Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.11.2021, RV/7102408/2021

Rückwirkung eines Antrags auf Erhöhungsbetrag bei später festgestelltem früheren Behinderungseintritt

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102408/2021-RS1
Wird der Erhöhungsbetrag rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Feststellung des Eintritts der erheblichen Behinderung durch das Sozialministeriumservice gestellt und der Erhöhungsbetrag vom Finanzamt ab diesem Zeitpunkt ausbezahlt, führt ein mit einer späteren Bescheinigung festgestellter früherer Behinderungseintritt dazu, dass der ursprüngliche Antrag insoweit wieder unerledigt ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der ***1*** ***2***, ***3***, ***4***, vertreten durch Dr. Beate Schauer, Rechtsanwältin, 2460 Bruck an der Leitha, Hauptplatz 10-11, vom , eingebracht , gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart, nunmehr Finanzamt Österreich, 2460 Bruck an der Leitha, Stefaniegasse 2, vom , mit welchem die "Eingabe vom betreffend Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung" von ***5*** ***6*** ***2*** für den Zeitraum Mai 2012 bis Juni 2014 zurückgewiesen wurde, Sozialversicherungsnummer ***7***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Soweit der angefochtene Bescheid den Antrag vom für den Zeitraum Oktober 2012 bis Juni 2014 zurückweist, wird er ersatzlos aufgehoben.

Für den Zeitraum Mai 2012 bis September 2012, bleibt der Spruch des angefochtenen Bescheides unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Antrag vom

Mit dem Formular Beih 3-PDF stellte die Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2*** am , eingelangt am , den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrags zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihres im Mai 2012 geborenen Sohnes ***5*** ***6*** ***2*** wegen "Entwicklungsretardierung, Sprachentwicklungsverzögerung, autistische Verhaltensweisen."

Der Erhöhungsbetrag werde beantragt "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung". Aus den vorgelegten elektronischen Akten ist nicht ersichtlich, ob und wie dieser Antrag erledigt wurde.

Zeitraum ab Februar 2016

Laut dem elektronischen Beihilfeprogramm FABIAN wurde der Antrag durch Stattgabe gemäß § 11 FLAG 1967 ohne Erlassung eines Bescheids gemäß § 13 FLAG 1967 ab erledigt, da ein Grad der Behinderung von 50% ab vom Sozialministeriumservice bescheinigt und der Erhöhungsbetrag ab Feststellung des Eintritts der Behinderung durch den Sachverständigen beantragt worden sei:

Antrag vom

Mit dem Formular Beih 3 stellte die Bf ***1*** ***2*** am einen weiteren Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrags zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihres im Mai 2012 geborenen Sohnes ***5*** ***6*** ***2*** wegen "Noonan-Syndrom, Leichte geistige Behinderung, globale Entwicklungsretardierung" ab 05/2012.

Folgender Befundbericht war dem Antrag beigefügt:

Befundbericht vom

Dr. ***10*** ***11***, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, erstattete am folgenden Befundbericht betreffend ***5*** ***2***:

Diagnose:

Noonan-Syndrom

Bezüglich der Frage nach Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe wurde ersucht retrospektiv Hinweise auf das später diagnostizierte Noonan Syndrom zeitlich zu benennen.

Mit konnten erstmals Fütterungsprobleme beobachtet werden, ab war die Sprachentwicklungsverzögerung evident.

Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016

Für den Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016 erfolgte nach zunächst erfolgter insoweiter Abweisung des betreffenden Antrags vom eine Stattgabe:

Abweisungsbescheid vom

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt Bruck Eisenstadt Burgenland den Antrag vom "auf Familienbeihilfe" für den Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016 ab:

Gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Laut ärztlichem Sachverständigengutachten vom wurde der Grad der Behinderung bei Sohn ***5******6*** erst ab dem mit 50% bestätigt.

Daher war wie im Spruch zu entscheiden.

Laut Rückschein wurde der Abweisungsbescheid der Bf am zugestellt.

Beschwerde vom

Gegen den Abweisungsbescheid vom erhob die Bf durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin Beschwerde und führte in dieser aus:

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist die Kindesmutter des minderjährigen ***5******6******2*** mit der Versicherungsnummer ***12***, welcher im Jahr 2012 geboren wurde. Gemäß Sachverständigengutachten vom wurde der Grad der Behinderung für ***5******6******2***, ab dem mit 50 % bestätigt und dementsprechend war der Zeitraum vorher zwischen Juli 2014 und Jänner 2016 abzuweisen.

