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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.10.2021, RV/3100434/2014

Widerrechtliche Verwendung: Durchbrechung der Monatsfrist, Nachweis durch italienische Mautabrechnungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Schwab Wirtschaftstreuhand Steuerberatungs-GmbH, Winkelweg 25 Tür 1, 6070 Ampass, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom , Str. Nr. ***BF1StNr1***, betreffend

1. Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum November 2011
und Verspätungszuschlag
2. Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 10-12/2011
3. Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 01-09/2012
und Verspätungszuschlag;
4. Festsetzung der Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum Juli 2012
und Verspätungszuschlag
5. Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 07-12/2012
und Verspätungszuschlag
6. Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 01-09/2013
und Verspätungszuschlag

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO zur Gänze Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Bei einer Anhaltung durch die Finanzpolizei am wurde A (= Beschwerdeführer, Bf) im Inland als Lenker des Fahrzeuges MarkeX mit dem italienischen Kennzeichen IT1, zugelassen auf die Fa. B-GmbH in I/Ort1, sowie an Fahrzeugdaten festgestellt: FIN Nr12, Kauf gebraucht, Erstzulassung , zugelassen auf Fa. B-GmbH , Diesel, 200 kW, Kilometerstand bei Kauf 120.000 und derzeit 182.000, CO2-Wert 294 g/km.

2. Laut Abfrage im Zentralen Melderegister (ZMR) ist der Bf, österreichischer Staatsbürger, seit mit Hauptwohnsitz in A-Ort2, gemeldet.

3. Bei der vor dem Finanzamt am aufgenommenen Niederschrift hat der Bf auf Befragung ua. angegeben:

Das Fahrzeug sei am von der Fa. B-GmbH/I-Ort1 als Gebrauchtwagen gekauft worden und werde ab diesem Zeitpunkt von ihm als deren Geschäftsführer verwendet. Die gesamten Fahrzeugkosten trage die Fa. B-GmbH; es werde kein Fahrtenbuch geführt; zur Privatnutzung gebe es keine schriftliche Vereinbarung; er habe daneben keinen Privat-Pkw. Die Begriffe Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer seien dem Bf bekannt.
Der Bf habe den Mittelpunkt der Lebensinteressen am gemeldeten inländischen Hauptwohnsitz; das dortige Haus gehöre dem Vater, wo er unentgeltlich wohne. Er sei geschieden und habe zwei Kinder, die getrennt bei der Ex-Frau im Inland wohnten. Er sei Angestellter der Fa. CC in A-Ort3, wo sich auch eine Betriebsstätte der Fa. B-GmbH befinde, und übe daneben noch eine selbständige Konsulententätigkeit aus. Sein zeitlich überwiegender Aufenthalt befinde sich in Land1.
Die gemachten Angaben wurden vom Bf nach Durchsicht als richtig und vollständig bestätigt.

4. An bezughabenden Unterlagen wurden dazu beigebracht bzw. erliegen nach Erhebungen im Akt:
- Rechnungen der Fa. DD betr. Fahrzeugkauf und Service an die Fa. B-GmbH zum
og. Fahrzeug;
- italienische Zulassungsbescheinigungen zum og. Fahrzeug Kz IT1 sowie zu einem
weiteren Fahrzeug MarkeX, FIN Nr34, zugelassen auf die
Fa. B-GmbH/Ort1 auf das italienische Kz IT2 am , EZ ;
- Kaufantrag/Bestellung der Fa. B-GmbH v. , woraus hervorgeht, dass
das erstgenannte Fahrzeug für den Kauf des Zweitfahrzeuges (Kz IT2) eingetauscht
wurde;
- Übernahmebestätigung zum zweitgenannten Fahrzeug vom ;
- Nachweise betr. die Vorschreibung bzw. Entrichtung der italien. Kraftfahrzeugsteuer
zu beiden Fahrzeugen;
- italienischer Firmenbuchauszug der Fa. B-GmbH, Sitz in I-Ort1, Tätigkeit
"Großhandel mit XY", Bf ist Präsident des Verwaltungsrates bzw. Geschäftsführer,
sowie inländischer Firmenbuchauszug mit Ausweis der inländischen Betriebsstätte
in Ort3;
- Dienstvertrag mit der Fa. CC & Co/Ort3, wonach der Bf ab in Teilzeit,
dh. 20 Stunden pro Woche, angestellt ist;
- Lohnzettel 2011, wonach der Bf in "Teilbeschäftigung" bei der Fa. CC/Ort3
nichtselbständige Einkünfte bezieht;
- eine Internet-Abfrage ("car4you") zum Wert eines vergleichbaren Fahrzeuges.

