die Steuer vom gemeinen Wert zu berechnen (§ 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG). Erfolgt die Sacheinlage eines inländischen Grundstückes im Rahmen einer Einbringung gemäß Art. Ill UmgrStG, ist die Steuer für diesen § 1 Abs. 1 GrEStG unterliegenden Erwerbsvorgang nach § 22 Abs. 5 UmgrStG in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I 71/2003 vom Zweifachen des EW zu berechnen. Ob anlässlich einer unter Art. Ill UmgrStG fallenden Einbringung eine Gegenleistung in Form der Gewährung neuer Anteile erfolgt oder eine solche unterbleibt, ist nach dieser Regelung unbeachtlich." Der VfGH hat damit bereits in seiner Entscheidung vom , G 156/2019, für den gegenständlichen Sachverhalt auf die maßgebliche Rechtslage verwiesen (BGBl. I 36/2014). Allgemein ist - wie der VfGH ausgeführt hat - Bemessungsgrundlage für die GrESt nach § 4 Abs. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung. Ist eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder die Gegenleistung geringer als der gemeine Wert, ist nach der für den Anlassfall maßgeblichen Rechtslage BGBl. 136/2014 die Steuer vom gemeinen Wert zu berechnen. Mindestbemessungsgrundlage ist folglich der gemeine Wert.
Da die Bestimmung in § 22 Abs. 5 UmgrStG als verfassungswidrig aufgehoben wurde, kommt die allgemeine Bemessungsgrundlage in § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG zur Anwendung. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass § 12 UmgrStG bereits laut Überschrift im Gesetz den Anwendungsbereich für Einbringungen normiert und keine Bemessungsgrundlagen für die GrESt bestimmt. In § 12 leg. cit. findet sich der Verweis auf (ua.) § 22 UmgrStG, in dessen Abs. 5 auch die Bemessungsgrundlage für die GrESt angeführt war. § 12 bestimmt die Tatbestände, auf die bei der Bemessung der GrESt gemäß § 22 Abs. 5 anstatt der allgemeinen Bestimmungen über die anzulegende Bemessungsgrundlage des § 4 GrEStG die Bemessungsgrundlage als lex specialis gemäß § 22 Abs. 5 UmgrStG zu ermitteln war. Als Bemessungsgrundlage für die GrESt ist im vorliegenden Sachverhalt nach § 4 Abs. 1 GrEStG allgemein der Wert der Gegenleistung heranzuziehen. Ist eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder die Gegenleistung geringer als der gemeine Wert, ist nach der für den Anlassfall maßgeblichen Rechtslage BGBl. I 36/2014 die Steuer vom gemeinen Wert zu berechnen (§ 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG). Der Wert der Gegenleistung bemisst sich im Falle einer Geschäftsübernahme nach § 142 UGB nach dem Wert der Gesamtabfindung des ausscheidenden Gesellschafters zuzüglich des Wertes der Gesellschaftsschulden und des Wertes des bisherigen Gesellschaftsanteils des übernehmenden Gesellschafters (vgl. ). Nach diesen Grundsätzen wurde anhand der Bilanz seitens des FA die Gegenleistung mit € 249.300,67 ermittelt und da diese geringer ist als der gemeine Wert somit der höhere gemeine Wert - der Mindestbemessungsgrundlage ist - als Bemessungsgrundlage angesetzt.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG den Steuersatz mit 3,5 % betrifft und entgegen dem Vorbringen zutreffend angewendet wurde. Den Ausführungen folgend wurde richtigerweise die GrESt mit Bescheid vom gemäß der allgemeinen Bemessungsgrundlage in § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG ausgehend vom (unstrittigen) gemeinen Wert in Höhe von € 250.000,- mit dem Steuertarif von 3,5 % festgesetzt."
Am hat die Bf. den Vorlageantrag gestellt, welchen das FA am dem BFG zur Entscheidung vorgelegt hat.
Mit Schriftsatz vom hat die Bf. ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Beweiswürdigung
Die unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die Einsicht in sämtliche vom FA ektronisch vorgelegten Teile des Bemessungsaktes ErfNr. ***ErfNr*** und die Vorakten des BFG, RV/5101027/2016 und RV/5100002/2020.
Rechtsgrundlagen
§ 201 BAO lautet:
Abs. (1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Abs. (3) Z 1 Die Festsetzung hat zu erfolgen, wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG 1987 unterliegen der Grunderwerbsteuer ua. folgende Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:
1. ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet.
2. der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.
Gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 stehen Baurechte den Grundstücken gleich.
Die maßgebliche Regelung des § 4 GrEStG 1987 über die Art der Berechnung der GrESt in der zum Stichtag gültigen Fassung des GrEStG 1987, BGBl I 2014/36, in Kraft von bis , lautet wie folgt:
(1) Die Steuer ist vom Wert der Gegenleistung (§ 5) zu berechnen.
