Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2021, RV/5101779/2019

Wert eines Baurechts

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Grunderwerbsteuer, Steuernummer ***BF1StNr1***, ErfNr ***123*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf) schloss am mit dem Grundeigentümer einen Baurechtsvertrag ab.

Der Grundeigentümer bestellte darin zugunsten des Bf an dem im Vertrag bezeichneten Grundstück im Ausmaß von 738 m² ein Baurecht auf die Dauer von 99 Jahren. Als jährlicher Bauzins im Vorhinein wurde ein Betrag von "€ 1,50 (im Falle einer Steuerbelastung durch Gesetzesänderung zuzüglich USt oder der entsprechenden Steuer) je m², somit € 1.107,00" vereinbart.

Die Grunderwerbsteuer wurde vom Vertragserrichter von einer Bemessungsgrundlage iHv € 19.926,00 selbstberechnet.

Mit angefochtenem Bescheid vom setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer gemäß § 201 BAO mit € 1.937,25 fest und begründete dies wie folgt:

Bei der Überprüfung der Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer durch den befugten Parteienvertreter Dr. *** wurde festgestellt, dass die Grunderwerbsteuer vom Bauzins in der Höhe von € 19.926,00 berechnet wurde.
Die Grunderwerbsteuer ist bei der Begründung eines Baurechts von Wert des Bauzinses gemäß § 15 BewG, mindestens vom gemeinden Wert des Baurechts zu berechnen. Wird an einem unbebauten Grundstück ein Baurecht mit einer Dauer von mindestens 50 Jahren begründet, entspricht der gemeine Wert für das Grundstück dem gemeinden Wert des Baurechts.
Der gemeine Wert des gegenständlichen Grundstückes (738 m²) wird laut Immobilienpreisspiegel bez. Punkt IX des Vertrages mit € 75,99/m² festgesetzt und beträgt € 55.350,00.

Dagegen brachte der Bf mit Schreiben vom Beschwerde ein und begründete im Wesentlichen, dass Baurechte von Grund und Gebäude verschiedene eigenständige Grundstücke nach § 2 GrEStG sind. Werden Baurechte marktkonform entgeltlich eingeräumt, so wären Leistung und Gegenleistung äquivalent. Der gemeine Wert nach § 10 BewG sei nicht höher als die Gegenleistung nach § 5 GrEStG. Der Kapitalwert der Bauzinsen nach § 15 BewG würde daher dem gemeinen Wert nach § 10 BewG entsprechen. Der Gesamtwert dürfe das Achtzehnfache des Jahreswertes nicht übersteigen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und wie folgt ausgeführt:

Als gemeiner Wert des Baurechtes ist nicht der nach § 15 BewG 18fach kapital. Bauzins heranzuziehen, sondern ist dieser völlig eigenständig nach § 10 BewG zu bewerten. Der gemeine Wert kann durch verschiedene Beweismittel, etwa anhand von Entgelten für vergleichbare Liegenschaften glaubhaft gemacht oder mit einem Schätzgutachten nachgewiesen werden. Ein Schätzgutachten im Sinne einer "eigenständigen Bewertung nach § 10 BewG" wurde nicht beigebracht. In Anlehnung an das BFG Erkenntnis vom , RV/3100727/2018 wird folgende Ermittlungsmethode zur Bestimmung des maßgeblichen gemeinen Wertes des Baurechts angewandt. Als Wertansatz wird der Bauzins von € 1,50/m2, das sind bei der Grundstücksfläche von 738 m/2 zuzügl. USt gesamt jährl. € 1.328,40, zugrunde gelegt. Im Hinblick auf die lange Laufzeit des Entgeltes ist jedoch eine jährliche Abzinsung vorzunehmen. Der gesetzliche (gern. § 15 Abs. 1 BewG) bzw. im Abzinsungsrechner auf der Homepage des BMF vorgegebene Abzinsungszinssatz in Höhe von 5,5 % erscheint derzeit nach Ansicht des BFG weitaus überhöht. Das BFG erachtet daher einen Abzinsungszinssatz von maximal 3 % als angemessen. Ausgehend von den Prämissen - angemessener Baurechtszins jährl. € 1.328,40, Dauer 99 Jahre, Abzinsungszinssatz 3 %, bemisst sich daher der gemeine Wert des Baurechts als Summe der abgezinsten Beträge über die gesamte Laufzeit mit € 43.164,07. Dieser Wert übersteigt die Gegenleistung (€ 19.926,00) und ist daher als Mindestbemessungsgrundlage gem.§ 4 Abs2 Z 3 lit. a GrEStG idF BGBl I 2014/36 anzusetzen.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung wurde fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht. Die Abgabenbehörde legte den Akt am zur weiteren Bearbeitung vor.

