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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.10.2021, RV/7106427/2019

Bestattungskostenbeihilfe, die in fahrlässiger Weise steuerlich nicht erklärt wurde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Angelegenheit der Parteien Mag. XD Bf (Beschwerdeführer), vertreten durch die Eckhardt Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, 7033 Pötsching, und Finanzamt Österreich (Amtspartei) über die Beschwerde vom

gegen den Bescheid des Finanzamtes Stadt1 Stadt2 (Gesamtrechtsnachfolger heute: Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Bezug auf Einkommensteuer 2010

zu Recht erkannt:

Der Wiederaufnahmebescheid vom betreffend Einkommensteuer 2010 wird aufgehoben. Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom scheidet damit aus dem Rechtsbestand aus.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG gegen dieses Erkenntnis ist nicht zulässig (§ 25 a Abs 1 VwGG).

Entscheidungsgründe

Ablauf des Verfahrens:

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt (FA) dem Beschwerdeführer ( Bf) mit: Dem FA sei bekanntgeworden, dass er im Jahr 2010 nach seiner verstorbenen Mutter 4.000 € Bestattungsbeihilfe aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer erhalten habe. Diese Zuwendung sei gem. § 22 Z 4 I V m § 32 Z 2 ESTG 1988 zu versteuern. Der Bf wurde aufgefordert, den gesamten Schriftverkehr im Zusammenhang mit diesen Leistungen , insbesondere die Mitteilung der Ärztekammer in Kopie vorzulegen.

Schreiben des steuerlichen Vertreters vom : Der Einnahme stünden Ausgaben in Höhe von 8.936,28 € gegenüber, die der Bf nachweislich getätigt habe.

Als Beilagen dieses Schreibens wurden dem FA übermittelt:

Bescheid der Ärztekammer vom : Diesem Bescheid ist zu entnehmen, dass dem Bf am 4.000 € als Bestattungskostenbeihilfe bezahlt worden seien. Mit diesem Bescheid wurde dem Antrag des Bf vom auf Bestattungskostenbeihilfe stattgegeben. Auf der zweiten Seite des Bescheides findet sich der Hinweis:

"Die Bestattungskostenbeihilfe unterliegt gem. § 22 Z 4 IVm 32 Z 2 EstG 1988 … beim Empfänger der Einkommensteuer. Dieser Betrag ist im Rahmen der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zu versteuern…."

Als weitere Beilage übermittelte der Bf eine "Aufstellung Einnahmen-Ausgaben Rechnung 2010" betreffend die Bestattungsbeihilfe und die Bestattungskosten. Diese Rechnung lautete:

Einnahmen
4000 €…………..Bestattungsbeihilfe

Ausgaben

-5.865,50 €…….Bestattungskosten Stadtgemeinde
-466 €…………....Grabpflege
-1.080,78 €……..Grabgebühren
-1.524 €………….Friedhofsbetreuung

Der Bf legte in Bezug auf die Ausgaben auch die Zahlungsnachweise "[ Electronic Banking Plattform (sic) Journal Auftragsdaten ] und die bezughabenden Rechnungen (Rechnung vom der Stadtgemeinde;Rechnung vom der Gärtnerei, Rechnung der Stadtgemeinde vom ; Rechnung des Friedhofsbetreuers vom ) vor.

Die steuerliche Vertreterin des Bf legte als weitere Beilage ihres Schreibens vom den Einantwortungsbeschluss vor. Auf Grund dieses Beschlusses erhielt der Bf das Eigentumsrecht ob der Liegenschaft EZ00 KG…., bestehend aus dem Grundstück…..

Die Gebühren des Gerichtskommissärs wurden im Einantwortungsbeschluss mit 1.967,30 € bestimmt.

Das FA erließ den Wiederaufnahme-Bescheid E 2010 vom : Mit diesem Bescheid wurde das Verfahren betreffend Einkommensteuer 2010 (Erstbescheid vom ) wieder aufgenommen.

