Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.11.2021, RV/3100002/2020

Aufhebung der BVE betreffend Sachbescheid, da keine rechtswirksame BVE betreffend Wiederaufnahme ergangen ist

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz (nunmehr: FA für Großbetriebe) vom betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013, St.Nr. Bf_StNr, beschlossen:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom wird aufgehoben.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Sachverhalt/Verfahrensgang

1. Aufgrund einer in der die Jahre 2011-2013 umfassenden Außenprüfung getroffenen Feststellung wurde das Verfahren betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger für das Wirtschaftsjahr 2012/2013 gem. § 303 BAO mit Bescheid vom wiederaufgenommen. Mit selbem Datum erging im wiederaufgenommenen Verfahren der Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013.

2. Der Wiederaufnahmebescheid wurde bekämpft; nach Ergehen der abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde am fristgerecht der Vorlageantrag erhoben.

3. Mit Bescheid vom wurde der Wiederaufnahmebescheid vom gem. § 299 BAO aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, dass es der Begründung des Wiederaufnahmebescheides an einem konkreten Hinweis auf eine neu hervorgekommene Tatsache und damit an einem Wiederaufnahmegrund gefehlt habe.

Infolge dieser Bescheidaufhebung wurde der Vorlageantrag vom mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/3101006/2017, als unzulässig geworden zurückgewiesen.

4. Am erging wiederum ein Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013. In der Begründung wurde, zusätzlich zur Standardbegründung lt. Begründungscode, auf die Tz. 3 des Betriebsprüfungsberichtes vom verwiesen.

Mit selbem Datum erging der Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013; am erging der Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2013 gem. § 295 Abs. 1 BAO.

5. Mit Eingabe vom wurde gegen die Bescheide vom betr. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 und Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013, sowie gegen den Körperschaftsteuerbescheid Gruppen 2013 vom Beschwerde erhoben.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 als unbegründet abgewiesen.

7. Am wurde der Vorlageantrag iZm der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 gestellt.

8. Nicht festgestellt werden konnte, dass eine Beschwerdevorentscheidung betr. Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 der Beschwerdeführerin (Bf) zugestellt und somit rechtswirksam erlassen wurde.

II. Beweiswürdigung

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt sowie der folgenden Beweiswürdigung:

Laut Vorlagebericht vom erachtete das Finanzamt den Wiederaufnahmebescheid betr. Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 neben dem Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 als angefochtenen Bescheid. Der Vorlageantrag vom richtete sich jedoch dem Betreff nach ausschließlich gegen den Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 und nahm auch in der Begründung ausschließlich auf die Beschwerdevorentscheidung iZm dem Feststellungsbescheid Gruppenträger Bezug.

Auf Anfrage des Bundesfinanzgerichtes gab der steuerliche Vertreter der Bf an, dass sowohl der Geschäftsführer der Bf als auch die Kanzlei des Steuerberaters ausschließlich die Beschwerdevorentscheidung (samt gesonderter Bescheidbegründung) iZm dem Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 vorliegen hätten. Eine Beschwerdevorentscheidung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens sei weder bei der Bf selbst noch beim steuerlichen Vertreter auffindbar.

Da zwar eine Zweitschrift, nicht jedoch ein Zustellnachweis zur (händischen) Beschwerdevorentscheidung iZm der Wiederaufnahme des Verfahrens vorgelegt worden war, richtete das Bundesfinanzgericht einen entsprechenden Vorhalt an die Abgabenbehörde. In der Vorhaltsbeantwortung wurde bestätigt, dass ein händischer Rückschein betreffend die Beschwerdevorentscheidung zur Wiederaufnahme des Verfahrens nicht existiere. Jedoch sei der Bf die gesonderte Bescheidbegründung zur Beschwerdevorentscheidung iZm dem Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 offenkundig zugegangen. Dieses Schriftstück trage dasselbe Datum wie die Beschwerdevorentscheidung zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Es sei gängige Praxis, dass Schriftstücke vom selben Datum mit demselben Kuvert versendet würden, weshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass die Bf neben der nachweislich zugegangenen händischen Bescheidbegründung auch die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens erhalten habe.

