Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.11.2021, RV/7300052/2019

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Ortsabwesenheit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Koch & Partner SteuerberatungsgmbH, IZ Nö Süd, Str. 7, Obj. 58D 3 Tür 5, 2355 Wiener Neudorf, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer 07-2018/04549-001, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 Finanzstrafgesetz (FinStrG) vom zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend geändert wird, als der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom als unzulässig zurückgewiesen wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Organ des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , ***SpS1***; ***SN1***, wurde der Beschwerdeführer ***Bf1*** (=Bf.) schuldig gesprochen, vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen waren, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abgeführt und auch der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt nicht die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben zu haben.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. durch seinen Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG und legte eine Beschwerde gegen das Erkenntnis des Spruchsenates samt einer ärztlichen Bescheinigung über die Abwesenheit in Österreich bei. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei am versucht worden, das Erkenntnis mittels RSa-Brief an den Bf. zuzustellen. Da der Bf. nicht anwesend war, sei das Schriftstück am hinterlegt worden. Der Bf. habe während dieser Zeit aufgrund einer akuten, schweren Erkrankung im Ausland verweilt und sei deshalb über die Zustellung nicht informiert worden. Eine ärztliche Bescheinigung liege dem Antrag bei. Nach Ablauf der Abholfrist sei das Schriftstück an das Finanzamt retour gesendet worden und habe dieses das Erkenntnis nach Aussage des für das Strafverfahren beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg zuständigen Sachbearbeiters am erneut an die Privatadresse des Bf. zugestellt, der sich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch immer im Ausland befunden habe.

Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG seien Dokumente dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. § 2 Z 2 ZuStG definiere als Abgabestelle unter anderem die Wohnung, sonstige Unterkunft oder den Arbeitsplatz des Empfängers. Der Zustellversuch sei an die Privatadresse des Bf. erfolgt. Sofern das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden könne, sei das Dokument gemäß § 17 Abs. 1 ZuStG zu hinterlegen. § 17 Abs. 3 ZuStG führe weiter aus, dass bei einer Hinterlegung die Zustellung nicht erfolge, wenn der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Die Zustellung erfolge in diesem Fall an dem der Rückkehr an die Abgabenstelle folgenden Tag. Könne ein Brief trotz Hinterlegung nicht zugestellt werden, sei die Behörde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 ZuStG verpflichtet, das Dokument an eine andere Abgabestelle zuzustellen, sofern diese für die Behörde ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Die Behörde verweise während des Finanzstrafverfahrens selbst mehrmals darauf, dass der Bf. Geschäftsführer mehrerer Unternehmen in Österreich sei und dass dieser, bzw. die gegenständliche ARGE, eine steuerliche Vertretung habe. Für die Behörde wäre es daher ohne Schwierigkeit feststellbar gewesen, dass für den Bf. weitere Abgabestellen in Österreich bestehen. Trotzdem sei die neuerliche Zustellung nicht an eine Geschäftsanschrift, sondern wiederholt an die Privatadresse erfolgt. Der Bf. habe erstmals am von der Zustellung Kenntnis erlangt. Der Fristenlauf für die Beschwerde gegen das Erkenntnis beginne mit der Zustellung vom .

Laut beigelegter ärztlicher Bescheinigung vom habe sich der Bf. in Behandlung des FA für Allgemeinmedizin ***Doktor XY*** in Frankfurt befunden und sei aufgrund einer schweren akuten Erkrankung vom 03.05. bis arbeits- und reiseunfähig gewesen.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und wie folgt ausgeführt:

"Im Schreiben vom des Beschuldigten ***Bf1***, geb. , wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 167 FinStrG damit begründet, dass dieser von bis wegen einer akuten Krankheit in ***DoktorAdr*** bei ***Doktor XY***, Facharzt für Allgemeinmedizin, in Behandlung war (siehe ärztliche Bestätigung auf Beilage 3 des Antrages).

Weiters wird in dem Schreiben ausgeführt, dass am ein Zustellversuch mittels RSa-Brief für das Erkenntnis des Spruchsenates vom erfolgt sei, dieser jedoch nicht erfolgreich war und folglich die Hinterlegung am erfolgte.

