Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 07.10.2021, RV/2300009/2021

Abgabenhinterziehung, subjektive Tatseite bestritten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Der Finanzstrafsenat Graz 1 des Bundesfinanzgerichtes hat durch die Senatsvorsitzende***6***, die Richterin ***7*** und die fachkundigen Laienrichter ***8*** und ***9*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (Bf.) vertreten durch ***5*** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) 1) über die Beschwerde des Beschuldigten vom und 2) die Beschwerde der Amtsbeauftragten (AB) vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , FV-***10***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschuldigten, seines Vertreters ***5***, der Amtsbeauftragten Ab sowie der Schriftführerin Sf zu Recht erkannt:

1) Der Beschwerde des Beschuldigten wird dahingehend stattgegeben, dass bei unverändertem Schuldspruch wegen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG über ihn gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG eine Geldstrafe von € 11.200,00 ausgesprochen wird.

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 28 Tagen bestimmt.

Die Kosten des Verfahren werden in unveränderter Höhe von € 500,00 festgesetzt.

2) Die Strafbeschwerde der Amtsbeauftragten wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , FV-***10*** wurde der Bf. schuldig gesprochen, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Graz -Umgebung vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuer für 08/2018 in Höhe von € 10.512,26, für 10/2018 in Höhe von € 7.465,48, für 11/2018 in Höhe von € 7.579,98 und für 12/2018 in Höhe von € 22.096,35, insgesamt somit in Höhe von € 47.654,07 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

***Bf1*** habe hierdurch mehrfache Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG begangen und werde hierfür gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG mit einer Geldstrafe in Höhe von € 15.000,-- (in Worten: Euro fünfzehntausend), bestraft.

Gemäß § 20 FinStrG wird die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit 5 (fünf) Wochen festgesetzt.

Gemäß § 185 FinStrG hat der Beschuldigte die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 500,--(in Worten: Euro fünfhundert) zu tragen.

Zur Begründung wird im Erkenntnis ausgeführt:

"Der am ***1*** geborene ***Bf1*** weist zwei im engsten Sinne einschlägige Vorstrafen auf, weil er (zunächst) mit der seit rechtkräftigen Strafverfügung des Finanzamtes Graz-Umgebung, AZ: ***2***, wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG zur Zahlung einer Geldstrafe von € 800,00 und ( nachfolgend) mit der seit rechtskräftigen Strafverfügung des Finanzamtes Graz-Umgebung, AZ: ***3***, wegen mehrfacher Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG zur Zahlung einer Geldstrafe von € 1.200,00 verpflichtet wurde (Strafregisterauszug vom , erliegend im Strafakt).

Der Spruchsenat erachtet als erwiesen, dass dem Beschuldigten auf Grund seiner langjährigen selbständigen Tätigkeit als Handelsunternehmer und nicht zuletzt auf Grund seines durch zwei Strafverfügungen getrübten Vorlebens die ihm als Unternehmer gemäß § 21 Abs. 1 UStG obliegende Verpflichtung bekannt war, spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des jeweils auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates Voranmeldungen, bei dem für die Einreichung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt Graz-Umgebung einzureichen, in der er die für die jeweiligen Voranmeldungszeiträume zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf dem Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat. Für die Voranmeldungszeiträume August 2018, Oktober 2018, November 2018 und Dezember 2018 verletzte ***Bf1*** vorsätzlich diese ihm gesetzlich obliegende Verpflichtung, wobei er die im Schuldspruch angeführten Verkürzungen an Umsatzsteuer für die Monate August 2018, Oktober 2018, November 2018 und Dezember 2018, welche zu den jeweiligen Fälligkeitstagen tatsächlich eintraten, nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt.

Die schulderheblichen Konstatierungen stützen sich beweiswürdigend auf nachstehende Erwägungen:

***Bf1*** beteiligte sich weder im Ermittlungsverfahren, noch durch persönliche Anwesenheit in der Verhandlung vor dem Spruchsenat an der Aufklärung des ihm zur Last gelegten Lebenssachverhaltes. Dass ***Bf1*** für die schuldspruchgegenständlichen Voranmeldungszeiträume jeweils keine fristgerechten Umsatzsteuervoranmeldungserklärungen beim sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt Graz-Umgebung einreichte und dadurch die schuldspruchgegenständlichen Umsatzsteuerverkürzungen bewirkte, ist durch die Ergebnisse einer durch ***4*** vorgenommene Außenprüfung erwiesen. Aus dem Bericht der genannten Betriebsprüferin über das Ergebnis der Außenprüfung geht hervor, dass die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO auf Basis der Berechnungen des steuerlichen Vertreters ***5*** geschätzt wurden.

Die Ergebnisse der Schätzung erweisen sich als unbedenklich, zumal die Schätzung anhand der auf Datenträgern gespeicherten Belege, welche zum Zeitpunkt der Einleitung der Steuerprüfung noch nicht verbucht waren, vorgenommen wurde, wobei die Prüferin anlässlich ihrer Prüfungsfeststellungen den handschriftlichen Korrekturen des Steuerberaters ***5*** umfassend Rechnung trug.

