Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.11.2021, RV/3100566/2021

Unzulässige Bescheidberichtgung nach § 293 BAO bei (späterer) Lohnzettelübermittlung nach Bescheiderlassung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Berichtigungsbescheid (§ 293 BAO) des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. In der von der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) eingereichten Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2019 (eingebracht beim Finanzamt am ) hat die Bf. bei der Position "Anzahl der inländischen gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen im Jahr 2019" (Pkt. 4.1 der Einkommensteuererklärung 2019) die Anzahl "2" angegeben.

Am hat das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2019 entsprechend der von der Bf. eingereichten Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 unter Zugrundelegung von zwei "inländischen gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen" erlassen.

Am hat das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2019 (Einkommensteuerbescheid vom ) gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder aufgenommen (Bescheid vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2019). Als Begründung wurde dazu vom Finanzamt angegeben:
"Wir haben das Verfahren nach § 303 Abs. 1 Bundesabgabenordnung wiederaufgenommen, da es nachträglich eine oder mehrere der folgenden Änderungen gegeben hat:
• Ein Lohnzettel wurde berichtigt oder neu übermittelt
• Eine Mitteilung über progressionswirksame Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe wurde berichtigt oder neu übermittelt.
Die nähere Begründung finden Sie im neuen Einkommensteuerbescheid."

Ebenfalls am erließ das Finanzamt im wiederaufgenommenen Verfahren den Einkommensteuerbescheid 2019 (vom ), in welchem nunmehr (erstmalig) die von der Bf. im Jahr 2019 von der Pensionsversicherungsanstalt bezogenen nichtselbständige Einkünfte (10.946,28 Euro laut Lohnzettelübermittlung der Pensionsversicherungsanstalt am ) in die Einkommensbesteuerung 2019 einbezogen wurden. Begründend wurde in diesem neu ergangenen Einkommensteuerbescheid 2019 vom angeführt, dass das Finanzamt nachträglich Informationen zu Lohnzettelangaben oder Transferleistungen wie Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erhalten habe. Die Beträge wären in der Aufstellung vorzufinden.

Gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommenssteuer 2019 vom erhob die Bf. mit Schreiben vom Beschwerde. Diese Beschwerde vom wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom stattgebend erledigt (Aufhebung des angefochtenen Wiederaufnahmebescheids vom ).

2. In der Folge erließ das Finanzamt am den nunmehr angefochtenen Bescheid betreffend "Berichtigung gem. § 293 BAO zu Bescheid vom ", mit welchem (Berichtigungs-)Bescheid die von der Bf. im Jahr 2019 von der Pensionsversicherungsanstalt bezogenen nichtselbständigen Einkünfte von 10.946,28 Euro in die Einkommensbesteuerung 2019 einbezogen wurden (Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO vom zum Einkommensteuerbescheid 2019 vom ). Dazu wurde vom Finanzamt im Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO vom folgende Begründung (auszugsweise) angeführt:

"Der ursprüngliche Bescheid war gemäß § 293 BAO zu berichtigen, weil die zwei bezugsauszahlenden Stellen laut Erklärung mit Bescheid vom übernommen wurden, jedoch richtigerweise mit drei bezugsauszahlenden Stellen anzugeben gewesen wären.
Damit werden die Unrichtigkeiten des ursprünglichen Bescheides berichtigt, weil dies ausschließlich auf dem Einsatz der automationsunterstützte Datenverarbeitungsanlage geschehen ist.

Der Lohnzettel der Pensionsversicherungsanstalt wurde der Besteuerung unterworfen."

3. Gegen den Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO vom brachte die Bf. mit Schreiben vom fristgerecht Beschwerde ein.