(2) Abweichend von Abs. 1 gilt Folgendes:
1. Bei den nachstehend angeführten begünstigten Erwerbsvorgängen ist die Steuer vom Dreifachen des Einheitswertes (§ 6), maximal jedoch von 30 % des gemeinen Wertes, wenn dieser nachgewiesen wird, zu berechnen: …
2. Bei den nachstehend angeführten Erwerbsvorgängen betreffend land- und forstwirtschaftliche Grundstücke ist die Steuer vom Einheitswert (§ 6) zu berechnen: …
3. Die Steuer ist - abgesehen von Z 1 und 2 - vom gemeinen Wert zu berechnen:
a) wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist oder die Gegenleistung geringer ist als der gemeine Wert des Grundstückes; …
Werden auf Grund einer Einbringung nach § 12 Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 oder 2 des GrEStG verwirklicht, so ist gemäß § 22 Abs. 5 UmgrStG idF BGBl. I 2003/71 die GrESt vom Zweifachen des EW zu berechnen.
Erwägungen
Streitpunkt ist ausschließlich die Frage, ob infolge Aufhebung des § 22 Abs. 5 UmgrStG durch den VfGH im Anlassfall die GrESt mit 0 € zu bemessen oder die Steuer nach den allgemeinen Bestimmungen des GrEStG auszumessen ist.
Die Bf. selbst hat in ihren Eingaben mehrfach festgestellt, dass aufgrund der Einbringung ein Erwerbsvorgang nach dem GrEStG verwirklicht wurde. Das BFG teilt diese Einschätzung, weil Fälle einer Universalsukzession gemäß § 142 UGB nach der ständigen Judikatur des VwGH den Erwerbstatbestand gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG 1987 erfüllen.
Ebenso geht der VfGH in seinem Erkenntnis vom , E 1086/2018, mit dem er den § 22 Abs. 5 UmgrStG als verfassungswidrig aufgehoben hat, unzweifelhaft davon aus, dass die gegenständliche Einbringung eines inländischen Grundstückes (Baurecht) in eine Körperschaft im Wege einer Sacheinlage als Erwerbsvorgang iSd. § 1 Abs. 1 GrEStGgrundsätzlich der GrESt unterliegt.
Für die Bemessung der für diesen Erwerbsvorgang anfallenden GrESt war im Gegenstandsfall zunächst § 22 Abs. 5 UmgrStG heranzuziehen, den der VfGH mit der Begründung aufgehoben hat, dass der Gesetzgeber für Einbringungen von Grundstücken auf die die Regelungen des UmgrStG Anwendung finden, zwar Erleichterungen vorsehen könne, allerdings nur auf Basis verfassungsrechtlich unbedenklicher Bemessungsgrundlagen. Die Anknüpfung an EW stehe im Widerspruch zum Ziel einer sachgerechten Bewertung von Grundstückseinbringungen im Rahmen des UmgrStG.
Schon damit bringt der VfGH zum Ausdruck, dass er ausschließlich die Anknüpfung an den EW bei der Bemessung der GrESt als verfassungswidrig erachtet hat. Durch die Aufhebung des § 22 Abs. 5 UmgrStG als verfassungswidrig und den Ausspruch des VfGH, dass frühere gesetzliche Bestimmungen des UmgrStG nicht wieder in Kraft treten, fällt jedoch ausschließlich diese Bestimmung und damit nur die im UmgrStG besondere Bemessungsgrundlage für Einbringungen nach dem UmgrStG ersatzlos weg. Der gegenständliche, nach dem GrEStG weiterhin steuerbare und steuerpflichtige Sachverhalt ist nunmehr in Ermangelung dieser speziellen Berechnungsvorschrift des UmgrStG nach den allgemeinen Vorschriften des GrEStG zu versteuern.
Soweit nämlich eine lex specialis nicht mehr greift, bleibt es bei der generellen Regelung, welche von der Spezialvorschrift nicht vollständig verdrängt wird.
Exkurs: Normenkonkurrenz
Bei konkurrierenden Rechtssätzen können - abhängig von der Regelungsabsicht des Gesetzes - beide Normen nebeneinander anwendbar sein, es kann eine Norm eine andere ungültig machen oder es schließt eine Norm lediglich die Anwendung einer anderen Norm für den Konkurrenzbereich aus. Im letzten Fall wird die verdrängte Norm nach Aufhebung der konkurrierenden Norm im vollen Umfang wieder anwendbar.
Dies gilt zumeist für das Verhältnis zwischen allgemeineren und spezielleren Regelungen. Der speziellere Begriff enthält alle Merkmale des allgemeineren und noch wenigstens ein anderes Begriffsmerkmal mehr.