Der Verteidiger des Beschuldigten vermochte den Spruchsenat mit seiner Argumentation -wonach der Beschuldigte hinsichtlich der ihm zur Last gelegten (temporären) Umsatzsteuerverkürzungen nicht mit Abgabenverkürzungsvorsatz handelte (weil er sich im Zusammenhang mit der Festsetzung der aus den bereits abgegebenen Jahresumsatzsteuererklärungen für 2016 und 2017 gegenzuverrechnende Steuerguthaben erwartet habe) - nicht zu überzeugen. Der Verteidiger verkennt nämlich, dass eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG bereits dann bewirkt bzw. vollendet ist, wenn Umsatzsteuervorauszahlungen nicht pünktlich bis zum jeweiligen monatlichen Fälligkeitstag entrichtet werden. Für die Verwirklichung einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG reicht ein auf temporäre Abgabenersparnis gerichteter Vorsatz aus. Nicht erforderlich ist, dass der jeweilige Beschuldigte einen auf endgültige Abgabenvermeidung gerichteten Willen hatte (Berufungsentscheidung des -W/08; ebenso ; 93/13/0055).

Im Anlassfall erschließt sich aus dem objektiven Lebenssachverhalt iVm allgemeiner Lebenserfahrung zweifelsfrei ein zumindest temporärer Abgabenverkürzungsvorsatz des Beschuldigten hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Voranmeldungszeiträume. Es trifft zwar zu, dass im Zusammenhang mit den Umsatzsteuerjahreserklärungen des Beschuldigten für 2016 und 2017 in den Bezug habenden Abgabenbescheiden keine Umsatzsteuerzahllasten, sondern vielmehr Guthaben festgesetzt wurden (, E 2016 Guthaben € 1.275,00; , U 2016 Guthaben € 2.346,85; , E 2017 Guthaben € 41.919,00; , U 2017 Umsatzsteuerzahllast € 3.815,09). Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass dem steuerlich erfahrenen Beschuldigten nicht entgangen sein kann, dass am Abgabenkonto des Beschuldigten zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerverkürzungszeiträume hohe Abgabenrückstände bestanden, woraus sich erschließt, dass ***Bf1*** die schuldspruchgegenständlichen zumindest temporären Abgabenverkürzungen nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt.

Tatsächlich wies nämlich das Abgabenkonto am einen Rückstand in Höhe von € 44.565,20; am einen Rückstand von in Höhe von € 44.565,20; am einen Rückstand von € 44.884,97 und am einen Rückstand von € 26.984,59 auf. Dem Beschuldigten kann bei realistischer Einschätzung seines Wissenstandes zu seiner Finanzgebarung - Maß nehmend am Maßstab eines sorgfältigen Kaufmanns - nicht entgangen sein, dass zu den jeweiligen verfahrensrelevanten Fälligkeitstagen nach § 21 Abs. 1 UStG hinsichtlich der Kalenderjahre 2016 und 2017 noch keine bescheidmäßige Abgabenfestsetzung erfolgte war. Auf einen Vorhalt des zuständigen Finanzamtes, welcher die Jahresumsatzsteuererklärung des Beschuldigten für 2016 betraf (Vorhalt vom ) reagierte der Verteidiger des Beschuldigten am bloß mit einem Fristerstreckungsantrag, wobei ***5*** erst mit Schreiben vom den Aufklärungsvorhalt des zuständigen Finanzamtes beantwortete.

Der Strafrahmen bemisst sich mit dem Doppelten des hier maßgeblichen strafbestimmenden Wertbetrages von € 47.652,07, weshalb sich ein Strafrahmen von Geldstrafen bis zu € 95.308,14 eröffnet. Da der einzige Milderungsgrund die vollständige Schadensgutmachung durch die Erschwerungsgründe des Zusammentreffens von vier Finanzvergehen und des durch zwei Vorstrafen getrübten Vorlebens maßgeblich relativiert wird, erweist sich unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten, (welche von seinem Verteidiger offengelegt wurden) die Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Geldstrafe von € 15.000,00 als adäquat. Die Festsetzung der Höhe der Ersatzfreiheitstrafe gründet auf § 20 FinStrG.

Die Kostenentscheidung ist Folge des Schuldspruches und stützt sich auf § 185 FinStrG.

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In der dagegen fristgerecht am eingebrachten Beschwerde des Beschuldigten vom wird wie folgt ausgeführt:

"Wir beantragen die ersatzlose Aufhebung des Erkenntnisses.

Begründung: Der Beschwerdeführer (Bf.)) hat die ihm zur Last gelegten Finanzstraftaten gem. § 33 Abs. 2 lit. a nicht begangen. Dies ergibt sich zwingend bei Beurteilung der subjektiven Tatseite.

