Gebührenpflicht bei Aufhebung eines Bestandvertrages infolge Versagung einer baubehördlichen Bewilligung
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/7101708/2017-RS1 | wie RV/7101117/2017-RS1 Ein Bestandvertrag kommt als Konsensualvertrag bereits mit Einigung der Parteien über das Bestandobjekt, den Bestandzins sowie die Bestanddauer und nicht erst mit dem vereinbarten Beginn der Bestandzeit zustande, sodass - vorausgesetzt eine Vertragsurkunde wurde errichtet - bereits mit dieser Willenseinigung die Gebührenpflicht eintritt. |
RV/7101708/2017-RS2 | wie RV/7101117/2017-RS2 Liegen die zivilrechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung eines Vertrages mit Wirkung ex tunc nicht vor, kann eine einvernehmliche Aufhebung des Vertrages an der bereits eingetretenen Gebührenpflicht nichts ändern. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R1***, den Richter***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Abänderung des Bescheides vom , Erf.Nr. ***BfErfNr***, gem. § 295a BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gem. § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG 1957 die Rechtsgeschäftsgebühr für einen Pachtvertrag vom , mit welchem die Beschwerdeführerin Geschäftsflächen in einem erst zu errichtenden Einkaufszentrum (StadtGalerie ***X***) von der ***Verpächterin*** pachtete, rechtskräftig mit € 221.384,12 fest, wobei diese Festsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO insoweit vorläufig war, als die zur Bemessungsgrundlage zählenden Betriebskosten nur geschätzt werden konnten.
Mit Anbringen vom stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sowie auf Aufhebung des Gebührenbescheides vom . Sie brachte vor, dass sie die Räumlichkeiten zum Betrieb einer ***Bf1*** Filiale gepachtet habe, im November 2009 jedoch entschieden worden sei, die StadtGalerie ***X*** nicht zu errichten. Deshalb sei im Hinblick auf Teil A, Pkt. 3. des Vertrages, wonach das Rechtsgeschäft im Zeitpunkt der Übergabe der Pachtfläche zustande kommen soll, der Abschluss des Rechtsgeschäftes tatsächlich nicht erfolgt und bestehe daher keine Gebührenpflicht.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag ab, da ein Bestandvertrag als Konsensualvertrag mit der Willenseinigung der Vertragspartner und nicht mit der Übergabe der Bestandsache perfekt werde. Im gegenständlichen Fall sei daher die Gebührenschuld am (Unterfertigung des Vertrages) entstanden und sei das Unterbleiben der Ausführung des Rechtsgeschäftes nicht geeignet, die entstandene Gebührenschuld aufzuheben (§ 17 Abs. 5 GebG). Der Bescheid hätte daher nicht anders gelautet, wäre im Zeitpunkt seiner Erlassung bereits bekannt gewesen, dass die StadtGalerie ***X*** nicht errichtet wird.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen und zu RV/7101117/17 des Bundesfinanzgerichtes behandelten Beschwerde stellte die Beschwerdeführerin hilfsweise den gegenständlichen Antrag auf Aufhebung des Gebührenbescheides gem. § 295a BAO. Sie machte zusätzlich geltend, dass aufgrund der Nichterrichtung der StadtGalerie ***X*** durch den Bestandgeber entgegen der mit der Beschwerdeführerin getroffenen Vereinbarung ein Willensmangel bzw. Irrtum vorliege, weshalb es ex tunc zu einer Aufhebung des Vertrages gekommen sei. Diese Anfechtung falle nicht unter § 17 Abs. 5 GebG 1957, sondern stelle ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 295a BAO dar.
Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab, da § 295a BAO lediglich einen Verfahrenstitel darstelle und den materiellen Abgabengesetzen zu entnehmen sei, ob einem nachträglich eingetretenen Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit zukommt. Da es gemäß § 17 Abs. 5 GebG 1957 für die Gebührenpflicht auf das beurkundete Rechtsgeschäft, nicht aber darauf ankomme, ob dieses Rechtsgeschäft in der Folge aufrechterhalten und ob oder wie es ausgeführt wird, liege kein Anwendungsfall des § 295a BAO vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , in welcher - wie schon im Verfahren zur Wiederaufnahme - geltend gemacht wird, dass das Rechtsgeschäft im Hinblick auf Teil A Ziff. 3. des Bestandvertrages nicht wirksam zustande gekommen bzw. wegen Irrtums oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage ex tunc aufgelöst worden sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde vom als unbegründet ab. Einerseits sei der Bestandvertrag ein Konsensualvertrag, der mit der Einigung darüber zustande kommt, dass ein bestimmter (bestimmbarer) Bestandgegenstand gegen einen bestimmten (bestimmbaren) Bestandzins auf eine bestimmte (bestimmbare) Zeit zum Gebrauch überlassen werden soll, sodass die Gebührenschuld mit Unterzeichnung der Urkunde und nicht mit Beginn des vereinbarten Vertragsverhältnisses entstehe. Andererseits sei unter "Aufhebung" i.S.d. § 17 Abs. 5 GebG 1957 auch eine erfolgreiche Anfechtung wegen Irrtums zu verstehen, wobei es keinen Unterschied mache, ob die Aufhebung des Rechtsgeschäftes mit Wirkung ex nunc oder ex tunc erfolgt. In beiden Fällen gelte die Anordnung des § 17 Abs. 5 GebG 1957, dass die Aufhebung die entstandene Gebührenschuld nicht berührt. Das materielle Abgabenrecht sehe daher keine Beseitigung der einmal entstandenen Gebührenschuld vor, sodass für eine Anwendung des § 295a BAO keine Handhabe bestehe.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt wird.
In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Beschwerdeführerin, dass die StadtGalerie ***X*** deshalb nicht errichtet wurde, weil die dafür notwendige baubehördliche Bewilligung nicht erteilt wurde. Die Vertragsparteien seien daher übereingekommen, den Vertrag rückwirkend aufzuheben, wobei sie davon ausgegangen seien, dass durch die Versagung der baubehördlichen Bewilligung die Geschäftsgrundlage nachträglich weggefallen sei. Eine formale Irrtumsanfechtung (insbesondere eine gerichtliche) habe es daher nicht gegeben. Die in Teil D, Pkt. 6.46 des Pachtvertrages vorgesehene Frist, wonach dem Verpächter ein Rücktrittsrecht bis zum zusteht, wenn er den Bau des Einkaufszentrums nicht realisiert, sei im Hinblick darauf, dass auch über diesen Termin hinaus versucht wurde, die baubehördliche Bewilligung zu erlangen, einvernehmlich verlängert worden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am 30.11. bzw. unterfertigten die Beschwerdeführerin und die ***Verpächterin*** einen Bestandvertrag, mit welchem die Beschwerdeführerin Geschäftsflächen im Gesamtausmaß von 4918,74 m² in einem erst zu errichtenden Einkaufszentrum (StadtGalerie ***X***) zum Betrieb einer ***Bf1*** oder ***Bf2*** Filiale pachtete. Dieser Vertrag gliedert sich in vier Teile, nämlich "Teil A Grundlegende Bestimmungen", in dem das Bestandobjekt, der Bestandzins, die Bestanddauer sowie die Vertragsbestandteile angeführt sind, "Teil B Allgemeine Bedingungen", "Teil C Centerspezifische Bedingungen für das Objekt StadtGalerie ***X***" und "Teil D Zusätzliche Vereinbarungen", womit die Bestimmungen der Teile A bis C teils ergänzt und teils abgeändert werden.
Die in gegenständlicher Beschwerdesache maßgeblichen Bestimmungen des Vertrages lauten:
Teil A Ziff. 3. Pachtzeit:
3.1 Pachtbeginn: Tag der Übergabe der Pachtfläche, voraussichtlich im Frühjahr 2009 / Herbst 2009 (vgl. Ziffer 6.9 Teil D)
3.2. Pachtende: (vgl. Ziffer 3.1 Teil B)
Teil B Ziff. 3.1
Das Pachtverhältnis ist auf die in Teil A genannte Pachtzeit fest abgeschlossen. Es beginnt wie in Teil A dieses Vertrages festgelegt und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, an dem in Teil A festgelegten Zeitpunkt.