ESt-Bescheid vom : Nach Erlassung des Erstbescheides sei durch eine Mitteilung der Ärztekammer bekannt geworden, dass der Bf Bezüge und Vorteile aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer erhalten habe. Die Bestattungsbeihilfe sei unabhängig von der Gestaltung des Sachverhaltes immer nach § 22 Z 4 iVm § 32 Z 2 EStG als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zu versteuern . Begräbniskosten seien nur dann a.g. Belastungen, wenn sie im Nachlass nicht gedeckt seien. Der Bf habe jedoch die Immobilie EZ00 KG ..geerbt. Da im Bescheid des Wohlfahrtsfonds auf die Angabe in der Steuererklärung hingewiesen worden sei, sei eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung verwirklicht worden.

Mit Beschwerde vom wird nur der Wiederaufnahme-bescheid bekämpft. Der Bf bringt vor, dass das Ermessen nicht begründet worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde gegen den "Einkommensteuerbescheid" 2010 abgewiesen. Der BVE-Begründung ist allerdings zu entnehmen, dass mit der Abweisung der Beschwerde gegen den "Einkommensteuerbescheid" die Abweisung der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend EST 2010 gemeint war. Dies ist zwischen den Parteien nicht strittig (Vorlageantrag vom )

In der BVE -Begründung vom , zugestellt am wurde auf die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid eingegangen:

An den Bf sei ein Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend ESt 2010 am abgefertigt worden.

Mit Eingabe vom sei Beschwerde gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend ESt 2010 eingebracht worden.

Eine Wiederaufnahme sei zulässig, wenn Tatsachen oder Beweise neu hervorgekommen seien und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Es reiche für eine Begründung der Wiederaufnahme aus, wenn im Wiederaufnahmebescheid auf andere Dokumente verwiesen werde, sofern dem Bescheidadressaten des Wiederaufnahmebescheides der Inhalt des verwiesenen Dokuments bekannt sei und daraus die Wiederaufnahmegründe auch tatsächlich hervorgingen.

Die Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer seien zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am bereits ausbezahlt, somit existent gewesen, und auch geeignet gewesen, einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeizuführen. Erst durch eine Mitteilung der Ärztekammer im November 2018 habe die Behörde von diesen Leistungen Kenntnis erlangt. Damit seien Tatsachen und Beweise neu hervorgekommen, welche die Behörde zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigten.

Im verfahrensgegenständlichen Fall habe der neu hervorgekommene Wiederaufnahmsgrund zu einer Erhöhung der Einkünfte um 4.000 € geführt, sodass nicht von einer geringfügigen steuerlichen Auswirkung gesprochen werden könne. Zudem habe der Bf im Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung am 3.11.2011wissen müssen, dass auch die Bestattungsbeihilfe in Höhe von 4000 € als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zu erfassen sei, da auf dem Bescheid der Ärztekammer (Anm. des BFG: vom 11.4.2012) auf die Steuerpflicht hingewiesen worden sei.

Soweit die BVE-Begründung.

Vorlageantrag vom :

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , eingelangt am zuzüglich der Bescheidbegründung vom , eingelangt , sei die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Est 2010 als unbegründet abgewiesen worden. Es werde die Vorlage an das BFG beantragt.

Das Fehlen von Wiederaufnahmegründen in Bescheiden sei nicht sanierbar.

Der Antrag auf Gewährung der Bestattungsbeihilfe sei am gestellt worden. Die ESt-Erklärung 2010 sei am eingereicht worden und der Est-Bescheid 2010 sei am ausgefertigt worden. Der Bescheid betreffend Gewährung der Bestattungsbeihilfe sei am ausgestellt worden. Bei Abgabe der ESt-Erklärung sei nicht bekannt gewesen, ob die Bestattungsbeihilfe überhaupt und in welcher Höhe bewilligt werde. Die Belehrung über die Steuerpflicht stünde auf der 2. Seite des Bescheides unter "Hinweis" und sei dieser Punkt nicht vorsätzlich nicht gelesen worden.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem BFG vor (Vorlagebericht vom ).

Mit Telefax vom zog der Bf seine Anträge auf Entscheidung durch den Senat und auf mündliche Verhandlung zurück.