5. Das Finanzamt hat daraufhin dem Bf mit Festsetzungsbescheiden vom ,
Str. Nr. ***BF1StNr1***, an Abgaben wie folgt vorgeschrieben:

a) betr. das Fahrzeug FIN Nr12:
- die Normverbrauchsabgabe (NoVA) für Zeitraum 11/2011 in Höhe von € 8.907,66
sowie einen Verspätungszuschlag (Vz) 10 %, ds. € 890,77;
- die Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 10-12/2011 mit € 211,20;
- die Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 01-09/2012 mit € 844,80 sowie
einen Verspätungszuschlag 10 %, ds. € 84,48.

b) betr. das Fahrzeug FIN Nr34:
- die Normverbrauchsabgabe (NoVA) für Zeitraum 07/2012 in Höhe von € 11.596,68
sowie einen Verspätungszuschlag 10 %, ds. € 1.159,67;
- die Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 07-12/2012 mit € 590,40 und einen
Verspätungszuschlag in Höhe von € 59,04;
- die Kraftfahrzeugsteuer für die Monate 01-09/2013 mit € 688,80 sowie
einen Verspätungszuschlag 10 %, ds. € 68,88.

Begründend wurde nach Darlegung bezughabender Gesetzesbestimmungen ausgeführt, die Fahrzeuge seien im November 2011 bzw. Juli 2012 nach Österreich eingebracht und vom Bf, der den gemeldeten Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt (Familie und Arbeitstätigkeit) hier habe, verwendet worden. Es gelte die Standortvermutung, weshalb eine widerrechtliche Verwendung von Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen vorliege.
(Begründung und Berechnung im Einzelnen: siehe Bescheide v. samt Berechnungsblättern)

6. In der gegen alle Bescheide rechtzeitig erhobenen Berufung, nunmehr Beschwerde, wird deren ersatzlose Aufhebung begehrt und im Wesentlichen vorgebracht:
Die Verfügung über die Fahrzeuge habe ausschließlich die Fa. B-GmbH als Eigentümerin und Zulassungsbesitzerin. Sie würden - wie aus beil. Autobahnmautabrechnungen hervorgehe - weitaus überwiegend in Italien für Geschäftszwecke genutzt, nämlich wöchentlich vier Tage in Italien und drei Tage in Österreich, wobei auch hier teils Fahrten nach I-Ort1 stattfänden.
Eine in diesem Zusammenhalt von der Bezirkshauptmannschaft ausgestellte Strafverfügung sei beeinsprucht und das Verfahren - lt. beil. Schreiben der BH v. - mittlerweile eingestellt worden.

7. Zum Nachweis wurde ein Konvolut der italienischen Autobahnmautabrechnungen (Abbuchungen lt. telepass) der Fa. B-GmbH vorgelegt. Daraus ist ersichtlich, dass ua. das Fahrzeug des Bf betreffend im Zeitraum Dezember 2012 bis Juli 2013 mehrfach wöchentlich, teils täglich, Fahrten innerhalb Italiens (zB zwischen Ort1-I-Ort2-I-Ort3 etc.) wie auch zum/vom Brenner zu den jeweiligen italienischen Orten stattgefunden haben.