Teil D Ziff. 6.9
Die Verpflichtung des Pächters zur Zahlung des vereinbarten Pachtzinses beginnt erst 14 Tage vor Centereröffnung. Dieses gilt auch für die Heiz- und Nebenkosten sowie alle sonstigen Kosten.
Teil D Ziff. 6.46
Der Verpächter behält sich vor, bis zum von diesem Pachtvertrag zurückzutreten, wenn er den Bau des Einkaufszentrums nicht realisiert. Falls der Verpächter dieses Rücktrittsrecht ausübt, stehen dem Pächter Ansprüche irgendwelcher Art gegen den Verpächter nicht zu.
Im November 2009 hat die ***Verpächterin*** entschieden, die StadtGalerie ***X*** nicht zu errichten, nachdem die hierfür erforderliche baubehördliche Bewilligung versagt wurde. Die Vertragsparteien sind davon ausgegangen, dass dadurch die Geschäftsgrundlage für den Bestandvertrag nachträglich weggefallen ist und sind übereingekommen, den Vertrag aufzuheben. Zuvor war die in Teil D, Pkt. 6.46 des Pachtvertrages vorgesehene Frist für den Vertragsrücktritt im Falle der Nichterrichtung des Einkaufszentrums einvernehmlich verlängert worden, da die ***Verpächterin*** auch über den hinaus versucht hat, die baubehördliche Bewilligung zu erlangen.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum Vertragsinhalt ergeben sich aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Pachtvertrag, die Feststellungen zur Vertragsauflösung aus deren Angaben in der mündlichen Verhandlung. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend sein könnten, liegen nicht vor; auch die belangte Behörde hat ihnen nicht widersprochen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 15 Abs. 1 GebG sind Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wurde, wobei die Gebührenschuld gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG 1957 im Zeitpunkt der Unterzeichnung entsteht, wenn die Urkunde - wie hier - von allen Vertragsteilen unterfertigt wird. Da das GebG 1957 den Begriff des Rechtsgeschäfts nicht definiert, sondern diesbezüglich an das Zivilrecht anknüpft, richtet sich die Frage, ob ein Rechtsgeschäft vorliegt, nach zivilrechtlichen Kriterien. Grundvoraussetzung der Gebührenpflicht eines vom Tarifpostsystem des GebG erfassten Rechtsgeschäfts ist daher, dass das beurkundete Rechtsgeschäft überhaupt gültig zustande gekommen ist. Ein zivilrechtlich nicht gültig zustande gekommenes Rechtsgeschäft löst auch dann keine Gebührenpflicht aus, wenn es beurkundet wurde (; Allram in Bergmann/Pinetz, GebG, 2. Aufl. [2020], § 15, Rz 12, m.w.N.). Die Beschwerdeführerin meint nun, dass ein Bestandvertrag nie wirksam zustande gekommen sei, da in Teil A Ziff. 3. der Vertragsurkunde festgehalten ist, dass das Rechtsgeschäft mit Übergabe der Pachtfläche beginnen soll, diese Übergabe nie erfolgt ist und nun endgültig nicht erfolgen wird. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach dem Wortlaut dieser Bestimmung und jener Bestimmungen, auf die sie verweist (Teil B Ziff. 3.1 und Teil D Ziff. 6.9), nicht das Rechtsgeschäft, sondern die Pachtzeit mit Übergabe der Pachtfläche beginnen soll. Sie regelt daher nicht das Zustandekommen des Vertrages, sondern den Beginn des Erfüllungsstadiums, also jenen Zeitpunkt, ab welchem die Bestandgeberin das Objekt zur Verfügung zu stellen und die Bestandnehmerin den Bestandzins zu zahlen hat (letzteres mit einer Modifikation/Präzisierung durch Teil D Ziff. 6.9). Der Bestandvertrag selbst als Konsensualvertrag kam bereits mit der Einigung über den Bestandgegenstand, den Bestandzins und die Bestanddauer zustande, also spätestens mit der beiderseitigen Unterfertigung der Vertragsurkunde am , sodass in diesem Zeitpunkt auch die Gebührenpflicht ausgelöst wurde (vgl. ). Auch Teil D Ziff. 6.46 des Vertrages spricht klar dafür, dass die Vertragsparteien einen sofort wirksamen (und alenfalls wieder auflösbaren) Vertrag schließen wollten: Entscheidet sich die Verpächterin, das Einkaufszentrum nicht zu errichten, kommt es naturgemäß zu keiner Übergabe der Pachtfläche an die Pächterin und wäre das für diesen Fall vorgesehene Rücktrittsrecht ohne praktische Relevanz, wenn ein Vertrag mangels Übergabe der Pachtfläche gar nicht zustande gekommen wäre (ein Rücktritt setzt einen wirksamen Vertrag voraus). Selbst aber wenn Teil A Ziff. 3. dahingehend zu verstehen sein sollte, dass der Pachtvertrag erst mit Übergabe der Pachtfläche wirksam wird, würde es sich um eine gewillkürte (Suspensiv-) Bedingung handeln, die gemäß § 17 Abs. 4 GebG 1957 keinen Einfluss auf die Gebührenpflicht hat.
Ergänzend macht die Beschwerdeführerin geltend, dass der Bestandvertrag wegen eines Willensmangels ex tunc aufgehoben worden sei, sodass auch die Gebührenschuld rückwirkend wieder beseitigt worden sei. Gemäß § 17 Abs. 5 GebG 1957 hebt die Anfechtung des Rechtsgeschäftes die entstandene Gebührenschuld grundsätzlich nicht auf. Ob die Anfechtung eines Rechtsgeschäftes wegen eines Wurzelmangels (mit - auch sachenrechtlicher - Wirkung ex tunc) eine bereits eingetretene Gebührenpflicht rückwirkend wieder beseitigt oder ob § 17 Abs. 5 GebG 1957 auch für derartige Vertragsaufhebungen gilt, hatte der VwGH - soweit ersichtlich - noch nicht zu entscheiden (in der E. vom , 1153/50, scheint er von einer gebührenrechtlichen Relevanz der Anfechtung auszugehen, hatte diese Frage aber letztlich nicht zu beantworten, da der Beweis der erfolgreichen Anfechtung nicht erbracht wurde; ausdrücklich offenlassend: , 96/16/0150 u. , 89/15/0125). In der Literatur ist diese Frage umstritten (für Entfall der Gebührenpflicht bei Anfechtung des Rechtsgeschäfts mit Wirkung ex tunc: Allram in Bergmann/Pinetz, GebG. 2. Aufl., Rz 190ff zu § 17, u. Frotz/Hügel/Popp Komm. z. GebG, 6. Lfg. 1988, zu §§ 15-18; dagegen: Arnold/Arnold, Rechtsgebühren, 9. Aufl. Rz 26 zu § 17 GebG). Soweit die Lehre einen nachträglichen Entfall der Gebührenpflicht bei Anfechtung wegen eines Wurzelmangels befürwortet, wird in einer derartigen Anfechtung ein Wiederaufnahmegrund i.S.d. § 303 Abs. 1 lit. b BAO (Frotz/Hügel/Popp a.a.O.) bzw. ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 295a BAO (Allram a.a.O., Rz 200) erblickt. Einhelligkeit besteht jedenfalls darin, dass die bloße Anfechtbarkeit nicht ausreicht, sondern die Anfechtung vielmehr auch tatsächlich durchgeführt werden muss (§ 23 Abs. 4 BAO; i.d.S. auch ). Dies hat gerichtlich durch Klage oder Einrede zu geschehen (). Außergerichtliche Geltendmachung führt nicht zur Vertragsauflösung ().
