Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.09.2021, RV/6100218/2021

ausländische Rente und Progressionsvorbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,
vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Einkommensteuerbescheid 2015 bleibt unverändert.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang und Sachverhalt

A/1. Die in Österreich ansässige Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) bezog im Jahr 2015 eine inländische Pension sowie eine deutsche Rente, die dem Finanzamt von der deutschen Rentenversicherung ***2*** elektronisch zur Kenntnis gebracht wurde.

Aus diesem Grund forderte das Finanzamt die Bf. auf, einen Nachweis über die ausländischen Pensionsbezüge vorzulegen sowie eine Einkommensteuererklärung einzureichen. Die Bf. legte daraufhin den deutschen Einkommensteuerbescheid für 2015 vor, wonach die deutsche Rente in Höhe von EUR 2.803 mit dem nach deutschem Recht steuerpflichtigen Teil versteuert wurde und EUR 221 an Einkommensteuer festgesetzt wurde.

A/2. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich für 2015 Einkommensteuer fest, indem es unter Einbeziehung der deutschen Rente einen Durchschnittssteuersatz von 7,75% ermittelte und diesen auf die inländischen Einkünfte in Höhe von EUR 11.223,02 anwandte.

Dagegen erhob die Bf. Beschwerde mit der Begründung, die deutsche Pension sei in Deutschland versteuert worden und in Österreich von der Steuer befreit. Eine Doppelbesteuerung dürfe nicht stattfinden. Trotzdem löse die deutsche Pension eine Steuer aus, die ohne sie nicht zu leisten wäre. Es klinge wie Hohn, wenn geschrieben werde, dass nur die Einkünfte in Österreich versteuert würden, tatsächlich aber quasi durch die Hintertür eine zusätzliche Steuer festgesetzt wird. Die österreichische und die deutsche Steuer gemeinsam betragen nahezu 25% der deutschen Rente, wobei der Ansässigkeitsstaat mehr als das Doppelte des Quellenstaates verlange. Das sei nicht plausibel, zumal in Deutschland nur ein erheblich geringerer Teil der Rente steuerpflichtig sei. Die Bf. halte den angefochtenen Bescheid für verfassungswidrig, weil er eben nicht dem Verbot der Doppelbesteuerung entspreche.

A/3. In Beantwortung eines weiteren Vorhaltes des Finanzamtes teilte die Bf. mit, dass sie aufgrund der deutschen Rente keine Sozialversicherungsbeiträge in Österreich geleistet habe. Daraufhin wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

B. Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung des Sachverhaltes

Der geschilderte Sachverhalt ist in dem vom Finanzamt vorgelegten Akt abgebildet und unstrittig. Unbestritten ist, dass die Bf. aufgrund ihres österreichischen Wohnsitzes nach § 1 Abs 2 EStG 1988 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist. Unstrittig ist auch die Höhe ihrer Einkünfte. Strittig ist somit (lediglich), ob der angefochtene Bescheid dem Verbot der Doppelbesteuerung entspricht.

B/1. Gemäß § 1 Abs 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt)Einkommen.

Nach § 2 Abs 3 Z 4 EStG 1988 unterliegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Einkommensteuer. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind nach § 25 Abs 1 Z 3 EStG 1988 nebenPensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung (lit a) auchPensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht (lit c).

B/2. Gemäß Art. 18 Abs 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl III 2002/182 (in Folge: DBA Deutschland), dürfen Bezüge aus einer deutschen Sozialversicherungsrente nur in Deutschland besteuert werden.

Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich nach Art. 23 Abs 2 lit a DBA Deutschland vorbehaltlich der Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.

Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik auszunehmen sind, dürfen nach Art. 23 Abs. 2 lit d DBA Deutschland gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.

B/3. Das DBA Deutschland sieht daher zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Befreiungsmethode vor (vgl. Art. 23 Abs 2 lit a). Österreich nimmt die deutsche Rente von der Steuerbemessungsgrundlage aus.