Erwägungen des BFG:

I.)Sachverhalt

1.)Tod der Mutter des Bf im Jahr 2010

In den Jahren 2007 bis 2009 erzielte der Beschwerdeführer (Bf) jährliche Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 13.741,73 € oder weniger. Er war damals steuerlich nicht vertreten. (ESt-Bescheide 2007-2009).

Am xx.xx.2010 starb seine Mutter, eine Ärztin (Einantwortungsbeschluss vom ).

2.) Begräbniskosten:

Der Bf gab für das Begräbnis 8.936,28 € aus ("Aufstellung Einnahmen- Ausgabenrechnung 2010")

3.) Aktivvermögen übersteigt die Begräbniskosten

Das Aktivermögen, das der Bf nach dem Tod seiner Mutter erbte, überstieg die Begräbniskosten, weil der Bf die bewohnbare Immobilie EZ00, auf der sich das Einfamilienhaus seiner verstorbenen Mutter befand, erbte (Einantwortungsbeschluss vom ).

4.) Antrag auf Bestattungskostenbeihilfe 2010
Im Juli 2010 beantragte der Bf bei der Ärztekammer die Gewährung einer Bestattungsbeihilfe.

5.) Zahlung der Bestattungskostenbeihilfe 2010 durch die Ärztekammer.
Am überwies die Ärztekammer an ihn deshalb 4.000 €. Ein Bescheid darüber erging zunächst nicht.

6.) Steuererklärung 2010 (Einkommensteuer), vom , Erstbescheid betreffend ESt 2010, ergangen am

Am brachte der Bf seine Einkommensteuererklärung 2010 ohne Hilfe eines steuerlichen Vertreters beim FA ein [Der Bf wird erst seit Dezember 2018 durch einen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (StB) steuerlich vertreten]. Er kam damals im Jahr 2011 nicht auf die Idee, dass die von ihm beantragte und an ihn bereits im Oktober 2010 überwiesene Bestattungsbeihilfe von 4.000 € einkommensteuerpflichtig gewesen sein könnte. Daher zog er damals zu diesem Thema auch keinerlei Erkundigungen ein. Daher erklärte er diese Bestattungsbeihilfe auch nicht in seiner Einkommensteuererklärung 2010 vom .

Der Bf erklärte daher am nur Einkünfte aus NSA betreffend das Jahr 2010; An seiner Unwissenheit um die Steuerpflicht der Bestattungsbeihilfe änderte sich jedenfalls nichts bis unmittelbar vor dem Erhalt des Bescheides der Ärztekammer vom betreffend die Bestattungsbeihilfe.

Am erging der Erstbescheid betreffend ESt 2010, in welchem der Betrag der Bestattungskostenbeihilfe von 4.000 € mangels Kenntnis des Finanzamtes nicht den Besteuerungsgrundlagen hinzugerechnet wurde. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

Beweiswürdigung:

Eine Bestattungsbeihilfe ist ein äußerst selten auftretender steuerlich relevanter Sachverhalt, da die meisten Erben keine derartige Beihilfe erhalten. Es erscheint vom Standpunkt eines steuerlichen Laien eher naheliegend, eine Bestattungsbeihilfe wie einen pauschalierten Auslagenersatz anzusehen. Üblicherweise unterliegen pauschalierte Auslagenersätze nicht der Einkommensteuer [Laudacher in Jakom, ESTG , 13. Aufl. (2020) § 2 TZ 16]. Daher erscheint es naheliegend, dass der Bf bei Einbringung der Steuererklärung 2010 () nicht auf die Idee gekommen ist, dass die Bestattungsbeihilfe der ESt unterliegen könnte.

Die tatsächlichen Bestattungskosten (8.936,28 €) waren höher als die Beihilfe (4.000 €); Es erscheint daher glaubhaft, dass der damals () steuerlich nicht vertretene Bf bei Abgabe seiner ESt-Erklärung vom nicht auf die Idee gekommen ist, dass die Beihilfe der Einkommensteuer zu unterwerfen gewesen wäre.

