Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.11.2021, RV/5100936/2020

1. Verkehrsstrafen als Werbungskosten, außergewöhnliche Belastung mit und ohne Selbstbehalt 2. Pauschbetrag für Berufsausbildung außerhalb des Wohnortes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, 2016 und 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer hat seine Anträge für die Arbeitnehmerveranlagung 2015 und 2016 am und jenen für die Arbeitnehmerveranlagung 2017 am elektronisch eingebracht.

Am verfasste das Finanzamt die entsprechenden Einkommensteuerbescheide 2015, 2016 und 2017.

Den nutzte der Beschwerdeführer um gegen alle drei genannten Bescheide elektronisch Beschwerde zu erheben, wobei er nochmals jeweils den Inhalt einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung übermittelte und dies Jahresweise noch um eine Begründung ergänzte.

Diese lautete für 2015 und 2016: "Aufwendungen wegen Behinderung nicht unter 476 eingetragen".

Dabei veränderte der Beschwerdeführer für das Jahr 2015 die Summe der mit Selbstbehalt geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen von ursprünglich erklärten € 378,10 auf € 300,87 und machte erstmals außergewöhnliche Belastungen aufgrund der eigenen Behinderung (ohne Selbstbehalt) in Höhe von € 78,23 geltend.

Beim Jahr 2016 verminderte der Beschwerdeführer die Summe der erklärten außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt von € 923,01 auf € 167,42 und machte erstmals solche aufgrund seiner Behinderung (ohne Selbstbehalt) in Höhe von € 868,67 geltend.

Zur Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 brachte der Beschwerdeführer noch vor: "Aufwendungen wegen Behinderung nicht unter 476 eingetragen. Aufwendungen bei außergewöhnlichen Belastungen haben sich noch geändert. Kinderfreibetrag irrtümlich eingetragen. Familienbeihilfe stand nur noch drei Monate im Jahr 2017 zu."

Dabei verminderte der Beschwerdeführer die ursprünglich als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt geltend gemachten € 2.817,14 auf € 709,48 und begehrte erstmals außergewöhnliche Belastungen aufgrund der Behinderung (ohne Selbstbehalt) in Höhe von € 3.321,34.

Im Ersuchen um Ergänzung des Finanzamtes datiert vom erläuterte das Finanzamt, dass der Abzug eines Selbstbehalts nur bei Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung entfalle, weswegen der Beschwerdeführer bekannt geben solle, inwieweit verausgabte Aufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung gestanden seien. Das Gutachten des Sozialministeriumsservice über den Grad der Behinderung solle vorgelegt werden. Das Sozialministeriumsservice habe bislang keine Daten betreffend der 30%igen Behinderung übermittelt, weswegen dieser Bescheid vorzulegen sei.

Diesem Auftrag folgte der Beschwerdeführer mit Aufstellungen seiner Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen und dazu passenden Belegen für die Jahre 2015 bis 2017. Weiter legte er den Bescheid des Bundessozialamtes vom vor, in welchem der Behinderungsgrad des Beschwerdeführers mit 30% aufgrund einer unfallbedingten Aphakie (angeborenes Fehlen oder Verlust der Augenlinse) des rechten Auges festgestellt wurde. Dazu führte der Beschwerdeführer noch aus, dass mehrere Operationen in der Kindheit, die Folgen einer Verletzung, nämlich den Verlust der Sehkraft des rechten Auges nicht hätten verhindern können. Durch eine im Jahr 2010 eingetretene Entzündung habe er Betablocker einnehmen müssen, um das Auge nicht zu verlieren. Um die Nebenwirkungen der Medikation und die fortschreitende Verschlechterung seiner physischen und psychischen Verfassung zu bekämpfen, habe er sich ab 2016 zu kostenintensiven Behandlungen und Therapien entschlossen. Diese hätten ihm ermöglicht, den Betablocker abzusetzen, weswegen er die dafür aufgewendeten Arztkosten und Heilmittel der Behinderung zugerechnet habe.

Aus den beigelegten Aufstellungen und dazu geordneten Belegen, lässt ablesen, dass der Beschwerdeführer nunmehr für das Jahr 2015 außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt € 273,69 und ohne Selbstbehalt € 105,41, 2016 außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt € 116,00 und ohne Selbstbehalt € 755,59 und letztlich 2017 außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt € 731,82 und ohne Selbstbehalt € 2.805,34 bei seiner Einkommensteuer berücksichtigt haben will.

