Erhöhte Familienbeihilfe bei schlüssigem Sachverständigengutachten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***5*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Vertretungsnetz Erwachsenenvertretung ***3***, BA, Erwachsenenvertreterin, Forsthausgass 16-20, 1200 Wien, betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom mit dem der Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab November 2017 abgewiesen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Für die Bf. ***Bf1***, geb. ***1***1989, brachte am ***2*** (Vereinssachwalterin) als Vertreterin des am zum Sachwalter bestellten "VertretungsNetz Sachwalterschaft" einen Antrag auf Gewährung Familienbeihilfe und Gewährung des Erhöhungsbeitrages zur Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, der von der medizinische Sachverständige feststellt werde, im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahre ab Antragstellung ein.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab November 2017 mit dem Abweisungsbescheid vom mit folgender Begründung ab und führte begründend aus:
"Gemäß § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservices auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Da Sie nicht zur Untersuchung erschienen sind, konnte kein Grad der Behinderung festgestellt werden.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres.
Da Sie bereits das 24. Lebensjahr vollendet haben, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Daher ist Ihr Antrag auf den Grundbetrag und die erhöhte Familienbeihilfe abzuweisen."
Gegen den Abweisungsbescheid brachte die Bf. vertreten durch ***3***, BA, pa VertretungsNetz-Sachwalterschaft am Beschwerde ein und führte Folgendes aus:
"Am stellte die Vereinssachwalterin den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe.
Darin ersuchte die Vereinssachwalterin, alle Korrespondenzen an die bekanntgegebene Adresse der Vereinssachwalterin zu übermitteln.
Das Telefonat am mit Frau ***6***, einer Mitarbeiterin des Finanzamtes, ergab, dass die Sachwalterschaft für Fr. ***8*** beim zuständigen Finanzamt Ende Februar 2018 eingetragen wurde. Zuvor, so gab die Mitarbeiterin an, wurde bereits ein Termin für die Untersuchung beim Sozialministeriumservice an Fr. ***8*** selbst versandt. Somit war der erste Untersuchungstermin der Vereinssachwalterin nicht bekannt.
Am ersuchte die Vereinssachwalterin um einen neuen Begutachtungstermin beim Sozialministeriumservice, der sodann am an der Adresse der Vereinssachwalterin einlangte. Dieser zweite Begutachtungstermin war mit festgelegt. Im Sinne einer Unterstützung von Fr. ***8*** bei der Terminwahrnehmung, wurden die Betreuerinnen an der Wohnadresse von Fr. ***8*** am per Fax ersucht, Fr. ***8*** an den Termin zu erinnern.
Zu der Versäumnis des Begutachtungstermins vom gab Fr. ***8***an, mit der zuständigen Stelle beim Sozialministeriumservice telefoniert zu haben und den Termin verschoben zu haben, weil ihr zu diesem Zeitpunkt die benötigten medizinischen Unterlagen vom NZ Rosenhügel und AKH fehlten. Fr. ***8*** gab an, beim Telefonat die Auskunft erhalten zu haben, dass sie nach Herbeischaffung dieser Unterlagen noch einen Termin beim Sozialministeriumservice vereinbaren könne. Mit Bescheid des Finanzamtes 2/20/21/22 vom wurde nunmehr der Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
3. Zulässigkeit der Beschwerde:
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ ***7*** wurde für die Beschwerdeführerin Fr. ***Bf1*** (in weiterer Folge BF), wohnhaft in ***4***, das VertretungsNetz Sachwalterschaft, Taborstr. 46a/6,1020 Wien zum Sachwalter gem. § 268 ABGB bestellt. Im Rahmen der bestehenden Sachwalterschaft ist diese unter anderem vor Behörden, Ämtern und Sozialversicherungsträgern zu vertreten.
Mit Urkunde des VertretungsNetz vom wurde ich mit der Wahrung der Sachwalterschaft für die BF betraut.
Beweise: Beschluss (Beilage 1), Urkunde (Beilage 2)
4.Beschwerdegründe:
4.1.Verletzung von Verfahrensvorschriften durch Nicht-Einräumung von Parteiengehör:
Vom ersten festgesetzten Untersuchungstermin beim Sozialministeriumservice wurde die Vereinssachwalterin nicht informiert; die BF konnte diesen krankheitsbedingt nicht wahrnehmen.
Ein weiterer festgesetzter Untersuchungstermin wurde zwar der Vereinssachwalterin mitgeteilt, scheiterte am Terminversäumnis und an den fehlenden medizinischen Unterlagen der BF.
Von diesem Terminversäumnis wurde die Vereinssachwalterin nicht informiert, sondern
vielmehr seitens der belangten Behörde ein Abweisungsbescheid erlassen.
Das Nicht-Wahrnehmen der Termine beim Sozialministeriumsservice ist Ausfluss der psychischen Erkrankung der BF, sodass keine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht vorliegt. Die BF leidet seit vielen Jahren an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, seit dem 14. Lebensjahr, die sich häufig in Phasen von Panikattacken manifestiert. Weiters ist ihre Belastbarkeit als massiv eingeschränkt zu beurteilen (insb. S. 6ff).
Beweis: Gutachten Univ.-Prof. Dr. ***9*** (Beilage 3)
Diese Einschränkungen schließen ein vorwerfbares Verhalten im Zusammenhang mit versäumten Untersuchungsterminen aus.