Dazu wird ausgeführt wie folgt:

1. Zulässigkeit der Bescheid Beschwerde:

Gemäß § 285 BAO ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides beim Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart einzubringen und ist dieses jedenfallsinnerhalb der offenen Frist geschehen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiven Recht auf Bezug der erhöhten Familienbeihilfe für ihren Sohn ***5******6******2*** aufgrund des Vorliegens der dafür erforderlichen Voraussetzungen, nämlich 50 % Grad der Behinderung ab Geburt verletzt.

2. Beschwerdegründe:

a) Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

Gegenständlicher Abweisungsbescheid wurde damit begründet, dass ab vom Sachverständigengutachten festgestellt wurde, dass erst hier der minderjährige ***5******6******2*** mehr als 50 % behindert war.

Es war schon immer so, dass der minderjährigen ***5*** anders war. Dies wurde im Zuge der Mutter Kind Untersuchungen immer wieder festgestellt, dass ab 2013 erstmals Fütterungsprobleme beobachtet werden konnten, in weiterer Folge war die Sprachentwicklung verzögert.

Es gab in weiterer Folge Probleme mit dem Kindergarten und nahm dies gewisse Zeit in Anspruch, dass die Eltern mit dem minderjährigen ***5*** diverse Ärzte aufgesucht haben, um endlich eine Diagnose zu erhalten.

De facto wurde das Noonan-Syndrom durch eine molekular genetische Untersuchung im Juni 2018 festgestellt, des weiteren eine kombinierte umschriebene Entwicklungsverzögerung und eine leichte Intelligenzminderung.

Das Noonan- Syndrom ist eine Erbkrankheit, die ein komplexes Syndrom einer Vielzahl von genetischen Entwicklungsstörungen kennzeichnet.

Die resultierende Fehlbildungen können das äußere Erscheinungsbild betreffen als auch innerer Organe, Angeborene Herzfehler sind typisch.

Als Ursache wird in der Literatur beschrieben, dass eine Veränderung des PTPN11-Gen vorliegt. Dieses Gen ist verantwortlich für Protein, dass eine zentrale Funktion in der Wachstumsregulation ausübt und beeinflusst eine Vielzahl von Stoffwechsel- und Wachstumsvorgängen. Die viel gestalteten Ausprägungen des Noonan- Syndrom erschweren die klinische Diagnose.

Nachdem es sich hierbei um einen Gendefekt handelt ist davon auszugehen, dass gegenständlicher Gendefekt von Haus aus da war, da Gene in der Regel im Körper nicht mutieren.

Im Zuge der Entwicklung und des Älterwerdens ist bei dem minderjährigen ***5*** klar ersichtlich, dass die Entwicklungen nicht, wie bei einem normalen Minderjährigen erfolgt. sondern das Reifen verzögert ist.

Ursprünglich war es so, dass er einfach ein sehr unruhiges Baby war, viel geschrien hat und viel geweint hat. Erst mit 1,5 Jahren konnte ***5*** laufen, krabbeln konnte er gar nicht.

Auffällig war, dass dieser verzögert gesprochen hat, bereits im Jahr 2016 gab es eine klinische psychologische Testung, wo definitiv eine gesamt verzögerte Entwicklung festgestellt wurde, dass dieser autistische Züge hat und autistisch veranlagt ist.

Dementsprechend zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass eine deutliche Reifeverzögerung vorliegt, ein Gendefekt, welcher in mühsamer Kleinarbeit unter Aufsuchen von sehr vielen Ärzten durch die Familie zu diagnostizieren bewerkstelligt wurde. De facto ist es so, dass sich an einem Gendefekt nichts ändert, den hat man seit Geburt oder man hat ihn nicht.

Dementsprechend ist es vielleicht so, das erst nach mannigfaltigen Untersuchungen und Aufsuchen von Ärzten das Noonan- Syndrom festgestellt wurde, dies hat aber an der Grunderkrankung, nämlich dem Gendefekt von Geburt an nichts geändert. Dieser war von Geburt an da und ist es sohin unbillig, dies erst ab einem gewissen Zeitpunkt zu beurteilen bzw. die erhöhte Familienbeihilfe zugestehen. Trotzdem das Finanzamt sämtliche Gutachten bzw. Befunde vorliegen hat, wurde dies vom zuständigen Sachverständigen durch das medizinische Gutachten erstellt hat, anscheinend nicht so gesehen. Es wurde zuerst im ersten Gutachten Autismus diagnostiziert bzw. das Noonan- Syndrom diagnostiziert.

Der Rahmensatz von 50 Gesamtgrad der Behinderung wurde vom Sachverständigen deshalb im Gutachten so begründet, dass hauptsächlich kognitive Beeinträchtigungen vorliegen.