8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom (BVE) wurde die Beschwerde weitgehend abgewiesen, hinsichtlich Vz 10-12/2011 als unzulässig zurückgewiesen, hinsichtlich Kraftfahrzeugsteuer 08/2012 und 09/2012 aufgehoben und teils der Höhe nach abgeändert (im Einzelnen: siehe den Spruch der BVE v. ).
Nach Darstellung des Verfahrensganges, der durchgeführten Erhebungen, des festgestellten Sachverhaltes und der jeweils maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen führt das Finanzamt im Wesentlichen begründend aus:
Der Bf sei österr. Staatsbürger, habe seinen Hauptwohnsitz, seine Familie und seine Arbeitstätigkeit (20 Stunden pro Woche bei der Fa. CC/Ort3) in Land1. Er sei Geschäftsführer der Fa. B-GmbH in I-Ort1, die im Inland eine Betriebsstätte habe. Er habe daneben kein Privatauto. Aufgrund dieser Umstände und lt. eigenen Angaben befinde sich der Lebensmittelpunkt und zeitlich überwiegende Aufenthalt des Bf in Österreich, sodass vom dauernden Standort der Fahrzeuge in Österreich und damit einer widerrechtlichen Verwendung auszugehen sei. Unabhängig von der Zulassung der Fahrzeuge auf die Fa. B-GmbH und auch deren Kostentragung (Service etc.) sei der Bf als Verwender und damit Steuerschuldner anzusehen. Mit den vorgelegten Mautabrechnungen sei kein hinreichender Gegenbeweis erbracht, dass eine überwiegende Verwendung in Italien vorliege, weil im Zeitraum bis lediglich 8 Fahrten des Bf (Vermerk "AA") in Italien markiert wären.
Da der Bf das erste Fahrzeug von November 2011 bis zum Eintausch gegen das zweite Fahrzeug im Juli 2012 zur Verfügung gehabt habe, seien die KfzSt-Bescheide 08/2012 und 09/2012 betr. das erste Fahrzeug aufzuheben.
(im Einzelnen: siehe die ausführliche Begründung der BVE v. )

9. Im dagegen (nach gewährter Fristverlängerung) rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag wird ergänzend im Wesentlichen vorgebracht:
Das Fahrzeug werde primär in Italien genutzt und verbleibe über das Wochenende am dortigen Firmengelände, in welcher Zeit der Bf meist das Fahrzeug der Lebensgefährtin nutze. Zwecks Erbringung des Gegenbeweises iSd § 82 Abs. 8 KFG seien die telepass-Abrechnungen der "Autostrade per lÌtalia SPA" der Fa. B-GmbH für alle Fahrzeuge des Unternehmens vorgelegt worden. Es handle sich um einen elektronischen Empfänger an der Vorderseite des Fahrzeugs mit einer bestimmten Nummer, hier konkret Nr. 123xx, wozu die Abbuchung automatisch bei Durchfahrt an der Mautstelle erfolge und monatlich abgerechnet werde. Anhand der bereits vorgelegten Abrechnungen ergebe sich eindeutig, dass sich die Fahrzeuge weit überwiegend in Italien aufhielten und vom Unternehmen bzw. vom Firmengelände aus über diese verfügt werde, weshalb der Standort in Italien liege und damit die Standortvermutung widerlegt sei. Demgegenüber führe die bloße Existenz einer inländischen Betriebsstätte nicht automatisch zur NoVA-Pflicht, da vielmehr die Art und Weise der Verwendung der Fahrzeuge maßgebend sei. Alle Bescheide seien daher ersatzlos zu beheben. Zum Nachweis wurden vorgelegt:
- ein Lichtbild, wonach der telepass-Empfänger mit der betr. Nummer an der
Vorderseite des Fahrzeuges mit dem Kz IT2 angebracht ist;
- eine Bestätigung des telepass-Club, woraus hervorgeht, dass die betr. telepass-Card
zunächst vom bis (Fine) auf das Fahrzeug mit dem Kz IT1
aktiviert war und anschließend auf das Fahrzeug mit dem Kz IT2 laufend aktiviert
ist;
- eine lückenlose Aufstellung der italienischen Monats-Mautabrechnungen für die
mehreren Fahrzeuge der Fa. B-GmbH für den Zeitraum bis ,
wonach ua. für das Fahrzeug mit der telepass-Card Nr. 123xx in jedem Monat eine
Vielzahl von in Italien/Land2 durchgeführten wie auch über die Brennergrenze nach
oder von Österreich kommende Fahrten erfasst sind;
- eine dazu ergänzende Dokumentation der Kfz-Nutzung zur telepass Nr. 123xx für
den Zeitraum 10/2011 bis 09/2013, wonach das jeweilige Fahrzeug einen nahezu
täglichen Aufenthalt in Italien sowie an je rund 3-4 Tagen pro Woche zusätzlich einen
Aufenthalt in Österreich hatte.

