Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.11.2021, RV/7101787/2021

Haftung der Obfrau eines Vereines - schuldhafte Pflichtverletzung bestritten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Heinz Kobleder Steuerberatungs- gesellschaft m.b.H., Enzersdorfer Straße 25, 2340 Mödling, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Haftung gemäß § 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf folgende Abgabenschuldigkeit in Höhe von insgesamt € 21.687,86 eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Lohnsteuer
11/18
3.927,92
Lohnsteuer
01/19
3.536,56
Lohnsteuer
02/19
3.545,04
Lohnsteuer
03/19
3.545,04
Lohnsteuer
04/19
3.545,04
Dienstgeberbeitrag
11/18
1.042,15
Dienstgeberbeitrag
01/19
648,51
Dienstgeberbeitrag
02/19
630,76
Dienstgeberbeitrag
03/19
632,93
Dienstgeberbeitrag
04/19
633,92
Summe:
21.687,86

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin ***1*** (in der Folge kurz Bf. genannt) zur Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO i.V.m. §§ 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der ***2***, Adresse1 im Ausmaß von € 24.382,34 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten. Die Haftung wurde für folgende Abgabenschuldigkeiten ausgesprochen:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Lohnsteuer
2018
2.128,59
Lohnsteuer
11/18
3.999,92
Lohnsteuer
01/19
3.601,38
Lohnsteuer
02/19
3.610,02
Lohnsteuer
03/19
3.610,02
Lohnsteuer
04/19
3.610,02
Dienstgeberbeitrag
2018
168,35
Dienstgeberbeitrag
11/18
1.061,25
Dienstgeberbeitrag
01/19
660,40
Dienstgeberbeitrag
02/19
642,32
Dienstgeberbeitrag
03/19
644,53
Dienstgeberbeitrag
04/19
645,54
Summe:
24.382,34

Zur Begründung wurde nach Zitieren der bezughabenden Gesetzesbestimmungen ausgeführt, die Bf. sei als Obfrau der ***2*** zu deren Vertretung berufen gewesen.

Hinsichtlich der nicht bezahlten Lohnabgaben werde auf die Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG verwiesen. Auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer sei in jedem Fall zur Gänze abzuführen ().

Reichten die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so habe der gesetzliche Vertreter die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Da die Bf. also Ihren Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

-------

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende frist-und formgerechte Beschwerde der Bf. vom , mit welcher der Haftungsbescheid vollinhaltlich angefochten wird.

Richtig sei, dass die Bf. im Zeitraum - ***12*** Obfrau des Vereins ***2*** gewesen sei. Wie aus den bereits vorgelegten Statuten des Vereines hervorgehe, habe der Vereinsvorstand aus drei Mitgliedern bestanden, und zwar aus Obfrau, Kassier und Schriftführer sowie den jeweiligen Stellvertretern. Die Geldgebarung des Vereins und somit die Abwicklung der Gläubigerzahlungen inklusive Abgabenzahlungen sei in den Verantwortungsbereich des Kassiers gefallen. Die Bf. sei also Obfrau des Vereins nicht mit den Abgabenentrichtungen betraut gewesen und habe sich darauf verlassen, dass dieser Aufgabenbereich vom dafür verantwortlichen Vorstandsmitglied (Kassier) ordnungsgemäß vorgenommen werde.

Zum Zeitpunkt der Übernahme der Funktion als Obfrau Ende November 2018 bis zu ihrem Rücktritt von dieser Funktion am ***12*** habe am Abgabenkonto des Vereines kein Rückstand ausgehaftet. Da am Abgabenkonto kein Rückstand ausgewiesen gewesen sei, seien seitens des Finanzamtes auch keine Mahnungen verschickt worden, die die Bf. auf offenen Rückstände aufmerksam gemacht hätten.

In den ersten Monaten ihrer Tätigkeit als Obfrau habe sie daher keinen Grund gehabt daran zu zweifeln, dass der zuständige Vereinskassier die abgabenrechtlichen Verpflichtungen für den Verein ordnungsgemäß erfülle.

