Gegenstandsloserklärung nach Zurücknahme der Beschwerde; Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB; Vertreterstellung gemäß § 80 Abs. 3 BAO
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***X GmbH*** als Rechtsnachfolgerin der ***X GmbH & Co KG***, frühere Geschäftsanschrift ***Adresse***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Festsetzung der Forschungsprämie für das Jahr 2015 beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 256 Abs 3 BAO als gegenstandslos erklärt.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
1. Verfahrensgang/festgestellter Sachverhalt:
Mit verfahrenseinleitendem Antrag vom beantragte die ***X GmbH & Co KG*** die Zuerkennung einer Forschungsprämie für das Jahr 2015.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Forschungsprämie mit 0,00 Euro fest.
Mit Schreiben vom wurde dagegen innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist Beschwerde erhoben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Schreiben vom wurde ein Vorlageantrag erhoben.
Daraufhin legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Mit Abtretungsverträgen vom ***tt.mm.2019*** traten sämtliche Kommanditisten der ***X GmbH & Co KG*** ihre Kommanditanteile an die ***X GmbH***, bei der es sich um die einzige Komplementärin der ***X GmbH & Co KG*** handelte, ab. Infolgedessen ist die ***X GmbH & Co KG*** gemäß § 142 UGB ohne Liquidation erloschen und ging ihr Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die ***X GmbH*** über.
Mit Gesellschafterbeschluss vom ***tt.mm.2019*** wurde die ***X GmbH*** aufgelöst und die Liquidation eingeleitet. Zudem wurde Herr ***A*** zum Liquidator bestellt.
Mit Gesellschafterbeschluss vom ***tt.mm.2019*** wurde der Bericht des Liquidators über die Beendigung der ***X GmbH*** genehmigt. Zudem wurde Herr ***A*** zum Verwahrer der Bücher und Schriften der ***X GmbH*** für die gesetzlich vorgeschriebene Dauer bestellt.
Am ***tt.mm.2020*** wurde die ***X GmbH*** infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöscht.
Mit Schreiben vom nahm Herr ***A*** in Ausübung seiner Vertreterstellung die hier gegenständliche Beschwerde zurück.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Vorgängen betreffend die ***X GmbH & Co KG*** und die ***X GmbH*** gründen sich auf eine elektronische Einsicht in das Firmenbuch und die dort archivierten Urkunden (Verträge, Gesellschafterbeschlüsse und Firmenbuchanträge).
Alle übrigen Feststellungen sind aktenkundig und unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I.:
Zur Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch die ***X GmbH***:
Gemäß § 19 Abs 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über.
Gesamtrechtsnachfolge liegt insbesondere bei einer Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB vor (vgl ; ). Eine Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB bewirkt die Vollbeendigung der Personengesellschaft, deren Geschäft durch den übernehmenden Gesellschafter ohne Liquidation fortgeführt wird (vgl ; ).
Im vorliegenden Fall ist die ***X GmbH*** aufgrund der im Mai 2019 erfolgten Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB Gesamtrechtsnachfolgerin der beendeten ***X GmbH & Co KG***. Damit gingen gemäß § 19 Abs 1 BAO die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten der beendeten ***X GmbH & Co KG*** auf die ***X GmbH*** über. Die ***X GmbH*** trat daher als Gesamtrechtsnachfolgerin auch im hier gegenständlichen Beschwerdeverfahren an die Stelle der beendeten ***X GmbH & Co KG***.
Zur Löschung der ***X GmbH*** im Firmenbuch infolge beendeter Liquidation:
Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch wirkt insofern deklarativ, als sie nicht zum Verlust der Parteifähigkeit führt, solange Vermögen vorhanden ist (vgl ; ; ; ). Die Rechtspersönlichkeit besteht so lange fort, als es noch Abwicklungsbedarf gibt (vgl ; ).
Vor diesem Hintergrund kommt der ***X GmbH*** im hier gegenständlichen Beschwerdeverfahren - trotz bereits erfolgter Löschung im Firmenbuch - schon deshalb Parteifähigkeit zu, weil das hier gegenständliche Beschwerdeverfahren die Zuerkennung oder Nichtzuerkennung einer (bislang nicht ausbezahlten) Forschungsprämie und damit eine mögliche Forderung (bzw ein mögliches Aktivvermögen) der ***X GmbH*** betrifft (vgl sinngemäß ).
Zur Vertreterstellung gemäß § 80 Abs 3 BAO:
§ 80 Abs 1 BAO lautet:
"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."
§ 80 Abs 3 BAO lautet:
"Vertreter (Abs 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war."
§ 93 Abs 3 GmbHG lautet:
"Die Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft sind einem der Gesellschafter oder einem Dritten auf die Dauer von sieben Jahren nach dem Schluß des Kalenderjahres, in dem die Liquidation beendet wurde, zur Aufbewahrung zu übergeben. Die Person des Verwahrers wird in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder eines Beschlusses der Gesellschafter durch das Handelsgericht bestimmt."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl I 180/2004 (686 BlgNR 22. GP), wird zu § 80 Abs 3 BAO wie folgt ausgeführt:
"Insbesondere für im Zeitpunkt der Löschung der GmbH im Firmenbuch offene Rechtsmittelverfahren sowie für Außenprüfungen (§ 147 Abs 1 BAO) benötigt die Abgabenbehörde einen Vertreter der aufgelösten, aber noch nicht beendeten (somit noch parteifähigen) GmbH. Die Vertretungsregelung im neuen § 80 Abs 3 BAO ist zweckmäßiger als eine ua für die Gerichte aufwendige Bestellung eines Vertreters nach § 15a GmbHG bzw nach § 93 Abs 5 GmbHG."
Im vorliegenden Fall wurde Herr ***A*** mit Gesellschafterbeschluss vom ***tt.mm.2019*** zum Verwahrer der Bücher und Schriften der am ***tt.mm.2020*** infolge beendeter Liquidation im Firmenbuch gelöschten ***X GmbH*** bestellt. Er ist daher Vertreter iSd § 80 Abs 3 BAO der - noch parteifähigen - ***X GmbH***.
Zur Gegenstandsloserklärung der Beschwerde:
Gemäß § 256 Abs 1 BAO können Beschwerden bis zur Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären.
Wurde eine Beschwerde zurückgenommen, so ist sie gemäß § 256 Abs 3 BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) als gegenstandslos zu erklären.
Eine Beschwerde kann auch nach Zustellung einer Beschwerdevorentscheidung nach Stellung eines Vorlageantrages zurückgenommen werden (vgl etwa Ritz, BAO6 § 256 Tz 14).
Mit Schreiben vom nahm Herr ***A*** in seiner Eigenschaft als Vertreter gemäß § 80 Abs 3 BAO der ***X GmbH*** die Beschwerde zurück, weswegen diese als gegenstandslos zu erklären war.
Die Gegenstandsloserklärung obliegt gemäß § 272 Abs 4 BAO in Fällen, in denen der Senat zu entscheiden hat, dem Berichterstatter. Gemäß § 274 Abs 3 Z 2 BAO kann im Fall der Gegenstandsloserklärung von einer beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das Absehen von der beantragten mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen und ist im vorliegenden Fall verfahrensökonomisch zweckmäßig. Eine Unbilligkeit des Absehens von der mündlichen Verhandlung ist nicht erkennbar. Daher wird das Ermessen dahingehend geübt, dass von der mündlichen Verhandlung abgesehen wird.
3.2. Zu Spruchpunkt II.:
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Gegenstandsloserklärung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzestext. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 256 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 Abs. 3 GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906 § 142 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103162.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at