Begründend führte die Bf. zunächst in sachverhaltsmäßiger Hinsicht u.a. aus, dass sie im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung 2019 korrekte und vollständige Angaben zu ihren Einkünften gemacht habe. Die Bf. habe im Jahr 2019 einerseits Einkünfte aufgrund ihrer Tätigkeit für die DG1, andererseits Einkünfte aufgrund ihrer Pensionierung von der Pensionsversicherungsanstalt erhalten. Weiters habe die Bf. eine steuerlich begünstigte Prämienzahlung als Einmalzahlung von der Bundespensionskasse AG erhalten. Auf Basis der vorliegenden korrekten Informationen sei der Einkommensteuerbescheid 2019 vom erlassen worden. Das Einkommenssteuerverfahren 2019 sei somit im März 2020 rechtskräftig abgeschlossen gewesen.

Nach der in der Beschwerde unter Pkt. 2 angeführten Anfechtungserklärung werde der angefochtene Bescheid "seinem gesamten Inhalt nach aufgrund Fristablaufs sowie aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten."

Zum Fristablauf (Pkt. 3 der Beschwerde) wurde von der Bf. vorgebracht, gemäß § 302 Abs. 2 lit. a BAO seien Berichtigungen nach § 293 BAO innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides zulässig. Berichtigungen seien Abänderungen oder Aufhebungen im Sinn des § 302 Abs. 1 BAO. Das bedeute, dass amtswegige Berichtigungen eines Bescheides nur innerhalb eines Jahres ab (formeller) Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides zulässig seien (unter Hinweis auf den , BMF-010103/0062-VI/2007, mwN).
Der ursprüngliche Einkommenssteuerbescheid vom sei seit ca. rechtskräftig. Der Berichtigungsbescheid vom sei der Bf. am zugestellt worden, womit die einjährige Frist des § 302 Abs. 2 lit. a BAO jedenfalls abgelaufen sei. Eine Berichtigung des Einkommenssteuerbescheids 2019 vom sei aufgrund von Fristablauf daher nicht mehr möglich.

Zum Einwand der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (Pkt. 4 der Beschwerde) brachte die Bf. vor, dass kein "ADV Fehler" vorläge. ADV Fehler im Sinne des § 293 BAO seien nach dem , BMF-010103/0062-VI/2007, ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten. Eine derartige Unrichtigkeit könne auch Folge einer auf einem Eingabebogen bei einer falschen Kennziffer erfolgten Eintragung sein (unter Hinweis auf zB ; - richtig wohl ). Ein solcher Fehler läge im gegenständlichen Fall nicht vor, vielmehr sei die Angabe von zwei Bezug auszahlenden Stellen, entgegen den Ausführungen im (Berichtigungs-)Bescheid vom , vollkommen korrekt. Es handle sich bei der Einmalzahlung/Barabfindung der Bundespensionskasse AG nicht um eine Bezug auszahlende Stelle im Sinne des EStG, weshalb die Angaben der Bf. in der Einkommenssteuererklärung 2019 vom korrekt gewesen seien. Der Fehler beruhe daher nicht auf einer falschen Eintragung im Eingabebogen, sondern handle es sich vielmehr um eine unrichtige Beurteilung der Sachlage durch das Finanzamt. Insgesamt läge daher kein Grund im Sinne des § 293 BAO vor, welcher zu einer Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom berechtigen würde.