Ende März/Anfang April 2019 habe sich herausgestellt, dass budgetierte Förderzahlungen nicht in der geplanten Höhe kommen würden. Dadurch habe sich eine deutliche Verschlechterung der Liquiditätssituation des Vereins ergeben. Die Bf. habe nach Erkennen der Liquiditätsschwierigkeiten unverzüglich einen Wirtschaftsanwalt mit der Gemeinschuldnervertretung beauftragt. Gleichzeitig sei bei diesem Rat eingeholt worden, wie hinsichtlich weiterer gläubiger Zahlungen vorgegangen werden solle, wobei explizit angefragt worden sei, ob Abgabenzahlungen weiter getätigt werden sollten. Seitens des Gemeinschuldnervertreter sei in weiterer Folge folgende Auskunft erteilt worden:

"Betreffend die Frage, wann die Lohnsteuer zu zahlen, so empfehlen wir grundsätzlich diese zu begleichen, damit die öffentliche Stelle nicht vor uns den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt, da ihnen hierdurch die Möglichkeit eines Antrags auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung genommen werden würde. In Anbetracht der Tatsache, dass die niederösterreichische Gebietskrankenkasse bereits einen bewilligten Exekutionstitel erhalten hat, empfehlen wir dennoch die Forderung einstweilen, bis zum Vorliegen des Sanierungsplanes nicht zu begleichen."

Auf diese Auskunft hin seien seitens der Bf. keine Abgabenzahlungen mehr vorgenommen worden, da sie sich auf die Richtigkeit dieser Rechtsauskunft verlassen habe.

In seiner Entscheidung vom , 2003/14/0054, habe der EuGH in einem ähnlich gelagerten Fall Folgendes ausgeführt: "Vor diesem Hintergrund kann aber nicht dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht werden, er habe es zu verantworten, dass die Lohnsteuer für November 2001 uneinbringlich geworden ist bzw. - wie im Beschwerdefall - die der Lohnsteuer im Wesentlichen entsprechende Zahlung an den Masseverwalter zurückgezahlt wurde. Es trifft, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, zwar zu, dass die Betrauung eines Rechtsbeistandes den Geschäftsführer nicht zu entschuldigen vermag, "wenn" er seinen zumutbaren Information-und Überwachungspflichten nicht nachkommt. Inwiefern der Beschwerde für den Beschwerdefall aber seine Informationspflicht vernachlässigt hätte, ist unter Berücksichtigung des oben wiedergegebenen Berufungsvorbringens nicht erkennbar. Der Verwaltungsgerichtshof kann aber auch nicht finden, dass es dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen wäre, seinem Rechtsbeistand die Prüfung der Frage, unter welchen in der Rechtsordnung vorgesehenen Begleitmaßnahmen die in Betracht kommende Lohnsteuer zu entrichten ist, damit sie jedenfalls aus einer Anfechtung durch einen (nach allfälliger Eröffnung eines Konkursverfahrens bestellten) Masseverwalter standhält, zu überwachen."

Insgesamt zeige sich, dass der Bf. keine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei. Sie habe in den ersten Monaten ihrer Funktionsperiode darauf vertraut, dass das hierfür zuständige Vorstandsmitglied die abgabenrechtlichen Verpflichtungen erfülle und in weiterer Folge auf den Rates hinzugezogenen Gemeinschuldnervertreter vertraut. Da es somit auf Basis einer vertretbaren Rechtsauffassung gehandelt habe, sei ihr keine Pflichtverletzung vorzuwerfen.

Unter Hinweis auf die dargestellte Sach-und Rechtslage stelle die beschwerdeführende Partei den Antrag, der Haftungsbescheid vom möge aufgehoben werden.

-------

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das ***FA*** der Beschwerde der Bf. gegen den Haftungsescheid vom teilweise statt. Gemäß § 262 BAO wurde die Haftung auf nachstehende Abgabenschuldigkeit in Höhe von € 21.687,86 eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Lohnsteuer
11/18
3.927,92
Lohnsteuer
01/19
3.536,56
Lohnsteuer
02/19
3.545,04
Lohnsteuer
03/19
3.545,04
Lohnsteuer
04/19
3.545,04
Dienstgeberbeitrag
11/18
1.042,15
Dienstgeberbeitrag
01/19
648,51
Dienstgeberbeitrag
02/19
630,76
Dienstgeberbeitrag
03/19
632,93
Dienstgeberbeitrag
04/19
633,92
Summe:
21.687,86

Zur Begründung wurde ausgeführt:

"Sie waren von - ***12*** Obfrau des Vereins ***2*** und damit das zur Vertretung nach außen berufene Organ des Vereines und somit den Behörden für die gesetzmäßige Tätigkeit des Vereins verantwortlich.

Mit der Übertragung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen an den Kassier des Vereins wird der/die Vereins-obmann/-frau nicht von seinen/ihren Pflichten befreit. Maßgebend für die Haftung ist nämlich nicht, ob sie die Funktion tatsächlich selbst ausgeübt haben, sondern ob sie als Obfrau zur Vertreterin des Vereins bestellt waren und ihnen daher die Ausübung dieser Funktion oblag.