Hätte die belangte Behörde mich als bestellte Sachwalterin vom Ergebnis der Beweisaufnahme (nicht Zustandekommen der Untersuchungstermine) informiert und mir Parteiengehör eingeräumt, hätte ich die vorliegenden Befunde übermitteln und um Erstellung eines Aktengutachtens ersuchen können.
Ich lege hiermit nachstehende medizinische Unterlagen betreffend der psychischen Erkrankung der BF vor:
Patientenbrief des NZ Rosenhügel vom (Beilage 4)
Patientenbrief de NZ Rosenhügel vom (Beilage 5)
4.2.keine amtswegige Erstellung eines Aktengutachtens:
Vollwaisen (§ 6 Abs. 4 FLAG 1967) und ihnen gleichgestellte sogenannte "Sozialwaisen" (§ 6 Abs. 5 FLAG 1967) haben gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für sich selbst, und zwar auf erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden. Der Nachweis der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ist gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 (ausschließlich) durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen (vgl. RV/7102677/2017). Auch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung vermittelt einen Familienbeihilfeanspruch (vgl. BFG 10.
2. 2017, RV/7101641/2016; RV/7102140/2016; Ro
2017/16/0009).
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder
voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales
und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).
Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.
Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert war bzw. ist oder dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. 2011/16/0063; 2010/16/0068, und die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).
Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. 2010/16/0068).
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa Ra 2015/10/0076, m. w. N.) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. Ra 2015/03/0058, m. w. N.) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. Ra 2017/09/0015).
Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. Ra 2016/05/0026, m. w. N.).
Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele 2013/16/0013).
Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa Ra 2017/09/0015 oder Ra 2016/04/0057, m. w. N).
Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa 2010/16/0068, m. w. N.).
Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. Ra 2016/04/0057, m. w. N.).
Aufgrund vorliegender Befunde/Arztbriefe/Gutachten und der daraus hervorgehenden psychischen Erkrankung der BF wäre ein Aktengutachten seitens des Sozialministeriumservice möglich und geboten gewesen. Die belangte Behörde hat es unterlassen auf das nicht Vorliegen des Gutachtens durch zweimalig krankheitsbedingt gescheiterte Begutachtungstermine entsprechend zu reagieren und den bekämpften Abweisungsbescheid daher mit Rechtswidrigkeit zu belasten."
Vorgelegt wurden das "Psychiatrisch neurologische Gutachten vom " von Univ. Prof. Dr. ***9***, der Patientenbrief vom und der Patientenbrief vom des KH Hietzing.
Im Gutachten von Univ. Prof. ***9*** vom , auf Grund dessen die Frage geklärt werden sollte, ob die Bf. in der derzeitigen Lage die Unterstützung durch einen Sachwalter benötigt, was bejaht wurde, wurde abschließend wie folgt ausgeführt:
"Es handelt sich bei der Untersuchten (Bf.) nach Unterlagen, und Befund um eine sehr schwierige psychosoziale Entwicklung, die auch verschiedene psychiatrische Diagnosen erreicht hat. Unter anderem eine Type III Abhängigkeit nach ***9***, die zurzeit gut substituiert wurde. Die affektive Erkrankung im Hintergrund ist jedoch zeitweilig relativ stark und erreicht hier auch die Wertigkeit einer psychiatrischen Erkrankung.
Beantwortung der Fragstellung:
Aus meiner fachärztlichen Sicht benötigt sie zurzeit zur Stabilisierung ihrer sozialen Situation die Unterstützung durch einen Sachwalter.""
Die vorgelegten Patientenbriefe des Krankenhaus Hietzing vom und diagnostizierten eine "emotionale instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typ".
Am wurde vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Sachverständigengutachten auf Grund der Aktenlage nach der Einschätzungsverordnung auf Wunsch des Sachwalters erstellt.
"Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Sachwalter wünscht Aktengutachten
Kein Vorgutachten vorliegend
Beschwerde Vertretungsnetz Sachwalterschaft : eingesehen.
"Die BF leidet seit vielen Jahren an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, schizoaffektiver Störung sowie einer TYP III Abhängigkeit nach ***9*** seit dem 14.Lebensjahr, die sich häufig in Phasen von Panikattacken manifestiert. Weiters ist ihre Belastbarkeit als massiv eingeschränkt zu beurteilen"
Anm.: die in der Beschwerde angeführten Beilagen (Patientenbrief des NZ Rosenhügel (Beilage 4)
Patientenbrief des NZ Rosenhügel vom (Beilage 5) liegen nicht vor. Das Gutachten Dr. ***9*** (Gutachten Univ.-Prof. Dr. ***9*** (Beilage 3) ist unvollständig (Diagnose/Zusammenfassung fehlt)
Lt. Gutachten NervenFA Dr. ***9*** bzgl. Sachwalterschaft wuchs AW in einer schwierigen Situation auf, Mutter psychisch erkrankt. Bis zum 10. Lj bei der Mutter, Absolvierung VS, dann Unterbringung in einem Wohnheim.
Im 14./15. Lj begannen Selbstverletzungen, Gewichtsabnahme.
Im 14./15.Lj begann eine Suchtkarriere.
Mit 16 Jahren stationäre Behandlung AKH und Rosenhügel Psychiatrie. Man habe eine Borderline Störung festgestellt.
Im 18. Lj. Hauptschulabschluss, dann Absolvierung eines speziellen Lehrprogrammes bei der Firma Spar. Prüfungen Regalbetreuerin und Kassierin gemacht.