De facto ist es so, dass erhöhte Familienbeihilfe zu bewilligen ist, wenn ein Kind mehr als 50 % behindert ist. De facto liegt dies ab Geburt aufgrund eines Gendefektes vor und ist es sohin nicht rechtens und rechtsunrichtig dies erst ab Jänner 2016 zu gewähren, da der Gendefekt definitiv ab Geburt vorhanden sein muss. Es ist weiters unbillig den Sachverständigenausführungen zu folgen, da dieses Noonan- Syndrom bzw. der Gendefekt erste Ausprägungen entwickelt, gewisse Sachen sind einmal von Haus aus gegeben, und führen dann zu weiteren Konsequenzen.

Trotz Kenntnis dieser Fakten hat sohin das Finanzamt mittels Bescheid vom die erhöhte Familienbeihilfe der ***5******6******2***, geboren ***8*** im Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016 zu Unrecht abgelehnt. Das Finanzamt hätte in Kenntnis der Literatur ein Ergänzungsgutachten von einem Fachmann einholen müssen, wenn sich der Gendefekt ab dem Zeitpunkt gezeigt hat. Die Behörde hat Beweise zugrundegelegt, die dem Akteninhalt widersprechen und sich mit den daraus ergebenden Ungereimtheiten nicht auseinandersetzt.

b) Rechtswidrigkeit in der Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften:

Die Behörde hat bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren richtiger Anwendung sie zu einem anders lautenden für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Gegenständlicher Bescheid bezieht sich auf ein Gutachten 2019 des Sachverständigen Doktor ***13******14******15***, welcher in seinem Gutachten eine rückwirkende Geltendmachung bis Diagnoseerstellung festhält ist und datiert dies mit 2/2016 und auf Basis dieses Gutachtens wird die Familienbeihilfe erhöht.

Gegenständliches Gutachten ist unrichtig und hätte die Behörde aufgrund der Tatsache, dass es sich inhaltlich um einen Gendefekt handelt, einen Speziallisten beauftragen müssen, der das Wesen eines Gendefektes erklärt.

Gegenständliche Mitteilung führt nicht einmal die Mindesterfordernis eines Bescheides.

Der Bescheid leidet sohin an einer Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da das Sachverständigengutachten unrichtig ist.

Zusammenfassend wird gestellt der Antrag das Bundesfinanzgericht möge in Abänderung des Bescheides des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart dem Bezug der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016 stattgeben.

Beschwerdevorentscheidung vom

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt Österreich der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom Folge und hob den angefochtenen Bescheid auf.

Zur Begründung wurde ausgeführt:

Laut neuem ärztlichen Sachverständigengutachten vom des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen wurde der Grad der Behinderung bei Ihrem Sohn ***5******6*** mit 60 % ab bestätigt.

Der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016 wird in den nächsten Tagen an Ihr Konto angewiesen.

Das angeführte Gutachten ist im elektronisch vorgelegten Verwaltungsakt nicht enthalten.

In FABIAN sind nur die Metadaten der Bescheinigung vom enthalten. Zum GdB von 60% ab wird ausgeführt:

GDB: Anerkennung eines GdB von 60 % für ein genetisches Fehlbildungssyndrom mit allgemeiner Entwicklungsverzögerung - die rückwirkende Anerkennung ist nach Vorlage der neuen Befunde und den Änderung zum Vorgutachten ab Vorstellung bei Dr. ***16*** wegen Plagiozephalus 10/2012 möglich, da dieser bereits eine Symptomatik des später festgestellten genetischen Syndroms darstellen kann NAU: Eine Verbesserung ist möglich.

Zeitraum Mai 2012 bis Juni 2014

Für den Zeitraum Mai 2012 bis Juni 2014 wurde der Antrag vom offenbar als Erstantrag gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 gewertet und dieser auf Grund der Frist des § 10 Abs. 3 FLAG 1967 zurückgewiesen:

Zurückweisungsbescheid vom

Mit Datum erließ das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart an die Bf ***1*** ***2*** einen Zurückweisungsbescheid mit folgendem Spruch:

Ihre Eingabe vom betreffend Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung von ***2******5******6*** wird für den Zeitraum Mai 2012 bis Juni 2014 zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt:

Ihre Eingabe wurde nicht fristgerecht eingebracht.

Gemäß § 10 (3) des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kann die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden.

Dieser Bescheid wurde der Bf am nachweislich zugestellt.

Beschwerde vom

Gegen den Zurückweisungsbescheid vom erhob die Bf durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin mit Schreiben vom , persönlich überreicht am , Beschwerde, in der ausgeführt wurde:

Die Beschwerdeführerin ist die Kindesmutter des minderjährigen ***5******6******2***, geboren ***8***,

Die Eltern bemerkten in der Entwicklung des Kindes eine gewisse Reifeverzögerung, ab diesem Zeitpunkt suchten diese mannigfaltige Ärzte und Therapien auf, um diagnostizieren zu lassen, was dem Minderjährigen fehlt. De facto wurde auf Grund eines genetischen Gutachtens im Juni 2018 diagnostiziert, das der Minderjährige am Noonan- Syndrom leidet.