II. Sachverhalt:

Der Bf hat im streitgegenständlichen Zeitraum seinen gemeldeten Hauptwohnsitz (laut ZMR), nach eigenen Angaben seinen Lebensmittelpunkt, seine Familie (Vater und geschiedene Ehefrau mit zwei gemeinsamen Kindern) sowie eine nichtselbständige Teilzeit-Arbeitstätigkeit (siehe ua. Dienstvertrag) im Inland.
Daneben ist er ua. Geschäftsführer der Fa. B-GmbH mit Sitz in Ort1/Italien (italien. Firmenbuchauszug), die im Inland eine Betriebsstätte unterhält (inländ. Firmenbuchauszug). Auf diese Firma war ab das gebraucht gekaufte Fahrzeug der Marke MarkeX, FIN Nr12, auf das italienische Kz IT1 zugelassen (eigene Angaben und Zulassungsbescheinigung). Dieses Fahrzeug wurde im Juli 2012 für ein Gebrauchtfahrzeug derselben Marke, FIN Nr34, eingetauscht und wiederum auf die Fa. B-GmbH unter dem italienischen Kz IT2 am zugelassen (Kaufantrag/Bestellung der Fa. B-GmbH v. ; Zulassungsbescheinigung). Beide Fahrzeuge wurden (zumeist) vom Bf als Geschäftsführer sowohl für betriebliche wie auch - mangels sonstigem eigenen Fahrzeug - für Privatfahrten im In- und Ausland verwendet (ua. eigene Angaben in der Niederschrift v. ).
Anhand der lückenlos vorgelegten Monats-Mautabrechnungen der "Autostrade per lÌtalia SPA" betreffend den elektronischen telepass Nr. 123xx, der an der Vorderseite der beiden streitgegenständlichen Fahrzeuge jeweils angebracht war (siehe das zum Vorlageantrag beigebrachte Lichtbild samt Bestätigung des telepass-Club zum betr. Zeitraum der Aktivierungen), steht fest, dass im Zeitraum bis monatlich vielfache automatische Mautabbuchungen für Fahrten beider Fahrzeuge in Italien/Raum Land2 und auch über die Brennergrenze (von oder nach Österreich kommend) erfolgten.

III. Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem eingangs dargelegten Akteninhalt, insbesondere aus den eigenen Angaben und den oben konkret bezeichneten Nachweisen.
Anhand der vorgelegten telepass-Mautabrechnungen in Zusammenhalt mit der Bestätigung des telepass-Club besteht für das Bundesfinanzgericht (BFG) im Rahmen der freien Beweiswürdigung insbesondere auch keinerlei Zweifel daran, dass mit den beiden in Streit gezogenen Fahrzeugen, wie verbucht, pro Monat vielfache Fahrten in Italien wie auch über die Brennergrenze stattgefunden haben.

IV. Rechtslage:

A) Normverbrauchsabgabe:

Gemäß § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz 1991 (NoVAG), BGBL 1991/695 idF BGBl. I 2010/34, unterlag im hier gegenständlichen Zeitraum der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 oder Z 2 eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Zulassung eines Fahrzeuges, das bereits im Inland zugelassen war, aber nicht der Normverbrauchsabgabe unterlag oder befreit war sowie die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz (KFG) zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

Abgabenschuldner im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem KFG zuzulassen wäre (§ 1 Z 3) sind der Zulassungsbesitzer und der Verwender des Fahrzeuges als Gesamtschuldner (gem. § 4 Z 3 NoVAG).