Zuletzt habe sie vor 4,5 Jahren bei Spar als Verkäuferin gearbeitet. Vor 4 Jahren lernte sie einen Freund kennen, vor 1 1/2 Jahren Geburt einer Tochter, die zu Pflegeeltern kam.
Vor 4-5 Jahren sei sie 1 ½ Jahre beim grünen Kreis gewesen, seit dem Grünen Kreis lebe sie von der Mindestsicherung.
Sie halte die AMS Termine ein.
Seit 3,4 Jahren sei sie im Substitutionsprogramm
Sie ist seit über 2 Jahren im Frauenwohnheim
Beschluss BG Leopoldstadt : ….dass ***Bf1*** infolge der psychischen Erkrankung zur Stabilisierung eines Sachwalters für die aus dem Spruch ersichtlichen Angelegenheiten bedarf….
Behandlung/en/Medikamente/Hilfsmittel:
keine rezenten Angaben vorliegend
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
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Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze | Po.Nr. | GdB % |
1 | Emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, schizoaffektive Störung, Panikattacken, Polytoxikomanie-Substitutionsprogramm Unterer Rahmensatz, da zwar deutlich reduzierte Belastbarkeit und affektive Instabilität beschrieben, aber im Alltag teilweise selbständig | 50 |
Gesamtgrad der Behinderung 50 V.H.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern.
Der GdB liegt seit 05/2017 vor.
Begründung - GdB liegt rückwirkend seit dem Gutachten Dr. ***9*** 5/2017 vor.
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor dem 18. bzw. 21. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
In den Unterlagen ist der Beginn einer psychischen Erkrankung vor dem 18. Lebensjahr angegeben. Nach den vorliegenden Befunden und anamnestischen Daten ist aber nicht von einer daraus resultierenden dauerhaften schwerwiegenden Funktionseinschränkung vor dem 18. Lj. auszugehen, die eine dauerhafte anhaltende Selbsterhaltungsfähigkeit, die vor dem 18./21. Lj eingetreten ist, bedingt hätte.
EU ab 5/17 (Gutachtervorlage bzgl. Sachwalterschaft) anzunehmen.
Nachuntersuchung in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Stabilisierung möglich."
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und führte begründend aus:
"Sie stellten am den Antrag auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5
Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend für Jahren ab Antragstellung.
Laut Stellungnahme des Sozialministeriumservices vom und sind Sie zur Untersuchung nicht erschienen.
Der Antrag auf Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung wurde daher am ab dem Monat der Antragstellung November 2017 abgewiesen.
Die Beschwerde vom wurde am form-und fristgerecht eingebracht.
In Ihrem Beschwerdebegehren führten Sie aus, dass das Nicht-Wahrnehmen der Termine beim Sozialministeriumservice Ausfluss der psychischen Erkrankung ist, sodass keine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht vorliegt.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit d FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz) besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gleichgestellten volljährigen Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21.Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres (bis vor Vollendung des 27.Lebensjahres), eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich den Unterhalt selbst zu verschaffen.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 Familienlastenausgleichsgesetzes 1967) erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behindertes Kind. Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht.
Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist nach der geltenden Rechtslage § 8 Abs. 6 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung BGB Nr. 105/2002 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Bei der Einschätzung des Grades der Behinderung wird die Verordnung über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010) angewendet.
Ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 wäre unter den vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen dann gegeben, wenn bei Ihnen im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen vor Vollendung Ihres 21.Lebensjahres festgestellt worden wäre.
Tritt die Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21.Lebensjahres ein, besteht weder Anspruch auf Familienbeihilfe, noch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblichen Behinderung.
Das medizinische Sachverständigengutachten vom geht davon aus, dass Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen ab dem Monat Mai 2017, also nach Vollendung Ihres 21.Lebensjahres, eingetreten ist.
Da das amtsärztliche Gutachten in schlüssiger und nachvollziehbarer Art zum Ergebnis führt, ist das Finanzamt daran gebunden.
Im gegenständlichen Fall wurde Ihr Unvermögen sich den Unterhalt selbst zu verschaffen, nach Vollendung Ihres 21.Lebensjahres festgestellt.
Mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit.d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 6 Abs.5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, bestand die Abweisung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblichen Behinderung ab dem Monat November 2017 zu Recht.
Ihrem Beschwerdebegehren konnte folglich nicht stattgegeben werden."
Dagegen brachte die Vertreterin der Bf. den Antrag ein, die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes 2/20/21/22 vom , SV-Nr. ***10*** dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und beantragte eine mündliche Verhandlung.
In der mündlichen Verhandlung führte die Erwachsenenvertreterin der Bf. aus, dass die Erkrankung der Bf. bereits vor dem 18 LJ vorhanden gewesen sei.
Der Vertreterin legte den Versicherungsdatenauszug der Bf. und ein Konvolut an Befunden des AKH vor.
Dem hielt der Vertreter der belangten Behörde das Erkenntnis des , entgegen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausführt, dass eine Erkrankung bereits vor dem 18. LJ gegeben sein könne, aber die Auswirkungen der Krankheit erst zu einem späteren Zeitpunkt die Erwerbsunfähigkeit bedingen.
Die Vertreterin der Bf. führte aus, dass in der Begründung des SV-Gutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, der Beginn der psychischen Erkrankung vor dem 18 LJ angenommen werde, die jedoch eine dauerhafte anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit nicht bedingen würde. Eine ausreichende Begründung sehe sie darin nicht.