In gegenständlichem Zurückweisungsbescheid geht es darum, dass nicht ab Geburt rückwirkend mehr als 5 Jahre die Familienbeihilfe beantragt werden könne, sondern dies laut Ausführungen der Behörde nicht zulässig ist.

Dazu wird ausgeführt wie folgt:

1.) Zulässigkeit der Bescheidbeschwerde:

Gemäß § 285 BAO ist eine Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides beim Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart einzubringen und ist dieses jedenfalls innerhalb der offenen Frist geschehen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiven Recht auf Bezug der erhöhten Familienbeihilfe für den minderjährigen ***5******6******2*** aufgrund des Vorliegens der dafür erforderlichen Voraussetzungen verletzt.

2.1 Beschwerdegründe:

a) Rechtswidrigkeit des Inhaltes:

Die Behörde zitiert, dass gemäß § 10 Abs. 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden kann.

De facto ist es so, dass der minderjährige ***5*** 2012 im Mai geboren wurde und sich bereits im Rahmen der Mutter Kind Untersuchungen herausstellte, dass eine gewisse Reifeverzögerung vorliegt, bzw. andere klinische Symptome auftraten. Bereits 2014 wurde eine Sprachentwicklungsverzögerung vom zuständigen Kinderarzt Dr. ***9*** diagnostiziert, des weiteren versuchten die Eltern alles Mögliche zu tun, um die sprachliche Entwicklung, überhaupt die Entwicklung ihres Kindes zu fördern und voranzutreiben. Diese suchten mannigfaltige Ärzte und Psychologen auf und führten Testungen durch, dies dauerte in der Regel länger, vor allem nachdem ein gerade Geborenes in den ersten Monaten keine Auffälligkeiten zeigt, außer dass es schreit.

Eine Entwicklungsverzögerung kann erst später im Zuge des Lernens festgestellt werden. De facto ist es aber so, dass ein Gendefekt ab der Geburt vorliegt, welcher sowie in diesen Fall schwierig diagnostiziert werden konnte.

Erst im Jahr 2018 wurde ein Gendefekt festgestellt, und auch nur deshalb, da eine Vehemenz bei den Eltern gegeben war, die unbedingt wissen wollten, wie sie ihr Kind fördern konnten bzw. wie weiter vorzugehen ist.

Richtig ist, dass im Familienlastenausgleichsgesetz eine Frist von fünf Jahren normiert ist und dass dazu Judikatur besteht, jedoch war es so, dass in der gegenständlichen Zeitraum die Antragstellung nicht früher möglich war, sondern erst mit der Diagnose Gendefekt das Erkennen hinsichtlich erhöhter Familienbeihilfe möglich war und dementsprechend die Regelung, dass nur fünf Jahre rückwirkend der Antrag gestellt wird, sohin verfassungs- und gleichheitswidrig ist. Dass dies erst später diagnostiziert werden kann, kann nicht zu Lasten des Beeinträchtigten gehen. Das Vorliegen der Voraussetzungen war aber bereits im Zeitpunkt vor fünf Jahren gegeben, nämlich ab Geburt und dementsprechend sich ein Gendefekt nicht ändert. Dementsprechend ist die Setzung der Frist von fünf Jahren rückwirkend ab Beginn des Monats der Antragstellung gleichheitswidrig und beeinträchtigt die Rechte der Antragstellung, da es ihr vorher nicht möglich war, den Antrag zu stellen mangels Beweisbarkeit und Wissen.

Beantragt wird daher die Unterbrechung des Verfahrens und Einleitung eines Normprüfungsverfahrens hinsichtlich des § 10 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, bezugnehmend auf den Passus: "die Frist beginnt ab Antragstellung zu laufen".

Dies entspricht nicht den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, nämlich müsste die Frist beginnend ab Kenntnis der tatsächlichen Diagnose bzw. Zugrundelegung der Krankheit lauten.

Die Behörde hat sohin eine unzulässige Gesetzesbestimmung dem zugrunde gelegt und hätte bei richtiger Beweiswürdigung anders Lautenden entscheiden müssen.

B) Rechtswidrigkeit in der Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften:

Die Behörde hat bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren richtigen Anwendung sie zu einem anders lautenden für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gekommen.

Inhaltlich hat die Behörde eine unzulässige Gesetzesbestimmung, die die Rechte der Beschwerdeführerin gründlichst beeinträchtigt, zugrunde gelegt.