Mit der Beschwerdevorentscheidung datiert vom wurde die Abgabengutschrift für die Einkommensteuer 2015 des Beschwerdeführers von € 2.216,00 auf € 1.741,00 reduziert und dies wie folgt begründet:

"§ 34 EStG 1988 fordert für die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen neben den Voraussetzungen der Außergewöhnlichkeit und der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch, dass die Belastung zwangsläufig erwächst. Diese allgemeinen Voraussetzungen gelten ebenso für außergewöhnliche Belastungen, die nach § 35 EStG 1988 in Zusammenhang mit einer Behinderung geltend gemacht werden.

Nach einschlägigen Kommentarmeinungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelten als Kosten der Heilbehandlung Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente etc. Zwangsläufigkeit von außergewöhnlichen Belastungen setzt in Bezug auf derartige Kosten das Vorliegen triftiger medizinischer Gründe für den betreffenden Aufwand voraus.

Für Krankheitskosten fordert der Verwaltungsgerichtshof deshalb, dass die getätigten Maßnahmen tatsächlich erfolgversprechend zur Behandlung oder zumindest Linderung einer konkret existenten Krankheit beitragen (vgl. 2000/15/0139). Das Vorliegen der angeführten Voraussetzungen bedarf eines Nachweises, wobei überdies gilt, dass dort, wo die Abgrenzung zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig ist, an die Nachweisführung besonders strenge Anforderungen gestellt werden.

Das Merkmal der Zwangsläufigkeit wird bei Maßnahmen fehlen, deren Beitrag zur Heilung oder Linderung einer Krankheit oder zur günstigen Entwicklung einer Behinderung nicht hinreichend erwiesen ist und die daher bei der medizinischen Behandlung nicht typischerweise anfallen. Im Allgemeinen wird eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes und damit vor der Anwendung erstellte ärztliche Verordnung als geeigneter Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme anzusehen sein.

Als Voraussetzung der Abzugsfähigkeit von Krankheitskosten ist erforderlich, dass die der unmittelbaren Krankheitsbehandlung dienenden Therapien gegenüber anderen, auf eine Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens gerichteten Inhalten deutlich überwiegen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann durch eine ärztliche Bestätigung oder durch den Umstand eines Kostenersatzes durch die Sozialversicherung nachgewiesen werden.

Als behinderungsrelevant beantragte Ausgaben (€ 105,41) konnten entsprechend dargelegter gesetzlicher Bestimmung nicht anerkannt werden.

Änderungen erfolgten im Sinne Ihrer Vorhaltsbeantwortung. Ergänzt wird, dass die als außergewöhnliche Belastungen beantragten Ausgaben, welche unter Abzug eines sich aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit errechneten Selbstbehaltes gewährt wurden, mangels steuerlicher Auswirkung ungeprüft blieben.

Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Voraussetzung ist ferner, dass die Absicht besteht, durch ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen das Ausbildungsziel zu erreichen und die vorgeschriebenen Prüfungen abzulegen (vgl. dazu 98/15/0001). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird die außergewöhnliche Belastung durch einen Pauschbetrag von € 110,00 monatlich (€ 1.320 jährlich) berücksichtigt.

Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies, dass der beantragte Pauschbetrag für Ihre Tochter ***8*** nicht anerkannt werden konnte, da die Fachhochschule Gesundheitsberufe ***1*** den Bachelor-Studiengang ***10*** an den Standorten ***2***, ***3*** und ***4*** anbietet. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Topf-Sonderausgaben z. B. für Wohnraumschaffung und -Sanierung sowie Beiträge für bestimmte Versicherungen können wir nur zu einem Viertel berücksichtigen. Liegt der Gesamtbetrag Ihrer Einkünfte über € 36.400 verringert sich der Betrag weiter. Dafür verwenden wir die oben angeführte Formel.

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt. Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von € 5.155,57."

Die am gleichen Tag verfasste Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2016 folgt dem oben für 2015 dargestellten Schema und verringerte die Abgabengutschrift für die Einkommensteuer 2016 des Beschwerdeführers von € 1.345,00 auf € 791,00.

Dies wurde, wie oben dargestellt, wortgleich begründet und punktuell wie folgt ergänzt:

"Wie im Ergänzungsersuchen vom bereits dargelegt wurde ergibt sich aus dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 6 EStG, dass der Abzug eines Selbstbehalts nur bei Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung und somit im Sinne eines bestehenden ursächlichen unmittelbaren Zusammenhangs der geltend gemachten Kosten mit der Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu Grunde liegt ( 85/14/0150), entfallen kann.