Mit Beschluss des LG ***3*** vom wurde das Insolvenzverfahren gegen den Verein eröffnet. Mit Beschluss vom wurden Schlussrechnung und Schlussverteilungsentwurf des Masseverwalters genehmigt, womit eine Konkursquote von 1,8% festgelegt wurde.

Die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben (L, DB) 2018 beruhen auf den Feststellungen einer GPLA-Prüfung und den dazu ergangenen Haftungsbescheiden vom womit Aushilfslöhne laut Buchhaltung pauschal für 2018 nachverrechnet wurden. Es wurden laut GPLA Prüfung ausschließlich in Jahresbeträgen angegeben und auch die dem Haftungsbescheid angeschlossenen Beilagen (Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom sowie Haftungsbescheide Lohnsteuer vom und Kopie der Niederschrift vom ) enthalten keine nähere Aufgliederung der Nachforderungen 2018.

Wie sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt (z.B. vom ,2013/16/0199), wird ein Beschwerdeführer bei Bekanntgabe der Lohnsteuer und des Dienstgeberbeitrages ausschließlich in Jahresbeträgen von der Abgabenbehörde nicht in die Lage gesetzt konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht vollständig abgeführt oder entrichtet hat und so den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen.

Gegenständlich wurde die Beschwerdeführerin daher nicht in die Lage versetzt vorzubringen, weshalb sie die nachverrechneten Lohnabgaben 2018 nicht abgeführt oder auch nicht gemeldet hat, weshalb die Haftungsinanspruchnahme dahingehend einzuschränken ist.

Die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 11/2018 und 1,2,3,4/2019 wurden verspätet gemeldet und nicht entrichtet.

Für diese wird auf die Bestimmung des § 78 EStG verwiesen.

Gemäß § 78 Abs.1 EStG 1988 ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten.

Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten ist, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag abzuführen. Gleiches gilt auch für den Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag.

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des voll vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Wird in einem solchen Fall die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen. Das Gleichbehandlungsgebot gilt für die Lohnsteuer nicht.

Da zwischenzeitig im Insolvenzverfahren des Vereines eine Quote von 1,8% ausgeschüttet wurde, war die Haftung für die Lohnabgaben 11/2018 und 1-4/2019 auf den die Quote übersteigende uneinbringliche Betrag laut Spruch einzuschränken."

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Mit Schriftsatz vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht sowie gemäß § 274 BAO auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Ergänzend wurde ausgeführt, der angefochtene Bescheid stehe im Widerspruch zur Judikatur des VwGH. Bereits in der Beschwerde sei vorgebracht worden, dass sich die Bf. auf die Richtigkeit der Rechtsauskunft des beigezogenen Wirtschaftsanwaltes verlassen habe.

Diesem Anwalt seien sämtliche Informationen über die streitgegenständlichen Abgaben gegeben worden.

Die Behörde sei diesem Vorbringen nicht entgegengetreten bzw. sei auf diese Argumentation nicht einmal eingegangen worden und habe damit eine unrichtige Ermessensübung hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme vorgenommen.

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Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Bf. aufgefordert, den Namen und eine ladungsfähige Adresse des Kassiers des Vereins ***2*** bekanntzugeben.

Weiters den Namen und die ladungsfähige Adresse des Wirtschaftsanwaltes bekanntzugeben, sowie wann und für welche Zwecke wurde dieser Wirtschaftsanwalt beauftragt wurde. Um Vorlage des Schriftverkehrs mit dem Wirtschaftsanwalt, aus welchen die Beratung in Bezug auf die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen hervorgeht, wurde die Bf. ebenfalls ersucht.

Weiters wurde der Bf. vorgehalten, für die Monate 11/2018 und 1-4/2019 seien offenkundig Löhne ausbezahlt worden, ohne die entsprechenden Lohnabgaben abzuführen. Sie wurde aufgefordert auszuführen, von wem im Verein die Entscheidungen getroffen worden seien, die Löhne zwar auszahlen, aber die dafür geschuldeten lohnabhängigen Abgaben (L, DB) nicht zeitgerecht zu den jeweiligen Fälligkeitstagen abzuführen.

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Mit Vorhaltsbeantwortung vom gab die Bf. durch ihren steuerlichen Vertreter die Adressen der potentiellen Zeugen (Kassier, Anwalt) bekannt und führt wie folgt aus:

"Die Beiziehung des Rechtsanwaltes erfolgte Anfang April 2019. Er wurde als rechtlicher Vertreter des Vereins und in weiterer Folge auch als Gemeinschuldnervertreter im Insolvenzverfahren beauftragt. Folgende Schriftstücke werden in diesem Zusammenhang vorgelegt:
- Schreiben vom (Beilage/1) aus dem dessen Auskunft hervorgeht, dass Gehaltszahlungen grundsätzlich getätigt werden können.
- Schreiben vom (Beilage/2) aus dem auf der letzten Seite die explizite Empfehlung hervorgeht, die Lohnsteuer nicht zu begleichen
- Schreiben vom (Beilage/3) aus dem die Vertretungsbefugnis hervorgeht.
- Antwortschreiben vom des Masseverwalters (Beilage/4)
- Schreiben vom (Beilage/5)
- Auszug Ediktsdatei aus der hervorgeht, dass der RA als Gemeinschuldnervertreter des Vereins agiert hat (Beilage/6).