Zusammenfassend wird daher gestellt der Antrag, das Bundesfinanzgericht möge den Zurückweisungsbescheid aufheben und dem minderjährigen ***5******6******2*** für den Zeitraum Mai 2012 bis Juni 2014 erhöhte Familienbeihilfe bewilligen.

Beschwerdevorentscheidung vom

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , der Bf zu Handen ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin zugestellt am , wies das Finanzamt Österreich die Beschwerde gemäß § 260 BAO zurück und führte dazu aus:

Gemäß § 10 (3) des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kann die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden.

Ihr Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für das Kind ***5******6*** ab Mai 2012 (ab Geburt), langte am beim Finanzamt ein.

Daher ist der in der Beschwerde angefochtene Zeitraum von Mai 2012 bis Juni 2014 wegen Verjährung wieder zurückzuweisen.

Vorlageantrag vom

Mit Schreiben vom stellte die Bf durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin Vorlageantrag:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

Innerhalb offener Frist wird gestellt der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und Einleitung eines Normprüfungsverfahrens beim VfGH wegen dem Ausspruch, dass Familienbeihilfe nur höchstens 5 Jahre rückwirkend beantragt werden kann. Diese Frist kann nicht gelten, wenn die Krankheit oder erhebliche Behinderung erst später festgestellt wird.

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Bezughabende Normen

§ 10 (1) und (3) FLAG 1967.

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Auf dem Erstantrag vom steht nur ab Eintritt Behinderung. Dieser Eintritt der Behinderung war nach BSB Bescheid der - daher wurde die erhöhte FBH ab 02/16 gewährt.

Erst im Zuge des Überprüfungsschreibens vom Juni 2019 stellte sie am einen neuerlichen Antrag auf erhöhte FBH aber diesmal ab Geburt des Kindes (***8***).

Nachuntersuchung, am BSB-Bescheinigung mit 50% Behinderung wieder ab 02/2016, daher wurde Mai 2012-Juni 2014 zurückgewiesen, da außerhalb der 5 Jahre nach § 10(3) 5 Jahre rückwirkend ab Antrag.

Der Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016 wurde mittels Abweisungsbescheid vom erledigt.

Beweismittel:

Siehe beigefügte Unterlagen

Stellungnahme:

Das Finanzamt Österreich beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sachverhalt ist aus dem oben dargestellten Verfahrensgang zu entnehmen.

Am beantragte die Bf ***1*** ***2*** die Gewährung des Erhöhungsbetrags zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihres im Mai 2012 geborenen Sohnes ***5*** ***6*** ***2*** wegen "Entwicklungsretardierung, Sprachentwicklungsverzögerung, autistische Verhaltensweisen " "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung". Sodann erstellte das Sozialministeriumservice stellte eine Bescheinigung über einen GdB von 50% von ***5*** ***6*** ***2*** ab , worauf das Finanzamt die Familienbeihilfe ab Februar 2016 formlos gemäß § 11 FLAG 1967 auszahlte.

Am stellte die Bf unter Vorlage eines Befundberichts vom , wonach am erstmals Fütterungsprobleme beobachtet werden haben können, einen Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrags, diesmal ab 05/2012. Es liegt eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom vor, wonach seit Oktober 2012 ein GdB von 60% bei ***5*** ***6*** ***2*** besteht.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind nicht strittig.

Rechtsgrundlagen

§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 lautet:

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

....

§ 8 FLAG 1967 lautet:

§ 8. (1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich

(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

3. ab

a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,

b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,

c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,

d) 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.

(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind

(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

3. ab , wenn sie

a) für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,

b) für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,

c) für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,

d) für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €,

e) für sechs Kinder gewährt wird, um 35,7 €,

f) für sieben und mehr Kinder gewährt wird, um 52 €.

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,

(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

3. ab um 155,9 €.

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

(6a) Für eine Person, bei der eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c festgestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe, wenn sie in einem Kalenderjahr ein Einkommen bezieht, das die in § 5 Abs. 1 festgelegte Grenze übersteigt. Wenn das Einkommen in einem nachfolgenden Kalenderjahr unter der in § 5 Abs. 1 festgelegten Grenze liegt, lebt der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe wieder auf. Wenn die Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c als Dauerzustand festgestellt wurde, ist kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.

(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.

(9) Die Familienbeihilfe erhöht sich für den September 2020 um eine Einmalzahlung von 360 € für jedes Kind. Der Aufwand für die Auszahlung dieser Einmalzahlung im September 2020 ist aus Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zu tragen.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

§ 11 FLAG 1967 lautet:

§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Finanzamt Österreich automationsunterstützt ausgezahlt.

(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.

(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.

