Keine wirksame Verlängerung der Beschwerdefrist aufgrund "telefonischer Vereinbarung"
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf***, vertreten durch Steuerberater X, über die Beschwerde vom gegen den die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2013, Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2014, Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2015, Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2016, Körperschaftsteuer 2012, Körperschaftsteuer 2013, Körperschaftsteuer 2014, Körperschaftsteuer 2015, Körperschaftsteuer 2016, Umsatzsteuer 2012, Umsatzsteuer 2013, Umsatzsteuer 2014, Umsatzsteuer 2015 und Umsatzsteuer 2016 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Begründung
Das Finanzamt erließ am die verfahrensgegenständlichen Festsetzungsbescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016, Körperschaftsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 und Anspruchszinsen für die Jahre 2012 bis 2016. Deren Zustellung erfolgte im Fensterkuvert ohne Zustellnachweis.
Mit Schreiben vom (beim Finanzamt eingelangt am ) beantragte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin die Verlängerung der Beschwerdefrist bis . Das Finanzamt reagierte nicht auf diesen Antrag. Ein auf dem eingelangten Schriftstück angebrachter Aktenvermerk lautet "Fristverlängerung bis stillschweigend akzeptiert".
Mit Schreiben vom (beim Finanzamt eingelangt am ) beantragte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin eine weitere Verlängerung der Beschwerdefrist bis . Das Finanzamt reagierte wiederum nicht auf diesen Antrag.
Der steuerliche Vertreter legte dem Bundesfinanzgericht am ein Konvolut von Schriftstücken vor, bei dem sich auch der Ausdruck eines E-Mails eines Organs des Finanzamtes an ihn vom befindet. Der Text lautet auszugsweise: "Sehr geehrter Herr X, wie telef. besprochen (Einschätzung des Fachbereiches) - RM Fristverlängerung bis . MfG…". Mit Schreiben (E-Mail) vom brachte der steuerliche Vertreter diesbezüglich vor: "Mail vom von Frau Y, Finanzamt A, in dem eine weitere Rechtsmittelfristverlängerung bis gewährt wird. Dem Mail vorangegangen ist ein Telefonat mit Frau Y, bei der unter anderem die Fristverlängerung besprochen wurde….".
Mit Schreiben vom beantragte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin die Verlängerung der Beschwerdefrist bis . Dieses Schreiben wurde laut vorgelegtem Postaufgabeschein am zur Post gegeben.
Am erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016, Körperschaftsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 und Anspruchszinsen für die Jahre 2012 bis 2016. Die Beschwerde langte am per Post beim Finanzamt ein.
Das Finanzamt erließ am abweisende Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 und die Festsetzung der Körperschaftsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 jeweils samt gesonderter Bescheidbegründung vom sowie am die abweisende Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Festsetzung der Anspruchszinsen für die Jahre 2012 bis 2016.
Die Beschwerdeführerin beantragte am die Vorlage ihrer Beschwerden gegen die Festsetzungsbescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016, Körperschaftsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 und Anspruchszinsen für die Jahre 2012 bis 2016 und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das Finanzamt legte die Beschwerden am dem Bundesfinanzgericht vor.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO ist eine Beschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde. Diesfalls kann eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (§ 274 Abs. 3 Z 1 BAO).
Da die am ausgefertigten Festsetzungsbescheide ohne Zustellnachweis versendet wurden, kann mangels anderslautenden Vorbringens von deren Zustellung an die Beschwerdeführerin am ausgegangen werden. Die Beschwerdefrist lief daher zunächst bis .
Der schriftlich (per Post) eingebrachte Antrag vom auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis hat deren Ablauf entsprechend § 245 Abs. 3 BAO bis gehemmt. Weiter hat der schriftlich (per Post) eingebrachte Antrag vom auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis deren Ablauf bis gehemmt.
Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortung von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben). Die Abgabenbehörde hat nach § 85 Abs. 3 BAO mündliche Anbringen der in Abs. 1 bezeichneten Art während der für den Parteienverkehr bestimmten Amtsstunden entgegenzunehmen, wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen, wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist oder wenn die Schriftform dem Einschreiter nicht zugemutet werden kann.
Ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist nach § 245 Abs. 3 BAO ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO. Diese Bestimmung sieht telefonische Anbringen nicht vor, sodass telefonische Mitteilungen auch keine "mündlichen" Anbringen im Sinne des § 85 BAO sind. Eine telefonische Mitteilung stellt weiters keinen für eine Bescheiderlassung hinreichenden Formalakt dar ( mwN; Ritz, BAO, 6.A., Rz 9 zu § 85).
Ein Telefongespräch zwischen einem Organ des Finanzamtes und dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, welches laut dessen Vorbringen vor dem stattgefunden habe, und in dem "die Fristverlängerung besprochen wurde", konnte daher keinerlei Rechtswirkungen in Hinblick auf eine (weitere) Verlängerung der Beschwerdefrist über den hinaus entfalten.
Im übrigen hätte die Formulierung "RM Fristverlängerung bis " in einem von einem Organ des Finanzamtes an den steuerlichen Vertreter gerichteten E-Mail auch dann keinerlei rechtsbegründende Wirkung für die Beschwerdeführerin entfalten können, wenn diese ein wirksames Anbringen (einen wirksamen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist) eingebracht hätte. Erledigungen per E-Mail sind absolut nichtige Verwaltungsakte (vgl. ; ; Ritz, BAO, 6.A., Rz 7 und 14 zu § 97).
Der wiederum schriftlich (per Post) am eingebrachte Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist bis ging aufgrund der bereits am abgelaufenen Beschwerdefrist ins Leere und konnte keinerlei Rechtswirkungen mehr entfalten.
Die am eingereichte Beschwerde ist daher verspätet und war zurückzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die in diesem Erkenntnis getroffene rechtliche Würdigung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100508.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at