Es hätte außergewöhnlicher steuerlicher Rechtskenntnisse bedurft, die ein Laie üblicherweise nicht hat, um erkennen zu können, dass die Bestattungskostenbeihilfe als selbstständige Einkünfte der Besteuerung (§ 22 Z 4 i V m § 32 Z 2 EStG 1988) zu unterziehen gewesen wäre.

Es besteht kein Grund zur Annahme, dass der damals steuerlich nicht vertretene, idR nur NSA-Einkünfte beziehende Bf (siehe die ESt-Bescheide 2007-2009 ) bei Abgabe seiner Einkommensteuererklärung 2010 vom derartig ungewöhnliche steuerliche Rechtskenntnisse gehabt haben könnte (vgl. mit einem vergleichbaren Sachverhalt).

Dass der Bf bei Abgabe seiner Steuererklärung diese Rechtskenntnisse nicht hatte, lässt sogar das Finanzamt , wenn auch unfreiwillig, erkennen:

Das FA brachte in der BVE vor:

"…..hätte der Bf im Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung am wissen müssen, dass auch die Bestattungsbeihilfe in Höhe von 4000 € als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zu erfassen sind, da sogar auf dem Bescheid ….der Ärztekammer auf die Steuerpflicht hingewiesen wurde."

Diese Argumentation ist nicht schlüssig, da die Steuererklärung am eingereicht wurde und der Bescheid der Ärztekammer erst am ergangen ist. Es war somit am physikalisch gesehen unmöglich, zu wissen, was im Bescheid der Ärztekammer stehen würde, der damals noch nicht ergangen war. Da nicht einmal das FA eine schlüssige Erklärung dafür hat, woher der Bf die ungewöhnlichen steuerlichen Rechtskenntnisse hätte beziehen sollen, die ihn erst befähigt hätten, zu erkennen, dass er bei seiner Einkommensteuererklärung 2010 vom auch die Bestattungskostenbeihilfe hätte erwähnen müssen, kann nicht festgestellt werden, dass der Bf bei Abgabe seiner Steuererklärung es für möglich erachtet haben könnte, dass die Bestattungsbeihilfe steuerpflichtig sein könnte.

Bis unmittelbar vor Erhalt des Bescheides der Ärztekammer vom , in welchem ausdrücklich auf die Steuerpflicht der Beihilfe hingewiesen wurde, hatte der Bf somit jedenfalls keinen Grund zur Annahme, die Beihilfe könnte steuerpflichtig sein. Das Tatbild einer Hinterziehung (Tatbestand ohne subjektive Tatseite) wurde jedoch bereits im November 2011 durch die Einbringung der Steuererklärung , auf die noch im November 2011 die Erlassung des Erstbescheides folgte, verwirklicht.

7.) Bescheid betreffend die Bestattungskostenbeihilfe vom

Lange nach der Einbringung seiner Steuererklärung betreffend ESt 2010 (November 2011) und lange nach der Zustellung des Erstbescheides betreffend ESt 2010 vom langte im April 2012 der Bescheid der Ärztekammer betreffend die Bestattungskostenbeihilfe beim Bf ein.

Dieser Bescheid lautete: Dem Antrag auf Gewährung einer Bestattungsbehilfe werde stattgegeben.

Begründung:

…..

Rechtsmittelbelehrung:

…..

Auf der zweiten Seite des Bescheides befand sich nach der Rechtsmittelbelehrung noch der

Hinweis:

"Die Bestattungsbeihilfe unterliegt gem. §§ 22 Z 4 i V m 32 Z 2 Einkommensteuergesetz beim Empfänger der Einkommensteuer. Dieser Betrag ist im Rahmen der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zu versteuern."

….

"Die Begräbniskosten können als außergewöhnliche Belastungen gem. § 34 ESTG von diesen Einkünften abgezogen werden, sofern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die getätigten Ausgaben wesentlich beeinträchtigt wurde. Finden die Begräbniskosten im Wert der im Zuge einer allfälligen Erbschaft übernommenen Vermögenssubstanz Deckung, liegt keine wesentliche Beeinträchtigung vor. Weiters ist auf den Selbstbehalt gem. § 34 Abs 4 EstG Bedacht zu nehmen."