Nach § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG 1991 idgF. entsteht die Steuerschuld bei Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem KFG zuzulassen wäre, mit dem Zeitpunkt der Einbringung in das Inland.

B) Kraftfahrzeugsteuer:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 (KfzStG), BGBl 1992/449 idgF., unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer:
Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).

Steuerschuldner ist die Person, die das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland verwendet (§ 3 Z 2 KfzStG, "in allen anderen Fällen").

Die Steuerpflicht dauert bei widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeuges (§ 1 Abs. 1 Z 3) vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetzt, und dauert bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verwendung endet (§ 4 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992).

C) Kraftfahrgesetz:

Die hier zum Tragen kommenden Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes (KFG) 1967, BGBl 267/1967 idgF., haben folgenden Inhalt:

Gemäß § 36 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen u.a. des § 82 KFG 1967 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr [Anm.: im Inland] zugelassen sind (§§ 37 bis 39).

Gemäß § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 KFG 1967eingehalten werden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 idgF. sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland anzusehen (= Standortvermutung). Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monates ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren öffentlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

D) VwGH-Judikatur:

Mit dem betreffend Kraftfahrzeugsteuer ergangenen Erkenntnis 2011/16/0221, hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Einbringung in das Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 8 KFG der Einbringung gemäß § 79 KFG 1967 entspricht, sodass die Monatsfrist bis zur erforderlichen inländischen Zulassung mit jeder Verbringung des Fahrzeugs ins Ausland oder in das übrige Gemeinschaftsgebiet neu zu laufen beginnt.
Der VwGH hat zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt (Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, Verwendung im Inland, zumindest einmal monatliche Verbringung ins Ausland) ua. ausgeführt:
" … § 82 Abs. 8 KFG und § 79 leg. cit. stellen beim Beginn der Frist, innerhalb derer die Verwendung eines Kraftfahrzeuges im Bundesgebiet zulässig ist, auf denselben Vorgang ab, nämlich auf die Einbringung des Fahrzeuges in das Bundesgebiet.
Bei der in § 79 KFG seit der Stammfassung vorgesehenen Frist von einem Jahr nach der Einbringung beginnt im Fall der Verbringung eines unter diese Bestimmung fallenden Kraftfahrzeuges in das Ausland und bei neuerlicher Einbringung desselben Kraftfahrzeuges die Frist zweifelsfrei neuerlich zu laufen (im Ergebnis Unterbrechung der ersten Frist) …… Es ist daher folgerichtig, dass auch für die in § 82 Abs. 8 KFG zunächst genannte Frist von drei Tagen
(Anm.: mit AbgÄG 2002 abgeändert auf einen Monat) galt, dass beim Verbringen des betreffenden Fahrzeuges ins Ausland und bei neuerlicher Einbringung dieses Fahrzeuges die Frist mit der neuerlichen Einbringung beginnt ….".
Die von der belangten Behörde vertretene gegenteilige Ansicht finde daher im Gesetz keine Deckung; es könne dahingestellt bleiben, ob der Bf ein Gegenbeweis gem. § 82 Abs. 8 KFG gelungen sei und müsse auf unionsrechtliche Fragen nicht eingegangen werden.

Diese Rechtsprechung bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis Ro 2015/16/0031, ergangen zu Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer. In diesem Erkenntnis hat der VwGH (Rz. 43) ua. zur Frage der Entstehung der Steuerschuld bei der NoVA ("mit Einbringung des Fahrzeuges" nach § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG idF BGBl I Nr. 34/2010) noch klarstellend festgehalten, dass das Entstehen der Steuerschuld nicht mit dem Erfüllen des zur Steuerpflicht führenden Tatbestandes verwechselt werden dürfe. Das Entstehen der Steuerschuld setze voraus, dass der die Rechtsfolge auslösende Tatbestand - also die ununterbrochene, widerrechtliche Verwendung - erfüllt sei und erst dann die Steuerschuld - allenfalls auf einen zurückliegenden Zeitpunkt bezogen - die Steuerschuld entstehe.