Gem. § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich eine Verkürzung der USt-VZ bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum August 2018 bis , das ist der Tag der Fälligkeit der USt-VZ für 12/18, hat der Bf. existenzielle finanzielle Schwierigkeiten zu überstehen gehabt, ausgelöst sowohl durch betriebliche Umstände, als auch durch die konfliktreiche Trennung von seiner Lebenspartnerin und Mutter zweier gemeinsamer Kinder. Diese Trennung konnte erst in den letzten Wochen im Juni 2021 durch Beilegung mehrerer gerichtlicher Auseinandersetzungen beendet werden. Im Zuge dieser Trennung und der finanziellen Schwierigkeiten musste Grundbesitz verkauft und der Standort des Unternehmens verlegt werden.

Der Bf. war von unserer Kanzlei Jahre hindurch vertreten, hat dann das Mandat gekündigt und hat unserer Kanzlei später wiederum das Mandat erteilt. Auch diese Steuerberaterwechsel haben unseren Mandanten Zeit und Anstrengung gekostet.

Die Erarbeitung der USt-Voranmeldungen war dem Bf. aufgrund der oben dargestellten Umstände nicht fristgerecht möglich. Dies ist im Zusammenhang mit der Gewissheit, dass USt-Vorauszahlungen jedenfalls aus Gutschriften abgedeckt werden können, entschuldbar.

Hinzu kommen eine Betriebsprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 samt USt-Nachschau für 1/16 bis 11/17 im Zeitraum bis sowie eine USt-Nachschau für 2/18 bis 12/18, welche am abgeschlossen worden ist.

Die beiden Prüfungen sind erfolgt, weil auch dem Finanzamt diese existenziellen Probleme des Bf. nicht verborgen geblieben und deshalb ja auch die UVAs für 8 bis 12/18 nicht fristgerecht eingereicht worden sind.

Im Zuge des Wechsels des Bf. zu unserer Kanzlei haben sowohl der Bf. als auch wir umfangreiche Erfordernisse von Berichtigungen erkannt, die abzuarbeiten waren.

Daraus folgten folgende Maßnahmen:

Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens 2015 am ; Gutschrift über € 4.307,- erfolgt am , Stundungsantrag vom über € 37.506,- sowie Antrag auf Herabsetzung der ESt-VZ für 2018.

Einreichung der Steuererklärungen ESt, USt für 2016 am , Gutschrift € 3.621,85

Einreichung der Steuererklärungen ESt, USt für 2017 am , Gutschrift € 38.400,19

Über die mit unseren Maßnahmen verbundenen steuerlichen Auswirkungen haben wir den Bf. noch vor dem Zeitpunkt der jeweiligen Maßnahme vollinhaltlich informiert. Das bedeutet, dass unser Mandant schon vor dem , also lange vor Fälligkeit der UVAs für 8, 10, 11 und 12/18 über die Gutschriften in Höhe von rund € 46.000,- sowie spätestens am über die Gutschrift UVA 9/18 i. H. v. € 6.649,26 Bescheid wusste.

Die Summe der USt-VZ für 8, 9, 10, 11 und 12/18 betragen € 41.004,81, finden also in der zu erwartenden und dem Bf. im Vorhinein bekannten Höhe der Gutschriften 2015, 2016 und 2017 volle Deckung, für einen schon davor bestehenden Rückstand war die Stundung beantragt.

Schließlich erfolgte im Rahmen der Veranlagung USt für das Jahr 2018 am eine weitere Gutschrift i. H. v. € 14.048,11. Auch davon hatte unser Mandant im Vorhinein Kenntnis.

Aufgrund dieses Sachverhalts und zeitlichen Ablaufs wusste unser Mandant zu jedem Zeitpunkt bzw. die ganze Zeit hindurch, dass die fällig werdenden USt-VZ aus dem Anspruch aus Gutschriften abgedeckt werden würden. Daher ist es vollkommen ausgeschlossen, dass unser Mandant vorsätzlich eine Verkürzung der USt-VZ bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat.

Das sichere Wissen um die Deckung der USt-VZ durch Gutschriften, die jederzeit hätten erfolgen können, wenngleich der exakte Zeitpunkt deren Wirksamkeit noch unbekannt war, schließt eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung definitiv und unwiderlegbar aus. Die Gutschriften hätten alle schon vor Fälligkeit der USt-VZ für 8/18 am erfolgen können. Für die Prüfung des Wiederaufnahmeantrags 2015 und der Erklärungsangaben 2016 und 2017 sowie allfällige Vorhalte und deren Beantwortung wären bis dahin bereits rund 4 Monate bzw. 6, 7, 8 Monate zur Verfügung gestanden. Der Bf. durfte darauf vertrauen, dass die Veranlagungen in diesem langen Zeitraum so rechtzeitig erfolgen würden, dass sie für die Tilgung der USt-Schuld zur Verfügung stehen würden. Aber auch im eingetretenen Fall, dass die Veranlagungen nicht vor Fälligkeit der USt-VZ für 8/18 und Folgemonate erfolgt sind, fehlt das grobe Verschulden oder der Vorsatz, diese USt-VZ nicht zu bezahlen, weil der Bf bereits vor Fälligkeit der einzelnen Voranmeldungszeiträume von seinem Steuerberater über die zu erwartenden Gutschriften aus Veranlagungen und Rechtsmittelverfahren informiert war.