Im Antrag wird außerdem erörtert, dass durch die Abwesenheit des Beschuldigten ***Bf1*** an der Abgabestelle vom bis von der Zustellung nicht
Kenntnis erlangen konnte und folglich die Zustellung erst mit dem der Rückkehr von
***Bf1*** an die Abgabenstelle folgenden Tag bewirkt war. Der Tag nach der Rückkehr des ***Bf1*** an die Abgabestelle ist im Antrag mit angeführt. Unterlagen, die zur Glaubhaftmachung der Rückkehr des ***Bf1*** an die Abgabestelle am dienen, wurden nicht vorgelegt.

Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist gemäß § 167 Abs. 1 FinStrG auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.

Dass dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Beschuldigte hat den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen. Dabei hat die Partei selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die eine solche Wiedereinsetzung gestützt werden kann. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gedeckt ist (, , 0312).

Die Glaubhaftmachung hat im Gegensatz zur Beweisführung nur den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand, wobei die Glaubhaftmachung den Regeln der freien Beweiswürdigung unterliegt. Das Ereignis, das den Antragsteller an der Wahrnehmung der Frist hinderte, muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag genau umschrieben werden. Der Antragsteller hat nicht nur das hindernde Ereignis, sondern auch den Umstand, dass ihn an dessen Eintritt kein Verschulden trifft, glaubhaft zu machen (). Die Finanzstrafbehörde merkt an, dass das RSa-Kuvert mit dem Erkenntnis des Spruchsenates am an die Finanzstrafbehörde zurückgesendet wurde und am selben Tag mittels Kuvert ohne Rückschein an die Wohnadresse laut ZMR verschickt wurde.

In der dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beigelegten Beschwerde zum Straferkenntnis des Spruchsenates vom wurde ausgeführt, dass sein Steuerberater ihm gesagt habe, dass eine abgabenbehördliche Erhebung gem. § 143 BAO und das Finanzstrafverfahren erledigt seien. Deswegen habe er auch keine Stellungnahme zu dem Finanzstrafverfahren mehr abgegeben. Aus der Aussage ist ersichtlich, dass die Kenntnis hinsichtlich des Finanzstrafverfahrens vor der am angesetzten mündlichen Verhandlung vorlag.

Der Beschuldigte ***Bf1*** hatte damit bereits vor der am angesetzten mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat die Kenntnis, dass die Änderung der Abgabestelle der Finanzstrafbehörde zu melden ist, da dem Einleitungsschreiben für das Finanzstrafverfahren vom eine Rechtsbelehrung beigelegt ist, in der wie folgt auf die Verpflichtung hingewiesen wird: "Wenn sich während des Verfahrens die Wohnung oder eine andere Abgabestelle (Betriebsstätte, Geschäftsraum etc.) ändert, haben Sie dies unverzüglich der Finanzstrafbehörde bekannt zu geben. "

***Bf1*** wusste vor seinem Auslandsaufenthalt bereits, dass eine Entscheidung hinsichtlich der am erhobenen Tatvorwürfe zu erwarten war, weswegen er umso mehr schon aus Schutz seiner eigenen Interessen im Finanzstrafverfahren darauf bedacht sein musste, die richtige Abgabestelle zu nennen.

Während seiner Abwesenheit von der Abgabestelle sei es laut Aussage des Beschuldigten zu der akuten Erkrankung gekommen, die eine Behandlung in Frankfurt am Main erforderlich machte und eine Arbeits- und Reiseunfähigkeit von bis zur Folge hatte.

***Bf1*** hat im Rahmen des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, die eine Arbeits- und Reiseunfähigkeit vom bis attestiert und auch erwähnt, dass er sich als Patient des
***Doktor XY*** in dessen Behandlung befinde. Jedoch gingen aus der ärztlichen Bescheinigung keine Informationen hervor, die glaubhaft auf eine unabwendbare und unvorhersehbare Erkrankung schließen.

Auf telefonischen Vorhalt vom beim Vertreter des ***Bf1*** im Finanzstrafverfahren, Mag. Thomas KOCH von der Steuerberatungskanzlei Koch & Partner Steuerberatungs GmbH, hat die Finanzstrafbehörde um Belege ersucht, die die Verrechnung und die tatsächliche Entrichtung der behaupteten ärztlichen Behandlung glaubhaft machen.

Diese Unterlagen wurden mit in Form einer Honorarnote, datiert mit , vorgelegt. Diese Honorarnote listet Behandlungstermine, Behandlungsleistungen sowie die verrechneten Beträge auf.