E) Geltungsbereich § 82 Abs. 8 KFG alte und neue Fassung:

Nach Ergehen des Erkenntnisses des , erfolgte mit BGBl I 2014/26 eine am kundgemachte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967, wonach eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet die Monatsfrist nicht unterbricht. Gemäß § 135 Abs. 27 KFG 1967 idF BGBl I 2014/26 trat § 82 Abs. 8 in dieser Fassung mit in Kraft.

Diese Rückwirkungsanordnung wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 72/2014, als verfassungswidrig aufgehoben.
Damit ist die mit BGBl I 2014/26 erfolgte Novellierung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 erst mit Ablauf des Tages der Kundmachung am in Kraft getreten. Der durch das BGBl I 2014/26 in diese Bestimmung eingefügte Satz "Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht" ist sohin erst auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem verwirklicht wurden.

Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis geltenden Fassung beginnt somit in Fällen, in denen ein Fahrzeug regelmäßig monatlich in das Ausland bzw. übrige Gemeinschaftsgebiet ausgebracht wird, die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen und es entsteht keine Zulassungsverpflichtung im Inland.
Solche Fahrzeuge "wären somit nicht zuzulassen" im Sinne des NoVAG 1991 bzw. werden nicht "ohne die erforderliche (inländische) Zulassung" im Sinne des KfzStG 1992 im Inland verwendet. In derartigen Fällen liegt somit keine widerrechtliche Verwendung vor, an die die Steuerpflicht nach dem NoVAG 1991 bzw. nach dem KfzStG 1992 anknüpft.
In derartigen Fällen kann somit ua. auch dahingestellt bleiben, wo der Standort des Fahrzeuges ist und kann auch § 79 KFG 1967 nicht greifen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Zulassungsbesitzers oder Verwenders des Fahrzeuges bzw. (bei einem Unternehmen) dessen Sitz oder eine mögliche Widerlegung der Standortvermutung sind demgemäß ohne Belang.

F) Verspätungszuschlag:

Nach § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.

Die Verspätung ist nicht entschuldbar, wenn den Abgabepflichtigen daran ein Verschulden trifft. Kein Verschulden liegt zB vor, wenn die Partei der vertretbaren Rechtsansicht war, dass sie keine Abgabenerklärung einzureichen hat und daher die Einreichung unterlässt.

Der Verspätungszuschlag ist formell akzessorisch (vgl. ; ); er ist hinsichtlich seiner Bemessungsgrundlage an die bescheidmäßige Festsetzung der Stammabgabe gebunden. Wird die Abgabenhöhe des die Bemessungsgrundlage für den Verspätungszuschlag bildenden Bescheides geändert, so ist der Verspätungszuschlagsbescheid zu ändern oder aufzuheben
(vgl. zu vor in Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., Rzn 10, 16 - 17 zu § 135 mit weiteren Judikaturverweisen).

V. Erwägungen:

Hat ein Fahrzeug seinen dauernden Standort in Österreich, was nach § 82 Abs. 8 KFG bei Verwendung durch eine Person mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland grundsätzlich (Standortvermutung) anzunehmen ist, so ist die Verwendung ohne inländische Zulassung nur für die Dauer von einem Monat nach Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Seitens des Bf wurde im Verfahren selbst angegeben, dass er seinen Lebensmittelpunkt - im Hinblick ua. auf den gemeldeten Hauptwohnsitz und die im Inland befindliche Familie - in Österreich hat und das ihm zur Nutzung überlassene Fahrzeug teils auch im Inland verwendet. Damit wären zunächst nach der vormals herrschenden Rechtsansicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen nach § 82 Abs. 8 KFG - dauernder Standort und Verwendung der Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen im Inland - erfüllt. Es läge demnach vorderhand eine "widerrechtliche Verwendung" iSd § 1 Z 3 NoVAG und nach § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG vor, wobei allerdings nach Ansicht des BFG noch abzuklären und zu beurteilen gewesen wäre, wer überhaupt als "Verwender" bzw. Halter iSd § 5 Abs. 1 EKHG und damit als zutreffender Abgabenschuldner - die Fa. B-GmbH oder der Bf - in Betracht kommt (vgl. dazu: 9 Ob A 150/00z; u.a.; Haller, NoVAG-Kommentar, § 4, Rz 11).