Die Zahlungsabwicklung erfolgte durch den Kassier. Dieser Stand in Kontakt mit der extern geführten Buchhaltung.

Er hat die Zahlungen durchgeführt und war am Bankkonto zeichnungsberechtigt. Folgende Schriftstücke werden in diesem Zusammenhang vorgelegt:
- Stellungnahme Kassier zur allgemeinen Situation des Vereines vom (Beilage/7)
- Mail des Kassiers vom (Beilage/8) aus der hervorgeht, wie die Gehaltszahlungen abgewickelt wurden.
- Mail des Kassiers vom (Beilage/9) aus der ebenfalls hervorgeht, wie die Gehaltszahlungen abgewickelt wurden."

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In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht brachte der steuerliche Vertreter der Bf. ergänzend vor, dass auf Anraten des Rechtsanwaltes Dr. ***6*** die lohnabhängigen Abgaben vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entrichtet worden seien und sich die Bf. auf diese Rechtsauskunft verlassen habe.

Die Bf. habe den Verein aus einer Notsituation heraus übernommen, ihr Sohn habe damals die 7. Klasse besucht. Sie habe im Vornhinein deponiert, sich mit Betriebsführung nicht auszukennen und es sei ihr ein Buchhalter und auch der Kassier, Herr ***7***, sowie auch die Unternehmensberatung, Frau ***8***, zur Seite gestellt worden.

Es habe eine Übereinkunft zwischen Herrn ***7*** und der Bf. gegeben, dass alles was die Finanzen des Vereines betreffe, somit die komplette betriebliche Seite, von ihm gemeinsam mit der Unternehmensberatung und der Buchhaltung abzudecken sei.

Konkret sei der Bf. nicht zur Kenntnis gebracht worden, welche monatlichen Lohnabgaben gegenüber dem Finanzamt offen seien, sie habe nur gewusst, dass es offenen Posten gegenüber dem Finanzamt gebe. Zu diesen sei der Bf. versichert worden, dass bei späteren Eintreffen der Förderungen diese Posten beglichen werden sollten.

Mit Hilfe der Unternehmensberatung sei sehr schnell klar geworden, dass der Verein mit Zahlungen in Rückstand geraten und "das ganze Schiff" untergehen würde. Deswegen sei in der Folge auch sehr schnell die Insolvenz angemeldet worden.

Auf dem Bankkonto des Vereins seien der Kassier ***7***, die Bf. und die Direktorin zeichnungsberechtigt gewesen. Der Kassier habe eigenständig Überweisungen per Telebanking durchführen können. Die Bf. habe diese Überweisungen nicht gegengezeichnet, ob das die Direktorin gemacht habe, sei sie sich nicht sicher.

Der Bf. wurden die E-Mails vom und vorgehalten, mit welchen der Kassier des Vereins u.a. der Bf. bekannt gegeben habe, dass ab Jänner 2020 - um Kosten für Buchhaltung und Lohnverrechnung zu sparen - die Gehälter in Form von Akontozahlungen, basierend auf den Vormonaten, ausbezahlt würden und die Bf. daher ab zuverlässige Anhaltspunkte dahingehend gehabt habe, dass wegen mangelnder Liquidität des Vereines die laufenden lohnabhängigen Abgaben nicht zeitgerecht zu den jeweiligen Fälligkeitstagen (= maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt) entrichtet werden würden. Dazu führte die Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht aus, dass Rückstände generell - somit auch gegenüber dem Finanzamt - immer wieder Thema bei den Vorstandssitzungen gewesen seien. Aufgrund dieser E-Mail sei ihr schon klar gewesen, dass die monatlichen Lohnabgaben nicht pünktlich bezahlt würden. Dass Lohnabgaben vordringlich zu bezahlen seien, sei ihr auch von Beraterseite nicht gesagt worden.

