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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.09.2021, RV/7105611/2019

keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Zurücknahme der Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ohne Einbringung eines Vorlageantrages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Feichtenschlager in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Wesonig + Partner Steuerberatung GmbH, Birkfelder Straße 25, 8160 Weiz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im März 2017 wurde bei der ***Bf1*** GmbH & CoKG (= Beschwerdeführerin) eine Außenprüfung durchgeführt. Gegen die daraus resultierenden Bescheide betreffend Umsatzsteuer und Feststellung der Einkünfte 2012 bis 2014, Umsatzsteuerfestsetzung 02/2015 und 02/2016 sowie Säumniszuschläge hinsichtlich Umsatzsteuer 2012 bis 2014 wurde mit Schriftsatz des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin vom das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen Bescheide abgeändert (Verböserung).

Mit Schreiben vom teilte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin dem Finanzamt Folgendes mit:
"…bezugnehmend auf unsere Beschwerde vom betreffend die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2012 bis 2014, die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 2012 bis 2014 sowie die Säumniszuschläge bezüglich Umsatzsteuer 2012 bis 2014 teilen wir Ihnen mit, dass wir diese hiermit im Sinne des § 256 BAO zurücknehmen."

Mit Bescheid vom wurde der Antrag betreffend Zurücknahme der Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 256 BAO die Beschwerde bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden könne. Wenn bereits eine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden sei und in weiterer Folge ein Vorlageantrag eingebracht werde, so gelte diese durch den Vorlageantrag als wiederum unerledigt und könne daher im Vorlageantrag die Beschwerde zurückgezogen werden. Gegenständlich sei kein Vorlageantrag eingebracht worden und könne die Beschwerde nicht mehr zurückgezogen werden, da die Entscheidung (BVE) bereits bekanntgegeben worden sei. Die Beschwerde sei daher auch nicht gegenstandslos zu erklären.