Davon abgesehen gilt aber im Gegenstandsfall bei den in Streit gezogenen Festsetzungszeiträumen in den Jahren 2011 bis 2013 (im Einzelnen siehe die angefochtenen Bescheide) jedenfalls zu beachten, dass nach oben dargelegter VwGH-Judikatur und der bis geltenden Fassung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 die Monatsfrist bei regelmäßiger monatlicher Verbringung ins Ausland immer wieder neu zu laufen beginnt.

Gegenständlich steht an Sachverhalt für das BFG ohne jeden Zweifel fest, dass mit beiden Fahrzeugen vom Bf im Streitzeitraum durchgehend zumindest einmal monatlich, tatsächlich aber nach den vorliegenden Mautabrechnungen weit öfter, Auslandsfahrten wohl entweder von seinem inländischen Wohnsitz oder allenfalls auch von der inländischen Betriebsstätte (in Ort3) aus nach Italien vorgenommen wurden, was aufgrund der verbuchten Grenzübertritte über den Brenner eindeutig erwiesen ist.
Damit ist aber das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden und erübrigt es sich, auf das sonstige Beschwerdevorbringen noch einzugehen.

Aufgrund der gegenständlich feststehenden (zumindest einmal) monatlichen Verbringung der Fahrzeuge in das Ausland/übrige Gemeinschaftsgebiet (Italien), die nach oben dargestellter höchstgerichtlicher Judikatur letztlich entscheidungswesentlich ist, hatte aber die Monatsfrist immer wieder neu zu laufen begonnen und ist damit gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der bis geltenden Fassung keine Zulassungsverpflichtung im Inland entstanden.

Aus diesem Grund waren die Fahrzeuge daran anknüpfend weder im Sinne des NoVAG noch des KfzStG "zuzulassen", diesfalls der Tatbestand der widerrechtlichen Verwendung gemäß § 1 Z 3 NoVAG für die Zeiträume November 2011 (Fahrzeug 1) und Juli 2012 (Fahrzeug 2) sowie auch gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG für die Monate 10-12/2011 und 01-09/2012 (betr. Fahrzeug 1) bzw. 07-12/2012 und 01-09/2013 (betr. Fahrzeug 2) jedenfalls nicht verwirklicht wurde.

VI. Ergebnis:

1. Wegen Durchbrechung der Monatsfrist ist weder hinsichtlich der Normverbrauchsabgabe noch der Kraftfahrzeugsteuer die Steuerschuld entstanden. Die diesbezügliche Festsetzung der Abgaben mittels der angefochtenen Bescheide war demzufolge unzulässig.
2. Verspätungszuschlag:
Aufgrund des formell akzessorischen Charakters des Verspätungszuschlages ist dieser an die bescheidmäßige Festsetzung einer Stammabgabe gebunden.
Mangels Verwirklichung eines NoVA-pflichtigen oder eines kraftfahrzeugsteuerpflichtigen Tatbestandes hatte weder eine Selbstberechnung noch eine bescheidmäßige Festsetzung dieser Abgaben zu erfolgen, folglich keine der gemäß § 135 BAO erforderlichen Voraussetzungen für die Vorschreibung eines Verspätungszuschlages vorliegt und einer solchen jede Grundlage entzogen ist.

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage war daher der Beschwerde zur Gänze Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Maßgeblich war die im Einzelfall relevante Würdigung des Parteienvorbringens und der vorgelegten Beweismittel in Zusammenhalt mit den durchgeführten Erhebungen zum Sachverhalt, dh. primär die Klärung von Tatfragen. Zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage ("Durchbrechung der Monatsfrist") liegt oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor (; ).
Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
§ 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992
§ 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967
§ 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100434.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at