Entsprechend eingebrachter Unterlagen ist bei verausgabten Behandlungskosten (Dr. med. ***5*** ***6***) kein erkennbarer Behinderungs-Zusammenhang gegeben. Auch eine diesbezügliche ärztliche Bestätigung, welche den Zusammenhang zu Ihrer Augenerkrankung Aphakie dokumentiert, ist ebenfalls nicht vorhanden. Einer Berücksichtigung ohne Selbstbehaltkürzung konnte daher nicht nachgekommen werden.

Als behinderungsrelevant beantragte Ausgaben (€ 468,67) konnten entsprechend dargelegter gesetzlicher Bestimmung nicht anerkannt werden.

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt. Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von € 5.409,74."

Dem gleichen Muster folgt auch die Beschwerdevorentscheidung für die Einkommensteuer 2017 ebenfalls datiert vom , in welcher die Abgabengutschrift an Einkommensteuer 2017 des Beschwerdeführers von € 1.568,00 auf € 644,00 vermindert wurde.

Auch hier entspricht der Wortlaut der Begründung weitgehend jener der oben zitierten Beschwerdevorentscheidung für die Einkommensteuer 2015, welche punktuell abgewandelt beziehungsweise ergänzt wurde:

"Entsprechend eingebrachter Unterlagen ist bei verausgabten Behandlungskosten und damit in Zusammenhang stehenden Verordnungen (Dr. ***7*** € 432,32, € 24,80 und € 312,00 und Dr. ***5*** ***6*** € 131,70) kein erkennbarer Behinderungszusammenhang gegeben. Auch eine diesbezügliche ärztliche Bestätigung, welche den Zusammenhang zu Ihrer Augenerkrankung Aphakie dokumentiert, ist ebenfalls nicht vorhanden. Einer Berücksichtigung ohne Selbstbehaltkürzung konnte daher nicht nachgekommen werden.

Die von Ihnen beantragten Werbungskosten von 108,05 sind niedriger als der Pauschbetrag von € 132,00. Wir haben daher den höheren Betrag berücksichtigt.

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen haben wir nicht berücksichtigt. Der Grund: Die Aufwendungen sind niedriger als der für Sie gültige Selbstbehalt in Höhe von € 6.919,81."

Gegen alle drei Beschwerdevorentscheidungen datiert vom betreffend die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2015, 2016 und 2017 richten sich die elektronisch eingebrachten Anträge auf Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht vom .

Gleichlautend erklärte darin der Beschwerdeführer, dass er gegen die "Begründung zur Anerkennung des Pauschalbetrages für die auswärtige Berufsausbildung von Tochter ***8*** und der Ausgabenanerkennung für Behinderung" "Beschwerde" einlege. Nach den Informationen auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen sei (wohl für das Anerkennen von außergewöhnlichen Belastungen für Berufsausbildung im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988; Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988) nicht bloß eine 80 km Grenze, sondern auch eine Fahrzeit von über einer Stunde maßgeblich. Selbst für die nächstgelegene Fachhochschule in ***2***, würde für die Anreise mehr als eine Stunde benötigt, zur Fachhochschule in ***3*** seien es mehr als drei Stunden. Zu diesem Ergebnis komme auch der Pendlerrechner. Zu den Ausgaben für die Behinderung übermittle er ein ärztliches Attest.

Dieses letztgenannte Schreiben trägt den Titel "Ärztliches Attest" und wird darauf handschriftlich festgehalten, dass der Beschwerdeführer unter erhöhtem Augendruck und erhöhten Cholesterinwerten leide. Der Beschwerdeführer habe eine Therapieplan erhalten, aufgrund dessen er eine Therapie gestartet habe, welche der unterzeichnete Arzt aufgrund der Diagnose für richtig halte. Die Unterschrift beschränkt sich auf ein unleserliches Handzeichen, der darunterliegende Stempel ist verschmiert bis auf den Hinweise "Ärztin für Allgemeinmedizin" nicht zu erkennen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Rahmen der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht hat das Finanzamt folgende Sachverhaltsdarstellung (auch dem Beschwerdeführer) übermittelt:

"Der Abgabepflichtige beantragte in seinen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 bis 2017 Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt.

Weiters machte der Abgabepflichtige Kosten für die auswärtige Berufsausbildung für seine Töchter ***9*** und ***8***, jeweils in Höhe der Pauschbeträge von € 1.320 jährlich, geltend. In den Erstbescheiden vom wurden diese außergewöhnlichen Belastungen zwar antragsgemäß berücksichtigt, die Krankheitskosten überstiegen jedoch nicht den Selbstbehalt.

In den Beschwerden betreffend die Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 vom wurden teilweise andere Beträge als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht und ein Teil dieser Beträge der Behinderung des Abgabepflichtigen zugeordnet.