Die erhöhte Familienbeihilfe sei als ganz eigene spezielle Leistung anzusehen, unabhängig davon, ob Mindestsicherung bezogen werde oder nicht. Die erhöhte Familienbeihilfe sei nicht als zusätzliches Einkommen zu sehen. Die Bf. sei zuletzt im Jahr 2010 einer beruflichen Tätigkeit nachgekommen, das Gutachten stamme aus dem Jahr 2017. Die Bf. sei immer nur kurzzeitig beruflich tätig gewesen - was zwar als Versuch zu werten sei - sie habe es aber aufgrund ihrer Erkrankung nicht geschafft, die Arbeit weiterzuführen.
Der Vertreter der belangten Behörde gibt an, dass die letzte Arbeit laut Versicherungsdatenauszug nach dem 21. LJ ausgeführt wurde.
Die ho. anwesende Vertreterin der Bf., Frau ***2***, führt aus, dass die nunmehr zuständige Vertreterin Frau ***3***, die zu dem gegenständlichen Verfahren Auskunft geben könne, derzeit auf Urlaub sei.
Die von der Vertreterin angeregte Vertagung wurde daher stattgegeben.
Vom Finanzamtsvertreter wurden Auszüge betreffend das Auskunftsverfahren (Versicherungsdatenauszug) vorgelegt und zum Akt genommen.
Mit Beschluss vom befragte das Bundesfinanzgericht nunmehr Frau ***3***, ob eine neuerliches Gutachten im Anschluss an das Gutachten Dr. ***9*** vorliege und weitere Befunde und Unterlagen über den Krankheitszustand vorliegen würden.
Weiters wurde die Vertreterin befragt, ob es Befunde für den Zeitraum 2006 bis 2017 gebe, und weswegen allfällig vorhandene Unterlage nicht dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorgelegt worden seien.
Frau ***3*** legt am folgende Antwortbeantwortung dem BFG vor:
"Als mit der Wahrnehmung der Erwachsenenvertretung betraute Mitarbeiterin nehme ich zum Beschluss vom , ho. eingelangt am , wie folgt Stellung:
Im Hinblick auf die empfohlene Überprüfung der Notwendigkeit einer Erwachsenenvertretung im Rahmen des psychiatrisch neurologischen Gutachtens von Univ.-Prof. Dr. ***9***, FA für Psychiatrie und Neurologie, vom , ergab sich nach 2 Jahren weder eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verfassung der Bf. noch der zu besorgenden Angelegenheiten. Sohin wurde nach Rücksprache mit der Bf. kein neuerliches Gutachten beantragt oder dem zuständigen Pflegschaftsgericht empfohlen. Das Pflegschaftsgericht selbst hat auch keine neuerliche Überprüfung veranlasst.
Der Beschwerde vom lagen das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. ***9*** vom sowie die Patientenbriefe des NZ Rosenhügel vom und vom bei. Dem Sachverständigen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen selbst wurden meinerseits keine Unterlagen übermittelt, doch ist davon auszugehen, dass die zuständige Behörde, das Finanzamt Wien 2/20/21/22, der Übermittlung von beigelegten Befunden und Gutachten an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen nachgekommen ist. Dem ho. am eingelangten Gutachten ist zu entnehmen, dass lediglich auf das Sachverständigengutachten von Univ. Prof. Dr. ***9*** Bezug genommen wurde. Das Sachverständigengutachten wurde am erstellt, ho. eingelangt am . Das 14seitige Konvolut vom AKH wurde dem Finanzamt Wien 2/20/21/22 am ergänzend nachgereicht. Sohin stand dem Sachverständigen für Soziales und Behindertenwesen diese Unterlage am nicht zur Verfügung.
Weitere Befunde und sonstige Unterlagen über den Krankheitszustand und Lebensumstände der Bf. sind der Stellungnahme beigelegt.
Im Rahmen der Beschwerde vom wird als Beschwerdegrund die unterbliebene amtswegige Erstellung eines Aktengutachtens eingebracht. Dies vor dem Hintergrund der zweimalig krankheitsbedingt gescheiterten Begutachtungstermine der Bf. und daraufhin erfolgten Abweisung durch die belangte Behörde.
Das Aktengutachten wurde am erstellt. Warum eine Befragung der Erwachsenenvertretung durch den Sachverständigen für Soziales und Behindertenwese nicht geboten wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.
Nach der Entlassung aus dem AKH Wien am wurde die Bf. durch die Kinder- und Jugendhilfe im Haus Aichhorn, Aichhorngasse 11, 1120 Wien, fremduntergebracht. Vom 28.09. bis wurde die Bf. an der Toxikologischen Intensivstation des Wilhelminenspitals Wien (Beilage 1) sowie vom 29.09. bis (Beilage 2) an der Neuropsychiatrie des Krankenhauses Hietzing Wien stationär behandelt. Ab erfolgte die Fremdunterbringung in der Wohngemeinschaft Am Fuchsenfeld, Reismannhof Stg., 1120 Wien. Die minderjährige Bf. brach ihre schulische Ausbildung ab und wurde sohin von der Betreuung der Wohngemeinschaft angehalten, sich beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitssuchend zu melden. Das AMS vermittelte der Bf. diverse Kurse, sodass die Bf. vom 13.11. bis über ein vorübergehendes Einkommen iHv C 9,02 tgl. verfügte.