Der Kassier des Vereines ***7*** sagte als Zeuge vor dem Bundesfinanzgericht unter Wahrheitspflicht aus, er sei für die Meldung und Entrichtung der gegenständlich relevanten lohnabhängigen Abgaben verantwortlich gewesen. Die Lohnverrechnung sei extern zunächst von einer Lehrerin mit Lohnverrechnungskenntnissen und später dann durch den Lohnverrechner ***9*** durchgeführt worden. Die Entscheidungen, welche Zahlungen zu welchen Terminen im Rahmen des Vereines geleistet werden, habe er persönlich unter Zuhilfenahme eines Unternehmensberaters und Buchhalters getroffen.

Der Vorstand sei von ihm in regelmäßigen Abständen von ca. 1-2 Monaten (sicher im Jänner und März 2018) und dann auch im April 2018, wo es dann schon finanziell eng geworden sei, informiert worden. Dazu legte der Zeuge den Bericht des Kassiers betreffend die Generalversammlung , den Bericht des Kassiers von der Vorstandssitzung und den Bericht des Kassiers vom vor. Die lohnabhängigen Abgaben würden sich in diesen Berichten nicht dezidiert finden, diese seien sicher auch nicht das Hauptthema gewesen.

Die Überweisungen per Telebanking habe er eigenständig durchgeführt, dazu habe es keiner Gegenzeichnung einer anderen Person des Vereines bedurft.

Im April 2019 habe sich in der Folge herausgestellt, dass die Förderungen geringer ausfallen würden als budgetiert und es seien intensive Kontakte mit der Rechtsanwaltskanzlei ***6*** aufgenommen worden, um zu klären, was bei drohender Insolvenzeröffnung nunmehr zu tun sei und welche Zahlungen geleistet werden könnten.

Die Entscheidungen, welche Zahlungen unmittelbar pünktlich bezahlt und welche hintangestellt werden würden, seien unter zur Hilfenahme der Unternehmensberatung vom Kassier getroffen bzw. ab April dann auch mit dem Rechtsanwalt Dr. ***6*** abgestimmt worden. Die Bf. sei in diese Entscheidungen nicht eingebunden gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO setzt zunächst die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin Verein ***2*** voraus. Mit Beschluss des Landesgerichtes ***3***, Aktenzeichen ***4***, vom ***10*** wurde das Konkursverfahren über das Vermögen dieses Vereines eröffnet. In diesem Konkurs wurden an die Konkursgläubiger eine Quote von 1,8 % ausgeschüttet. Mit Beschluss desselben Gerichtes vom ***11*** wurde in der Folge der Konkurs nach gegen die Genehmigung der Schlussrechnung aufgehoben. Es ist daher von einer Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen lohnabhängigen Abgaben im Ausmaß von 98,2% auszugehen. Im Ausmaß der Quote von 1,8% liegt eine Uneinbringlichkeit der hier relevanten lohnabhängigen Abgaben nicht vor und insoweit war der Beschwerde Folge zu geben.

Die Bf. war im Zeitraum bis zur Konkurseröffnung über das Vermögen des Vereins ***2*** am ***12*** dessen Obfrau. Laut Statuten dieses Vereines besteht der Vorstand aus mindestens 3 Mitgliedern, und zwar aus Obmann/Obfrau, Kassier(in) und Schriftführer(in) sowie den jeweiligen Stellvertretern.

Der Obfrau war nach den Statuten das höchste Leitungsorgan, ihr oblag zusammen mit der Direktion die Vertretung des Vereins nach außen.

Der Kassier war laut den im Akt befindlichen Statuten für die ordentliche Geldgebarung des Vereines zuständig.

Laut § 13 Ziffer 12 der Vereinsstatuten vertritt die Obfrau alle geschäftlichen Tätigkeiten, die Direktorin alle pädagogischen Tätigkeiten nach außen.

Welche Personen (bzw Organe) berufen sind, den Verein zu vertreten, richtet sich primär nach den Statuten des jeweiligen Vereins. Aus diesen müssen gem. § 4 Abs. 2 VereinsG die Organe des Vereins (§ 4 Abs. 2 lit g VereinsG) und die Angabe, wer den Verein nach außen vertritt (§ 4 Abs. 2 lit i VereinsG), zu entnehmen sein. Eine solche Vertretungsmacht kann dem gesamten Vorstand, aber auch nur einzelnen seiner Mitglieder zukommen ( mit Hinweis Krejci in Korinek/Krejci, Der Verein als Unternehmer, 93 ff, 99).