Im Zuge eines Vorhaltsverfahrens forderte das Finanzamt Nachweise für die Behinderung des Abgabepflichtigen, die vom Bundessozialamt bisher nicht dem Finanzamt gemeldet worden war, und für die geltend gemachten Beträge an. Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung änderten sich die geltend gemachten Beträge für die Jahre 2016 und 2017 abermals.

Mit der Vorhaltsbeantwortung legte der Abgabepflichtige zum Nachweis seiner Behinderung ein Schreiben des Bundessozialamtes vom vor, aus dem hervorgeht, dass die Ausstellung eines Behindertenpasses verweigert worden war, weil lediglich einen Grad der Behinderung von 30% bestand. Aus dem Schreiben des Bundessozialamtes ist ersichtlich, dass die Funktionsbeeinträchtigung durch eine Aphakie des rechten Auges nach einem Unfall entstanden ist.

Aus den mit der Vorhaltsbeantwortung vorgelegten Aufgliederungen und Rechnungen ist ersichtlich, dass die als Krankheitskosten geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen sowohl den Abgabepflichtigen, als auch seine beiden Töchter betrafen.

In den Beschwerdevorentscheidungen für die Einkommensteuern der Jahre 2015 bis 2017 vom erkannte das Finanzamt die als Heilkosten in Zusammenhang mit der Behinderung geltend gemachten Kosten mangels Nachweises eines Zusammenhanges mit der Behinderung nicht als außergewöhnliche Belastung an.

Im Jahr 2017 wurde ein Teilbetrag von € 900,82 dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt angesetzt, blieb jedoch aufgrund des Selbstbehalts ohne steuerliche Auswirkung.

Der beantragte Pauschbetrag für die Tochter ***8*** konnte in der Beschwerdevorentscheidung nicht anerkannt werden konnte, da die Fachhochschule Gesundheitsberufe ***1*** den Bachelor-Studiengang ***10*** auch im Einzugsbereich des Wohnortes, nämlich am Standort ***2*** anbietet.

Die Vorlageanträge vom wenden sich zunächst gegen die Nichtanerkennung der auswärtigen Berufsausbildung für die Tochter ***8***. Selbst für die naheliegendste Fachhochschule in ***2***, für die die Tochter keine Studienplatzzusage erhalten habe, betrage die Anreise vom Wohnort mehr als eine Stunde. Zur FH in ***3*** würden mehr als drei Stunden ausgewiesen. Zur Anerkennung der Ausgaben für Behinderung übermittle der Abgabepflichtige das ärztliche Attest.

Nach der Einbringung des Vorlageantrages reichte der Abgabepflichtige das angekündigte ärztliche Attest vom nach. Aus diesem geht hervor, dass er an erhöhtem Augendruck und an Hypercholesterinanämie leidet. Er habe eine Therapie gestartet, die der Arzt für seine Diagnose wichtig erachten würde. Nähere Angaben zur Art der Therapie, deren Zusammenhang mit der Behinderung sowie deren Beginn und deren Dauer sind dem Attest nicht zu entnehmen."

Diese Feststellungen werden vom Bundesfinanzgericht, wie unten begründet, vollinhaltlich geteilt und wird weiter festgestellt, dass der Beschwerdeführer, im Jahr 2015 als "Reisekosten" € 21,00 Parkgebühr-Strafe und € 50,00 Radarstrafe als Werbungskosten geltend gemacht hat.

Die Selbstbehalte für außergewöhnliche Belastungen nach § 34 Abs. 4 iVm. § 2 Abs. 2 EStG 1988 betragen für 2015 € 5.149,18 (unter Korrektur der Werbungskosten für die Verkehrsstrafen), 2016 € 5.409,84 sowie 2017 € 6.919,81.

Der Beschwerdeführer ist nach dem Bescheid des Bundessozialamtes vom aufgrund einer Aphakie (Fehlen der Augenlinse nach Unfall am rechten Auge in der Kindheit) zu 30% behindert.

Nach einer Augenentzündung 2010 musste der Beschwerdeführer schmerzlindernde Salben und auch bedingt durch lebenslangen psychischen Stress Betablocker zu sich nehmen. 2016 hat er sich zu Therapien entschlossen um den angegriffenen physischen und psychischen zu verbessern. Danach hat er auf die Einnahme von Betablockern verzichtet.