Diese Schlussfolgerung ist zwar nachvollziehbar und entspricht grundsätzlich der Lebenserfahrung, erfüllt jedoch nicht den vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gefestigten Anspruch des Nachweises der Tatsache der Zustellung. Dieser Nachweis, dass die Beschwerdevorentscheidung iZm der Wiederaufnahme des Verfahrens der Bf tatsächlich zugegangen ist, wurde von der Abgabenbehörde nicht erbracht.

Eine rechtswirksame Beschwerdevorentscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens betr. Feststellungsbescheid Gruppenträger 2013 liegt damit nicht vor.

III. Rechtslage

1. Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat nach Abs. 2 leg. cit. zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt. Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist nach Abs. 3 leg. cit. keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen. Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung nach Abs. 4 leg. cit. zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung scheidet gemäß § 264 Abs. 7 BAO der Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand aus.

2. Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (; ; ; ). Auch hinsichtlich ihrer Behebbarkeit (zB gemäß § 299 BAO) sind sie getrennt zu beurteilen (; Ritz, BAO6, § 307 Tz. 7).

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Beschwerde bekämpft, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (; ; ). Wurde das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid unerledigt gelassen und vorerst über die Bescheidbeschwerde gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Rechtsmittelbehörde inhaltlich rechtswidrig (; ; ; Ritz, BAO6, § 307 Tz. 7).

3. Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen für gewöhnlich durch Zustellung.

Gemäß § 26 Abs. 2 ZustG gilt eine Zustellung ohne Zustellnachweis als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.

Die Beweislast über die Tatsache der Zustellung trifft bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis die Behörde (, mit Verweis auf ua mwN: Die Behörde muss bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden).

IV. Erwägungen

1. Im Beschwerdefall wurde eine Beschwerdevorentscheidung iZm der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht rechtswirksam erlassen. Im Ergebnis wurde die Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens direkt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt, ohne dass eine der Voraussetzungen des § 262 Abs. 2, 3 oder 4 BAO vorlag. Das Bundesfinanzgericht ist somit für die Entscheidung im Beschwerdeverfahren über die Wiederaufnahme nicht zuständig geworden. Eine Entscheidung über die Beschwerde iZm dem Sachbescheid Feststellungsbescheid Gruppenträger kommt unter diesen Umständen ebenfalls nicht in Betracht (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3 [2021] § 262 Rz 3 mwN).

Es ist geboten, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, der durch die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung betreffend den Sachbescheid entstanden ist, ohne dass vorher eine rechtswirksame Entscheidung über das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid ergangen ist. Dies ist nur durch Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung betreffend den Sachbescheid möglich. Bei dieser Aufhebung handelt es sich um einen verfahrensleitenden Beschluss, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist. Das Rechtsmittelverfahren wird durch diesen Beschluss nicht abschließend erledigt, sondern wird lediglich der belangten Behörde ermöglicht, das Rechtsmittelverfahren rechtmäßig weiterzuführen. ()

Die Abgabenbehörde wird somit im fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid iZm Feststellungsbescheid Gruppenträger abzusprechen haben.

2. Infolge der Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung ist der Vorlageantrag vom gem. § 264 Abs. 7 BAO ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der gegenständlichen Entscheidung handelt es sich um einen verfahrensleitenden Beschluss, der gemäß § 25a Abs. 3 VwGG und § 88a Abs. 3 VfGG nicht gesondert bekämpfbar ist. Durch diesen Beschluss wird das Rechtsmittelverfahren nicht abschließend erledigt, sondern lediglich der belangten Behörde ermöglicht, das Rechtsmittelverfahren rechtmäßig weiter zu führen, zumal die eingebrachte Beschwerde in vollem Umfang weiterhin aufrecht ist (; ; ).

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100002.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at