Ist in einem solchen Fall der Spezialität hinreichend klar zu erkennen, dass die Rechtsfolge der spezielleren Vorschrift entnommen werden soll, so gilt: lex specialis derogat legi generali. Die allgemeinere Norm ist auf alle die Falltypen nicht anwendbar die der Sonderregelung unterliegen (vgl. Reinhold Zippelius, Juristische Methodenlehre § 7 S 37).
Im Falle einer Konkurrenz von mehreren Rechtssätzen kommt es auf die Regelungsabsicht des Gesetzes an, ob die speziellere Norm die allgemeinere nur ergänzen bzw. modifizieren oder aber an ihre Stelle treten soll. Das ist eine Frage der (teleologischen und systematischen) Auslegung (vgl. Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft).
In diesem Sinn ist klar erkennbar, dass Zweck der besonderen Regelung des UmgrStG ausschließlich die Schaffung einer niedrigeren und einfach zu berechnenden Bemessungsgrundlage war.
Wie schon die Überschrift über § 4 GrEStG "Art der Berechnung" klarmacht, regelt diese Bestimmung für den Fall eines verwirklichten Erwerbsvorganges die Berechnung der Steuer. Auch § 22 Abs. 5 UmgrStG betrifft nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich die Art der Berechnung der GrESt sofern "auf Grund einer Einbringung nach § 12" Erwerbsvorgänge des GrEStG verwirklicht werden. Beide Regelungen setzen somit Erwerbsvorgänge nach dem GrEStG voraus, die speziellere Regel des UmgrStG verlangt aber darüber hinaus das zusätzliche Merkmal eines Einbringungsvorganges nach § 12 des UmgrStG; diesfalls bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach der spezielleren Norm. Lediglich diese soll der spezielleren Norm entnommen werden; im Übrigen verdrängt sie die Tatbestände des GrEStG nicht. Es besteht somit Spezialität des § 22 Abs. 5 UmgrStG in Bezug auf die Art der Berechnung nach § 4 GrEStG, was die oben beschriebene Konsequenz nach sich zieht (vgl. Exkurs).
Diese rechtlichen Ausführungen entkräften das Beschwerdevorbringen, wonach - entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde - § 22 Abs. 5 UmgrStG nicht im Verhältnis einer lex specialis zu § 4 GrEStG stehe. Auch die noch in ihrem Schriftsatz vom schlichte Anmerkung, § 22 Abs. 5 UmgrStG sei lex specialis zu sämtlichen Bestimmungen des GrEStG, ist widerlegt. Wenn die Bf. in ihrer Beschwerde weiters behauptet, das BFG nehme in seinem Erkenntnis vom Spezialität von § 12, nicht jedoch von § 22 Abs. 5 UmgrStG zum GrEStG an, so ist zu entgegnen, das BFG hat im fortgesetzten Verfahren zu der Frage der Spezialität überhaupt nicht Stellung genommen und auch im aufgehobenen Erkenntnis vom bezieht sich das BFG auf die Rechtsprechung des VwGH, wonach "aufgrund des Charakters des § 22 Abs. 5 UmgrStG als einer lex specialis" die GrESt vom EW zu berechnen sei.
Die Rechtsgrundlage für den gegenständlichen Bescheid ist eindeutig das GrEStG. Das UmgrStG sah vor der Aufhebung durch den VfGH bloß eine eigene Bemessungsgrundlage vor, wenn im Einbringungsfalle Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 oder 2 GrEStG 1987 verwirklicht werden.
Nach Aufhebung der lex specialis des § 22 Abs. 5 UmgrStG durch den VfGH sind somit im gegebenen Fall hinsichtlich der Berechnung der Steuer die verdrängten Bestimmungen des GrEStG wieder anwendbar.
Wie das FA in seiner Beschwerdevorentscheidung zutreffend ausführt, hat der VfGh schon anlässlich der Aufhebung des § 22 Abs. 6 UmgrStG am , G 156/2019, festgestellt, dass für den Anlassfall die Rechtslage BGBl. I 36/2014 maßgeblich ist.
Demgemäß hat das FA in seinem Bescheid vom anhand der Bilanz die Gegenleistung mit € 249.300,67 € ermittelt und den gemeinen Wert in Höhe von 250.000 € (Kaufpreis) gegenübergestellt. Sodann war die GrESt gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG vom höheren gemeinen Wert (Mindestbemessungsgrundlage) zu bemessen.
Dies entspricht dem Eventualantrag der Bf. vom , die GrESt für den Erwerbsvorgang auf der Bemessungsgrundlage des gemeinen Wertes (=Kaufpreis) von 250.000 € festzusetzen.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
4. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständlich wurde ausschließlich die Frage des Geltungsverlustes einer vom VfGH aufgehobenen Bestimmung aufgeworfen, welche von der Lehre hinlänglich beschrieben und gelöst wurde, sodass im Beschwerdefall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100793.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at