§ 12 FLAG 1967:

§ 12. (1) Das Finanzamt Österreich hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

§ 13 FLAG 1967 lautet:

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Finanzamt Österreich zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

§ 85 BAO lautet:

§ 85. (1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

(2) Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

(3) Die Abgabenbehörde hat mündliche Anbringen der im Abs. 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen,

a) wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, oder

b) wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist, oder

c) wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann.

Zur Entgegennahme mündlicher Anbringen ist die Abgabenbehörde nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden verpflichtet, die bei der Abgabenbehörde durch Anschlag kundzumachen sind.

(4) Wird ein Anbringen (Abs. 1 oder 3) nicht vom Abgabepflichtigen selbst vorgebracht, ohne daß sich der Einschreiter durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen kann und ohne daß § 83 Abs. 4 Anwendung findet, gelten für die nachträgliche Beibringung der Vollmacht die Bestimmungen des Abs. 2 sinngemäß.

(5) Der Einschreiter hat auf Verlangen der Abgabenbehörde eine beglaubigte Übersetzung einem Anbringen (Abs. 1 oder 3) beigelegter Unterlagen beizubringen.

§ 85a BAO lautet:

§ 85a. Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

§ 92 BAO lautet:

§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder

b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder

c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.

§ 93 BAO lautet:

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten

a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;

b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.

(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.

(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.

§ 96 BAO lautet:

§ 96. (1) Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

(2) Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, wozu jedenfalls auch Ausfertigungen in Form von mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E Government Gesetz versehenen elektronischen Dokumenten zählen, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt. Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen erfüllen.

§ 97 BAO lautet:

§ 97. (1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

(2) Ist in einem Fall, in dem § 191 Abs. 4 oder § 194 Abs. 5 Anwendung findet, die Rechtsnachfolge (Nachfolge im Besitz) nach Zustellung des Bescheides an den Rechtsvorgänger (Vorgänger) eingetreten, gilt mit der Zustellung an den Rechtsvorgänger (Vorgänger) auch die Bekanntgabe des Bescheides an den Rechtsnachfolger (Nachfolger) als vollzogen.

(3) An Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung kann deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, daß sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. In der Verordnung sind technische oder organisatorische Maßnahmen festzulegen, die gewährleisten, daß die Mitteilung in einer dem Stand der Technik entsprechenden sicheren und nachprüfbaren Weise erfolgt und den Erfordernissen des Datenschutzes genügt. Der Empfänger trägt die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der Erledigung. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß.

§ 260 BAO lautet:

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

a) nicht zulässig ist oder

b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

(2) Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

§ 263 BAO lautet:

§ 263. (1) Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde

a) weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so ist der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) In der Beschwerdevorentscheidung ist auf das Recht zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) hinzuweisen.

(3) Eine Beschwerdevorentscheidung wirkt wie ein Beschluss (§ 278) bzw. ein Erkenntnis (§ 279) über die Beschwerde.

(4) § 281 gilt sinngemäß für Beschwerdevorentscheidungen; § 281 Abs. 2 allerdings nur, soweit sich aus der in § 278 Abs. 3 oder in § 279 Abs. 3 angeordneten Bindung nicht anderes ergibt.

§ 278 BAO

§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

§ 279 BAO lautet:

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

Zulässige Beschwerde

Die Beschwerdevorentscheidung vom hat die verfahrensgegenständliche Beschwerde gemäß § 260 BAO zurückgewiesen. Warum die Beschwerde zurückgewiesen wurde, geht aus der Beschwerdevorentscheidung nicht hervor. Aus der Begründung lässt sich schließen, dass das Finanzamt die Beschwerde abweisen wollte. Es ist kein Unzulässigkeitsgrund betreffend die verfahrensgegenständliche Beschwerde ersichtlich. Da die Beschwerdevorentscheidung nur bis zur abschließenden Erledigung des Bundesfinanzgerichts dem Rechtsbestand angehört (vgl Ritz, BAO 6.A. § 264 Rz 3), unterbleiben weitere Ausführungen dazu.

Über die Beschwerde ist inhaltlich zu entscheiden.

Systematik der Entscheidungen über Familienbeihilfeanträge

Zum besseren Verständnis ist es erforderlich, sich die Systematik der Entscheidungen über Familienbeihilfeanträge vor Augen zu halten (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3):

Das FLAG kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag und für einen allfälligen Erhöhungsbetrag nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967.

Steht nach Ansicht der Beihilfenbehörde Familienbeihilfe zu, hat sie diese gemäß § 11 FLAG 1967 auszuzahlen und hierüber gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Gleiches gilt für den Erhöhungsbetrag.

Nur wenn die Behörde der Meinung ist, einem Antrag auf Familienbeihilfe (auf Erhöhungsbetrag) sei nicht oder nicht zur Gänze stattzu­geben, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen.