Es ist für die Finanzstrafbehörde weiterhin fragwürdig, dass sowohl die ärztliche Bescheinigung (datiert ) als auch die Honorarnote (datiert ) erst dann erstellt wurden, als solche Unterlagen für den Antrag auf Wiedereinsetzung benötigt wurden. Vor allem entspricht es nicht der Lebenserfahrung, dass sich ein Arzt für die Verrechnungen ärztlicher Leistungen, noch dazu an einen ausländischen Patienten, bis zu zwei Monate Zeit lässt (erste Behandlung ) und die Fälligkeit somit fast 2 1/2 Monate nach der ersten Behandlung eintritt.

Somit wurde nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass eine ärztliche Behandlung in dem Ausmaß tatsächlich stattfand, die seine erzwungene Abwesenheit von der Abgabestelle von bis begründen könnte.

Selbst wenn eine ärztliche Behandlung von bis in Frankfurt am Main tatsächlich nötig war und stattgefunden hat, so war es dennoch ***Bf1*** schon vom Anfangszeitpunkt einer vorliegenden Arbeits- und Reiseunfähigkeit () bis zum (Rücksendung des RSa-Kuverts an die Behörde und Wiederversendung mit Kuvert ohne Rückschein an dieselbe Abgabestelle) vorhersehbar, dass er (v.a. in Bedacht von Rechtsmittelfristen) nicht zeitnah an die Abgabestelle zurückkehren kann und es ihm in diesem Zeitraum zumutbar war, auch im eigenen Interesse zur Vermeidung von Nachteilen im Finanzstrafverfahren, die Finanzstrafbehörde zumindest von der Ortsabwesenheit zu informieren oder (richtiger) eine für die Dauer des Aufenthaltes in Deutschland temporäre Änderung der Abgabestelle zu melden.

Aufgrund des aufgeführten Sachverhaltes ist ersichtlich, dass weder die Unvorhersehbarkeit noch die Unabwendbarkeit vorliegen. Es ist weiters ersichtlich, dass es sich seitens ***Bf1*** nicht um einen minderen Grad des Versehens handeln kann.

***Bf1*** führt in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zusätzlich aus, dass wenn ein Brief trotz Hinterlegung nicht zugestellt werden kann, die Behörde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 ZustG verpflichtet ist, das Dokument an eine andere Abgabestelle zuzustellen, sofern diese für die Behörde ohne Schwierigkeit festgestellt werden kann.

Die Finanzstrafbehörde merkt an, dass sich ***Bf1*** im Zeitraum vom Zustellversuch am bis zur von ihm behaupteten Rückkehr am nicht an der Privatadresse aufgehalten haben soll, die Abgabestelle jedoch noch aufrecht war.

Die für diesen Zeitraum relevante Abgabestelle (Aufenthaltsort in Deutschland während seiner Abwesenheit) konnte somit nicht ohne Schwierigkeiten durch die Behörde ermittelt werden. Viel mehr ist der Behörde bis heute nicht bekannt ist, wo diese Abgabestelle des ***Bf1*** in Deutschland war. Die Zustellung erfolgte somit an der der Behörde bekannten, noch aufrechten Abgabestelle.

Eine alternative Zustellung an eine andere Abgabestelle, wie z.B. den Adressen der anderen Unternehmen in denen ***Bf1*** Geschäftsführer war, war insofern von der Behörde im Zeitraum der Zustellung nicht in Betracht zu ziehen, da die Hinterlegung rechtsrichtig erfolgte.

Es wird weiters im Antrag auf Wiedereinsetzung darauf hingewiesen, dass ***Bf1*** bzw. die gegenständliche ARGE eine steuerliche Vertretung hat. Man kann diese Aussage so lesen, dass hiermit zum Ausdruck gebracht wird, dass die Zustellung an die steuerliche Vertretung ebenso möglich war und diese Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festzustellen war.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die steuerliche Vertretung von ***Bf1*** nicht amtswegig als Vertreter im Finanzstrafverfahren angenommen werden darf und damit die Zustellung bis zur Nennung eines Vertreters im Finanzstrafverfahren ausschließlich zu eigenen Handen an den Beschuldigten zu erfolgen hat.