Mit Schreiben vom zog der Bf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

Mit Baurechtsvertrag vom erwarb der Bf ein Baurecht an einer Liegenschaft auf die Dauer von 99 Jahren. Der jährliche Bauzins beträgt € 1.107,00.
Für den Bauzinsbetrag wird keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und den Vorbringen beider Parteien.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Der gegenständliche Baurechtsvertrag wurde im September 2015 abgeschlossen. Es gilt daher die Rechtslage vom bis (GrEStG 1987 idF BGBl Nr. 36/2014).

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegen der Grunderwerbssteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Da gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 Baurechte Grundstücken gleichstehen, unterliegt auch die Begründung eines Baurechts durch Abschluss eines Baurechtsvertrages dem Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 ().

Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung ist die Grunderwerbsteuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.

Ist die Gegenleistung geringer als der gemeine Wert des Baurechts, ist der Berechnung der Grunderwerbsteuer der gemeine Wert des Baurechts zugrunde zu legen.

Gemäß § 1 Abs. 2 BewG 1955 gilt der erste Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 (§§19 bis 68) nur "nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze" für die Grunderwerbsteuer (). Eine solche Regelung enthält aber § 4 Abs. 2 Z 3 lit a GrEStG 1987 - im Gegensatz zu den auf den "Einheitswert" abstellenden Ziffern 1 und 2 dieses Absatzes - nicht. Die in § 4 Abs. 2 Z 3 GreStG 1987 vorgesehene Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage (Mindestbemessungsgrundlage bei einer niedrigeren Gegenleistung) ist somit ausschließlich der auf der Grundlage des § 10 BewG 1955 zu ermittelnde "gemeine Wert" des einzuräumenden Baurechts. Es kommt also auf den Preis an, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (am freien Markt) - unter zueinander fremden Personen - für die Einräumung eines solchen Baurechts (zB Einmalerlag) gezahlt würde, wobei ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse auszublenden sind. Hingegen bildet, wenn § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 anzuwenden ist, die tatsächlich im konkreten Einzelfall gezahlte Gegenleistung nicht die Bemessungsgrundlage ().

Die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987, wonach Baurechte den Grundstücken gleichstehen, bedeutet, dass die in § 1 leg.cit. angeführten Tatbestände auch auf Baurechte anzuwenden sind, nicht jedoch, dass bei der Bemessungsgrundlage des gemeinen Wertes derjenige des Grundstücks auch für das Baurecht heranzuziehen wäre ().

§ 15 BewG 1955 regelt nur die Bewertung wiederkehrender Nutzungen und Leistungen. Damit ist § 15 BewG 1955 (und die Einschränkung auf ein bestimmtes Vielfaches des Jahreswertes) aber nur für die Bewertung der Bauzinsverpflichtung, somit der Gegenleistung (§ 4 Abs. 1 GrEStG 1987) für die Einräumung des Baurechts, nicht aber für die Bewertung des Baurechts von Bedeutung. Der Wert des Baurechts ist eigenständig nach § 10 BewG 1955 zu ermitteln ().

Gemäß § 10 Abs. 2 BewG 1955 bestimmt sich der gemeine Wert nach dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.

Das Bundesfinanzgericht hat in den Erkenntnissen vom , RV/3100727/2018 und vom , RV/5101780/2019, als Ermittlungsmethode zur Bestimmung des gemeinen Wertes des Baurechtes die Summe der abgezinsten Bauzinsbeträge über die gesamte Laufzeit herangezogen. Der konkrete Beschwerdefall bietet keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Im Hinblick auf die lange Laufzeit und die jährlich verteilte Abstattung des Entgeltes ist dieses nach dem Dafürhalten des Bundesfinanzgerichts nicht im Nominalbetrag anzusetzen, sondern ist vielmehr eine jährliche Abzinsung vorzunehmen. In diesem Zusammenhalt erscheint allerdings der gesetzliche (gem. § 15 Abs. 1 BewG) bzw. im Abzinsungsrechner auf der Homepage des BMF vorgegebene und vom Bf begehrten Abzinsungszinssatz in Höhe von 5,5 % derzeit aufgrund der Niedrigzinspolitik am Finanzmarkt nach Ansicht des BFG weitaus überhöht. Das Bundesfinanzgericht erachtet vielmehr einen Abzinsungszinssatz von maximal 3 % für mehr als angemessen.

Ausgehend von den Prämissen: angemessener Baurechtszins jährlich € 1.107,00, Dauer 99 Jahre, angemessener Abzinsungszinssatz 3 %, bemisst sich daher der gemeine Wert als Summe der abgezinsten Beträge über die gesamte Laufzeit des Baurechtes wie folgt:

Dieser Wert übersteigt die Gegenleistung iHv € 19.926,00 und ist daher als Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 4 Abs. 2 Z 4 lit a GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014, der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen.

Der gemeine Wert des Baurechts beträgt € 35.970,06. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GrEStG 1987 in der im Beschwerdefall geltenden Fassung beträgt die Grunderwerbsteuer 3,5%, sohin € 1.258,95.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101779.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at