Antragsgebundenheit

§ 10 Abs. 1 FLAG 1967 sieht als Voraussetzung für die Gewährung von Familienbeihilfe (abgesehen von der erstmaligen Auszahlung nach Geburt gemäß § 10a FLAG 1967) einen Antrag vor. Dieser ist ein Anbringen gemäß § 85 BAO.

Rückwirkende Antragstellung

§ 10 Abs. 3 FLAG 1967 sieht eine mögliche rückwirkende Gewährung für höchstens fünf Jahre vom Beginn des Monats der Antragstellung vor. Mit Ablauf dieser Frist ist der Anspruch auf Familienbeihilfe (Erhöhungsbetrag) für weiter zurückliegende Zeiträume erloschen (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 10 Rz 9 m.w.N.). Die Begrenzung des Beihilfenanspruches für vergangene Zeiträume ist vom Zeitpunkt des Antrages um Beihilfengewährung an zu berechnen (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 10 Rz 9 m.w.N.).

Der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrags wurde am gestellt. § 10 Abs. 3 FLAG 1967 wäre einer Gewährung des Erhöhungsbetrags rückwirkend ab Geburt im Jahr 2012 daher nicht entgegengestanden. Der Antrag vom sah eine Rückwirkung "ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung" vor.

Ein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe - so er nicht ausdrücklich befristet ist - erstreckt sich bis zum letzten Anspruchszeitraum (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967), in dem der Anspruch erlischt. Eine Änderung des Sachverhaltes, welche den allenfalls aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage weiter bestehenden Anspruch nicht erlöschen lässt, ist dabei unmaßgeblich. So ist beispielsweise der Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Schulausbildung befindliches minderjähriges Kind mit Eintritt der Volljährigkeit aufgrund eines geänderten Sachverhaltes nicht mehr in § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, sondern in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 begründet und bedarf keines neuerlichen Antrages (vgl. ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ( unter Hinweis auf weitere, nicht zum FLAG 1967 ergangenen Erkenntnisse des Höchstgerichts) ist im Fall, dass auf Grund eines seinerzeitigen Antrags weiterhin Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, ohne dass es zwischendurch zu einem Erlöschen dieses Anspruchs kam, ein neuerlicher Antrag (infolge Einstellung der Auszahlung der Familienbeihilfe) nicht als neuer Antrag gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 (mit der dort geregelten Befristung), sondern als Urgenz der Fortzahlung auf Grund des seinerzeitigen Antrags zu sehen.

Das Finanzamt hat in diesem Fall entweder mit der Wiederaufnahme der Auszahlung (§ 11 FLAG 1967) vorzugehen, oder gemäß § 13 FLAG 1967 mit Bescheid auszusprechen, dass - und warum - ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht weiter besteht.

Der Rechtschutz für die bisherigen Beihilfebezieherin oder den bisherigen Beihilfebezieher besteht - folgt man der dargestellten Rechtsprechung - darin, dass sie oder er hinsichtlich der Nichtauszahlung gemäß § 284 Abs. 1 BAO Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht erheben kann.

In der ständigen Verwaltungspraxis wird ein Fortsetzungsantrag auf Familienbeihilfe als (neuer) Antrag nach § 10 Abs. 1 FLAG 1967 gewertet und nicht als Urgenz des ursprünglichen Antrags, unabhängig davon, ob nach Ansicht der Antragstellerin oder des Antragstellers Familienbeihilfe durchgehend auszuzahlen gewesen wäre oder ob zwischenzeitig der Anspruch auf Familienbeihilfe erloschen und ein neuerlicher Anspruch entstanden ist. Dies ist aus Praktikabilitätsgründen auch nicht zu beanstanden, allerdings mit der Maßgabe, dass bei einem durchgehenden Anspruch auf Familienbeihilfe im Fall eines (vermeintlichen) Neuantrags die Fünf-Jahres-Frist des § 10 Abs. 3 FLAG 1967 nicht zum Tragen kommt (vgl. ).

Diese Überlegungen bedeuten im gegenständlichen Fall:

Wird der Erhöhungsbetrag rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Feststellung des Eintritts der erheblichen Behinderung durch das Sozialministeriumservice gestellt und der Erhöhungsbetrag vom Finanzamt ab diesem Zeitpunkt ausbezahlt, führt ein mit einer späteren Bescheinigung festgestellter früherer Behinderungseintritt dazu, dass der ursprüngliche Antrag insoweit wieder unerledigt ist.

Mit der Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom durfte das Finanzamt den Antrag vom in der Weise erledigen, dass der Erhöhungsbetrag auf Grund der Bescheinigung ab Februar 2016 ausbezahlt wurde. Durch die Bescheinigung vom änderte sich jedoch der für die Auszahlung auf Grund des Antrags vom maßgebende Sachverhalt, da nunmehr ein GdB von 60% ab Oktober 2012 bescheinigt ist.