Konsequenterweise war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 167 FinStrG abzuweisen."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom , in welcher wie folgt ausgeführt wird:

"Sachverhalt und Begründung

Am stellten wir im Namen unseres Mandanten, Herrn ***Bf1***, den im Betreff genannten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Als Begründung wurde angegeben, dass kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis vorliegt. Dieser Ansicht wurde durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung eindeutig widersprochen. Die Krankheit war, wie aus der ärztlichen Bescheinigung hervorgeht, akut und somit musste sich Herr ***Bf1*** einer ärztlichen Behandlung unterziehen. In der Begründung des Abweisungsbescheides vom bezweifelt der zuständige Finanzamtsmitarbeiter die ärztliche Bescheinigung mit dem Grund, dass die ärztliche Bestätigung erst nach Aufforderung per ausgestellt wurde. Der pauschale Vorwurf des Finanzamtes im Abweisungsbescheid, dass ein anerkannter Arzt eine falsche Bestätigung ausstellt, ist äußerst bedenklich! Die Bestätigung wurde selbstverständlich erst nach Aufforderung seitens des Finanzamtes ausgestellt, da dies davor nicht notwendig war.

Durch die Abwesenheit von seinem Wohnsitz hat Herr ***Bf1*** einen Rechtsnachteil erlitten. Aufgrund der Mitteilung des ehemaligen Steuerberaters, dass das Finanzstrafverfahren abgeschlossen sei, trifft Herrn ***Bf1*** kein grobes Verschulden daran, dass er, noch dazu aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses, nicht umgehend an eine Änderung der Zustellbenachrichtigung dachte. Es handelt sich daher sehr wohl um ein Versehen minderen Grades. Die Unabwendbarkeit und Unvorhersehbarkeit der Krankheit ist durch die ärztliche Bescheinigung erwiesen und glaubhaft.

Wie bereits in unserem Antrag auf Wiedereinsetzung vom erwähnt, erfolgt die Zustellung bei Hinterlegung eines Schriftstückes gemäß § 17 Abs. 3 ZuStG an dem der Rückkehr des Empfängers an die Abgabestelle folgenden Tag, im Fall von Herrn ***Bf1*** somit am . Die dem Wiedereinsetzungsantrag beigelegte Beschwerde vom gegen das Erkenntnis vom erfolgte daher, unabhängig des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, fristgerecht innerhalb eines Monats! Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Behandlung der Beschwerde wäre daher grundsätzlich nicht notwendig. Selbst wenn das Finanzamt die Rückkehr am bezweifelt, so geht aus der ärztlichen Bestätigung hervor, dass Herr ***Bf1*** bis in Deutschland in Behandlung war und somit nicht an seinem Wohnort anwesend sein konnte. Auch in diesem Fall wäre die Beschwerde vom fristgerecht eingebracht! Die Behandlung der Beschwerde vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenats des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom durch den Bundesfinanzgerichtshof hat somit unabhängig von einem Wiedereinsetzungsantrag zu erfolgen!

Im Namen unseres Mandanten, Herrn ***Bf1***, stellen wir folgende

Anträge:

1. Beschwerde gem. § 150 FinStrG gegen den Bescheid über die Abweisung des gem. § 167 FinStrG am gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom .

2. Vorlage und Entscheidung über die (fristgerecht eingebrachte) Beschwerde gem. § 150 FinStrG vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenats beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom durch das Bundesfinanzgericht.

3. Aufschiebende Wirkung gem. § 152 Abs. 2 FinStrG bis zur Erledigung der Beschwerde."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Mit Erkenntnis des Spruchsenats beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Organ des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom wurde der Bf. nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG für schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe iHv € 10.000,00, im Nichteinbringungsfalle zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Am wurde versucht, das Erkenntnis mittels RSa-Brief dem Bf. zuzustellen. Da dieser nicht anwesend war, wurde das Schriftstück hinterlegt und als Beginn der Abholfrist der festgelegt. Nach dem Ende der Abholfrist wurde das Schriftstück an das Finanzamt retour gesendet und hat dieses das Erkenntnis erneut am an die laut Zentralmeldeamt aufrechte Privatadresse des Bf. ohne Rückscheinkuvert versendet.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. durch seinen Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen das Erkenntnis des Spruchsenates unter Beilage einer ärztlichen Bescheinigung vom , wonach er sich in Behandlung des FA für Allgemeinmedizin ***Doktor XY*** in Frankfurt befunden und aufgrund einer schweren akuten Erkrankung vom 03.05. bis arbeits- und reiseunfähig gewesen sei.