Das Finanzamt habe im Berichtigungsbescheid nach § 293 BAO ausgeführt, dass entgegen der Angaben in der Abgabenerklärung nicht zwei, sondern drei Bezug auszahlende Stellen vorhanden wären und dies aus der Erklärung übernommen worden sei. Dabei verkenne das Finanzamt, dass die Bf. im Jahr 2019 einerseits ein Einkommen aufgrund ihrer Tätigkeit für die DG1 und andererseits aufgrund ihrer Pensionierung Pensionszahlungen von der Pensionsversicherungsanstalt erhalten habe. Bei der vermeintlich dritten Bezug auszahlenden Stelle, der Bundespensionskasse AG, handle es sich um eine Einmalzahlung, welche steuerlichen Begünstigungen unterläge (unter Hinweis auf https://bundespensionskasse.at/fuer-dienstnehmerinnen-des-bundes-landeslehrerinnen/zielqruppeninformationen/haeufiqe-fragen/steuer#t3m-faq-ext-cat7-uid117). Aufgrund der aktuell geltenden Steuertarife und der aktuellen Abfindungsgrenze falle gemäß § 67 Abs. 8 lit. e EStG bei einer Abfindung in dieser Höhe wie im gegenständlichen Fall keine Lohnsteuer an. Es erfolge keine Hinzurechnung zum laufenden Jahresbezug. Das Finanzamt habe die Einkommenssteuer daher unrichtig festgesetzt. Selbst wenn eine Steuer für diese Barabfindung anfallen würde, was ausdrücklich bestritten werde, sei nicht ersichtlich, wie sich aus einer Einmalzahlung in Höhe von 2.499,56 Euro ein nachzuzahlender Steuerbetrag von 1.867,00 Euro ergeben soll. Das würde einem Grenzsteuersatz von ca. 74,7% entsprechen (vgl. dazu die Steuersätze gemäß § 33 EStG). Aus all diesen Gründen sei die Einkommenssteuer falsch bemessen worden.

Aus diesen Erwägungen sei nach Ansicht der Bf. der angefochtene Berichtigungsbescheid nach § 293 BAO vom ersatzlos zu beheben.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung hat das Finanzamt nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 207, 208 und 302 und Darlegung des bisherigen Verfahrensverlaufes ausgeführt:

"Fristen iVm der allgemeinen Verjährungsfrist des § 293 BAO:
Berichtigungen gemäß § 293 BAO sind Abänderungen iSd § 302 Abs. 1 BAO und daher sind die betreffenden Änderungen bis zum Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist zulässig.
Für das konkrete Beschwerdeverfahren ergibt sich damit, dass der Berichtigungsbescheid (Einkommensteuer 2019) vom rechtzeitig erfolgte. Der Abgabenanspruch ist am 31.12.20219 entstanden womit die Abgabenfestsetzung innerhalb der in § 207 Abs 2 BAO vorgesehenen 5 Jahre erfolgte.

Die Beschwerdeführerin erkennt hinsichtlich der Fristen einen Tatbestand im Sinne des § 302 Abs. 2 lit a BAO. Entgegen dieser Annahme liegt schon grundsätzlich kein solcher Tatbestand vor, weil die fünf Jahresfrist greift (siehe auch die Wortfolge des § 302 Abs. 2 BAO - Darüber hinaus sind zulässig:).

Gemäß § 293 BAO kann die Abgabenbehörde unter anderem Unrichtigkeiten eines Bescheides berichtigen, die ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützte Datenverarbeitungsanlage beruhen.
Am und wurde von der DG1 zwei Lohnzettel in Höhe von € 842,94 und € 6814,01 das Jahr 2019 betreffend übermittelt.
Am wurde von der Bundespensionskasse AG ein Lohnzettel in Höhe von € 0,00 übermittelt.
Damit hat die automationsunterstützte Datenverarbeitungsanlage hinsichtlich der Lohnzettel Datengleichheit festgestellt und der Einkommensteuerbescheid 2019 wurde am gebucht (Anmerkung: Datengleichheit wird ausschließlich hinsichtlich der Anzahl der bezugsauszahlenden Stellen hergestellt, nicht aber die betragsmäßige Höhe eines Lohnzettels - siehe der Lohnzettel der Bundespensionskasse AG € 0,00).
Am wurde von der Pensionsversicherungsanstalt der Lohnzettel in Höhe von € 10.946,28 übermittelt.

Im Januar 2021 wurde festgestellt, dass der Lohnzettel der Pensionsversicherungsanstalt nicht in die Besteuerung eingeflossen ist. Dieser Umstand wurde nun gemäß § 293 BAO berichtigt.

Damit wurde nun ausführlich dargestellt, dass der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom ausschließlich im automationsunterstützten elektronischen Ausfertigungsverfahren erlassen wurde. Eine konkrete Willensbildung zum Erstbescheid hat es nicht gegeben.