Dabei wurde der Beschwerdeführer nach den vorgelegten Rechnungen und Bestätigungen mit Hilfe von Akkupunktur (wegen Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich, Bluthochdruck) dem Verordnen von nicht verschreibungspflichtigen Nahrungsergänzungsmitteln (zum Beispiel Ginseng), Mineralen (zum Beispiel Magesiumsalze) und Vitaminen (zum Beispiel D3, B12), Darmbakterien (zum Beispiel Omnibiotik), Enzymen (für die Verdauung) und Hormoncremen (wohl für die trockene Haut) und Hormone (DHEA). Dabei wurden die Diagnosen chronische Erschöpfung, Müdigkeit, wiederkehrende Rückenschmerzen, überhöhte Cholesterinwerte, trockene juckende Haut und Zustand nach Augenverletzung für die Einnahme angegeben. Weiter hat der Beschwerdeführer die Dienste von Physiotherapeuten in Anspruch genommen.

Alle diese Behandlungen lassen keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Grund für Behinderung, welcher im Bescheid des Bundessozialamtes (nunmehr Sozialministeriumsservice) vom genannt wird, nämlich dem Fehlen einer Linse im rechten Auge mit den entsprechenden Folgen für die Sehfähigkeit, erkennen.

Für die von der Tochter des Beschwerdeführers besuchte Fachhochschule für Gesundheitsberufe ***1*** gibt es drei Standorte, an welchem der Bachelor-Studiengang ***10*** besucht werden kann, nämlich in ***2***, ***4*** und ***3***.

Am nächsten zum Wohnort des Beschwerdeführers und seiner Tochter liegt jener in ***2***. Die Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln betrug im Beschwerdezeitraum zwischen dem Wohnort und dem Studienort, laut Fahrplan 38 Minuten und liegt der Wohnort auch nach der Auflistung der Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 im Einzugsbereich des Studienortes ***2***.

2. Beweiswürdigung

Die oben genannten Feststellungen ergeben sich aus den Beschwerdevorbringen, den im Verfahren beigebrachten Belegen, dem Vorbringen der belangten Behörde und dem Einblick in die Datenbanken der Finanzverwaltung, soweit sie dem Bundesfinanzgericht zugänglich sind.

Grundsätzlich kennt das Abgabenrecht keine Beweisregeln (§ 167 BAO Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961: "(1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises. (2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht."). Es gilt also der Grundsatz der "freien Beweiswürdigung", nach dem Gebot des ausreichenden Erhebens des Sachverhalts und schlüssigen Erwägung aller Ergebnisse dieses Prozesses, auf den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechende Weise (herrschende Lehre und Judikatur; siehe für viele: Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 (2021) Rz 4 ff zu § 167)). Dabei genügt es von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber den anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Insoweit trifft die Verwaltungsbehörde und auch das Bundesfinanzgericht nach § 115 Abs. 1 BAO ("Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.") die Ermittlungspflicht.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz greift jedoch bei abgabenrechtlichen Begünstigungen, bei welchem, wie schon das Finanzamt in seinem Vorlagebericht ausgeführt hat, der Steuerpflichtige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen der Umstände darzulegen hat, auf welche die Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe im Einzelnen anzuführen sind (: "Zu diesen Ausführungen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Steuerpflichtige, der eine Begünstigung, somit auch eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung, in Anspruch nimmt, selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann, wobei die Gründe dafür einzeln anzuführen und zumindest glaubhaft zu machen sind [vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer III B, Tz 7 zu § 34 Abs. 1, sowie etwa die hg. Erkenntnisse vom , 90/14/0019, und vom , 2001/15/0109].").

Dies lässt sich aus § 119 Abs. 1 BAO ("Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.") ableiten, welcher die amtswegige Ermittlungspflicht dort einschränkt, wo weitere Nachforschungen der Verwaltungsbehörde oder dem Bundesfinanzgericht, wegen der Nähe zu höchstpersönlichen Lebensumständen nicht mehr zugemutet werden kann (herrschende Lehre und Judikatur siehe etwa: Brennsteiner in Fischerlehner/Brennsteiner, aaO, Rz 2 zu § 119).

Es wäre also am Beschwerdeführer gelegen gewesen, schlüssig darzulegen, aus welchem Grund die von ihm geltend gemachten Aufwendungen für Akkupunktur (wegen Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich, Bluthochdruck) dem Kauf von nicht verschreibungspflichtigen Nahrungsergänzungsmitteln (zum Beispiel Ginseng), Mineralen (zum Beispiel Magesiumsalze) und Vitaminen (zum Beispiel D3, B12), Darmbakterien (zum Beispiel Omnibiotik), Enzymen (für die Verdauung) und Hormoncremen (wohl für die trockene Haut) und Hormone (DHEA) in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fehlen seiner rechten Augenlinse stehen, obwohl die Diagnosen auf den Belegen auf chronische Erschöpfung, Müdigkeit, wiederkehrende Rückenschmerzen, überhöhte Cholesterinwerte, Beschwerden im Halswirbelsäulenbereich lauteten. Aus diesen Unterlagen, kann ein solcher unmittelbarer medizinischer Zusammenhang nicht erkannt werden. All diese Aufwendungen, welche der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens mehrmals modifiziert hat und schlussendlich nach seiner Ansicht 2015 € 105,41, 2016 € 755,59 und 2017 € 2.805,34 ausgemacht haben sollen, können daher nicht der Behandlung des Fehlens der rechten Augenlinse des Beschwerdeführers zugordnet werden.