In Entsprechung eines telefonischen Vorhalts der Behörde vom beim Vertreter des Bf. im Finanzstrafverfahren, demgemäß um Belege ersucht wurde, die die Verrechnung und die tatsächliche Entrichtung der behaupteten ärztlichen Behandlung glaubhaft machen, wurden am Unterlagen in Form einer Honorarnote, datiert mit , vorgelegt. Diese Honorarnote listet Behandlungstermine, Behandlungsleistungen sowie die verrechneten Beträge auf. Im Konkreten wurde für folgende ärztliche Leistungen ein Honorar von € 239,48 in Rechnung mit Zahlungsziel gestellt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

Der festgestellte Sachverhalt ist - sofern nicht anders angegeben - unstrittig und ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Parteienvorbringen.

Rechtslage und Beweiswürdigung

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen (§ 17 Abs. 1 Zustellgesetz)

Gemäß § 17 Abs. 2 ZustellG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Hält sich der Empfänger nicht regelmäßig (§ 17 Abs. 1) an der Abgabestelle auf, so ist das Dokument an eine andere inländische Abgabestelle nachzusenden, wenn es durch Organe der Behörde oder einer Gemeinde zugestellt werden soll, die neue Abgabestelle ohne Schwierigkeit festgestellt werden kann und im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde oder der Gemeinde liegt (§ 18 Abs. 1 Zi 2 ZustG).

§ 167 FinstrG lautet:

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, daß er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht gestellt werden, je nachdem, ob die Frist bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht wahrzunehmen war oder dort die Verhandlung stattfinden sollte. Diese sind auch jeweils zur Entscheidung über den Antrag berufen. Das Bundesfinanzgericht entscheidet mit Beschluss. War die Frist beim Spruchsenat wahrzunehmen oder sollte die Verhandlung vor dem Spruchsenat stattfinden, entscheidet der Vorsitzende des Spruchsenates über den Wiedereinsetzungsantrag.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Die Behörde, die über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hat, kann diesem aufschiebende Wirkung beilegen.

(5) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die schon früher für unzureichend befunden worden sind, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.

Will eine Behörde davon ausgehen, eine Sendung sei durch Hinterlegung zugestellt, so trifft sie von Amts wegen die Pflicht festzustellen, ob durch die Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde und ob etwa der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (). Daher ist vor der Zurückweisung einer Berufung oder eines Rechtsbehelfs wegen Verspätung das Parteiengehör zu wahren (). Wird ein Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelf im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsantrag erhoben, ändert dies nichts an der in Rede stehenden amtswegigen Feststellungspflicht, weil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begrifflich nur möglich ist, wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde. Wurde mangels Zustellung keine Frist versäumt, dann fehlt eine wesentliche Voraussetzung eines Wiedereinsetzungsantrages ().

Gegenständlich wurde das Erkenntnis des Spruchsenates an der aufrechten Wohnadresse des Bf. durch Hinterlegung zugestellt und hatte die Behörde zunächst keine Veranlassung, aufgrund der aktuellen Wohnadresse an einem Zustellmangel zu zweifeln. Bei der nochmaligen Versendung des Erkenntnisses ohne Zustellnachweis an die aufrechte Abgabestelle nach eingeholter Zentralmeldeamtsanfrage handelte es sich lediglich um eine Servicefunktion.

Im Wiedereinsetzungsantrag wird ausgeführt, entsprechend dem § 18 Abs.1 Z 2 ZustG wäre die Behörde verpflichtet gewesen, das Dokument an eine andere ihr bekannte inländische Abgabestelle zuzustellen, da diese für die Behörde ohne Schwierigkeiten festgestellt hätte werden können, zumal die Behörde während des Finanzstrafverfahrens selbst mehrmals darauf verwiesen habe, dass der Bf. Geschäftsführer mehrerer Unternehmen in Österreich sei. Trotzdem sei die neuerliche Zustellung nicht an eine Geschäftsanschrift, sondern wiederholt an die Privatadresse erfolgt. Diesem Vorbringen wurde bereits im angefochtenen Bescheid zu Recht entgegengehalten, dass im Hinblick auf die angenommene rechtsgültige Zustellung durch Hinterlegung hierfür kein Anlass bestand und damit die Behörde gar keinen Grund gehabt hat, Nachforschungen anzustellen. Desgleichen wäre eine Zustellung an die steuerliche Vertretung ebenso wenig möglich gewesen, da eine Zustellung bis zur Nennung eines Vertreters im Finanzstrafverfahren ausschließlich zu eigenen Handen an den Beschuldigten zu erfolgen hat. Wenn mit diesem Vorbringen ein Zustellmangel behauptet wird, so ist darauf hinzuweisen, dass die Behauptung eines Zustellungsmangels keinen Wiedereinsetzungsgrund bildet, weil bei mangelhafter Zustellung die Frist nicht zu laufen begonnen hätte ().