Somit kann nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde aufgrund einer "unrichtigen Beurteilung der Sachlage" eine Berichtung gemäß § 293 BAO durchgeführt hat.
Vielmehr wurde eine Unrichtigkeit des Bescheides berichtigt, welche ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützte Datenverarbeitungsanlage beruht.

Somit wurde der Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO zu Recht erlassen und die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."

5. Dagegen brachte die Bf. mit Schreiben vom fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Darin wurde zunächst vollinhaltlich auf die "Ausführungen in der Beschwerde vom " verwiesen und ergänzend ausgeführt:

"Zum Fristablauf des Berichtigungsbescheides:

Das Finanzamt führt in der Beschwerdevorentscheidung zusammengefasst aus, dass kein Tatbestand gem § 302 Abs 2 BAO vorliegen würde, sondern es sich um einen Tatbestand des § 302 Abs 1 BAO handeln würde. Gem § 302 Abs 1 BAO sind Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig, worunter auch die gegenständliche Berichtigung gem § 293 BAO fallen würde. Weshalb die Berichtigung, welche im § 302 Abs 2 BAO explizit angeführt ist nunmehr unter den Tatbestand des § 302 Abs 1 BAO fallen soll, wird vom Finanzamt nicht begründet, zumal es sich beim § 302 Abs 1 BAO um eine taxative Aufzählung handelt und nicht etwa um eine demonstrative. Es ist daher nicht ersichtlich weshalb die Berichtigung gem § 293 BAO sowohl unter den einen als auch den anderen Tatbestand fallen soll.

Zur unrichtigen rechtliche Beurteilung:

  • Noch in der Berichtigung vom führt das Finanzamt aus, dass entgegen der Angaben in der Abgabenerklärung nicht zwei, sondern drei bezugauszahlende Stellen vorhanden wären und dies aus der Erklärung übernommen worden sei. Nunmehr in der Beschwerdevorentscheidung geht das Finanzamt von einem gänzlich anderen Sachverhalt aus, wonach wohl doch nur zwei bezugauszahlende Stellen vorhanden seien, ein Lohnzettel allerdings nicht in die Besteuerung eingeflossen sei. Es ergibt sich somit nun, dass das Finanzamt den Sachverhalt im ursprünglichen Einkommenssteuerbescheid vollkommen richtig angenommen hat (nämlich zwei bezugauszahlende Stellen), diesen aber in weiterer Folge falsch beurteilt hat.

  • Es ergibt sich nun für mich, dass der angefochtene Berichtigungsbescheid vom berichtigten Einkommensteuerbescheid dahingehend abweicht, dass zusätzlich zu den bisher erfassten Einkünften auch Einkünfte von der bezugsauszahlenden Stelle Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von EUR 10.946,28 der Besteuerung unterzogen wurden. Der Begründung in der Beschwerdevorentscheidung zufolge erblickte die Abgabenbehörde das Berichtigungserfordernis in dem Umstand, dass der Lohnzettel der PVA vom im Erstbescheid nicht erfasst worden ist.

  • Die angesprochene Lohnbescheinigung wurde - gemäß den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung - erst am an das Finanzamt übermittelt. Gegenstand der Berichtigung ist daher die Erfassung von Einkünften, welche nach Erlassung des berichtigten Bescheides festgestellt wurden. Von diesen hatte die Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides keine Kenntnis. Der ursprüngliche Bescheidwille des berichtigten Bescheides konnte daher gar nicht auf eine Erfassung dieser Einkünfte gerichtet sein, sodass die Nichterfassung der Einkünfte im berichtigten Bescheid keine vom Bescheidwillen abweichende formelle Erklärung darstellt, sondern diese mit der Bescheidabsicht übereinstimmt. § 293 BAO dient aber zur Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens (zB ; ). Also sind Fehler im Bereich des Zustandekommens und der Gestaltung des Bescheidwillens, sohin Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge ihrer Willensbildung unterlaufen, wie dies im gegenständlichen Verfahren der Fall ist, einer Berichtigung nach § 293 BAO nicht zugänglich (vgl Erkenntnis des ).