Bf las im April 2012 den Bescheid nur oberflächlich und übersah den Hinweis auf der zweiten Seite (Vorlageantrag).

Erstmals mit Erhalt des Schreibens des FA vom , das er unverzüglich zu einem Steuerberater (StB) trug, und diesen bevollmächtigte (in den Jahren zuvor war der Bf noch nie durch einen StB vertreten worden), erkannte der Bf, dass die Bestattungsbeihilfe steuerpflichtig sein könnte .

Beweiswürdigung:

Wer wie der Bf im Jahr 2012 einen stattgebenden Bescheid über die nachträgliche Bewilligung einer bereits im Jahr 2010 erhaltenen Beihilfe von 4000 € erhält, könnte durchaus auf die Idee kommen, nur flüchtig den Spruch zu lesen, und sodann den Bescheid zu seinen Akten zu legen, weil dieser Bescheid eine längst abgeschlossene Sache betroffen hat. Es ist daher glaubhaft (Vorlageantrag vom ), dass der Bf im April 2012 den Hinweis auf die Steuerpflicht auf der zweiten Seite des Bescheides übersehen hat und deshalb den Erhalt des Betrages von 4.000 € nicht nachträglich steuerlich erklärt hat.

Zweifellos wäre es dem Bf möglich und auch zumutbar gewesen, den wenn auch stattgebenden Bescheid über die nachträgliche Bewilligung der Beihilfe vom April 2012 genau durchzulesen. Er hätte daher im April 2012 die Steuerplicht kennen müssen. Dass er im April 2012 die Steuerpflicht hätte kennen müssen, ist jedoch kein Beweis für einen Vorsatz zum Zeitpunkt der Tathandlung im Jahr 2011 und auch kein Beweis für einen Vorsatz zu einem späteren Zeitpunkt. Dass der Bf die Steuerpflicht im April 2012 hätte kennen müssen, begründet auch im April 2012 noch keinen Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit .

Den nächsten Hinweis auf eine Steuerpflicht der Bestattungsbeihilfe bekam der Bf erst mit dem Erhalt des Schreibens des FA vom . Dieses Schreiben hat er sicher genau gelesen, weil er unmittelbar darauf eine Steuerberaterin beauftragt hat, dieses Schreiben zu beantworten (Schreiben des FA vom an den am noch nicht steuerlich vertretenen Bf, E-Mail der StB vom an das FA). Der Bf hat daher erstmalig im November 2018 die Steuerpflicht der Bestattungsbeihilfe vom Juli 2010 für möglich erachtet .

Das FA behauptet im bekämpften Bescheid eine vorsätzliche Abgabenhinterziehung, da im Bescheid der Ärztekammer auf die Steuerpflicht hingewiesen wurde. Allerdings erging dieser Bescheid der Ärztekammer vom erst lange nach der Abgabe der Steuererklärung () und nach Ergehen des Erstbescheides (). Ein Vorsatz zum Zeitpunkt der Tathandlung (Steuererklärung 2010 vom ) ist daher jedenfalls nicht feststellbar. Zudem hat der Bf zum Zeitpunkt des Erhaltes des Bescheides der Ärztekammer vom im April 2012 den Hinweis auf die Steuerpflicht übersehen.

8.) Verjährung:

Der Erstbescheid betreffend ESt 2010 erging am . Dieser Erstbescheid war die einzige nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches 2010 im Zeitraum 2010-2015.

II.) Rechtsfolgen

1.)Steuerpflicht der Bestattungskostenbeihilfe

Eine Bestattungskostenbeihilfe einer Kammer der selbstständig Erwerbstätigen, die einem Erben ausbezahlt wird, ist als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit beim Erben steuerpflichtig (§ 22 Z 4 EStG 1988 i V m § 32 Z 2 EStG 1988).