Die unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich umfasst jedoch alle steuerbaren Einkünfte im Sinne des § 2 EStG 1988 (Welteinkommen, Totalitätsprinzip), und zwar unabhängig davon, ob sie auch im Ausland besteuert werden (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG9, TZ 6 zu § 1, ). Daher sieht das DBA Deutschland vor, dass Österreich zur Besteuerung der inländischen Einkünfte den Steuersatz anwenden darf, der sich unter Einbeziehung der deutschen Einkünfte ergibt (Progressionsvorbehalt, vgl. Art 23 Abs 2 lit d).

In der Bestimmung des § 1 Abs 2 EStG 1988, wonach sich der Steuersatz nach dem Gesamteinkommen bemisst, findet der Progressionsvorbehalt innerstaatlich seine Rechtsgrundlage (vgl zB ; , mwN; ; sowie zB Millauer in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG9 § 1 Tz 49f, mwN; und Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer45 § 1 Tz 13, mwN). Der Progressionsvorbehalt ist nicht verfassungswidrig ().

B/4. Der Einkommensteuertarif steigt nicht linear, sondern progressiv an. Steuerpflichtige, die ihr gesamtes Einkommen in Österreich beziehen, müssen diesen progressiv ansteigenden Tarif hinnehmen. Steuerpflichtige, die in Summe gleich hohe Einkünfte beziehen, aber aus verschiedenen Staaten (konkret: Österreich und Deutschland), hätten bei der völlig isolierten Besteuerung dieser Einkünfte in Österreich und Deutschland den Vorteil jeweils niedrigerer Steuertarife. Da der Wohnsitzstaat Österreich grundsätzlich das Welteinkommen besteuern darf, kann er den Steuersatz nach dem Welteinkommen ermitteln (daher höhere Progression), wendet aber diesen Steuersatz nur auf die österreichischen Einkünfte an.

B/5. Zur Berechnung des Progressionsvorbehaltes sind die zu befreienden deutschen Einkünfte nach nationalem Recht zu ermitteln. Gemäß § 25 Abs 1 Z 3 lit c EStG 1988 sind Pensionen aus einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei das Gesetz nicht vorsieht, dass derartige Pensionseinkünfte nur mit einem bestimmten Anteil zu erfassen wären.

Das hat zur Folge, dass für Zwecke des Progressionsvorbehaltes im vorliegenden Fall höhere deutsche Einkünfte herangezogen werden, als in Deutschland nach dortigen nationalen Vorschriften der Besteuerung unterliegen (siehe dazu Englmair in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar, Art 23A Rz 92; Kirchmayr/Geringer in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21,§ 25 Tz 64; vgl. auch ).

Das österreichische Steuerrecht behandelt die aus anderen Mitgliedstaaten bezogenen Pensionen nicht schlechter als Pensionen aus Österreich. Damit verstößt die Berechnung des Progressionsvorbehaltes auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht ().

B/6. Im konkreten Fall berechnet sich der Progressionsvorbehalt mit einem Durchschnittssteuersatz von 7,75%. Dieser Prozentsatz basiert auf der im Jahr 2015 geltenden Bestimmung des § 33 Abs 1 EStG 1988, wonach der Steuersatz für Einkommen über 11 000 Euro bis 25 000 Euro nach folgender Formel zu berechnen ist:

In die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz wird die deutsche Rente mit einbezogen, die Bemessungsgrundlage (laut Formel: Einkommen) beträgt somit EUR 13.966,76. Laut der oben dargestellten und im angefochtenen Bescheid angewandten Formel beträgt die so berechnete Steuer EUR 1.082,87. Daraus resultiert der Durchschnittssteuersatz von 7,75%, der sodann (nur) auf die inländische Pension angewandt wird.

B/7. Durch den Progressionsvorbehalt kommt es zwar zu einer steuerlichen Mehrbelastung, aber nicht zu einer Doppelbelastung. Mit dem Progressionsvorbehalt wird nicht die deutsche Rente ein zweites Mal besteuert. Vielmehr wird die österreichische Pension mit dem Steuersatz bzw. der Progressionsstufe besteuert, die sich ergäbe, wenn die deutsche Rente in Österreich angefallen wäre. Es wird also lediglich die Steuerleistung von den inländischen Einkünften dem österreichischen Besteuerungsniveau angepasst(siehe ).

Der angefochtene Bescheid ist daher rechtmäßig ergangen, sodass die Beschwerde dagegen als unbegründet abzuweisen ist.

C. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100218.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at