  • Weiters ergibt sich aus den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung, dass die Tatsache, dass von der Pensionsversicherungsanstalt ein Lohnzettel über EUR 0,00 übermittelt wurde, in keiner Wiese gewürdigt wurde. In der Einkommenssteuererklärung wurden korrekt zwei bezugauszahlenden Stellen angegeben, bei einer tatsächlichen Auszahlung von EUR 0,00 kann man allerdings wohl kaum von einer bezugauszahlenden Stellen sprechen. Es wurde vom Finanzamt im ursprünglichen Bescheid also wohl vergessen bzw übersehen den vorliegenden Sachverhalt ordnungsgemäß zu würdigen. Im gegenständlichen Fall versucht die Behörde somit auf Grundlage des § 293 BAO eine inhaltlichen Änderung, mit der eine vormals unrichtige rechtliche Beurteilung infolge der offensichtlich weitgehend unterlassenen Würdigung des Sachverhaltes behoben werden sollte. Dabei handelt es sich aber um einen nicht gemäß § 293 BAO berichtigungsfähigen Fehler. Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge der Willensbildung unterlaufen sind, können nicht nach § 293 BAO berichtigt werden (; ). Vergessene, übersehene, sonst nicht berücksichtigte Sachverhalte (erklärte Besteuerungsgrundlagen, Erhebungsergebnisse, Mitteilungen an die Behörde), obwohl diese Umstände der Behörde aktenkundig sind, führen zu einer unrichtigen oder unvollständigen Willensbildung. Ihre unmittelbare Auswirkung auf den jeweiligen Bescheid ist aber nicht ein Fehler der Form des Willens, sondern ein inhaltlicher Fehler, und daher keiner Berichtigung nach § 293 BAO zugänglich (vgl. ; , 90/13/0243; , 92/15/0128, Ritz, Kommentar BAO , 6. Auflage, § 293 BAO, Rz. 1-8a).

  • Ursache für die Nichterfassung der Einkünfte im berichtigten Bescheid war nicht einer der in § 293 BAO aufgezählten Berichtigungsgründe, sondern offenbar die Unkenntnis der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides über die Höhe meiner Einkünfte aus der Pension. Weder unterlief der Abgabenbehörde daher bei Erstellung des berichtigten Bescheides ein Schreibfehler, ein Rechenfehler, ein anderes offenbar ähnliches Versehen noch eine ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeit. Dass die Datenverarbeitungsanlage vollkommen korrekt funktioniert hat, ergibt sich ja schon aus den Ausführungen des Finanzamts in der Beschwerdevorentscheidung. Auch deshalb lagen die Anwendungsvoraussetzungen für eine Berichtigung nach § 293 BAO nicht vor, weshalb der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben ist (vgl Erkenntnis des ).

6. Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde vom Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ). Seitens des Finanzamtes wurde im Vorlagebericht die vollinhaltliche Abweisung der Beschwerde beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt, Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Auf Grundlage der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage und der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung liegt der gegenständlichen Entscheidung der eingangs dargestellte Verfahrensgang als erwiesener Sachverhalt zugrunde.

Strittig zwischen dem Finanzamt und der Bf. ist, ob der angefochtene Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO vom zu Recht oder zu Unrecht ergangen ist.

Die gesetzliche Bestimmung des § 293 BAO lautet:

"§ 293. Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen."

Die gesetzliche Bestimmung des § 302 BAO lautet:

"§ 302. (1) Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

(2) Darüber hinaus sind zulässig:

a) Berichtigungen nach § 293 innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides oder wenn der Antrag auf Berichtigung innerhalb dieses Jahres eingebracht ist, auch nach Ablauf dieses Jahres;

b) Aufhebungen nach § 299 auch dann, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht ist."