2.) Verwirklichung des Tatbildes einer Hinterziehung am durch Abgabe der Steuererklärung 2010

Durch Abgabe der Steuererklärung 2010 vom hat der Bf im November 2011 das Tatbild der Hinterziehung von Abgaben i.S. des § 33 FinStrG verwirklicht. Es hat ihn bei Abgabe der Steuererklärung am die Anzeige- Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119, § 120 BAO) getroffen, die Bestattungskostenbeihilfe in Höhe von 4000 €, die er im Dezember 2010 erhalten hat, steuerlich zu erklären. In dem er den Erhalt dieser Bestattungskostenbeihilfe vom Oktober 2010 in seiner Steuererklärung nicht steuerlich erklärte, machte er es dem FA unmöglich, im Erstbescheid vom diese 4000 € der Einkommensteuerbemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Durch die Unterlassung der Erklärung des Erhaltes dieser Beihilfe in Höhe von 4000 € in seiner Steuererklärung 2010 vom November 2011 bewirkte der Bf somit im November 2011 eine Abgabenverkürzung . Er verwirklichte daher bei Abgabe der Steuererklärung 2010 vom November 2011 das Tatbild einer Abgabenhinterziehung.

Allerdings hatte der Bf im November 2011 keinen Vorsatz einer Abgabenverkürzung, weil nicht feststellbar ist, dass er bei Abgabe der Steuererklärung im November 2011 eine Abgabenpflicht im Zusammenhang mit der Bestattungsbeihilfe für möglich erachtet hat.

Auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vom betreffend ESt 2010 war kein Vorsatz einer Verkürzung von Abgaben feststellbar.

3.)Einlangen des Bescheides der Ärztekammer betreffend Gewährung der Bestattungsbeihilfe vom April 2012 :

Der Bf hätte zum Zeitpunkt des Einlangens dieses Bescheides der Ärztekammer im April 2012 bei ihm wegen dieses Bescheides die Steuerpflicht erkennen müssen, aber er übersah die Rechtsbelehrung , die die Steuerpflicht erläuterte, auf der zweiten Seite des Bescheides der Ärztekammer.

Daher hatte der Bf auch keinen Vorsatz im April 2012, im Jahr nach Einbringung der Steuererklärung und nach Ergehen des Erstbescheides. Der Bf hatte somit weder einen Vorsatz zur Zeit der Tathandlung (Steuererklärung 2010 vom November 2011) noch bis einschließlich April 2012 einen ohnedies rechtlich bedeutungslosen dolus superveniens.

Erstmals mit Erhalt des Schreibens des FA vom hat der Bf erkannt, dass die strittige Beihilfe steuerpflichtig sein könnte. Diese späte Erkenntnis war allerdings rechtlich gesehen bedeutungslos: Dolus superveniens non nocet.

4.) Daher hatte der Bf in Bezug auf die Bestattungskostenbeihilfe keinen Vorsatz der Hinterziehung von Abgaben. Daher kommt nur die Verjährungsfrist von 5 Jahren zum Tragen (§ 207 Abs 2 BAO)

5.) Verjährung:

Die Verjährungsfrist betreffend ESt 2010 begann mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen und lief zunächst bis zum Ablauf des Jahres 2015 (§ 207 Abs 2 BAO). Durch den Erstbescheid betreffend EST 2010 vom verlängerte sich die Verjährungsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2016 (§ 209 Abs 1 BAO). Da es im Jahr 2016 keine nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen gab, ist die Verjährung des Abgabenanspruchs 2010 im Jahr 2016 eingetreten (§ 209 Abs 1 BAO).

Das FA hatte daher nicht das Recht, den Wiederaufnahmebescheid vom zu erlassen.

6.)Unzulässigkeit einer Revision:

Es ist die Frage strittig, ob im Zusammenhang mit dem Erhalt einer Bestattungsbeihilfe einer Kammer der selbstständigen Erwerbstätigen die zehnjährige Verjährungsfrist wegen Hinterziehung (§ 207 Abs 2 BAO) Anwendung findet. Das Ermittlungsverfahren hat jedoch ergeben, dass ein Vorsatz des Bf nicht feststellbar war.

Erhebliche Rechtsfragen i.S. von Art 133 Abs 4 B-VG haben sich nicht ergeben. Daher ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7106427.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at