Soweit der Zustellvorgang rechtmäßig erfolgt ist, eine Hinterlegung der Postsendung gemäß § 17 ZustG stattgefunden und der Empfänger dennoch keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt hat, wie dies im gegenständlichen Fall behauptet wird, kann diese Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstückes - sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt - geeignet sein, einen Wiedereinsetzungsgrund zu begründen (vgl. , , , 2001/08/0011, , 97/18/0418, , 2001/20/0425, u.a.). In jenem Fall, in dem von der Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt wird, steht grundsätzlich das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung. Ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis kann nämlich darin liegen, dass die Partei vom Zustellvorgang nicht Kenntnis erlangt hat (vgl. , ). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht die bloße Behauptung der Ortsabwesenheit ohne konkrete Angabe über Zeitraum und Grund der Abwesenheit nicht aus (; , 95/17/0072; , 97/02/0926). Der Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde, er macht Beweis über die Zustellung. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (; , 95/19/0764).

Gegenständlich behauptet der Bf. unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vom , er habe sich zum Zeitpunkt der Hinterlegung in Frankfurt aufgehalten und sei aufgrund einer schweren akuten Erkrankung vom bis arbeits- und reiseunfähig gewesen. Vom Erkenntnis des Spruchsenates habe er erst am Tag seiner Rückkehr ins Inland am erfahren und dokumentiert dies auf Vorhalt der Behörde, indem er eine Honorarnote über Behandlungsleistungen durch den FA für Allgemeinmedizin ***Doktor XY*** in Frankfurt vorlegt. Damit macht der Bf. glaubhaft, dass er sich in der Zeit vom , sohin vor dem Zeitpunkt der Zustellung, bereits nicht mehr an der Abgabestelle aufgehalten hat und erst (frühestens) am wieder an die Abgabestelle zurückgekehrt ist, sohin außerhalb der 14-tägigen Hinterlegungsfrist, aufgrund dessen die Briefsendung von der Post an das Finanzamt mit dem Vermerk "zurück - nicht behoben" retourniert wurde. Eine rechtswirksame Zustellung des Straferkenntnisses durch Hinterlegung ist sohin nicht erfolgt.

Da die Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist wegen Ortsabwesenheit des Bf. im Nachhinein betrachtet nicht als gesetzmäßig erfolgt angesehen werden kann, gilt das Spruchsenatserkenntnis nicht bereits mit dem Tag als zugestellt, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde (§ 17 Abs. 3 Satz 3 ZustG), sondern erst mit jenem Tag, an dem der Bf. die hinterlegte Sendung nach seiner Rückkehr zur Abgabestelle beheben konnte (§ 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG). Auszugehen ist hier vom , dem Tag, an dem der Bf. von der Zustellung Kenntnis erlangte bzw. frühestens am unter der Annahme, der Bf. sei (aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt attestierten Reiseunfähigkeit laut ärztlicher Bestätigung) bereits an diesem Tag an die Abgabestelle zurückgekehrt.

Die Beschwerde gegen das Erkenntnis des Spruchsenates langte am bei der Finanzstrafbehörde ein und gilt somit als fristgerecht eingebracht.

Ist die Frist nicht versäumt, etwa weil das den Fristlauf auslösende Schriftstück nicht zugestellt ist, so ist keine Widereinsetzung möglich (vgl zB , 0052; , 97/17/0117). Ein dennoch eingereichter Wiedereinsetzungsantrag ist zurückzuweisen (zB Gaisbauer, ÖGZ 1985, 24; ; , 96/16/0072; , 2006/13/0010; 2007/13/0126; s. Ritz, BAO5, § 308, Tz 4). Daraus folgt, dass die Voraussetzung zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlagen und sohin der Spruch entsprechend abzuändern war.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 167 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7300052.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at