Damit wurde Oktober 2012 als Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung durch den medizinischen Sachverständigen des Sozialministeriumservice festgestellt. Der Antrag vom , der eine rückwirkende Antragstellung ab dem vom Sachverständigen festgestellten Eintritt der erheblichen Behinderung vorgenommen hat, wurde damit für den Zeitraum Oktober 2012 bis Jänner 2016 unerledigt.

Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016

Für den Zeitraum Juli 2014 bis Jänner 2016 zahlte das Finanzamt in weiterer Folge den Erhöhungsbetrag aus und hat sich dabei nicht zutreffend auf den Antrag vom gestützt. Dieser Antrag war kein Erstantrag gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967, sondern eine Urgenz der Erledigung des Antrags vom betreffend der Rückwirkung, was sich auch aus dem angeschlossenen ärztlichen Befundbericht ergibt.

Zeitraum Oktober 2012 bis Juni 2014

Für den Zeitraum Oktober 2012 bis Juni 2014 ist aber der Antrag vom nach wie vor nicht erledigt. Laut letzter aktenkundiger Bescheinigung besteht ein GdB von 60% ab Oktober 2012. Der Antrag vom lautete daher, den Erhöhungsbetrag ab Oktober 2012 zu gewähren. Die Frist des § 10 Abs. 3 FLAG 1967 ist daher nach dem Antrag vom und nicht nach dem Antrag vom , der insoweit nur eine Urgenz der gänzlichen Erledigung des Antrags vom zu sehen ist, zu berechnen. Daher steht der Bf für den Zeitraum Oktober 2012 bis Juni 2014 ebenfalls der Erhöhungsbetrag zu.

Zeitraum Mai 2012 bis September 2012

Allerdings ist der Antrag vom insoweit als Erstantrag anzusehen, als mit diesem ausdrücklich der Erhöhungsbetrag ab Mai 2012 beantragt wird.

Durch die Ausdehnung eines Beihilfenantrags auf weiter zurückliegende Zeiträume kann die Fünf-Jahres-Frist nach § 10 Abs. 3 FLAG 1967 nicht unterlaufen werden; diese ist ab dem Zeitpunkt der Erweiterung des Antrags zu rechnen (vgl. ).

Die Zurückweisung des Antrags vom für den Zeitraum Mai 2012 bis September 2012 ist also zutreffend.

Normenprüfungsantrag

Zweck von Verjährungsfristen ist es, nach Ablauf einer gewissen Zeit Rechtsfrieden zu schaffen und Beweisschwierigkeiten auszuweichen (vgl. ).

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts liegt es im Handlungsspielraum des Gesetzgebers, auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag Verjährungsfristen festzulegen, wobei eine Frist von fünf Jahren nicht als zu kurz angesehen werden kann. Der Bf wäre es freigestanden, in ihrem Antrag vom den Erhöhungsbetrag rückwirkend nicht ab Feststellung des Eintritts der erheblichen Behinderung, sondern ab Geburt des Kindes zu stellen. Dies wäre innerhalb der Frist des § 10 Abs. 3 FLAG 1967 gelegen gewesen. Es fehlt daher an einer Präjudizialität für das gegenständliche Verfahren.

Was die ergänzende Antragstellung vom betrifft, wäre es der Bf freigestanden, bereits am Entsprechendes zu beantragen. Dass sie das nicht getan hat, ist nicht auf § 10 Abs. 3 FLAG 1967 zurückzuführen. Zu den Ausführungen in der Beschwerde ist zu sagen, dass entscheidend für das Vorliegen einer erheblichen Behinderung nicht ein Gendefekt ist, sondern eine aus einem Gendefekt resultierende erhebliche Behinderung. Der Eintritt einer Behinderung wurde zuletzt mit Oktober 2012 festgestellt.

Neues Gutachten

Solange kein Gutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vorliegt, dass einen GdB von zumindest 50% für einen Zeitraum vor Oktober 2012 bescheinigt, ist der Antrag vom derzeit als erledigt anzusehen. Die gegenständliche Entscheidung steht jedoch einer Gewährung des Erhöhungsbetrags für einen Zeitraum vor Oktober 2012 (innerhalb der absoluten Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO) nicht entgegen, falls eine entsprechende Bescheinigung vorliegt.

Teilweise Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG), soweit er den Antrag vom für den Zeitraum Oktober 2012 bis Juni 2014 zurückweist. Er ist insoweit gemäß § 279 BAO aufzuheben. Dagegen ist der Bescheid für den Zeitraum Mai 2012 bis September 2012 nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Nichtzulassung der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine (ordentliche) Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Wien, am

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Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102408.2021

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