Eine Geschäftsverteilung (zB durch die Geschäftsordnung des Vorstandes eines Vereins), wobei zwischen mehreren vertretungsbefugten Personen eine Aufgabenteilung besteht, wirkt sich auf die Verantwortlichkeit der einzelnen Vorstandsmitglieder aus. Jedes Vorstandsmitglied trägt dann zunächst für sein ihm zugewiesenes Arbeitsgebiet die volle Verantwortung. Eine Arbeitsaufteilung bewirkt jedoch, selbst bei größer Spezialisierung, nicht, dass ein Vorstandsmitglied sich nur noch auf sein eigenes Arbeitsgebiet beschränken darf und sich um die Tätigkeit der anderen Mitglieder nicht mehr zu kümmern braucht. Die Pflicht zur unmittelbar verwaltenden Tätigkeit beschränkt sich zwar dann auf den eigenen Arbeitskreis, hinsichtlich der Arbeitskreise der anderen Vorstandsmitglieder ist sie eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) geworden. Besteht der Verdacht, dass im Arbeitsbereich eines anderen Vorstandsmitgliedes Missstände vorliegen, dann muss das Vorstandsmitglied sich einschalten, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden (). Freilich wäre es in einem solchen Fall Sache des zur Haftung in Anspruch genommenen (zur Vertretung nach außen berufenen) Vorstandsmitgliedes initiativ darzulegen, in welcher Weise die Aufgabenverteilung im Vorstand tatsächlich erfolgt ist und welche organisatorischen Vorkehrungen zur Kontrolle in diesem Sinne getroffen worden sind ().

Gemäß § 13 Ziffer 12 der Vereinsstatuten vertritt die Obfrau alle geschäftlichen Tätigkeiten, die Direktorin alle pädagogischen Tätigkeiten nach außen. Die Bf. war daher zu den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkten (= jeweilige Fälligkeitstage der hier relevanten lohnabhängigen Abgaben) zweifelsfrei die für die Abgabenentrichtung verantwortliche gesetzliche Vertreterin des Vereines und hat sich zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen mehrerer Erfüllungsgehilfen (Kassier des Vereines, Lohnverrechnung, Buchhaltung, Unternehmensberatung und letztlich auch der Rechtsanwaltskanzlei ***6***) bedient.

Die Bf. bringt vor, die Geldgebarung des Vereins und somit die Abwicklung der Gläubigerzahlungen inklusive Abgabenzahlungen sei in den Verantwortungsbereich des Kassiers gefallen. Die Bf. sei also Obfrau des Vereins nicht mit den Abgabenentrichtungen betraut gewesen und habe sich darauf verlassen, dass dieser Aufgabenbereich vom Kassier des Vereines ordnungsgemäß vorgenommen werde.

Der Kassier war laut den Statuten des Vereins ***2*** für die ordentliche Geldgebarung des Vereines zuständig, nicht aber für die Vertretung des Vereines nach außen.

Mit E-Mails vom und gab der Kassier des Vereins u.a. der Bf. bekannt, dass ab Jänner 2020 - um Kosten für Buchhaltung und Lohnverrechnung zu sparen - die Gehälter in Form von Akontozahlungen, basierend auf den Vormonaten, ausbezahlt werden. Von einer Entrichtung der lohnabhängigen Abgaben, welche schon mangels Berechnung auch nicht zeitgerecht entrichtet werden konnten, war in diesen Benachrichtigungen keine Rede.

Die Bf. hatte somit spätestens ab dem zuverlässige Anhaltspunkte dahingehend, dass wegen mangelnder Liquidität des Vereines und mangels Durchführung einer Lohnverrechnung die laufenden lohnabhängigen Abgaben nicht zeitgerecht zu den jeweiligen Fälligkeitstagen (= maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt) entrichtet wurden. Sie wäre daher bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt verpflichtet gewesen, bei Auszahlungen von Löhnen - unter Kürzung der Löhne - auch für eine Entrichtung der Lohnsteuer im Sinne des § 78 Abs. 3 EStG Sorge zu tragen bzw. zu den jeweiligen Fälligkeitstagen darauf zu achten, dass die Dienstgeberbeiträge nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgrundsatzes entrichtet werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (; ).

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre ().