Mit Schreiben vom wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass der Vorlageantrag betreffend Beschwerdevorentscheidung vom (Posteingang am ) nicht innerhalb der Monatsfrist gestellt worden sei. Es habe sich um einen Rechtsirrtum gehandelt. Gemäß 8 Ob A 2045/96 und , bzw. BMF-010103/0019-VI/2006, könne Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen sei. Der Vorlageantrag sei im Gesetzestext nicht als Voraussetzung für die Gültigkeit der Zurücknahme einer Beschwerde genannt. In teleologischer Interpretation sei es widersprüchlich nach Vorliegen einer Beschwerdevorentscheidung innerhalb der Rechtsmittelfrist zwei gegensätzliche Handlungen (und zwar einen Vorlagenantrag und die Zurücknahme der Beschwerde) vorzunehmen.
Voraussetzung sei ein minderer Grad des Versehens. Leichte Fahrlässigkeit liege vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liege vor, wenn jemand auffallend sorglos handle. Herr Mag. ***Stb1*** habe die Beschwerde innerhalb der Rechtsmittelfrist zurückgenommen. Sein gefestigter Wissenstand sei gewesen, dass eine Beschwerde bis zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht zurückgenommen werden könne. Er habe dies anhand des Gesetzeswortlautes des § 256 BAO verifiziert und sich in seinem gespeicherten Wissen bestätigt gesehen, da in Abs. 1 und Abs. 3 unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet würden. In Abs. 3 werde der Begriff Beschwerdevorentscheidung explizit genannt, wohingegen dies in Abs. 1 nicht erfolge. In wörtlicher Interpretation könne daraus gefolgert werden, dass eine Zurücknahme bis zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht möglich sei, also eine Beschwerdevorentscheidung nicht schädlich sei, solange diese noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Er habe unter dem in Absatz 1 verwendeten Begriff "Entscheidung über die Beschwerde" die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht verstanden und nicht auch eine Beschwerdevorentscheidung (wie unter Punkt 3) darunter subsumiert. Herr Mag. ***Stb1*** habe nachweislich (BMD-Archiv) am den BAO Kommentar von Ritz zu § 256 BAO (6. Auflage 2017) geprüft und ebenso den Kommentar "Die land- und forstwirtschaftliche Hauptfeststellung 2014" zum Thema "Zurücknahme der Beschwerde". Die diesbezüglichen Ausführungen seien von Herrn Mag. ***Stb1*** so gelesen worden, dass eine Zurücknahme bis zur Entscheidung (durch das BFG) und daher "selbst nach Stellung eines Vorlageantrages" eine Zurücknahme der Beschwerde noch zulässig sei, aber nicht so, dass ein Vorlageantrag Voraussetzung für die Zurücknahme der Beschwerde wär, da dies - wie oben ausgeführt - ja zwei gegenläufige Handlungen (Vorlageantrag und gleichzeitige Zurückziehung der Beschwerde) erfordern würde, was der normalen Logik widersprechen würde und ihm sei diese Lesart nicht in den Sinn gekommen. Herr Mag. ***Stb1*** habe aufgrund seiner langjährigen Erfahrung (Steuerberaterprüfung 2001) einen sehr breiten steuerlichen Wissensstand und bisher noch nie einen verfahrensrechtlichen Fehler begangen. Er bilde sich deutlich mehr fort, als laut den Fortbildungsrichtlinien der Kammer der Wirtschaftstreuhänder erforderlich wäre. Da der Sinn und Zweck des § 256 BAO eine Rücknahmemöglichkeit der Beschwerde bis zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht sei, sei er nicht auf die Idee gekommen, dass neben der Zurücknahme ein dieser widersprechender formalrechtlicher Akt notwendig sei.
Weiters werde darauf hingewiesen, dass eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Thematik nicht vorliege und daher von keiner geklärten Rechtslage ausgegangen werden könne, was ebenfalls gegen grobe Fahrlässigkeit sprechen würde.
Herrn Mag. ***Stb1*** könne daher lediglich ein minderer Grad des Versehens zur Last gelegt werden, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen passieren würde.
Die Zustellung des Bescheides, mit dem die Zurücknahme der Beschwerde vom abgewiesen wurde, sei am zugestellt worden. Der stelle daher den Beginn des Fristenlaufes von drei Monaten dar. Der Wiedereinsetzungsantrag werde daher rechtzeitig eingebracht.
Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde ein Vorlageantrag betreffend die Beschwerde vom eingebracht.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Nach ausführlicher Darstellung der Rechtslage legte das Finanzamt dar, dass im vorliegenden Fall kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis iSd § 308 BAO vorliege. Es sei nämlich die Frist zur Einreichung eines Vorlageantrages verabsäumt worden. Dass die entsprechende Rechtsmittelfrist nicht bekannt gewesen sei, könne ausgeschlossen werden. Die antragstellende Partei würde selbst zugeben, innerhalb der Rechtsmittelfrist die Beschwerde zurückgezogen zu haben. Damit wäre ihr bewusst gewesen, dass sie im Zeitraum (Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom ) bis zum Ablauf des noch einen Vorlageantrag hätte einreichen können. Umstände, die sie daran gehindert hätten, seien nicht genannt worden.
Zum fehlenden Verschulden sei anzuführen, dass die von der Antragstellerin praktizierte Vorgangsweise nach Meinung der Behörde auf grundlegend unrichtigen Überlegungen beruhen würde. Rein begrifflich könnten nur noch nicht erledigte Rechtsmittel zurückgezogen werden. Ein diesbezüglicher Irrtum sei weder nach logischen Denkgesetzen, noch aus der Textierung des § 256 BAO erkennbar. In Absatz 1 würde es ausdrücklich heißen, dass Beschwerden bis zur Bekanntgabe der Entscheidung zurückgezogen werden könnten. Aus den allgemeinen Bestimmungen im Rechtsmittelverfahren gehe eindeutig hervor, dass solche Entscheidungen in der Regel durch die Abgabenbehörde selbst (mittels Beschwerdevorentscheidung) oder durch das Bundesfinanzgericht (durch Beschluss oder Erkenntnis) getroffen würden. Dies werde durch die Bestimmung des § 256 Abs. 3 sogar ausdrücklich bestätigt. Wie es in dieser Hinsicht zu einem Irrtum kommen könne, erscheine nicht nachvollziehbar.
Schlussfolgernd sei dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen, durch welches unvorhergesehene bzw. unabwendbare Ereignis der Abgabepflichtige bzw. dessen steuerliche Vertretung verhindert gewesen wäre, die Vorlageantragsfrist einzuhalten.