Der Bf. war sich also absolut sicher, dass dem Finanzamt durch Nichtabgabe der UVAs und Nichtbezahlung der USt-Vorauszahlungen kein Schaden erwachsen konnte. Dies schließt Vorsatz vollkommen aus.

Dem Vorwurf, im Anlassfall liege ein zumindest temporärer Abgabenverkürzungsvorsatz vor, ist zu entgegnen, dass es vollkommen unbillig ist, aus der beabsichtigten Verwendung der unstrittig zu erwartenden Gutschriften für Umsatzsteuervorauszahlungen in einen vorsätzlichen temporären Abgabenverkürzungsvorsatz umzudeuten. Dies umso mehr, als die Abgabenbehörde säumig war, weil sie die Veranlagungen und Rechtsmittel nicht innerhalb von 6 Monaten erledigt hat.

Stattdessen hat sie erst nach 4 Monaten einen Vorhalt formuliert.

Der Spruchsenat verkennt bei seiner Würdigung, dass der vor Beginn der Betriebsprüfung und vor (Fälligkeit der UVA für August 2018) bestehende Abgabenrückstand von € 26.911,- gestundet war, und zwar bis zur Veranlagung 2016 und 2017. Der Bf. war also sehr bemüht, seinen Verpflichtungen nachzukommen bzw. - soweit notwendig - rechtzeitig die Stundung zu beantragen.

Den schon vor Fälligkeit der USt-Vorauszahlungen für 8/18 und Folgemonate am Finanzamtskonto bestehenden und (bis zur Veranlagung 2017) gestundeten Rückstand hat der Bf. am vollständig zur Einzahlung gebracht. Da die Gutschrift aus der Veranlagung für 2017 erst am erfolgte, ist auch diese Einzahlung von € 26.903,- fristgerecht erfolgt.

In Anbetracht der oben dargelegten potentiell existenzvernichtenden Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Gewissheit des Bf., dass die USt-VZ jedenfalls durch die zu erwartenden Gutschriften aus Rechtsmittelverfahren und Veranlagungen gedeckt sein würden, ist die Nichtabgabe der USt-Voranmeldungen jedenfalls entschuldbar.

Die subjektive Tatseite ist deshalb nicht erfüllt. Ohne subjektive Tatseite kann eine Abgabenhinterziehung gem. § 33 Abs. 2 lit. a nicht erfüllt worden sein, weil die objektive Tatseite allein dafür nicht ausreicht.

Aufgrund des dargestellten Sachverhalts ersuchen wir höflich um positive Erledigung der Beschwerde."

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Gegen das Erkenntnis des Spruchsenates richtet sich weiters die Beschwerde der Amtsbeauftragten vom mit folgenden Ausführungen:

"Der Spruchsenat G-3 als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung hat folgendes Erkenntnis gefällt:

***Bf1*** sei schuldig, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Graz - Umgebung vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Umsatzsteuer für 08/2018 in Höhe von € 10.512,26, für 10/2018 in Höhe von € 7.465,48, für 11/2018 in Höhe von € 7.579,98 und für 12/2018 in Höhe von € 22.096,35, insgesamt somit in Höhe von € 47.654,07 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

***Bf1*** habe hierdurch mehrfache Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen und werde hierfür gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG mit einer Geldstrafe in Flöhe von € 15.000,--(in Worten: Euro fünfzehntausend), bestraft.

Gemäß § 20 FinStrG werde die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit 5 (fünf) Wochen festgesetzt.

Gemäß § 185 FinStrG habe der Beschuldigte die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 500,00 (in Worten: Euro fünfhundert) zu tragen.

Bei der Strafbemessung wurde als mildernd die vollständige Schadensgutmachung, als erschwerend das Zusammentreffen von vier Finanzvergehen und zwei Vorstrafen berücksichtigt. Die verhängte Geldstrafe beträgt rund 15 % der Höchststrafe in Höhe von € 95.308,14.

Gegen die Höhe der Bestrafung des Finanzstrafverfahrens betreffend den Beschuldigten richtet sich die Beschwerde der Amtsbeauftragten. Wie im Erkenntnis des Spruchsenates vom umfassend ausgeführt, handelt es sich beim gegenständlichen Fall um das dritte Strafverfahren gegen ***Bf1***, der bereits zwei im engsten Sinne einschlägige Vorstrafen aufweist.

Da der einzige Milderungsgrund die vollständige Schadensgutmachung durch die Erschwerungsgründe des Zusammentreffens von vier Finanzvergehen und des durch zwei Vorstrafen getrübten Vorlebens maßgeblich relativiert wird, erweist sich unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten, die Geldstrafe in Höhe von € 15.000,00 als zu niedrig.

Antrag:

Es wird somit beantragt, die Geldstrafe zu erhöhen und die Ersatzfreiheitsstrafe adäquat anzupassen.