Die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben (L, DB) 2018 beruhen auf den Feststellungen einer GPLA-Prüfung und den dazu ergangenen Haftungsbescheiden vom , im Rahmen derer Aushilfslöhne laut Buchhaltung pauschal für 2018 nachverrechnet wurden. Es wurden laut GPLA Prüfung ausschließlich in Jahresbeträgen angegeben und auch die dem Haftungsbescheid angeschlossenen Beilagen (Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom sowie Haftungsbescheide Lohnsteuer vom und Kopie der Niederschrift vom ) enthalten keine nähere Aufgliederung der Nachforderungen 2018. Die Bf. war ab Obfrau des Vereines und könnte daher nur für fällige Lohnabgaben ab November 2018 zur Haftung herangezogen werden. Aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes kann der Bf. eine schuldhafte Pflichtverletzung für die aliquot den Monaten November und Dezember 2018 (mit Fälligkeiten und ) zuzurechnenden lohnabhängigen Abgaben nicht angelastet werden, weil sie sich für die Lohnverrechnung im Jahr 2018 qualifizierter Erfüllungsgehilfen bedient hat und insoweit aufgrund der Aktenlage zu den jeweiligen Fälligkeitstagen und keine Anhaltspunkte dahingehend hatte, dass lohnabhängige Abgaben in Bezug auf Aushilfslöhne seitens der Lohnverrechnung nicht berechnet worden wären. Dies wurde ihr erst nach Konkurseröffnung mit Ergehen der Haftungsbescheide vom bekannt. Insoweit kann der Bf. somit keine schuldhafte Pflichtverletzung (auch nicht in Form eines Auswahlverschuldens, für das es keine Anhaltspunkte gibt) angelastet werden, sodass mit Beschwerdevorentscheidung vom der Haftungsausspruch für Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge 2018 zu Recht aufgehoben wurde.

Aus einer Stellungnahme des Vereinskassiers vom zum Zahlungsverhalten des Vereines geht Folgendes hervor:

"- Grundsätzlich erfolgten die Zahlungen monatlich zum jeweiligen Zahlungstermin.
- Bei Zahlungsstockungen (idR 13/14.) wurden unter Berücksichtigung von erwarteten Förderzahlungen sowie bei verzögerten Zahlungseingängen der Eltern die Zahlungen unter dem Augenmerk der Aufrechterhaltung des Schulbetriebs beglichen. In der Vergangenheit wurden die Rückstände mit Förderungseingang beglichen.
- Ende März, Anfang April 19 wurde ersichtlich, dass die Förderzahlungen NICHT in der geplanten/budgetierten Höhe kommen würden, wie sie mit Übernahme der Ehrenämter seitens der Schulleitung angekündigt waren. (Dies lässt sich mittels schriftlicher Dokumentation nachvollziehen und hat seine Gründe in einer zu positiven Einschätzung der Förderbeiträge, wie auch in fehlerhafter Auslegung von Förderungsmöglichkeiten/-inhalten.)
- Sofortige Rettungsversuche und Abstimmung mit Experten (Anwälten, Wirtschaftsberatern beigestellt durch einen Elternteil, der Gemeinde) erfolgten.
- Aufgrund der drohenden Insolvenz wurden auf Anraten eines hinzugezogenen Rechtsanwalts nur mehr Zahlungen getätigt, die unmittelbar mit der Abwicklung des Schulbetriebs erforderlich waren.
- Schließlich wurden mit die Insolvenz beantragt.
- Zu diesem Zeitpunkt war Gläubigerbevorzugung das Thema, das mit großer Sorgfalt entsprechend den juristischen Ratschlägen vom Vorstand verfolgt wurde.
- Seitens der Schulleitung und gleichzeitigen Gründerin der Schule wurde mit diesem Datum an einem Konzept der Weiterführung gearbeitet. Vereinstechnisch wurde der Rücktritt der Obfrau und des Kassiers mit Beendigung des Insolvenzbetriebes angekündigt und
***12*** bestätigt.
- Mit einem Kontostand von etwa € 6.000,00 sowie noch zu erwarteten Förderungen wurden sämtliche Unterlagen an den Masseverwalter übergeben.
- Offene Zahlungen an das Finanzamt schienen in der "Offenen Posten" Liste auf. Damit wäre eine Zahlung an das Finanzamt durch den Masseverwalter prinzipiell möglich gewesen.
- Ab dem Zeitpunkt der Übergabe an den Masseverwalter konnte der Vorstand keine Zahlungen mehr durchführen.
- Generell wurde in den Zeiten der Zahlungsstockung Rechnungen beglichen, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig waren, mit der Absicht die offenen Rechnungen bei Erhalt der Förderungen zu begleichen. - In diesem Zusammenhang kam es zu keiner Bevorzugung von Gläubigern.
- Mit Bekanntwerden der möglichen Insolvenz wurden nur mehr Zahlungen unter Hinweisen des Rechtsanwalts durchgeführt (Korrespondenz mit Masseverwalter und Anwalt). Damit kann von keiner Bevorzugung von Rechnungen gegenüber dem Finanzamt durch den Vorstand des Vereins gesprochen werden."

