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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.11.2021, RV/7102407/2021

Bindungswirkung von Anspruchszinsenbescheiden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Wolfgang Seifert, Salztorgasse 1, 1010 Wien, und "A-KERN" Steuerberatung GmbH, Dresdner Straße 47 Tür 3. OG, 1200 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom wurde das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2018 wiederaufgenommen und die Körperschaftsteuer 2018 neu festgesetzt, was zu einer Abgabennachforderung iHv € 32.268,00 führte.

Ebenfalls mit Bescheid vom wurden Anspruchszinsen für das Jahr 2018 in Höhe von € 186,38 festgesetzt.

Mit Beschwerde vom erhob die beschwerdeführende GmbH (Bf.) innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2018 vom und begründete dies damit, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2018 unrichtig sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Zinsenbescheid an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw. Gutschrift gebunden sei und daher nicht mit der Begründung angefochten werden könne, der maßgebende Körperschaftsteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig.

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und führte aus:

"Gerade wegen der vom Finanzamt richtig erkannten Bindungswirkung kann der Anspruchszinsenbescheid gerade mit der Begründung angefochten werden, dass der zugrunde liegende Bescheid, der zu einer Nachforderung geführt hat, rechtswidrig ist.

Die rechtsirrige Ansicht des Finanzamtes würde ja im Ergebnis dazu führen, dass der Anspruchszinsenbescheid rechtskräftig und vollstreckbar wird, obwohl der Bescheid, aus dem die Nachforderung resultiert, später aufgehoben werden könnte. Der Bescheidadressat könnte dann den Anspruchszinsenbescheid nicht mehr mit Bescheidbeschwerde anfechten und wäre darauf angewiesen, dass die Behörde von Amts wegen den Bescheid über die Anspruchszinsen korrigiert oder er mit einem außerordentlichen Rechtsmittel (Antrag auf Wiederaufnahme) Erfolg hat."

Mit Eingabe vom 04.11.021 wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen, gleichzeitig jedoch darauf hingewiesen, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2018 noch nicht rechtskräftig geworden sei und ein nicht rechtskräftiger Bescheid nicht Grundlage für einen anderen Bescheid sein könne.

Vor Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft liege keine rechtliche Basis vor, auf deren Grundlage Anspruchszinsen verlangt, geschweige denn durchgesetzt werden dürften.

Es widerspreche diametral dem System des Rechtsschutzes, einen Bescheid zu erlassen, der auf einem nicht rechtskräftigen anderen Bescheid aufbaut, und den Bescheidadressaten auf ein außerordentliches Rechtsmittel zu verweisen, wenn der zugrundeliegende Bescheid aus welchem Rechtsgrund auch immer nicht rechtskräftig werden sollte.

Im Falle einer Änderung der Anspruchsgrundlage sei die Behörde zu einer Abänderung des Anspruchszinsenbescheides nach dem Gesetz nicht verpflichtet, und es wäre unbillig, die Bf. auf ein außerordentliches Rechtsmittel zu verweisen, sollte das Finanzamt den Anspruchszinsenbescheid nicht von Amts wegen abändern.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am erließ die belangte Behörde einen Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2018, der zu einer Abgabennachforderung iHv € 32.268,00 führte. Am selben Tag erließ die belangte Behörde einen Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen in Höhe von € 186,38. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , über die mit Beschwerdevorentscheidung vom von der belangten Behörde abweisend entschieden wurde. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde der Vorlageantrag vom eingebracht.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den dem BFG von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten und ist insoweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

Spruch Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgaben ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).

Nach § 205 Abs 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von EUR 50 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Höchstens sind Anspruchszinsen für einen Zeitraum von 48 Monaten festzusetzen.

Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid festzusetzen. Bemessungsgrundlage ist die jeweilige Nachforderung oder Gutschrift. Aufgrund des klaren Wortlautes des § 205 Abs 1 BAO ("Differenzbeträge, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben") und nach herrschender Lehre (Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 6. Auflage, § 205 Tz 33) löst jede Nachforderung und jede Gutschrift in Bezug auf den Stammabgabenbescheid (Grundlagenbescheid) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen eigenen Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt je Differenzbetrag eine Abgabe vor. Dies entspricht auch der ständigen Rsp des Bundesfinanzgerichtes (vgl ; , RV/7104620/2014; , RV/6100343/2010; , RV/7101338/2015).

Anspruchszinsen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. b BAO zu den Nebenansprüchen und sind zur festzusetzendenAbgabe formell akzessorisch (vgl. ).

Anspruchszinsenbescheide sind somit nach ständiger Rechtsprechung an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen- (Körperschaft-) Steuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (vgl. ; ; ).

Wegen der genannten Bindung können die Anspruchszinsenbescheide nicht mit der Begründung erfolgreich angefochten werden, der jeweilige Einkommensteuer- (Körperschaftsteuer-) bescheid sei inhaltlich rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 34).

Dem Einwand im Vorlageantrag, dass diese Rechtsansicht im Ergebnis dazu führen würde, dass der Anspruchszinsenbescheid rechtskräftig und vollstreckbar wird, obwohl der Bescheid, aus dem die Nachforderung resultiert, später aufgehoben werden könnte, wird entgegengehalten:

Erweist sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen (zB Gutschriftzinsen als Folge des Wegfalles einer rechtswidrigen Nachforderung). Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid; es erfolgt daher keine Abänderung des ursprünglichen - wirkungslos gewordenen - Zinsenbescheides (, , Ritz, BAO6, Rz 35 zu § 205). Die Notwendigkeit einer derartigen Anpassung der Anspruchszinsenfestsetzung ergibt sich bereits aus der formellen Akzessiorität eines Nebenanspruches bezüglich seiner zugrundeliegenden Stammabgabe (). Das diesbezügliche Vorbringen geht somit ins Leere.

Soweit der Beschwerdeführer im Schreiben vom ins Treffen führt, es läge kein rechtskräftiger Bescheid über die Festsetzung der Körperschaftsteuer für 2018 und somit keine rechtliche Basis für die Festsetzung von Anspruchszinsen vor, ist ihm zu entgegnen, dass das Gesetz eine rechtskräftige Körperschaftsteuerfestsetzung nicht verlangt (vgl. ; UFSI vom , RV/0838-I/07, und die dort zitierte UFS - Vorjudikatur).

Dem weiteren Einwand, dass die Abgabenbehörde nicht verpflichtet sei, den Anspruchszinsenbescheid im Falle einer Abänderung oder Aufhebung des Körperschaftsteuerbescheides zu ändern, wird entgegengehalten, dass Änderungen von Bescheiden nach § 295 BAO gegebenenfalls zwingend (kein Ermessen) zu erfolgen haben. Erweist sich der Körperschaftsteuerbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er abgeändert oder aufgehoben, ist ein neuer Anspruchszinsenbescheid zu erlassen. § 295 Abs. 3 BAO bietet dafür die verfahrensrechtliche Grundlage (vgl. ).

Die Verpflichtung zur Anpassung des Anspruchszinsenbescheides wegen nachträglicher Änderung oder Aufhebung des Grundlagenbescheides kann gegebenenfalls mittels Säumnisbeschwerde gem. § 284 BAO geltend gemacht werden. Damit ist - entgegen den Ausführungen der Bf. - ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet.

Auf Grund der Bindung des Zinsenbescheides an die im Spruch des Körperschaftsteuerbescheides ausgewiesene Nachforderung konnte somit der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.

Zu Spr Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die dargestellte Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, liegt keineRechtsfrage vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision ist somit nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7102407.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at