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In der mündlichen Verhandlung vom wurde wie folgt ergänzend erhoben und festgestellt:

" Der Verteidiger verweist auf das schriftliche Vorbringen. Ergänzend wird ausgeführt, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten verfahrensgegenständlichen Vorauszahlung bereits 4 Monate zuvor Steuererklärungen eingereicht worden waren, aus denen Gutschriften zu erwarten waren. Zudem war der auf dem Abgabenkonto ausgewiesene Rückstand bei Fälligkeit der UVA 8/2018 gestundet.

Die Amtsbeauftragte (AB) verweist auf ihre schriftliche Strafbeschwerde.

Zu den aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gibt der Beschuldigte an:

Bf.: Ich hatte im Jahr 2020 ca. Euro 70.000 steuerpflichtiges Einkommen. Ich habe auch Einkünfte aus der Verpachtung einer Landwirtschaft. Ich habe derzeit Schulden in der Höhe von ca. Euro 1,5 Millionen, Sorgepflichten für 2 Kinder und eine Gattin.

Vorhalt der Vorsitzenden (V): Bp Bericht für USt 2/2018 bis 12/2018:

Die angefallenen Zahllasten für 8, 10, 11 und 12/2018 sind unstrittig, ebenso die Kenntnis des Bf. von Fälligkeitstagen der UVZ und die Unterlassung der Verpflichtung zur Einreichung von Voranmeldungen zu den Fälligkeitstagen.

Strittig ist allein, dass der Beschuldigte die Wissentlichkeit hinsichtlich der 4 bewirkten Verkürzungen in Abrede stellt.

V: Vorhalt des Schreibens des Bf. vom an die Abgabenbehörde, dass die ***5*** GmbH mit der Vertretung beauftragt wurde und Ersuchen die eingereichten Jahresabschlüsse zu buchen. Zu dem Zeitpunkt waren UVz 8 und 10/2018 schon fällig, demnach wusste Sie, dass die Erklärungen noch nicht gebucht wurden!

Die Erklärungen wurden durch die Kanzlei ***5*** eingebracht?

Bf: Ich kann das nicht genau sagen.

V: Ich habe am die Vollmacht übernommen. Es gibt keinen vollmachtsfreien Zeitraum zwischen dem und der Fälligkeit der letzten hier verfahrensgegenständlichen Vorauszahlung. Es hat im Dezember 2018 keine neue Beauftragung gegeben.

V: Schon am schreibt der Beschuldigte zum vorhergehenden Finanzstrafverfahren selbst an den Teamleiter, dass er die erste Geldstrafe gestundet habe will bis die Erklärungen mit Gutschriften gebucht sind.

Aus diesen beiden vom Bf. persönlich an die Finanzverwaltung eingebrachten Schreiben ergibt sich, dass er zu diesen Zeitpunkten in Kenntnis des Umstandes war, dass die eingereichten Jahreserklärungen bisher nicht gebucht und damit auch keine entsprechenden Bescheide erlassen worden waren.

Zur U 2016 gab es einen Vorhalt vom , Fristverlängerung zur Beantwortung bis . Zu diesen Zeitpunkten wären aber bereits Zahlungen aus den nicht eingereichten Voranmeldungen für 8 und 10/2018 zu leisten gewesen.

Geltend gemachte Gutschriften laut Vorbringen des Bf., die am (Fälligkeit der UVZ 8/2018) nicht verbucht waren:

E 2015 am geltend gemacht; Gutschrift über € 4.307,-

ESt, USt für 2016 am , Gutschrift € 3.621,85

ESt, USt für 2017 am , Gutschrift € 38.400,19

Die Gutschrift für E 2015 wurde am in dieser Höhe gebucht.

Gutschrift E 2016 v. € 1.275,00, weitere Gutschrift E 2016 am € 896,00, U 2016 Gutschrift € 2.346,85, gebucht am

Gutschrift E 2017 am € 41.919,00

Nachforderung U 2017 am € 3.815,09

Zudem ergab sich aus der Buchung vom zu Berichtungen zu den Voranmeldungen für 1, 3, 4, 5, 6 /2018 eine Gutschrift von € 19.207,63.

Wer hat die Jahreserklärungen 2016 und 2017 erstellt? Auch ihr heutiger Verteidiger?

Vertr.: Die Jahreserklärungen wurden von meiner Kanzlei erstellt.

V: Haben Sie bei Fälligkeit der U 11/2018, der U 12/2018 in der Folge Rücksprache mit der Kanzlei gehalten? Sie wussten ja, dass die beantragten Gutschriften nicht gebucht waren?

Bf: Ich kann mich daran im Detail nicht mehr erinnern. Um die Zeit habe ich Tag und Nacht gearbeitet. In diesen Zeitraum ist die Trennung von meiner ersten Gattin gefallen. Ich habe in diesem Zusammenhang mit 1 Million € Schulden auch die Bankverbindung verloren und musste eine neue Bank suchen. Ich habe immer nur im Hintergrund gehabt, dass ich nichts auf Dauer hinterziehen werde und die Gutschriften zur Abdeckung irgendwann gebucht werden.