Wurzelmängel, die zur Vertragsaufhebung ex tunc führen, sind Irrtum (§ 871 ABGB), Arglist und Zwang (§ 870 ABGB), laesio enormis (§ 934 ABGB) sowie das (ursprüngliche) Fehlen der Geschäftsgrundlage, wobei nach jüngerer Rechtsprechung auch Dauerschuldverhältnisse mit Wirkung ex tunc aufgelöst werden, wenn Arglist oder Drohung vorliegt bzw - bei "gewöhnlichem Irrtum" - keine Rückabwicklungsschwierigkeiten bestehen, was grundsätzlich der Fall ist, wenn ein Dauerschuldverhältnis - wie hier - noch nicht in das Erfüllungsstadium getreten ist (Pletzer in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.03, Rz 61 zu § 871, m.w.N.). Dafür, dass eine der Vertragsparteien arglistig in die Irre geführt oder zum Vertragsabschluss gezwungen worden wäre bzw. dass der Wert einer der beiden Vertragsleistungen weniger als die Hälfte des Wertes der Gegenleistung ausmacht, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Auch ein ursprüngliches Fehlen der Geschäftsgrundlage kommt hier schon begrifflich nicht infrage, da die Ereignisse, die zur Vertragsaufhebung geführt haben, nämlich die Versagung der baubehördlichen Bewilligung und die daraus resultierende Entscheidung der ***Verpächterin***, die StadtGalerie ***X*** nicht zu errichten, bei Vertragsabschluss noch nicht vorlagen, sondern erst knapp drei Jahre danach eingetreten sind. Sohin verbleibt eine allfällige Anfechtung des Bestandvertrages vom wegen Irrtums. Der behauptete Irrtum der Beschwerdeführerin besteht nun darin, dass sie der (irrigen) Meinung war, die StadtGalerie ***X*** werde errichtet, sodass sie das Bestandobjekt übernehmen und das beabsichtigte Geschäft betreiben wird können. Die Beschwerdeführerin hat daher über Zukünftiges geirrt. Ein derartiger Irrtum über Zukünftiges (wie insb. darüber, ob der Vertragspartner seine Leistung vertragskonform erbringen wird) stellt jedoch grundsätzlich einen unbeachtlichen Motivirrtum dar (Pletzer a.a.O., Rz 33f zu § 871, m.w.N.; ausdrücklich für den Fall Nichtverwirklichung bzw. nicht entsprechenden Entwicklung eines Einkaufszentrums: ). Im vorliegenden Fall ist überdies von Bedeutung, dass sich die ***Verpächterin*** vorbehalten hat, vom Vertrag zurückzutreten, falls sie den Bau des Einkaufszentrums nicht realisiert (Teil D Ziff. 6.46 des Vertrages). Es stand also von Anfang an die Möglichkeit im Raum, dass die Errichtung der StadtGalerie ***X*** unterbleibt. Die ***Verpächterin*** wollte - wohl abhängig davon, ob sie die baubehördliche Bewilligung erlangt oder nicht - vielmehr erst zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob sie diese errichtet. Die Beschwerdeführerin mag allenfalls gehofft haben, dass die StadtGalerie ***X*** errichtet wird; davon, dass dies jedenfalls der Fall sein wird, konnte sie jedoch nicht ausgehen. Umso mehr muss daher die hier vorliegende unrichtige Vorstellung der Beschwerdeführerin - soweit man überhaupt von einem Irrtum sprechen kann - als unbeachtlicher Motivirrtum qualifiziert werden. Eine Anfechtung des Vertrages vom wegen Irrtums hätte daher keine Aussicht auf Erfolg.