Vom 15.01. bis erfolgte eine weitere stationäre Behandlung an der Neuropsychiatrie des Krankenhauses Hietzing Wien (Beilage 3) und ab eine Fremdunterbringung im Heim Zohmanngasse 28, 1100 Wien.
Eine weitere stationäre Behandlung erfolgte vom 22.02. bis an der Allgemeinen Pädiatrie des AKH Wien (Beilage 4). Vom 06.03. bis sowie 20.03. bis wurden der Bf. weitere Kurse durch das AMS vermittelt, sohin ein vorübergehendes Einkommen iHv € 9,02 tgl. anfiel.
Kurz vor Erlangen der Volljährigkeit wurde die Bf. an der Psychiatrischen Abteilung P3 des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien (Beilage 5) am aufgenommen und bis stationär behandelt und bezog kein Einkommen. Mit musste die Bf. das Heim der Kinder- und Jugendhilfe verlassen, hatte kein Einkommen und war gem. eigenen Angaben wohnungslos und suchtkrank.
Vom 28.04. bis befand sich die Bf. in psychiatrischer Behandlung bei Dr. ***13***, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie (Beilage 6). Fortan bezog die Bf. über kurze Zeiträume hinweg (11.08.- € 19,52 tgl., 28.08.- € 18,50 tgl.) Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhalts sowie Kursnebenkosten vom AMS, welches ihr wiederholt diverse Kurse vermittelte.
Es folgte ein erster Arbeitsversuch vom bis bei KIK Textilien GmbH. Einige Wochen später, am , meldete sich die Bf. arbeitssuchend und bezog bis ein AMS-Einkommen iHv € 18,50 tgl. Ab war die Bf. aufgrund ihrer Erkrankungen nicht mehr arbeitsfähig und nahm am die erste Langzeitbehandlung beim Grünen Kreis (Beilage 7) auf.
Der zweite, kurze Arbeitsversuch erfolgt von 01.06. bis bei der SPAR AG Aufgrund ihrer Erkrankung und persönlichen Lebensumstände war die Bf. ab obdachlos. Während der Obdachlosigkeit unternahm die Bf. einen weiteren Arbeitsversuch bei INTERSPAR GmbH, der wenige Tage vom 25.10. bis anhielt.
Vom 21.12. bis erfolgte eine weitere Aufnahme in die Langzeitbehandlung beim Grünen Kreis (Beilage 8), wo die Bf. mithilfe sozialarbeiterischer Unterstützung ein Einkommen aus der Sozialhilfe bezog, wobei es zu wiederholten Einkommenslücken kam. Am wurde die Bf. in der Internistischen Notaufnahme des Wilhelminenspitals Wien (Beilage 9) behandelt und brach am den stationären Aufenthalt beim Grünen Kreis ab.
Am bezog die Bf. das Haus Miriam, eine Einrichtung der Wohnungslosenhilfe in 1180 Wien, wo sie bis wohnhaft war. In diesem Zeitraum erfolgten ambulante Behandlungen im AKH Wien am (Beilage 10) und im Wilhelminenspital Wien am (Beilage 11) statt. In stationärer Behandlung befand sich die Bf. am im Otto-Wagner-Spital-Wien (Beilage 12). Am nahm die Bf. die bislang letzte Langzeitbehandlung beim Grünen Kreis (Beilage 13) auf, wo sie bis verblieb.
Sodann war die Bf. wiederholt obdachlos und ab im Haus Juca, 1160 Wien, wohnhaft. Im Rahmen der - seit dem Aufenthalt im Haus Miriam - durchgehenden sozialarbeiterischen Betreuung in der Wohnungslosenhilfe bezog die Bf. ein regelmäßiges Einkommen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung.
Am erfolgte eine Behandlung an der neurologischen Akutambulanz des AKH Wien (Beilage 14). Seither verweigerte die Bf. psychiatrische Behandlungen und Therapien und war ab im Frauenwohnzentrum in 1020 Wien wohnhaft, wo trotz gebotener Unterstützung die Einkommenssicherung nicht durchgehend gelang, weil sich die Bf. den Kontakten mit der Betreuung im Haus entzogen hat. Sohin erfolgte die Anregung Bestellung Erwachsenenvertretung durch das Frauenwohnzentrum."
Vorgelegt wurden:
Befunde des Zentrum Rosenhügel vom , , Aufenthaltsbestätigung der Med. Universität Wien vom bis wegen Suicidandrohung, Patientenbrief Kaiser Franz Josef Spital vom über stationären Aufenthalt wegen akuter Suizidalität, Diagnose Dr. ***13***. FA für Psychiatrie mit Diagnose "emotionale instabile PS, Polytoxikomanie, Therapieentlassungbericht "grüner kreis" betreffend das Suchtverhalten der Bf., Therapieabbruchsbericht vom "grüner kreis", Bericht AKH Univ. Klinik f. Psyhiatrie und Psyhotherapie Sozialpsyh./Notfallsambulanz (entlastendes Gespräch) vom , Internistische Notaufnahme vom auf 3. Medizinscher Abteilung Kardiologie, Bericht der Biologischen Psychiatrie/Notfallsambulanz AKH vom Angebot einer Substitutionstherapie, Entlassungkurzbrief des Pflegezentrum Stadt Wien über stationärer Aufenthalt vom bis - Selbstgefährung, Fremdgefährung,Therapieabschlussbericht vom Verein zur Rehabilitation und Integration suchtkranker Personen vom , Amulanzbesuch Akutambulanz AKH vom .