Vertreter: Auf die Frage, ob die Voranmeldungen im Zeitpunkt der Fälligkeit der Vorauszahlungen bereits fertiggestellt gewesen seien, muss ich einräumen, dass wir bei Übernahme der Vollmacht zunächst festgestellt haben, dass auch für Vormonate Voranmeldungen nicht richtig eingereicht worden sind und daher vorrangig diese Anmeldungen erstellt haben. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der verfahrensgegenständlichen Vorauszahlungen waren die Voranmeldungen für diese Zeiträume auch noch nicht betragsmäßig berechnet, da wir nicht alle Unterlagen hatten.

Aktenkundig ist ja, dass ich den Beschuldigten darüber informiert habe, dass aus der Einreichung der Erklärungen eine Gutschrift zu erwarten ist. Die Behörde wäre auch angehalten gewesen, binnen 6 Monaten über die Erklärungseinreichung bescheidmäßig abzusprechen. Tut sie das nicht, kann man einen Fristsetzungsantrag einbringen.

V: Einen Fristsetzungsantrag hat es aber nicht gegeben. Die grundsätzliche Frage ist ja, dass man erst dann mit einer geltend gemachten Gutschrift gegenverrechnen kann, wenn diese auch anerkannt wurde.

Dies ist ja dem im Unternehmertum gleichzuhalten, dass man eine Rechnung legt und eine Forderung geltend macht, nicht bedeutet, dass diese auch unmittelbar darauf in der geltend gemachten Höhe auch immer einbringlich ist. Auch das sind zwei unterschiedliche Dinge. Eine geltend gemachte Gutschrift aufgrund einer Jahreserklärung steht erst dann zu, wenn ein Bescheid erlassen wurde und sie damit von der Abgabenbehörde anerkannt wurde. Auf dem Abgabenkonto war ja stets ein Rückstand ausgewiesen. Dies war wohl bekannt, weil er ja gestundet war.

Vertreter: Ich stimme diesen Ausführungen für den Bereich des Abgabenrechts, nicht jedoch in finanzstrafrechtlicher Hinsicht zu. Es genügt nicht den Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Behörde zuzugestehen, säumig zu werden und andererseits aus der mangelnden Pflichterfüllung des Finanzamtes dem Steuerpflichtigen finanzstrafrechtliche Konsequenzen aufzuerlegen. Dies trifft umso mehr zu, als hinsichtlich des Wiederaufnahmsantrags für 2015, der E 2016 sowie E und U 2017 keine Vorhalte verschickt worden sind. Einer zügigen Veranlagung wäre daher nichts im Wege gestanden.

V: Wissen Sie, wann eine mit Voranmeldung geltend gemachte Gutschrift wirksam wird?

Bf: Nein, das weiß ich nicht. Um meine steuerlichen Belange hat sich stets die Steuerberatungskanzlei gekümmert.

Vertreter: Ich habe mich im Vorfeld über die Anforderungen an eine mögliche Entschuldbarkeit der Unterlassung der Einreichung von Voranmeldungen informiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass ein diesbezügliches Versäumnis meinem Mandanten wohl anzurechnen sein wird. Dies stellt aber für sich gesehen eine Finanzordnungswidrigkeit dar.

AB führt zu ihrer Beschwerde aus, dass sich aus ihrer Sicht aufgrund des finanzstrafrechtlichen Vorverfahrens Wissentlichkeit hinsichtlich der Abgabenverkürzung ergeben habe. Die Geltendmachung der Gutschriften sei in diesem Zusammenhang irrelevant.

Zur Strafbeschwerde wird nochmals festgehalten, dass aus Sicht der Finanzstrafbehörde bei zwei Vorstrafen der Prozentsatz des Ausmaßes der ausgesprochenen Geldstrafe bei der Höhe der Bemessungsgrundlage zu niedrig erscheine.

Verlesen wird die Strafverfügung vom zu einer Vorstrafe wegen Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG.

Die AB verweist darauf, dass aus dem Jahr 2013 eine Vorstrafe wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung vorliegt, die wegen Verlängerung durch die neuerliche Strafverfügung aus dem Jahr 2018 bisher nicht getilgt ist.

Die Parteien stellen keine weiteren Fragen und Beweisanträge.

Keine weiteren Verlesungen gewünscht.

Schluss des Beweisverfahrens.

Der Amtsbeauftragte beantragt eine schuldangemessene Erhöhung der Strafe.

Der Verteidiger entgegnet dem Vorbringen der AB, dass eben eine reine Verletzung der Verpflichtung der Abgabe von Voranmeldungen als Ordnungswidrigkeit vorliege und beantragt von einer Bestrafung wegen Abgabenhinterziehung abzusehen, weil der Abgabepflichtige auf fristgerechte Erledigungen der Abgabenbehörde vertrauen durfte und die subjektive Tatseite im Hinblick auf die zu erwartenden Gutschriften denkunmöglich sei.

Berechtigt sei jedoch der Vorwurf, der Finanzordnungswidrigkeit mangels fristgerechter Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen.