Da die Bf. somit ab Anfang Jänner 2019 als Obfrau des Vereines Kenntnis des Umstandes hatte, dass eine Lohnverrechnung bis zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen lohnabhängigen Abgaben nicht erfolgen werde und somit auch die haftungsgegenständlichen lohnabhängigen Abgaben (L, DB) nicht zu den jeweiligen Fälligkeitstagen durch den dafür zuständig Kassier entrichtet werden, lagen ihr Anhaltspunkte für abgabenrechtlichen Pflichtverletzungen des Kassiers vor und es wäre nunmehr an ihr gelegen, vor den jeweiligen Fälligkeitstagen entsprechende Erkundigungen bei hierfür qualifizierten Stellen (Steuerberater, Finanzamt, Gebietskrankenkasse) einzuholen und entsprechend der Bestimmung des § 78 Abs.3 EStG bei der Abfuhr der Lohnsteuern ab Jänner 2019 bzw. - bei Nichtvorhandensein ausreichender liquider Mittel für die volle Entrichtung der übrigen hier gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten - nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorzugehen bzw. eine derartige Vorgangsweise zu veranlassen.

Wenn seitens der Bf. weiters vorgebracht wird, sie habe sich auf die Richtigkeit der Rechtsauskunft des beigezogenen Wirtschaftsanwaltes verlassen, so ist dem wie folgt zu begegnen:

Nach den von der Bf. vorgelegten Auskunftsschreiben vom und der Firma ***5*** GmbH bezog sich die an Beratung auf die Verhaltensweise der Organe des Vereines im Vorfeld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht auf abgabenrechtlichen Belange.

Auch zur Frage, wann die Lohnsteuer zu zahlen sei, wird im Anwaltsschreiben vom eine insolvenzrechtliche Belehrung erteilt, diese grundsätzlich zu begleichen, damit die öffentliche Stelle nicht vor dem Verein den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt, da ansonsten hierdurch die Möglichkeit eines Antrags auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung genommen werden würde. In Anbetracht der Tatsache, dass die niederösterreichische Gebietskrankenkasse bereits einen bewilligten Exekutionstitel erhalten hat, empfiehlt die Anwaltskanzlei dennoch die Forderung einstweilen, bis zum Vorliegen des Sanierungsplanes, nicht zu begleichen. Wie bereits ausgeführt, ist der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung und somit ein Haftungstatbestand gemäß § 9 Abs. 1 BAO gegeben ist, der Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten. Die am offenen lohnabhängigen Abgaben waren jeweils am 15. der Vormonate fällig und wie bereits ausgeführt, ist der Bf. eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zu den jeweiligen Fälligkeitstagen anzulasten. Eine spätere Auskunft eines Rechtsanwaltes, welche sich auf insolvenzrechtliche Vorschriften bezog, kann die Bf. nicht vom Vorliegen einer schuldhaften Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten befreien.

Die (insolvenzrechtliche) Beratung des Anwaltes (Forderungen an Lohnsteuer einstweilen, bis zum Vorliegen des Sanierungsplanes, nicht zu begleichen) im Vorfeld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezog sich auf bereits fällige gewesene Lohnsteuern und nicht auf die am und fällig gewordenen lohnabhängigen Abgaben (L, DB 3/2019 und 4/2019), sodass sie die Bf. auch insoweit nicht vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung befreien können.

Eine fälligkeitstagbezogene Gleichbehandlung der Finanzamtsverbindlichkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten des Vereines hat die Bf. nicht behauptet. Ihr war sicher klar, dass vorrangig Zahlungen (insbesondere Lohnzahlungen) zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebes getätigt wurden und auf diese Art und Weise die hier gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zur Gänze unberichtigt geblieben.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht von einer schuldhaften Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch die Bf. ausgegangen.

Die Inanspruchnahme zur Haftung setzt weiters voraus, dass die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kausal für die erschwerte Einbringlichkeit ist.

Bei schuldhafter Pflichtverletzung darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände annehmen, dass die Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit ist (zB ; ; , 0178).

Die Heranziehung zur Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist ().

Ermessensentscheidungen sind nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgabe" beizumessen (Hinweis E , 2003/17/0132). Kommen mehrere Haftungspflichtige in Betracht, so ist die Ermessensentscheidung, wer von ihnen in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen (Hinweis E , 92/17/0186; E , 91/17/0047). Hiebei ist die Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde maßgeblich ().

Im gegenständlichen Fall stellt die Haftungsinanspruchnahme der Bf. nach der Aktenlage die einzige Möglichkeit zur Einbringlichmachung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten dar, sodass Zweckmäßigkeitserwägungen in Form des Interesses der Allgemeinheit in der Einbringlichmachung der Abgabenschuldigkeit, (von der Bf. ohnehin nicht vorgebrachten) Billigkeitserwägungen etwa dahingehend, dass die Bf. ehrenamtlich und uneigennützig als gesetzliche Vertreterin des Vereines tätig war, bei der Ermessensübung der Vorrang zu geben war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und hatte die Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101787.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at