Die Stellungnahme und die Unterlagen wurden vom Bundesfinanzgericht dem Finanzamt zur Kenntnis übermittelt und ersucht, ein weiteres Sachverständigengutachten von der zuständigen Landesstelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen anzufordern.
Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt daraufhin das Sozialministeriumservice um Erstellung eines neuen Sachverständigengutachtens bezüglich ***8*** ***12*** unter Anschluss der vorstehend angeführten Unterlagen.
Das Finanzamt teilte dem Bundesfinanzgericht mit, dass kein weiteres Gutachten erstellt worden sei, da die Bf. erneut nicht zu Begutachtungstermin erschienen sei.
Der Erwachsenenvertreterin Frau ***3*** wurde dies mittels Beschluss zur Kenntnis gebracht und um eine Stellungnahme ersucht.
In der Stellungnahme führte die Erwachsenenvertreterin aus, dass die Erwachsenenevertretung über den Begutachtungstermin beim Sozialministeriumservice keine Kenntnis erlangt habe und demnach die Beschwerdeführerin nicht informiert habe werden können.
Eine Verständigung der Erwachsenenvertretung, unter der dem Bundesfinanzgericht bekannten Adresse, sei nicht erfolgt. Auf telefonischer Nachfrage am habe der ärztliche Dienst des Sozialministeriumservice angegeben, dass die Einladung zum Begutachtungstermin nicht erfolgt sei und an VertretungsNetz-Erwachsenenvertretung, Taborstraße 46, 1020 Wien gegangen sei.
In der (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung am wurde die Finanzamtsvertreterin ersucht ein weiteres Gutachten vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen anzufordern.
Dieses im Folgenden angeführte 2. Gutachten vom vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wurde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf. ist am ***1***1989 geboren.
Sie lebte bis zum 10. Lebensjahr bei der Mutter und dann in verschiedenen Wohnheimen.
Die Bf. hat die Hauptschule in der 4 Klasse abgebrochen, mit 18. den Hauptschulabschluss nachgeholt.
Eine anschließende Lehre bei Spar beendete sie nicht.
Die letzte Arbeitstätigkeit war 2010.
Die Bf. bezieht die Mindestsicherung.
Am wurde das VertretungsNetz Sachwalteschaft Wien zum Sachwalter der Bf. bestellt.
Für die Bf. brachte am die Vertretung "vertretungsnetz Erwachsenenvertretung" den eingangs angeführten Antrag auf Gewährung Familienbeihilfe und Gewährung des Erhöhungsbeitrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ein.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab Nov. 2017 ab und führte begründend aus, da die Bf. nicht zu den Untersuchungen erschienen sei, kein Grad der Behinderung festgestellt werden konnte.
Die Vertretung der Bf. erhob gegen den abweisenden Bescheid Beschwerde.
Vorgelegt wurden 2 Patientenbriefe des Krankenhaus-Hietzing, neuropsychologische Abteilung für Kinder und Jugendliche vom und vom , die im Zuge der Entlassungen der Bf. nach stationären Aufenthalten geschrieben wurden. Als Diagnose wurde beide Male "emotional instabile Persönlichkeitsstörung von Borderline Typ (F60.31)" gestellt.
Vorgelegten wurde weiters das psychologische Gutachten vom von Univ.-Prof. Dr. ***9***, welches bezüglich der Bestellung einer Sachwalterschaft für die Bf. erstellt wurde. (vgl. S 6)
Bei der Erstellung des 1. Sachverständigengutachtens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom wurde von der Sachverständigen FA für Neurologie und Psychiatrie Dr. ***11*** der Grad der Behinderung mit 50 v.H festgestellt und ausgeführt, dass die die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen nicht vor dem 18. bzw. 21 LJ eingetreten ist. Die Erwerbsunfähigkeit ist ab 5/2017 (Gutachtervorlage bezgl. Sachwalterschaft) anzunehmen.
Die beiden Patientenbriefe und das oa. Gutachten Dr. ***9*** wurde für die Beurteilung herangezogen.
Von der Vertreterin wurden im Zuge des Beschwerdeverfahrens weitere oa. Befunde, Therapieabschlussberichte des "grünen kreis"; Entlassungsbriefe des AKH, des Otto Wagner Spitals, des Wilhelminenspitals, welche parasuizidale Gesten im Rahmen einer bekannten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typus für den Zeitraum 2006 bis 2013 undUnterlagen betreffend bezogene Sozialleistungen vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht ersuchte das Finanzamt auf Grund der neu vorliegenden Unterlagen ein weiteres Gutachten von der zuständigen Landesstelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen anzufordern.
Folgendes weiteres Gutachten vom (mit Untersuchung) wurde vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Ersuchen des Finanzamtes erstellt. Anwesend bei der Begutachtung waren die Bf. und als Begleitperson Fr. ***3***:
"Anamnese:
Vorliegende Vorgutachten:
aktenmäßiges nervenfachärztliches Sachverständigengutachten BASB, FLAG (Sachwalter wünscht Aktengutachten):
emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, schizoaffektive Störung GdB 50% ab 05/2017 (nach vorliegenden Befunden)
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 21. Lebensjahr eingetreten.....