Der Beschuldigte hat es auch für nicht denkmöglich erachtet, dass durch sein Verhalten das Finanzamt geschädigt werden könnte. Weiters möge bei der Beurteilung des Sachverhalts die persönlichen und finanziellen Existenzkämpfe als mildernde Umstände anerkannt werden und weiters möge berücksichtigt werden, dass die beiden Vorstrafen nicht auf die Nichtabgabe von Voranmeldungen zurückzuführen sind."

Über die Beschwerden wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

§ 161 Abs. 3 FinStrG: Eine Änderung des angefochtenen Erkenntnisses zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten ist nur bei Anfechtung durch den Amtsbeauftragten zulässig.

Zum objektiven Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG:

Nach einer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung steht fest, dass die verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen in folgender Höhe angefallen sind:

U 8/2018 € 10.512,26

U 10/2018 € 7.465,48

U 11/2018 € 7.579,98

U 12/2018 € 22.096,35

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Als Voranmeldung gilt auch eine berichtigte Voranmeldung, sofern sie bis zu dem im ersten Satz angegebenen Tag eingereicht wird. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Es wurden zu den jeweiligen Fälligkeiten (U 8/2018, fällig gewesen am , U 10/2018, fällig gewesen am , U 11/2018, fällig gewesen am , U 12/2018, fällig gewesen am ) unbestritten weder Vorauszahlungen geleistet noch entsprechende Meldungen zur Höhe der geschuldeten Beträge erstattet, damit ist der objektive Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG zu 4 Taten (Verkürzung einer Abgabe zu einem bestimmten Zeitraum) erfüllt worden.

Subjektive Tatseite:

Es steht auch unbestritten fest, dass der Bf. als langjähriger Unternehmer die Fälligkeitstage der Umsatzsteuervorauszahlungen kannte und eben dennoch zu den Fälligkeitstagen keine Voranmeldungen eingereicht und keine entsprechenden Einzahlungen geleistet hat.

Die vier geschuldeten Vorauszahlungsbeträge waren bei ihrer Fälligkeit nicht bekannt, da die Steuerberatungskanzlei nicht fristgerecht vollständige Unterlagen zu deren Berechnung erhalten hat.

Der Bf. hat es demnach ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass eine Meldungslegung zur Fälligkeit jeweils unterblieb.

In Abrede gestellt wird die Erfüllung des zweiten Teils der gesetzlichen Vorgaben, dass er bei Nichtentrichtung jeweils eine Verkürzung am Fälligkeitstag für gewiss gehalten habe.

Dazu folgende Überlegungen zum Sachverhalt:

Die U 8/2018 in Höhe von € 10.512,26 war am fällig, damals bestand am Konto ein Rückstand von € 44.565,20.

Geltend gemachte Gutschriften laut Vorbringen des Bf., die am nicht verbucht waren:

E 2015 am geltend gemacht; Gutschrift über € 4.307,-

ESt, USt für 2016 am , Gutschrift € 3.621,85

ESt, USt für 2017 am , Gutschrift € 38.400,19

Die Gutschrift für E 2015 wurde am in dieser Höhe gebucht.

Gutschrift E 2016 v. € 1.275,00, weitere Gutschrift E 2016 am € 896,00, U 2016 Gutschrift € 2.346,85, gebucht am

Gutschrift E 2017 am € 41.919,00

Nachforderung U 2017 am € 3.815,09

Gutschriften aus einer Jahreserklärung werden mangels spezieller gesetzlicher Regelung erst mit bescheidmäßiger Festsetzung wirksam und verrechnungsfähig.

Mit der nicht geltend gemachten Gutschrift für 9/2018 konnte schon allein, weil sie bei Fälligkeit der verfahrensgegenständlichen Zahllasten der Behörde nicht bekannt war, gedanklich auch nicht gegengerechnet werden.

Wissentlichkeit bedeutet, dass der Täter wissen muss, dass er durch die Tathandlung den verpönten Erfolg der Verkürzung bewirkt. Dass er diesen auch anstrebt, ist nicht gefordert. Dies ist etwa der Fall, wenn der Abgabepflichtige die Tat deshalb begeht, weil ihm die liquiden Mittel zur Entrichtung der Selbstbemessungsabgaben fehlen.

Das Vorliegen der Wissentlichkeit ist auch dann zu bejahen, wenn der Täter die Abgabenverkürzung dem Grunde nach für gewiss gehalten hat und lediglich das Ausmaß in der Folge später ermittelt wurde ().

Verkürzt ist eine Abgabe bereits dann, wenn sie dem Abgabengläubiger nicht im Zeitpunkt der Fälligkeit zukommt. ().

Der Bf. hatte bei Fälligkeit der Selbstberechnungsabgaben keine genaue Kenntnis von deren Höhe und hat auch keine entsprechenden Vorauszahlungen geleistet hat.