Die in den letzten Absätzen genannten Grundsätze (Offenlegungspflicht, erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabenpflichtigen, Pflicht alle Umstände auf jeden Zweifel ausschließende Weise darzustellen, sodass daraus auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer abgabenrechtlichen Begünstigung geschlossen werden kann.) gelten auch beim Antrag des Beschwerdeführers ihm für seine Tochter ***8*** die Pauschbeträge für auswärtige Berufsausbildung als außergewöhnliche Belastung zuzuerkennen.

Was den Besuch der Fachhochschule für Gesundheitsberufe betrifft, hat der Beschwerdeführer bloß behauptet, dass seine Tochter keine Studienplatzzusage erhalten habe, diese Behauptung aber durch nichts belegt. Für die Wahl eines Studienortes gibt es erfahrungsgemäß viele Gründe, wie die Studienortwahl gleichaltriger Freunde, die Wohnumstände am Studienort oder am Wohnort, das Vorhandensein von Freunden, Verwandten, Bekannten, die generelle kulturelle Atmosphäre, die Unterrichtenden, das Angebot von besonderen Lehrgängen, die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und so weiter.

Es wäre daher am Beschwerdeführer gelegen gewesen, von vornherein zu belegen, dass nicht einer der letztgenannten oder anderen Gründe und nicht die vorgeblich fehlende Studienplatzzusage in ***2*** Grund für die Wahl des Studiums in ***3*** gewesen sind. Dies hat der Beschwerdeführer jedoch unterlassen, weswegen die Basis für die rechtliche Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 zusteht, nur der Studienort ***2*** sein kann.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Werbungskosten für Verkehrsstrafen:

§ 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 legt fest: "Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen."

Dies mag auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, dass alle Aufwendungen, welche in irgendeinem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen, auch als Werbungskosten abzugsfähig sein könnten.

Dem setzt § 20 Abs. 1 EStG 1988 Grenzen: "(1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden: 1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge. 2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. … 5. b) Strafen und Geldbußen, die von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder den Organen der Europäischen Union verhängt werden."

Auf Verkehrsstrafen, wie beim Beschwerdeführer das Falschparken und das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit ist die ausdrückliche Anordnung des § 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988 zutreffend, dass Strafen von Verwaltungsbehörden, nicht bei den Einkünften (hier nichtselbständige Einkünfte nach § 25 EStG 1988) abgezogen werden dürfen, weswegen der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 insoweit abzuändern war, als € 71,00 nicht als zusätzliche Werbungskosten (Reisekosten) anerkannt werden konnten.

Außergewöhnliche Belastungen mit und ohne Selbstbehalt

Außergewöhnliche Belastungen regelt der Gesetzgeber im dritten Teil des EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988) ("Tarif") in den §§ 34 und 35. Damit ist klargestellt, dass die da getroffenen Anordnungen nichts unmittelbar mit der persönlichen und sachlichen Einkommensteuerpflicht zu tun haben und auch Aufwendungen, welche bei den im zweiten Teil geregelten Einkunftsarten ausdrücklich für nicht abzugsfähig erklärt werden, wie etwa die im § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 genannten Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen und den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge, als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen können, wenn sie die Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 erfüllen.

Nach § 34 Abs. 1 Z 1-3 EStG 1988 sind Aufwendungen, welche weder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung zu behandeln, wenn sie außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Näher erläutert der Gesetzgeber in § 34 Abs. 2 EStG 1988, dass eine Belastung außergewöhnlich ist, soweit sie höher ist als jene, welche der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse erwächst. Zwangsläufig ist nach § 34 Abs. 3 EStG 1988 eine außergewöhnliche Belastung, wenn sich ihr der Steuerpflichtige aus tatsächlichen rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird dadurch berücksichtigt, dass in § 34 Abs. 4 gestaffelt nach Einkommen und Familienstand pauschale Selbstbehalte von sechs bis zwölf Prozent des Einkommens festgelegt werden.