Beschluss des Bundesfinanzgericht....
aktuell: Neuantrag ab Eintritt der Behinderung
schwierige Familiensituation
Im 14./15. LJ begann eine Suchtkarriere.
Mit 16 Jahren stationäre Behandlung und Rosenhügel Psychiatrie und dann auch im AKH.
Man habe eine Borderline Störung festgestellt.
Sie sei insgesamt ca. 7x stat. gewesen. Zuletzt im 18./19. LJ Ca. 2011 2x und 2013 Entwöhnungstherapie beim "Grünen Kreis"
Ab 2015 in Substitutionsprogramm bis vor 1 1/2 Jahren. Sie wollte dann mehr substituiert sein, habe auch während der Substitution einen Beikonsum gehabt.
2018 Panikattacken - diese haben sich aber gelegt
leichter Waschzwang
Essstörung seit ca. 2011 bekannt- Bulimie/Anorexie
Derzeitige Beschwerden:
Sie habe die Essstörung. Sie war übergewichtig, habe in kurzer Zeit 35 kg abgenommen. Sie habe Rückfälle mit Drogen und Alkohol, einmal sei es besser einmal schlechter.
Sie trinke bis zu 20 Bier /Tag jetzt- fast jedes Wochenende.
Drogen: "alles", regelmäßig
Tagesablauf: Sie versuche Sport zu machen, räume die Wohnung auf, treffe sich mit Freunden, sei bei der Mutter, die krank sei. Seit 1 1/2 Jahren habe sie wieder Kontakt zur Mutter, abends mache sie wieder Sport.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
keine medikamentöse Therapie
keine fachspezifische Behandlung, gehe zum Hausarzt
Sozialanamnese:
Lebte bis zum 10. LJ bei der Mutter, Mutter psychisch erkrankt, nach der VS Unterbringung in verschiedenen Wohnheimen bis zum 18. LJ. Dann sei sie eine Zeit obdachlos gewesen bzw. habe in Notunterkünften gelebt. Ab 2015- 2020 in einem Frauenwohnheim. Seit 10/2020 eigene Wohnung (betreutes Wohnen- Heilsarmee), lebt alleine, Geburt einer Tochter 9/2015 - kam zu Pflegeeltern, bis jetzt kein Kontakt, sei "im Entstehen". VS, dann HS- in der 4. Klasse abgebrochen, dann ab und zu Kurse vom AMS, HS Abschluss im 18. LJ nachgeholt. Dann Absolvierung eines speziellen Lehrprogrammes bei Firma Spar. Prüfungen Regalbetreuerin und Kassiererin gemacht. Sie habe versucht zu arbeiten, insgesamt habe sie ca. 6 Monate gearbeitet (im Lebenmittelhandel) Die letzte Arbeitstätigkeit war 2010
Einkünfte: Mindestsicherung
Erwachsenenvertreter seit 2017
Führerschein: nein
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
- Arztbrief AKH Wien Jugendpsychiatrie - : DIAGNOSE: Schizoaffektive Psychose, gegenwärtig depressiv emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline Typ Z.n. SMV 1/ 2006
- Arztbrief AKH Wien Jugendpsychiatrie - :
DIAGNOSE:
- schizoaffektive Psychose
- Vd. a. Borderline-Persönlichkeitsstörung
- St.p. Drogenabusus
- Myopie bds.
- Arztbrief Anästhesie WSP Wien 28 09- :
Diagnose: akute Belastungsreaktion
Vergiftung mit Antidepressiva
Suizidversuch emotional instabile Persönlichkeit
schizoaffektive Störung
- Arztbrief Psychiatrie Rosenhügel 29 09- :
Aufnahmegrund: parasuizidale Geste ........
Befund AKH Wien Jugendpsychiatrie 22 02- :
Diagnose: Medikamentenabusus Konsiliarbefund : dzt. nicht psychotisch, instabile Pers.
- Arztbrief Psychiatrie Rosenhügel 15 01- :
Aufnahmegrund: Suizidandrohung bei Übersiedlung in andere Betreuungseinrichtung Diagnose: (ICD10) Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typ (F60.31) Bericht AKH Wien Jugendpsychiatrie 19 05- : Dg.. posttraumatische Belastungsstörung
- Arztbrief Psychiatrie KFJ 30 05- : Diagnose: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung F60.3
- Therapiebericht Grüner Kreis - :
....Am wurde Frau ***8*** aus disziplinären Gründen von uns entlassen..... - Therapieabbruchbericht Grüner Kreis - :
....Am hat Frau ***8*** entgegen ärztlichem und psychotherapeutischem Anraten diesen Aufenthalt abgebrochen....
- Einweisungsdiagnose Notaufnahme WSP : Poly Intoxikation
- Ambulanzbefund AKH Wien Psychiatrie : ....wird ein entlastendes Gespräch geführt....
- Ambulanzbefund AKH Wien Psychiatrie : ....wird ein entlastendes Gespräch geführt....
- Einsatzprotokoll ASB Wien : Ersthelfermaßnahme: psychischer Beistand Einweisungsdiagnose Notaufnahme WSP : Alk, Drogen psych Belastung
- Arztbrief Psychiatrie Baumgartner Höhe - :
Diagnose(n):
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung: Borderline-Typ (F60.31)
Aufnahmegrund und -modus: Die Aufnahme erfolgte zur Behandlung einer Impulskontrollstörung mit psychotischer Komponente im Rahmen der Grunderkrankung ohne eigenes Verlangen.