Er hatte zudem keine Einkommensteuer oder Umsatzsteuerbescheide mit der Anerkennung von geltend gemachten Gutschriften und das Abgabenkonto wies bei den Fälligkeitstagen jeweils einen Rückstand auf. Dieser Kenntnisstand ist hinsichtlich der ersten beiden gegenständlichen UVz durch sein Schreiben an die Abgabenbehörde dokumentiert, zu den weiteren beiden Monaten hat der Bf. keine konkrete Erinnerung.

Die Zuweisung eines Verschuldens an die Abgabenbehörde durch den steuerlichen Vertreter, dass sie die gesetzlichen Vorgaben binnen 6 Monaten über die Erklärungen bescheidmäßig abzusprechen gehabt hätte, zeigt nur zusätzlich auf, dass eben bekannt war, dass nicht gemeldete Selbstberechnungsabgaben bei Fälligkeit eben auch nicht im Sinne des Abgabenrechts entrichtet worden sein konnten.

Weswegen in Summe die vorübergehende Verkürzung eingetreten ist, ist irrelevant, es steht für den Senat jedenfalls aber fest, dass bei diesem Sachverhalt dem Bf. auch Wissentlichkeit bezüglich der jeweiligen Verkürzung an den Fälligkeitstagen anzulasten ist.

Anderes wäre nur anzunehmen gewesen, wenn der Bf. bei Fälligkeit der UVz ein diese jeweils übersteigendes Guthaben am Abgabenkonto gehabt hätte.

Es lagen zwar geltend gemachte Gutschriften in einer Größenordnung vor, die die zu entrichtenden UVZ letztlich überstiegen, jedoch wirkte sich dies lediglich in Form einer Schadensgutmachung nach Tatbegehung aus.

Der Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG ist somit für die 4 angelasteten Taten in objektiver und subjektiver Hinsicht erwiesen.

Strafbemessung:

Gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG ist Grundlage für die Strafbemessung die Schuld des Täters.

§ 23 Abs. 2 FinStrG: Bei Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, ob die Verkürzung oder der Abgabenausfall endgültig oder nur vorübergehend hätte eintreten sollen. Im Übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß.

§ 23 Abs. 3 FinStrG: Bei der Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.

§ 33 Abs. 5 FinStrG: Die Abgabenhinterziehung wird mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet. Dieser umfasst nur jene Abgabenbeträge (ungerechtfertigte Gutschriften), deren Verkürzung im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht. Neben der Geldstrafe ist nach Maßgabe des § 15 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu erkennen.

Der Spruchsenat hat demnach bei einer angenommenen Strafdrohung von € 95.308,14 eine Geldstrafe im Ausmaß von 15,73 % der Strafdrohung ausgesprochen.

Als Milderungsgrund wurde die vollständige Schadensgutmachung gewertet, als Erschwerungsgründe das Zusammentreffens von vier Finanzvergehen und das durch zwei Vorstrafen getrübten Vorleben.

Der Spruchsenat hat in Abwesenheit des Bf. entschieden. Zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seiner wirtschaftlichen Lage hat der Senat des BFG weitere Sachverhaltselemente aufgenommen, die zu einer Abänderung im Strafausspruch geführt haben.

Als mildernd wurde über die Schadensgutmachung und damit das Vorliegen einer bloß vorübergehenden Verkürzung hinaus weiters die schlechte wirtschaftliche Lage des Bf., sein Tathandeln aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus und unter schwierigen persönlichen Bedingungen sowie sein seitheriges Wohlverhalten gewertet.

Auch die beiden Vorstrafen sind nicht als einschlägig zu den nunmehrigen Taten der Unterlassung der Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen und Nichtentrichtung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlungen anzusehen und fallen daher nicht in dem Umfang ins Gewicht wie sie der Spruchsenat wohl gewürdigt hat.

Somit wurde die Geldstrafe und die nach § 20 FinStrG auszusprechende Ersatzfreiheitstrafe unter Berücksichtigung spezialpräventiver Erfordernisse (Abhalten des Bf. von weiteren Finanzstraftaten, Anhaltung zur fristgerechten Meldung geschuldeter Zahllasten, wenn schon eine Entrichtung allenfalls nicht fristgerecht möglich sein sollte) und generalpräventiver Erfordernisse (Abhaltung potentieller Nachahmungstäter) neu bemessen.

Die Strafbeschwerde der Amtsbeauftragten war demgemäß als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung

Die Verfahrenskosten in unveränderter Höhe von € 500,00 gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10% der verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von € 500,00 festzusetzen ist.

Zahlungsaufforderung:

Die Geldstrafe und die Kosten des Finanzstrafverfahrens werden gemäß § 171 Abs. 1 und § 185 Abs. 4 FinStrG mit Ablauf eines Monates nach Rechtskraft dieser Entscheidung fällig und sind auf das Finanzamts-Konto der Finanzstrafbehörde zu entrichten, widrigenfalls Zwangsvollstreckung durchgeführt und bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen werden müsste. Ein Ansuchen um eine allfällige Zahlungserleichterung wäre bei der Finanzstrafbehörde (Amt für Betrugsbekämpfung Bereich Finanzstrafsachen) einzubringen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2300009.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at