Anfechtungstatbestände, die einen Vertrag mit Wirkung bloß ex nunc aufheben, wie etwa der von der Beschwerdeführerin ebenfalls ins Treffen geführte (nachträgliche) Wegfall der Geschäftsgrundlage (; nur das bereits ursprüngliche Fehlen einer Geschäftsgrundlage kann zur Aufhebung ex tunc führen), ein Rücktritt i.S.d. §§ 918ff ABGB oder aufgrund eines vereinbarten Rücktrittsrechtes (wie z.B. das der Bestandgeberin nach Teil D Ziff. 6.46 des Vertrages eingeräumte, letztlich aber nicht ausgeübte Rücktrittsrecht) lassen nach insoweit einhelliger Auffassung eine bereits entstandene Gebührenpflicht unberührt (Allram a.a.O., Rz 198; Frotz/Hügel/Popp a.a.O.; Arnold/Arnold a.a.O., Rz 26 zu § 17 GebG). Auch eine Anfechtung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hätte gerichtlich zu erfolgen (), was hier nicht geschehen ist. Im Übrigen würde eine derartige Anfechtung - wie schon die Irrtumsanfechtung - im vorliegenden Fall daran scheitern, dass eine mögliche Nichterrichtung der StadtGalerie ***X*** von vornherein ausdrücklich im Raum stand (Teil D Ziff. 6.46 des Vertrages). Ein Vertragspartner kann sich nämlich auf eine Änderung der Sachlage nicht berufen, wenn die Änderung keine unvorhersehbare ist, wenn also mit der Möglichkeit der Änderung gerechnet werden musste; wer angesichts einer solchen Möglichkeit vorbehaltslos ein Geschäft schließt, trägt das Risiko des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (RIS-Justiz RS0017593).
Da der Vertrag nicht mit Aussicht auf Erfolg (gerichtlich bzw. einseitig) anfechtbar wäre, stellt sich auch nicht die Frage, ob die von den Vertragsparteien nach endgültiger Versagung der baubehördlichen Genehmigung getroffene Vereinbarung als außergerichtliches Anerkenntnis der Anfechtbarkeit betrachtet werden kann, welches eine Anfechtung durch Klage u.U. entbehrlich machen könnte (vgl. ; RIS-Justiz RS0016238). Selbst wenn man einen nachträglichen Entfall der Gebührenpflicht bei Anfechtung wegen eines Wurzelmangels befürworten wollte, könnte ein außergerichtliches Anerkenntnis des Anfechtungsrechtes die Gebührenpflicht nur unter der Voraussetzung beseitigen, dass eine (hypothetische) Anfechtungsklage zum Erfolg geführt hätte, da es die Vertragsparteien sonst in der Hand hätten, die Gebührenpflicht durch Anerkenntnis einer in Wahrheit nicht gegebenen Anfechtbarkeit zu beseitigen und so die Anordnung des § 17 Abs. 5 GebG 1957 zu umgehen.
Mangels Anfechtung bzw. Anfechtbarkeit des Vertrages wegen eines Wurzelmangels bzw. wegen (nachträglichen) Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann die Vorgangsweise der Vertragsparteien nur als einvernehmliche nachträgliche Aufhebung (Stornierung) des Bestandvertrages qualifiziert werden. Eine solche Vertragsaufhebung ist aber nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls unter § 17 Abs. 5 GebG zu subsumieren, sodass sie an der einmal eingetretenen Gebührenpflicht nichts zu ändern vermag (; 71, 0344/71; , 2359/76; , 85/15/0155). Sie ist daher kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 295a BAO, sodass die belangte Behörde die Aufhebung des Bescheides zutreffend verweigert hat.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zwar fehlt - wie unter Pkt 3.1. ausgeführt - eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Anfechtung eines Rechtsgeschäftes zum rückwirkenden Entfall einer bereits eingetretenen Gebührenpflicht führt, doch stellt sich diese Frage hier nicht, da der Bestandvertrag vom nach den einschlägigen zivilrechtlichen Bestimmungen nicht anfechtbar ist und auch nicht angefochten wurde, sondern die Vertragsparteien ihn einvernehmlich aufgehoben (storniert) haben. Dass eine derartige Vertragsaufhebung die Gebührenpflicht nicht berührt, ist aber durch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher im gegenständlichen Fall nicht zu lösen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 15 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 17 Abs. 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 295a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Engenhart in BFGjournal 2024, 294 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101708.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at