Mit Schriftsatz vom wurde durch die ausgewiesene steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass die Wiedereinsetzung unmittelbar mit dem gleichzeitig eingebrachten Vorlageantrag gegen den Bescheid vom bezüglich Abweisung der Zurücknahme der Beschwerde zusammenhänge. Daher werde das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt.
Es werde auf die im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom vorgebrachten Punkte verwiesen, die in der Folge neuerlich dargelegt wurden.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Direktvorlage gemäß § 262 Abs. 2 BAO).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich unbestritten aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensablauf, den vorgelegten Aktenteilen und den Parteienvorbringen.

Die Beschwerde vom wurde nach Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung am ohne Einbringung eines Vorlageantrages mit Schreiben vom zurückgezogen. Strittig ist, ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist für die Einbringung eines Vorlageantrages rechtlich zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 308 BAO lautet:
(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 124/2003)
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
(4) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung auch bei der Abgabenbehörde eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.

Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind die Versäumung einer Frist, ein hierdurch entstandener Rechtsnachteil, ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, kein grobes Verschulden sowie ein rechtzeitiger Antrag auf Wiedereinsetzung.

Versäumung einer Frist

Fristen sind Zeiträume, vor oder nach deren Ablauf eine bestimmte Handlung rechtswirksam vorgenommen werden muss, um die vorgesehenen Rechtswirkungen auszulösen. Zum Wesen einer Frist gehört im gegebenen Zusammenhang jedenfalls ein Endzeitpunkt. Liegt keine (versäumte) Frist vor, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von vornherein nicht in Betracht. (Brennsteiner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO³ (2021) § 308 Rz 2)

Die Beschwerdevorentscheidung vom wurde nachweislich am zugestellt. Die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages endete daher (§ 264 Abs. 1 1. Satz BAO) am Donnerstag, den . Diese Frist wurde von der Beschwerdeführerin unbestritten versäumt, der Vorlageantrag wurde erst gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom eingebracht.

Rechtsnachteil

Rechtsnachteil im Sinne des § 308 BAO ist der Umstand, dass eine befristete Prozesshandlung nicht mehr vorgenommen werden kann. Es ist dabei nicht zu prüfen, ob die versäumte Verfahrenshandlung den beabsichtigten Erfolg gehabt hätte, sondern nur, ob sie zulässig gewesen wäre und ob ihre Wahrnehmung durch einen im § 308 BAO umschriebenen Umstand verhindert wurde (Stoll, BAO, 2972 f). Ob sich die versäumte Handlung letztlich zum Vorteil der Partei auswirken würde, ist nicht maßgebend.

Es ist daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu prüfen, ob sich der versäumte und gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholte Vorlageantrag letztlich zu Gunsten oder Ungunsten der Partei auswirken würde. Wesentlich ist nur, dass die beschwerdeführende Partei infolge Ablaufes der Rechtsmittelfrist keinen Vorlageantrag mehr einbringen kann und dadurch einen Rechtsnachteil erfährt.

Unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis

Ein Ereignis ist jedes Geschehen, also nicht nur ein Vorgang in der Außenwelt, sondern auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sich irren usw. Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (Ritz BAO 6. Auflage, § 308, Tz 8ff).

Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum sind zwar nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich keine Wiedereinsetzungsgründe und können nur in Ausnahmefällen einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, etwa wenn der Irrtum von der Behörde veranlasst wurde. (Ritz BAO 6. Auflage, § 308, Tz 12ff)

Der Verwaltungsgerichtshof hat beispielsweise im Erkenntnis , zu § 308 Abs. 1 BAO ausgesprochen, dass ein Rechtsirrtum ein maßgebliches Ereignis sein könne und im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen sei. Ausdrücklich führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen könne.

Die geänderte Rechtsauslegung durch die Behörden oder unterschiedliche Entscheidungen der Abgabenbehörde zweiter Instanz stellen für sich genommen keine unvorhergesehenen Ereignisse iSd § 308 BAO dar. (; )

Gegenständlich ging der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers davon aus, dass er nach Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung innerhalb der Rechtsmittelfrist zur Einbringung eines Vorlageantrages die Beschwerde zurücknehmen kann.

Damit ist der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei jedoch einem schlichen Rechtsirrtum aufgesessen. Gemäß § 256 Abs. 1 BAO können Beschwerden (nur) bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären. Wurde eine Beschwerde zurückgenommen, ist sie nach § 256 Abs. 3 BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über eine Bescheidbeschwerde nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Die Gegenstandsloserklärung mit Beschluss iSd § 278 BAO obliegt dem Bundesfinanzgericht.

Selbst wenn man den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag folgen würde, wonach die Formulierung "bis zur Bekanntgabe der Entscheidung" insofern irreführend sei, als darunter auch die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht zu subsumieren ist, bringt der Absatz 3 jedenfalls eine Klarstellung. Nach der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ist die Abgabenbehörde nicht befugt, in der gleichen Sache noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Das bedeutet, nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung kann nur mehr das Bundesfinanzgericht eine Gegenstandsloserklärung mit Beschluss durchführen. Dafür ist aber die Einbringung eines Vorlageantrages notwendig. Die Zurücknahme einer Beschwerde nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ist nur nach Einbringung eines rechtzeitigen Vorlageantrages zulässig, da mit rechtzeitiger Einbringung des Vorlageantrages nach § 264 Abs. 3 BAO die Bescheidbeschwerde wieder als unerledigt gilt. (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO³ § 256 Rz 8)

Das Vorliegen eines Rechtsirrtums, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde, liegt jedenfalls nicht vor, wenn sich die entsprechende Rechtslage eindeutig aus der Gesamtheit der mit der jeweiligen Rechtsfrage in Zusammenhang stehenden gesetzlichen Regelungen ergibt.

Im Übrigen wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom . RV/7105610/2019, in Zusammenhang mit der Zurückweisung der Beschwerde vom verwiesen.

Verschulden

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist darüber hinaus aus folgendem Grund der Erfolg versagt: Beim Verschulden der Partei an der Versäumung der Frist darf es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handeln. Ein minderer Grad des Versehens liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Der Verwaltungsgerichtshof definiert minderen Grad des Versehens als leichte Fahrlässigkeit. Der Wiedereinsetzungswerber bzw der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (vgl. ).

An rechtskundige Parteienvertreter ist hierbei ein strengerer Maßstab anzulegen als an am Verfahren beteiligte rechtsunkundige Parteien. Dabei muss sich nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung der Vertretene das Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen ( mit weiteren Nachweisen).

Insgesamt betrachtet gelangte das Gericht zur Erkenntnis, dass das Verhalten des steuerlichen Vertreters über dem tolerierbaren minderen Grad des Verschuldens einzustufen ist. Ein sorgfältiger Mensch, beurteilt nach den persönlichen Fähigkeiten des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers, liest die Rechtsgrundlagen in ihrer Gesamtheit und erkennt die relevanten Zusammenhänge.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat oder ob ein Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt ist, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes (vgl. ).
Damit erweist sich die gegenständliche Beurteilung der Umstände als einzelfallbezogen, ohne über den vorliegenden Fall hinaus zu weisen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




§ 256 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7105611.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at