§ 34 Abs. 6 EStG 1988 (in der für die Beschwerdejahre geltenden Fassung BGBl. I Nr. 112/2012) enthält eine abschließende Aufzählung, welche außergewöhnlichen Belastungen ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes bei der Ermittlung des Einkommensteuertarifes zu berücksichtigen sind (Katastrophenschäden, Berufsausbildung nach Abs. 8, Aufwendungen der Kinderbetreuung im Sinne des Abs. 9, Mehraufwendungen für Personen mit erhöhter Kinderbeihilfe, Aufwendungen im Sinne des § 35 EStG 1988, welche anstelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden, Mehraufwendungen im Sinne des § 35 Abs. 1 EStG 1988 soweit sie die pflegebedingter Geldleistungen übersteigen) und eine Verordungsermächtigung für den Bundesminister für Finanzen, welche auch erlaubt, festzulegen, welche Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf den Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu berücksichtigen sind.

Im § 35 EStG 1988 (in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2005) wird unter Anderem (Absätze 1 bis 3 leg. cit.) festgelegt, dass durch eigene körperliche oder geistige Behinderung ein Freibetrag (geregelt je nach der Höhe der durch amtliche Bescheinigung festgestellten Behinderung) zusteht, sofern keine Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage bezogen wird.

Nach § 35 Abs. 5 können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung (als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt) geltend gemacht werden.

Von der im § 35 Abs. 7 EStG 1988 eingeräumten Möglichkeit mit Verordnung Durschnittsätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, hat der Finanzminister mit der "Verordnung außergewöhnliche Belastung" (BGBl 303/1996) Gebrauch gemacht.

In dieser Verordnung wird unter anderem in § 4 festgelegt, dass zusätzlich (zu den Pauschbeträgen nach § 35 Abs. 3 EStG 1988) die nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.

Wie oben dargestellt hat der Beschwerdeführer allerdings im Beschwerdezeitraum 2015 bis 2017, (abgesehen dem Pauschbetrag für die eigene Behinderung [€ 75,00]) keine Aufwendungen getragen, welche zur Behandlung der nachgewiesenen Behinderung gedient haben. Diese sind also auch nicht als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 i.V.m. § 4 der Verordnung außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wie dies auch schon das Finanzamt in den Beschwerdevorentscheidungen datiert vom getan hat und sind insoweit der angefochtene Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 datiert vom abzuändern.

Ob nun alle anderen Aufwendungen für den Beschwerdeführer und seine Töchter, welche er im Laufe des Verfahrens als außergewöhnliche Belastungen aufgrund Krankheitskosten, beziehungsweise Kosten der Aufrechterhaltung der Gesundheit, geltend gemacht hat, tatsächlich die oben genannten Kriterien einer außergewöhnlichen Belastung erfüllen (was überwiegend fraglich ist) kann dahingestellt bleiben (vergleiche ) da in allen Jahren die vom Beschwerdeführer und auch für seine Töchter letztendlich geltend gemachten Beträge (2015: € 379,10, 2016 € 871,65 und 2017 € 3.537,16) deutlich unter den vom Beschwerdeführer in den jeweiligen Jahren zu tragenden Selbstbehalt (2015: € 5.149,18, 2016: € 5.409,84 und 2017: € 6.919,81) liegen.

Dieser Selbstbehalt ist nach § 34 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 2 EStG 1988 wie folgt zu berechnen:


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2015
2016
2017
Gesamtbetrag der Einkünfte
51.827,19
49.097,99
52.028,79
Sonstige Bezüge
9.433,96
9.566,24
9.136,66
SV-Sonst. Bezüge
-1.587,51
-1.637,74
-1.564,20
Sonderausgaben
-625,50
-654,05
-541,15
AGB ohne Selbstbehalt
-1.395,00
-1.395,00
-1.395,00
§ 106a
-440,00
-879,00
Summe:
57.213,14
54.098,44
57.665,10
12 Prozent: -AVAB, -Kinder
9%
5.149,18
10%
5.409,84
12%
6.919,81

Aus diesem Grund werden die angefochtenen Bescheide in diesem Punkt nicht abgeändert als auch bei den angefochtenen Bescheiden keine außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt wurden und jene mit Selbstbehalt deutlich unter dem Selbstbehalt lagen. Jedoch wird die Beschwerde in diesem Punkt dem Inhalt nach abgewiesen.

Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung

Das Finanzamt hat im auch dem Beschwerdeführer zugestellten Vorlagebericht die nachfolgende Rechtsansicht vertreten:

"Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wird die außergewöhnliche Belastung durch einen Pauschbetrag von € 110,00 monatlich (€ 1.320 jährlich) berücksichtigt. Gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung des BM für Finanzen zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 idgF, gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1993, zeitlich noch zumutbar ist (BGBl. Nr. 604/1993 idF BGBl. II Nr. 296/2004; BGBl. Nr. 605/1993 idF BGBl. II Nr. 249/2016; BGBl. Nr. 608/1993 idF BGBl. II Nr. 296/2001 und BGBl. Nr. 609/1993 idF BGBl. II Nr. 26/1998; die Verordnungstexte sind abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at unter ,Bundesgesetzblätter'). Die genannten Verordnungen sind aufgrund einer Änderung in § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 (BGBl. I Nr. 54/2016) zwar mit außer Kraft getreten, da in der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes aber statisch auf die Fassung vor dieser Änderung verwiesen wird (idF BGBl. I Nr. 50/2016), sind diese Verordnungen weiterhin zur steuerlichen Beurteilung des Einzugsbereiches heranzuziehen. Diese Regelung ist im Übrigen nicht nur auf Studenten bzw. universitäre Einrichtungen beschränkt, sondern gilt in gleicher Weise auch für Schüler und Lehrlinge. Sowohl nach der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen zur Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 idgF, als auch nach den Verordnungen zu §§ 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF Studienförderungsgesetz 1992 BGBl. I Nr. 50/2016 ist der Nachweis zulässig, dass trotz Nennung in einer Verordnung zu § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992 idF BGBl. I Nr. 50/2016 die Fahrzeit länger als eine Stunde beträgt. Die Fachhochschule Gesundheitsberufe ***1*** bietet den Bachelor-Studiengang ***10*** an den Standorten ***2***, ***3*** und ***4*** an. Laut Homepage der Fachhochschule findet diese Ausbildung in ***2*** am ***11*** statt. Das Med Campus VI. ist das Ausbildungszentrum am ***12*** (= ***12*** = ***12***). Der Wohnort ***13*** liegt aufgrund von § 5 der VO jedenfalls im Einzugsbereich der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 im Einzugsbereich des Studienortes ***2***. Der Routenplaner des ***14*** weist eine Fahrtzeit vom Wohnort ins Zentrum von ***2*** (beispielsweise Haltestelle ***12***) von 38 Minuten aus. Nicht einzurechnen sind Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort ( 85/12/0247). Der bloße Hinweis auf eine fehlende Studienplatzzusage für die Tochter an der Fachhochschule in ***2*** vermag nach Auffassung des Finanzamtes die Berücksichtigung des Pauschbetrages für die auswärtige Berufsausbildung nicht zu begründen."

Diese Rechtsansicht wird vom Bundesfinanzgericht vollinhaltlich geteilt. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Pendlerrechner ist nicht zielführend, da dieser eine völlig andere Begünstigung betrifft, die nach anderen Kriterien steuerliche Vorteile verteilt. Wie schon das Finanzamt richtig dargelegt hat, kommt es auch nicht darauf an, ob irgendwelche Tourenplaner von Tür zu Tür eine längere Fahrzeit ausweisen, sondern bloß auf die Fahrstrecke von Gemeinde zu Gemeinde ohne Weg vom Wohnort zur Haltestelle und von Haltestelle zum Ausbildungsort (herrschende Lehre und Judikatur siehe für viele Jakom/Peyerl EStG, 2021, § 34 Rz 77 ff und die dort zitierten Fundstellen), was dazu führt, dass Wegzeiten am Anfang und Ende der Fahrt außer Betracht bleiben, selbst wenn es sich um eine große Gemeinde wie die Bundeshauptstadt handelt.

Dass dem Beschwerdeführer der Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 für seine Tochter ***9*** zugestanden ist, stand in diesem Verfahren außer Zweifel und bleibt dies von diesem Erkenntnis unberührt.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 auf die die gleiche Weise wie in den Beschwerdevorentscheidungen datiert vom mit der Maßgabe abgeändert werden, dass weiter die € 71,00 Verkehrsstrafen im Jahr 2015 nicht als Werbungskosten anerkannt werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich dieses Erkenntnis einerseits auf Beweiswürdigung und andererseits auf das Anwenden des Gesetzestextes und der oben zitierten herrschenden Lehre und Judikatur auf den festgestellten Sachverhalt beschränkt, wurden keine Rechtsfragen berührt, deren Bedeutung über die Entscheidung in diesem Verfahren hinausgeht.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992
§ 167 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 119 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 5 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Abs. 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992
StudFG - Erreichbarkeit von Studienorten (BMWF), BGBl. Nr. 605/1993
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100936.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at