Was zunächst den Einwand der Bf. angeht, wonach der angefochtene Berichtigungsbescheid gemäß § 293 BAO vom nicht innerhalb eines Jahres seit Ergehen des (berichtigten) Einkommensteuerbescheides 2019 vom ergangen sei, wird seitens des Bundesfinanzgerichts darauf hingewiesen, dass für Berichtigungen nach § 293 BAO die Bestimmung des § 302 Abs. 1 BAO gilt. Dies wurde vom Finanzamt auch mit dem Hinweis auf den eindeutigen Gesetzestext des § 302 BAO bzw. mit der diesbezüglich einleitenden Wortfolge des § 302 Abs. 2 BAO (arg.: "Darüber hinaus sind zulässig:") begründet und ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ).

Was den weiteren Einwand der Bf. betrifft, wonach auf Grundlage der gegebenen Sachverhaltskonstellation eine Berichtigung gemäß § 293 BAO nicht erfolgen hätte dürfen, ist dieser Einwand zutreffend und ist der Bf. in diesem Punkt zuzustimmen.

Die Einrichtung des § 293 BAO dient nicht dazu, Irrtümer der Behörde bei der Auslegung des Gesetzes zu berichtigen, sondern nur zur Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens. Dabei trägt die Bestimmung u.a. dem Umstand Rechnung, dass auch bei der Unterstützung durch eine automatisierte Datenverarbeitungsanlage Fehler unterlaufen können, durch die bewirkt wird, dass der Bescheid anders lautet als es die Abgabenbehörde beabsichtigt hat (vgl. , unter Hinweis auf das hg Erkenntnis vom , 85/13/0076).

Wie die Bf. im Vorlageantrag vom ausgeführt hat, sei Ursache für die Nichterfassung der (von der Pensionsversicherungsanstalt bezogenen) Einkünfte im berichtigten Bescheid nicht einer der in § 293 BAO aufgezählten Berichtigungsgründe gewesen, sondern offenbar die Unkenntnis der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides über die Höhe der Einkünfte der Bf. aus der Pension (siehe Pkt. 5 "Zur unrichtigen rechtliche Beurteilung"). Das Finanzamt hat dazu in der Beschwerdevorentscheidung vom ausgeführt, dass von der Pensionsversicherungsanstalt der Lohnzettel in Höhe von 10.946,28 Euro am übermittelt wurde.

Daraus ergibt sich, dass das Finanzamt im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom keine Kenntnis über die von der Bf. im Jahr 2019 bezogenen Pensionseinkünfte hatte und diese dem Finanzamt erst später (zeitlich nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2019 am ) durch die Übermittlung des Lohnzettels am durch die Pensionsversicherungsanstalt an das Finanzamt bekannt wurden. Auch unter der Annahme, dass der Einkommensteuerbescheid 2019 am von einem Bediensteten des Finanzamtes ohne Heranziehung einer elektronischen Datenverarbeitung bzw. ohne Einsatz einer "automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage" ausgefertigt worden wäre, hätte dies zur Erlassung eines Einkommensteuerbescheides geführt, mit welchem die von der Bf. im Jahr 2019 bezogenen Pensionseinkünfte nicht erfasst worden wären. Gemäß § 293 BAO kann die Abgabenbehörde u.a. "ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen". Diese gesetzliche Voraussetzung ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes allerdings auf Grund der festgestellten Sachverhaltskonstellation für den vorliegenden Beschwerdefall nicht gegeben und ist § 293 BAO nicht anwendbar. Es fehlt auch die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzliche Voraussetzung des "entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens." (vgl. das o.a. VwGH-Erkenntnis , 2002/14/0015).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen keinesfalls nachträglich Änderungen am Inhalt des Bescheides vorgenommen werden; die Bescheidberichtigung bietet keine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruches oder der Begründung eines Bescheides. Ebensowenig kann eine unrichtige rechtliche Beurteilung eines richtig angenommenen Sachverhaltes oder ein unrichtig angenommener, bestreitbarer Sachverhalt berichtigt werden (vgl. , unter Hinweis auf E , 83/17/0197, 0198; E , 87/17/0244).

Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 293 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100566.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at