- Therapieabschlussbericht Grüner Kreis - : ..... unbeeinflusst von der therapeutischen Gemeinschaft ihren eigenen Weg verfolgte. Aufgrund der fehlenden "Compliance" war klar, dass eine Verlängerung .....keinen Sinn macht......
- Ambulanzbefund AKH : ....verlässt, weil sie nicht sofort zur Untersuchung drankommt ......das Areal...
- Bezugsbestätigung AMS 2005- 2009
- Nachweis über bezogene Leistungen MA 40
- Befund FA Psychiatrie Dr. ***13*** : Diagnose: emotional instabile PS, Polytoxikomanie
- Versicherungsdatenauszug
Untersuchungsbefund: Allgemeinzustand: 32 jährige in gutem AZ Ernährungszustand: gut Größe: 167,00 cm Gewicht: 55,00 kg Blutdruck: Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus: voll mobil Gesamtmobilität - Gangbild: kommt frei gehend zur Untersuchung, wird von Erwachsenenvertreterin begleitet Psycho(patho)logischer Status: Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewußtseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb leicht reduziert, Stimmungslage subdepressiv, Befindlichkeit negativ getönt, affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
--
Stellungnahme zu Vorgutachten: Keine Änderung zum aktenmäßigen Vorgutachten GdB liegt vor seit: 03/2006
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: lt. vorliegenden Befunden
Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 03/2006 Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: -- Dauerzustand
Gutachten erstellt am von Dr.in ***11***
Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung den vorstehend dargestellten Sachverhalt zu Grunde, der sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens, den Vorbringen der Vertreterin der Bf. im bisherigen Beschwerdeverfahren , den mündlichen Verhandlungen ergibt und aus den Sachverständigengutachten.
Im gegenständlichen Verfahren ist die Frage strittig, ob die Bf. einen Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe hat.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf die die Voraussetzungen des Abs. 1 lit.a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder gesitigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
§ 8 Abs. 4 FLAG 1967 legt fest, in welchen Ausmaß sich die Familienbeihilfe bei einem erheblich behinderten Kind erhöht.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Zufolge den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , , ).
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Kompetenz für die Beurteilung des Grades der Behinderung und der Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ausdrücklich an eine dafür qualifizierte Institution übertragen. Daraus folgt, dass der Entscheidungsfindung durch die Behörde weder Bekundungen der Eltern über den Gesundheitszustand ihres Kindes noch anderer Personen, mögen sie auch über fachärztliche Kenntnisse verfügen, zu Grunde zu legen sind ().
Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden (vgl. , ) und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und - im Falle mehrerer Gutachten - nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, , vgl. auch die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).
Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ).
Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Erkenntnis vom , keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen. Von Gutachten könne nur nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" abgegangen werden, wenn diese nicht schlüssig seien (vgl. hierzu auch auch ; , ).
Für die Abgabenbehörden und auch das Bundesfinanzgericht besteht - wie bereits vorstehend ausgeführt, eine Bindung an die im vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten, sofern sie schlüssig sind.
Ein Gutachten ist
-vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)
- nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und
- schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint
Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heranzuziehen.
§ 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung: Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb des Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Für die im gegenständlichen Fall vorliegende Krankheit (Ergebnis nach durchgeführter Begutachtung vom )
"emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, schizoaffektive Störung, Panikattacken, Polytoxikomanie- : 50%
Unterer Rahmensatz, da zwar deutlich reduzierte Belastbarkeit und affektive Instabilität vorliegend, aber im Alltag selbständig
wurde der Gesamtgrad der Behinderung mit 50 v.H. beurteilt.
Die dauernde Unfähigkeit sich den Unterhalt zu verschaffen wurde seit 03/2006 festgestellt."
Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht sind an die Gutachten des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Falle mehrerer Gutachten oder einer Gutachterergänzung nicht einander widersprechen (vgl. , 2012/16/0068; und 2009/16/0310, ; ; ).
Laut dem 1. Gutachten wurde auf Grund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen festgestellt, dass die Bf. voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, jedoch wurde der Beginn einer dauerhafte anhaltende Selbsterhaltungsfähigkeit nicht vor dem 18./21. LJ festgestellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 50% festgestellt.
Die Erwerbsunfähigkeit wurde ab 5/2017 festgestellt (vgl. psychologisches Gutachten Nervenfacharzt Dr. ***9***).
Dem 2. Gutachten wurden die weiteren oa. Befunde und Entlassungsschreiben von Ärzten und Spitäler ab dem Jahr 2006 vorgelegt.
Der Gesamtgrad der Behinderung wurde ebenfalls mit 50% festgestellt.
Allerdings wurde nunmehr auf Grund der in dem 2. Gutachten angeführten weiteren (vorgelegten) Unterlagen die Erwerbsunfähigkeit bereits ab März 2006 festgestellt.
Das Gutachten entspricht den Anforderungen wie sie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur festgelegt hat.
Das Bundesfinanzgericht sieht die im dem Sachverständigengutachten vom getroffenen Feststellungen, dass auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung der Bf. vor dem 21. Lebensjahr eine dauernde Erwerbsunfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, eingetreten ist, als nachvollziehbar, widerspruchsfrei und schlüssig an.
Es lagen somit die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im gegenständlichen Verfahren entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung geklärt sind, liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | VwGH, Ra 2015/03/0058 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100988.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at